Antrag auf Einrichtung eines DFG-Schwerpunktprogrammes
Fassung Oktober 2015
Transottomanica:
Osteuropäisch-osmanisch-persische
Mobilitätsdynamiken
Programmausschuss
Koordination
Prof. Dr. Stefan Rohdewald (GiZo, Historisches Institut, Osteuropäische Geschichte, JLU Gießen)
(Sprecher)
Weitere Mitglieder
Prof. Dr. Stephan Conermann (Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung
Islamwissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
Prof. Dr. Albrecht Fuess (Centrum für Nah- und Mittelost-Studien, Islamwissenschaft, PhilippsUniversität Marburg)
Prof. Dr. Markus Koller (Geschichte des Osmanischen Reichs und der Türkei, Ruhr-Universität
Bochum)
Prof. Dr. Suraiya Faroqhi (İstanbul Bilgi Üniversitesi, Department of History, Istanbul, em. LMU
München)
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Antrag auf Einrichtung eines DFG-Schwerpunktprogrammes
Transottomanica: Osteuropäisch-osmanisch-persische Mobilitätsdynamiken
1 Zusammenfassung
Gesellschaftliche und (trans)kulturelle Verflechtungen zwischen dem Moskauer Reich bzw.
Petersburger Imperium, Polen-Litauen, dem Osmanischen Reich sowie Persien von der frühen
Neuzeit bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sind bisher nicht systematisch untersucht
worden. Mit dem Augenmerk auf durch Mobilität entstandene „transosmanische“ Interaktionsfelder
zwischen diesen Herrschaftsgebieten sollen im großräumigen Zusammenhang Phänomene erkennbar
werden, die bisher in der Betrachtung einzelner Regionen oder nur bilateraler Beziehungen nicht in
den Vordergrund getreten sind. Der auch methodisch neue Zugang verspricht, unser Verständnis
globalisierter europäischer und asiatischer Geschichte im transkontinentalen Zusammenhang zu
verändern. Zudem können wir mit dieser Fragestellung den wissenschaftlichen Austausch zwischen
mehreren Wissenschaftsdisziplinen intensivieren, die bisher öfter parallele als gemeinsame Wege
gegangen sind. Anstatt „eine“ Region zu konstruieren, rücken wir mehrere Handlungs- und
Diskurszusammenhänge durch den gemeinsamen Zugriff über die Linse Mobilität ins Zentrum des
Interesses. Unsere ‚post-regionalwissenschaftliche‘ Perspektive (5.3) erlaubt dabei eine Orientierung
an konkretisierten, durch das Erfahren, Imaginieren und Handeln von Menschen in jeweils thematisch
definierten Kontexten konstituierten, nicht deckungsgleichen Räumen: Wir konzentrieren uns auf
Vorgänge der Migration, der Wissenszirkulation, des Reisens, des Handels und der Mobilität ganzer
Gesellschaften zwischen dem Zarenreich, Polen-Litauen, dem Osmanischen Reich und Persien in
relationalen sozialen Räumen mit jeweils stark unterschiedlicher Reichweite. Da wir uns auf
wissenschaftlich unentdecktem Terrain bewegen, betreiben wir mit den geplanten
Forschungsschneisen vorerst Grundlagenforschung. Auf der Basis der Ergebnisse der ersten Phase
sollen für eine zweite Phase Methodenwerkzeuge für ein neues Theoriedesign entwickelt werden, das
den spezifischen Anforderungen unseres Forschungsgegenstandes Rechnung tragen soll (vgl. 5.2,
5.4.3).
Der Untersuchungszeitraum des beantragten Schwerpunktprogramms beginnt im frühen 16.
Jahrhundert, als sich das Osmanische Reich durch die Expansion im nördlichen und östlichen Afrika,
den Eroberungen in Ostmitteleuropa und der Machtausdehnung im Nahen und Mittleren Osten zur
überregionalen Drehscheibe „transosmanischer“ Interaktionszusammenhänge entwickelte. Im Verlauf
des 19. Jahrhunderts wurde das ins Zentrum gerückte Gebiet jedoch in veränderte bzw. neue
Kommunikations- und Handlungsräume integriert, als die europäischen Großmächte ihren politischen
und wirtschaftlichen Einfluss zunehmend ausbauen konnten. Die Mobilitätsdynamiken- und Strukturen
ließen transosmanische Raumkonfigurationen an Bedeutung verlieren und in zunehmend globale und
nationalisierte Kontexte auf- und übergehen. Das Programm verfolgt diese Übergänge bis zum Beginn
des 20. Jahrhunderts. Es soll die Beantragung von bis zu 18 Einzelprojekten ermöglichen.
2 Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten
2.1 Stand der Forschung (regional gegliedert)
2.1.1 Die gesamte Großregion übergreifende Verflechtungszusammenhänge
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat die historische Forschung neue Zugänge entwickelt, die den
lange Zeit dominierenden eurozentrischen Blick auf den Untersuchungsraum des beantragten
Schwerpunktprogramms zunächst zugunsten einer Geschichte veränderten, in der die
vorkolonialistische Wahrnehmung Asiens (Osterhammel 2000) und auch das Osmanische Reich in
seinen vielfältigen Vernetzungen mit der umgebenden Staatenwelt (Faroqhi 2004, für Persien:
Floor/Herzig 2012) oder im Rahmen strukturgeschichtlicher Vergleiche (Birdal 2011) dargestellt
werden. In den vergangenen Jahren sind neue Ansätze für europäische Geschichtsnarrative
erkennbar geworden, die – zumindest für bestimmte Zeiträume – das Osmanische Reich in einen
gesamteuropäischen Kontext integrieren (Goffman 2003, Koller 2015a). Allerdings werden in der
Mehrzahl dieser Studien die Verflechtungszusammenhänge mit den im Antrag als
„transosmanisch“ bezeichneten Handlungsfeldern kaum thematisiert. Auch die vergleichende
Imperienforschung hat diese Dynamiken nur randständig berücksichtigt (von Hirschhausen/Leonhard
2011). Ansätze einer weiterführenden Verflechtungsgeschichte sind jüngst im Hinblick auf
militärtechnische Entwicklungen (Ágoston 2005), Strategien der Herrschaftslegitimation (Babayan
2002),
religionsgeschichtliche
Entwicklungen
(Reichmuth
unveröffentlicht)
und
diplomatiegeschichtliche Aspekte (Połczyński 2014) vorgelegt worden. Insgesamt dominieren jedoch
auf bestimmte regionale Kontexte bezogene Studien, wie der aus diesem Grund regional gegliederte
folgende Forschungsüberblick verdeutlicht. Wie dieser kurzen Aufzählung bereits zu entnehmen ist,
lag der bisherige Schwerpunkt themenübergreifender Arbeiten auf Militärischem, Politischem und
Diplomatischem. In diesem SPP sollen diese Thematiken in der ersten Phase deshalb – mit der
Ausnahme besonders innovativer Projekte – weniger stark gemacht werden. Für Phase 2 ist eine
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weitere thematische Öffnung zu diesen Bereichen möglich.
Ziel des Schwerpunktprogramms ist es, ausgehend von dieser oft nur bilateralen Verortung
historischer Phänomene diese im großräume- und epochenübergreifenden Zugriff in einen neuen
Zusammenhang und auf eine neue (auch: theoretische) Grundlage zu stellen.
2.1.2 Ostmitteleuropa: Polnisch-ukrainisch-osmanische Verflechtungszusammenhänge
Während Beziehungen zwischen den Habsburgern und den Osmanen in der Forschung seit langer
Zeit große Aufmerksamkeit genießen (z.B. Tietze 1985; Strohmeyer/Spannenberger 2013) und
deshalb hier nicht im Vordergrund stehen sollen, wird in entsprechenden Werken das östliche Europa
außerhalb des Osmanischen Rechs meist ausgeklammert. Insbesondere Polen-Litauen stand bei der
Untersuchung osmanisch-europäischer Beziehungen oft im Schatten der osmanisch-habsburgischen
Beziehungen (z.B. Schmidt-Haberkamp 2011). Erst jüngst konnte eine Forschergruppe des GWZO
Leipzig richtungweisende Bände zu Perzeptionen und Interaktionen zwischen dem Osmanischen
Reich und Ostmitteleuropa (Born/Puth 2014) bzw. zu Vasallenstaaten dieser Region
(Kármán/Kunčević 2013) vorlegen. Dennoch ist das Verhältnis der Staaten des östlichen Europa zum
Osmanischen Reich weiterhin wenig untersucht, obwohl die Beschäftigung mit den politischen und
diplomatischen Beziehungen zwischen Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich sowie dem
Khanat der Krim (Klein 2012) durch die kommentierten Quellenausgaben von Dariusz Kołodziejczyk
(2000, 2011) und weitere Beiträge (Kangal 1999) etwa zu diplomatischen Beziehungen (Dziubiński
2005, Wawrzyniak 2003, Şaşmaz 2012) und zum Handel (Dziubiński 1998) sowie zur Adelskultur und
Repräsentation der Türkenkriege (Jagodzinski 2013, Leuschner/Wünsch 2013) und auch in einem
Sammelband, der anlässlich des 600. Jahres diplomatischer Beziehungen zwischen Polen und der
Türkei bzw. dem Osmanischen Reich erschien (Ölçer/Majda/Tanındı 2014), jüngst auf eine neue
Grundlage gestellt worden sind. Auch noch fortzuführende Untersuchungen zur polnischen Emigration
nach Konstantinopel in der Folge der Teilungen Polen-Litauens liegen in ersten Ansätzen vor
(Dopierała 1983, Łątka 1997). Erst wenige der teilweise umfangreichen Reiseberichte oder
historiographischen Quellen sind wissenschaftlich editiert worden (z.B. Gruneweg oder des Armeniers
Simeon von Polen).
Seit dem späten 14. Jahrhundert war die Allianz des Großfürstentums Litauen mit den Tataren
maßgeblich für die Ausweitung des Herrschaftsgebietes an die Schwarzmeerküste gewesen. Bis in
die Gegenwart zeugen einige Tausend Muslime, die Teil des polnisch-litauischen Adels geworden
waren, von der Dauerhaftigkeit dieser Beziehung. Auch das Krimkhanat, das auch nach der
Einrichtung der osmanischen Oberherrschaft 1475 ein weitgehend selbständig vorgehender Akteur
blieb, wenngleich es zunehmend in osmanische Politik eingebunden wurde, hat zuletzt als Zentrum
überregionaler Verflechtungen neue Aufmerksamkeit gewonnen (Klein 2012). Auch polnischosmanisch-krimtatarische Friedensverträge sind noch nicht zur Genüge erforscht (Rohdewald im
Druck, zum Austauch von Geschenken: Grygorieva 2010), gleiches gilt für den umfangreichen und
von zahlreichen Akteuren, namentlich aber den Tataren und den Kosaken betriebenen
Menschenhandel. Die Geschichte des ukrainischen Hetmanats ist gleichfalls mit Gewinn als
Verflechtungsgeschichte bzw. nicht ohne die osmanische und die krimtatarische Komponente sowie
das Verhältnis zu Moskau verständlich. Forschungen zur ukrainischen Geschichte als Laboratorium
für transnationale Geschichte wurden unlängst eingefordert (Ther/Kasianov 2009).
2.1.3 Osteuropa: Russländisch-osmanische Verzahnungskontexte
Nach dem Fall Konstantinopels begann das Moskauer Reich auch gerade im Kontakt zum
Osmanischen Reich und zu Polen-Litauen aus dem Schatten der Goldenen Horde zu treten sowie
sich als neue regionale und koloniale Macht zu konstituieren (McNeill 1964, Khodarkovsky 2002). Von
der Theorie Moskaus als „Drittes Rom“ (Poe 2001) über Katharinas „Griechisches Projekt“ (Hösch
1964) bis zur „Meerengenfrage“ im Zeitalter des Imperialismus (Geyer 1977) wurde der Mythos
Konstantinopel immer wieder aufgegriffen. In der Eroberung der Hauptstadt des Osmanischen
Reiches wurde am Vorabend des Ersten Weltkrieges gar eine „historische Aufgabe“ gesehen. Im 16.
Jahrhundert übernahm Moskau unter osmanischem bzw. tatarischen Einfluss höfische und
administrative Praktiken (Ostrowsky 1998). Die Orthodoxe Kirche im Osmanischen Reich war zwar
gewissermaßen eine osmanische Institution, sie war aber auch durch enge Beziehungen direkt mit
Moskau verbunden und betrachtete das entstehende Russländische Reich bald als eine Schutzmacht
(Kraft 1995). Die Erforschung der Beziehungen der Patriarchen mit den Zaren steht noch ganz am
Anfang (Tchentsova 1998). Auch Handelsbeziehungen, insbesondere mit Luxusgütern, sind bisher
erforscht worden (Bushkovitch 1980, Bennigsen/Lemercier-Quelquejay 1970, 1975, 1978). Kantemir
wurde als gelehrter Akteur zwischen den Imperien hervorgehoben. Mit der Ausweitung des
Petersburger Imperiums an das Schwarze Meer (Neurussland) und der Annexion der Krim sowie
weiterer Gebiete Polen-Litauens fand auch die Entwicklung des Zarenreiches zur europäischen Großund Kolonialmacht nicht zuletzt in der Konkurrenz zu bzw. in den Kriegen mit Polen-Litauen sowie
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dem Osmanischen Reich statt (Anderson 1983, LeDonne 2004, Lieven 2000, Stevens 2007, zu
russländisch-polnischen Verzahnungen: Zernack 1994). Die „Orientalische Frage“ spielte in den
Diskursen der Westler und Slavophilen sowie der Panslavisten eine zentrale Rolle (Jelavich 1991).
1854 wurde an der St. Petersburger Universität eine Orientalische Fakultät (Fakultät für östliche
Sprachen) eingerichtet. Pilgerfahrten in den christlichen Osten und die Beziehungen zum Patriarchat
in Konstantinopel im 19. Jahrhundert (Gerd 2014) erfuhren ebenso viel Interesse wie
wissenschaftliche Expeditionen in das osmanische Europa (Bohn 1992). Genauso fanden Russland
und Zentralasien am Vorabend des Ersten Weltkrieges ein Echo in osmanischen Periodika (Adam
2002). Forschungen zu krimtatarisch-russländisch-osmanischen Beziehungen (Fisher 1970, 1998,
1999) bzw. zur Ausweitung Russlands in die Steppe am Schwarzen Meer (Sunderland 2004, Davies
2007, 2011) und osmanisch-russische diplomatische Beziehungen bzw. die Orientalische Frage
(Frary/Kozelsky 2014) sind auch deshalb weiterhin von Interesse, genauso wie Editionen
(Itzkowitz/Mote 1970) oder exemplarische Studien zu einzelnen Akteuren (Aksan 1995). Im Rahmen
der imperialen Festigung sind auch Griechen in russländischen Diensten Gegenstand der Forschung
geworden (Pappas 1991). Untersuchungen zu modernen Identitätsprojekten wie Turkismus und
Panturkismus im Russländischen Reich sowie im Osmanischen Reich fokussieren nicht mehr nur auf
den Krimtataren Ismail Gasprinskij/Gaspıralı (Landau 1995, Noack 2000, Jobst 2007), sondern auf
transimperiale Beziehungen (Meyer 2014, Williams 2001).
2.1.4 Persisch-osmanische Interaktionen
Kulturelle Beziehungen zu Persien waren grundlegend für die Herstellung seldschukischer wie auch
später osmanischer Herrschaft. In komplexen Verfahren kultureller Translation wurden nicht nur
byzantinische, sondern vornehmlich nahöstliche sowie persische Praktiken der Macht adaptiert,
wovon nicht nur der persische Einfluss auf die Osmanische Schriftsprache zeugt. Anfang des 16.
Jahrhunderts kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Mamluken, Osmanen und Safawiden,
deren kriegerische Aspekte bisher im Zentrum der Forschung standen (Allouche 1983, BacquéGrammont 1987). Das expandierende Safawidenreich unter Schah Isma’il mit seinem schiitischmessianistischen Anspruch stellte wegen seiner fanatischen Anhängerschaft, den eine heterodoxe
Deutung des Islam vertretenden „Kızılbaş“ (Rotköpfen), innerhalb des östlichen Teils des
Osmanenreichs eine große Herausforderung für die Osmanen dar (Sohrweide 1965). In der
zwischenimperialen Konkurrenz und im Krieg (Olson 1975) festigte sich die Differenz zwischen
sunnitischer und schiitischer Konfession. Die safawidische Präsenz in Kleinasien und in
Mesopotamien wurde durch Istanbul argwöhnisch beobachtet, gleichzeitig blieben die heiligen Stätten
in Mekka und Medina auch für persische Pilger zugänglich (Faroqhi 2004: 41, 54f.) Die osmanische
Hofgesellschaft blieb trotz der konfessionellen Streitigkeiten an persischen sozialen Praktiken
ausgerichtet. Eine gesamteuropäische oder überregionale Verortung des Osmanischen Reiches hat
diese Beziehungen stärker zu berücksichtigen (Faroqhi 2004, 10). Einige persische Sunniten gerade
aus den Grenzgebieten zum Kaukasus konnten in der osmanischen Staatsverwaltung Karriere
machen. Die Herrschaft der Aq Qoyunlu über weite Teile Südostanatoliens, Azerbaidschans und des
Irans (Woods 1976) steht für einen Kreis von tributpflichtigen Gebieten, die mit den Vasallenstaaten
des Osmanischen Reiches im Übergang von Südosteuropa zu Ostmitteleuropa vergleichbar sind (vgl.
Motika/Ursinus 2000, Ateş 2013). Nur wenige Berichte von Reisenden aus Persien oder dem
Kaukasus ins Osmanische Reich sind bekannt, noch weniger liegen in edierter Form vor (Faroqhi
2004: 12, 182). Sozial- und wirtschaftsgeschichtlich erforscht sind Netzwerke armenischer Kaufleute
aus Neu Julfa über Aleppo, Bursa und Smyrna (Aslanian 2011, Baghdiantz/McCabe 1999).
Kriegsbeziehungen sind auch sozial- und kulturgeschichtlich weiter zu erforschen (Eravcı 2009, 2011).
Neuere Forschungen verweisen auf die Bedeutung Anatoliens als fluide Kontaktzone, die zur
Genese neuer Identitäten, besonders im religiösen Bereich, beigetragen hat. Die aus der Zeit der
turkmenischen Herrschaften des 15. Jahrhunderts tradierten Raumvorstellungen wurden auch unter
der imperialen Neuordnung nicht vollständig überwunden (Küçükhüseyin 2011, Karakaya-Stump 2008,
Posch 2013). Mit der Etablierung kadscharischer Herrschaft seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert
entideologisierten sich die persisch-osmanischen Beziehungen. Neue Handelswege verstärkten
Routen über das Schwarze Meer und den Kaukasus, zugleich erfolgte die Eingliederung der persischschiitischen Diaspora im Irak (Werner 2000, Litvak 1998).
2.1.5 Mesopotamisch-osmanisch-safawidische Verflechtungen
In der osmanisch-persischen Konkurrenz gelang es den Osmanen zu Beginn des 16. Jahrhunderts
überdies, auch am Mittelmeer zu expandieren und das bis Ägypten und Arabien reichende
Mamlukenreich 1516 und 1517 zu erobern. Unter den Osmanen blieb Ägypten das Zentrum der
arabischen Welt und islamischer Gelehrsamkeit sowie Knotenpunkt vieler Handelswege (BehrensAbouseif 1994, Hanna 2003). Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts waren die osmanischen Sultane in
ihrem Selbstverständnis „Sultane der Araber, der Perser und der Rūm“. Jüngst wurde
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herausgearbeitet, wie die Osmanen nach diesen Erfolgen ein Flottenbauprogramm begannen, um
nach Südasien auszugreifen und den safawidischen Riegel zu umgehen (Casale 2010). Anfang des
17. Jahrhunderts machte sich aber zunehmend der holländisch-britische Einfluss bemerkbar. Die
früheren Seemächte Portugiesen, Spanier und Osmanen wurden auf den Weltmeeren zurückgedrängt.
Die den Safawiden nachfolgende Dynastie der Kadscharen (1779-1925) nahm für sich in Anspruch,
von „Kızılbaş“ abzustammen und hatte damit eine anti-osmanische Agenda, ohne größere militärische
Auseinandersetzungen mit den Osmanen aufzunehmen. Dennoch verloren beide Reiche an Einfluss
gegenüber dem Russländischen Reich, das die Kontrolle über den Kaukasus (Motika/Ursinus 2000)
und die Krim erlangte. Im östlichen Mittelmeer ging die Schwäche der Osmanen soweit, dass ihre
traditionellen Verbündeten, die Franzosen, 1798 unter Napoleon in Ägypten landeten, um das
britische Indien zu bedrohen. Das „Great Game“ begann, regionale Akteure spielten nur mehr
untergeordnete Rollen (z.B. Wynn 2003). Erst jüngst mehren sich Studien, die lokale, regionale
Entwicklungen (Reinkowski 2005, Büssow 2011) und vornehmlich Stadtgeschichte komparatistisch in
überregionale Zusammenhänge einordnen (z.B. Göyünç/Hütteroth 1997, Hanssen/Philipp/Weber
2002, Çelik 2008, Weber 2009, Zandi-Sayek 2012).
2.1.6 Persisch-russische Verzahnungen
Mit der Eroberung des Khanats von Kazan’ 1552 und Astrachans durch Ivan IV. 1554 inkorporierte der
Moskauer Staat Teile der muslimischen Eliten in seinen Adel und wurde zu einem direkten
Konkurrenten im Einflussgebiet der persischen Safawiden um das Kaspische Meer (Khodarkovsky
2002). Wie zuvor gab es wichtige Handelsverbindungen zwischen den beiden Herrschaftsverbänden,
namentlich für Seide, die etwa von armenischen Kaufleuten aber möglicherweise auch von Tataren
getragen wurden (Matthee 1999, Baghdiantz/McCabe 1999, Aslanian 2011, Troebst 2012). Persischpolnische Beziehungen der Frühneuzeit sind erst kürzlich ins Blickfeld der Forschung geraten
(Połczyński im Druck). Russländisch-persische Beziehungen wurden bisher hauptsächlich im Umfeld
der Kriege und einzelner Gesandtschaften untersucht (Bournoutian 2014). Für das späte 19.
Jahrhundert standen bisher globale imperiale Verflechtungen der Machtpolitik zwischen
Großbritannien und Russland, aber auch des Osmanischen Reichs im Streit um den Einfluss in der
Region einschließlich Zentralasiens im Vordergrund (Kazemzadeh 1968, 2013, Kent 1996, Brower
1997, Saray 2003; Andreeva 2010).
Mit dem russischen Vordringen in die erweitere Region des Kaukasus seit dem 18.
Jahrhundert veränderten sich die persisch-russischen Verzahnungen dramatisch. Georgien spielte
dabei in seiner Doppelidentität als persischer (islamicate) Vasallenstaat und christliches Königreich
eine besondere Rolle. Die Rekrutierung von Eliten folgte dabei nur sehr bedingt Mustern mamlukischosmanischer Militärsklaverei (Maeda 2003). Die Khanate von Ganja, Erivan, Shirvan etc. bildeten mit
faktischer Unabhängigkeit und multiethnischer, multireligiöser und polyreligiöser Bevölkerung eine
Pufferregion im Kleinen zwischen Osmanen, Persien und Russland.
Die Forschung zu Verzahnungen in den beschriebenen Interaktionsfeldern wurde hier – entsprechend
ihrem aktuellen Stand – nach Regionen und bilateralen Beziehungen gegliedert dargestellt.
Ausgehend von diesen Grundlagen soll das Schwerpunktprogramm ein neues Bild erstellen, das die
Handlungsfelder in den übergreifenden, „transosmanischen“ Blick nimmt und neue Kontexte herstellt.
2.2 Vorarbeiten der Initiatoren (alphabetisch)
Im Rahmen des BMBF-Kompetenznetzwerk („Area Studies“) „Crossroad Asia: Konflikte – Migration –
Entwicklung“ (2011–2016) beschäftigt sich Stephan CONERMANN seit längerem mit
Verflechtungszusammenhängen
jenseits
der
gängigen
regionalwissenschaftlichen
Raumkonstruktionen (Conermann/Smolarz 2015a). Gleichzeitig hat er sich nicht nur intensiv mit dem
Mittelmeer und dem Indischen Ozean als geografisch naheliegenden Interaktionsräumen befasst
(Conermann 1998a, 2015a), sondern auch das Mamluken- und das Mongolenreich sowie Südasien
als Knoten in überregionalen Netzwerken interpretiert (Conermann 1997, 2014a–b). Mit der Mobilität
von Reisenden ist Conermann schon seit langer Zeit befasst. Wurden in einer Monographie an die
berühmte „Rihla“ von Ibn Battuta herrschaftssoziologische Fragestellungen angelegt (Conermann
1993), so standen bei anderen Fahrtenbüchern von muslimischen Reisenden narratologische
Gesichtspunkte im Vordergrund (Conermann 2003a–b). Weiter ist ein Sammelband (mit eigenem
Beitrag) zur Reisedarstellung von Carsten Niebuhr zu nennen (Conermann 2002b–c). Jüngst hat sich
Conermann in einem von ihm (zusammen mit Bekim Agai) herausgegebenen Band über
„muslimische“ Reiseberichte nach Europa geäußert (Conermann 2013a). Die Frage von „Travelling
Concepts“ berühren am Beispiel von historiographischen Gattungen sowohl die Habilitationsschrift
(Conermann 2002a) wie auch einige Aufsätze (2003a, 2015b). Schließlich war die Krim Gegenstand
zweier substantieller Artikel (Conermann 1998b, 1999).
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Suraiya FAROQHI hat sehr umfangreich zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des
Osmanischen Reichs des 17. bis 20. Jahrhundert veröffentlicht. Sie war dabei bestrebt zu zeigen,
dass es keinen „eisernen Vorhang“ zwischen dem Osmanischen Reich und den benachbarten
Regionen gegeben hat, sondern ein seit langem etabliertes Netz von diplomatischen, finanziellen,
kulturellen und religiösen Verbindungen (Faroqhi 2004). Faroqhi setzt sich für eine Verlagerung des
Forschungsschwerpunktes weg vom Zentrum hin zu den Peripherien ein (Faroqhi 2002). Dabei ruft
sie immer wieder zu Einzelstudien auf, die die komplexen ökonomischen und kulturellen Netzwerke im
Inneren des Osmanischen Reiches beleuchten helfen sollen. Wegweisend untersuchte Faroqhi mit
den Handwerkern das soziale und wirtschaftliche Herz des Osmanischen Reiches vom Beginn des 16.
bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts (Faroqhi 2009). Alltagsgeschichte steht sowohl in einer
entsprechenden Monographie (Faroqhi 1995) als auch in ihrem Werk zur Pilgerfahrtsgeschichte
(Faroqhi 1990) im Mittelpunkt. Faroqhi hat vollkommen neue Erkenntnisse über soziale Mobilität von
Handwerkern im Osmanischen Reich vorgelegt (Faroqhi 2014). Wurde früher oft davon ausgegangen,
dass die Mobilität der bäuerlichen Bevölkerung des Osmanischen Reichs durch die lokale Verwaltung
stark eingeschränkt war, so zeigt Faroqhi, dass fromme Männer aus allen sozialen Schichten auf
Pilgerfahrt nach Mekka gingen, Sklaven von ihren Herren flohen und Handwerker auf der Suche nach
Arbeit reisten. Faroqhi untersucht die Motivation der Migranten und Reisenden, aber auch das Wissen,
dass sie von der Hauptstadt oder den anderen Regionen des Osmanischen Reiches hatten.
Albrecht FUESS setzt in der Forschung einen Schwerpunkt auf der Geschichte des Nahen und
Mittleren Ostens vom 13. bis 16. Jahrhundert. Seine Doktorarbeit thematisierte die Geschichte der
syro-palästinensischen Küste von der Vertreibung der Kreuzfahrer bis zu Ankunft der Osmanen
(Fuess 2001). Daneben hat er zahlreiche Aufsätze zur inneren Struktur und Sozialgeschichte des
Mamlukenreichs vorgelegt. Momentan arbeitet er an einer großen Studie, in der die
Herrschaftssysteme der Mamluken, Osmanen und Safawiden verglichen werden sollen. Das
Hauptinteresse seiner Betrachtungen liegt dabei in transkulturellen und transnationalen Phänomenen.
So hat er mit Jan-Peter Hartung einen Band zu Hofkulturen der muslimischen Welt (Fuess/Hartung
2011) und mit Bernard Heyberger ein Werk zum Mittelmeer als „frontière“ der Zirkulation und der
Konfrontation vorgelegt (Fuess/Heyberger 2014). Mit seinem Marburger Kollegen Christoph Werner
und den französischen Kollegen Maria Szuppe (CNRS, Paris) und Nicolas Michel (Aix en
Provence/Kairo) koordiniert er seit 2016 eine ANR-DFG Forschergruppe mit drei Mitarbeitern zum
Thema „Dynamics of Transmission: Families, Authority and Knowledge in the Early Modern Middle
East (15th–17th Centuries)“, das die Agenda der familienhistorischen Forschung innerhalb der
Islamwissenschaft in dreierlei Hinsicht erweitert: Erstens dehnt es den Zeitrahmen auf die Frühe
Neuzeit aus – einen Zeitabschnitt, für den die historische Rolle der Familie bislang wenig erforscht ist.
Zweitens überbrückt das Vorhaben die Kluft zwischen der persischen Welt und den arabischen
Ländern, die in der wissenschaftlichen Forschung besteht. Geografische Mobilität und kulturelle
Schnittstellen verdienen hier besondere Aufmerksamkeit. Drittens soll das übergreifende Konzept der
Transmission auf die Familiengeschichte angewendet werden, indem die Dynamik der Übertragung
von Autorität und Wissen innerhalb der Familienstrukturen lokalisiert wird.
Stefan ROHDEWALD hat sowohl zur ostmitteleuropäischen, zur osteuropäischen als auch zur
osmanisch-südosteuropäischen
Geschichte
Vorleistungen
im
epochenund
regionenüberschreitenden Zugriff vorgelegt. Die Promotion untersuchte eine Fürstenstadt der Rus’,
die sich im Verband Polen-Litauens vom Spätmittelalter an sowie im Russländischen Reich nach 1772
bis zum Ersten Weltkrieg als Ergebnis einer jahrhundertealten Verflechtungsgeschichte zwischen
Ostmittel- und Osteuropa als Vielvölkerstadt entfaltete (Rohdewald 2005). Dabei wurden
Verflechtungen von mit der Region, zu der auch die Ukraine zählt, verbundenen Phänomenen mit
Polen (z.B. Rohdewald 2010) sowie mit der Rus’ (Rohdewald 2002) bzw. Russland (Rohdewald 2012)
herausgearbeitet. Ein umfangreiches Werk zu religiösen Erinnerungsorten Ostmitteleuropas –
einschließlich der Ukraine, Bulgariens und Serbiens – verfolgte gleichfalls einen überregionalen und
mehrere Epochen erfassenden Zugang (Bahlcke/Rohdewald/Wünsch 2013). Die Habilitation widmete
sich südslavisch-(post)osmanischer Verzahnungsgeschichte vom Spätmittelalter bis 1944 am Beispiel
religiöser lieux de mémoire und ihrer sozial-, diskurs- und identitätsgeschichtlicher Wirkungen im
gesamteuropäischen Zusammenhang (Rohdewald 2014). Die Interpretation der östlichen Gebiete
Polen-Litauens als transkulturelle Kommunikationsregion (Rohdewald/Frick/Wiederkehr 2007) und der
südslavischen Gebiete des frühen Osmanischen Reiches als multiple Kontaktzone (Rohdewald 2011,
Rohdewald 2014) sind konzeptuelle Vorleistungen wie auch Überlegungen zu Zugängen der neuen
Kulturgeschichte zu osmanisch-europäischer Religionsgeschichte (Klein/Rohdewald 2014). Gleiches
gilt für die Mitarbeit am seitens der DFG geförderten Netzwerk „Das Osmanische Europa“ und die
damit verbundene Mitherausgabe des Sammelbandes „Das osmanische Europa. Methoden und
Perspektiven der Frühneuzeitforschung zu Südosteuropa“ (Helmedach u.a. 2014). Auch die
Koordination des Netzwerks als Arbeitskreis nach Auslaufen der Förderperiode (www.osmanischeseuropa.de) fördert die Zusammenführung transosmanischer Experten. Zu nennen ist überdies ein mit
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Hans-Jürgen Bömelburg und Dirk Uffelmann erstelltes Themenheft „Polnisch-osmanische
Verflechtungen in Kommunikation, materieller Kultur, Literatur und Wissenschaft“ mit einem Beitrag
von Rohdewald zu Osmanisch-polnisch-krimtatarischen Friedensformeln (Rohdewald zum Druck
angenommen) und zwei weitere, in Vorbereitung befindliche Texte über Evliya Çelebis
Beschreibungen eines heterogenen Osmanischen Reichs.
Im Kontext des genannten, von der DFG geförderten Geisteswissenschaftlichen Netzwerks
„Das osmanische Europa. Methoden und Perspektiven der Frühneuzeitforschung zu
Südosteuropa“ 2009–2011) hat sich Markus KOLLER, der Hauptantragsteller und Sprecher des
Netzwerks war, mit der Frage beschäftigt, wie jenseits gängiger Raumkonstruktionen die vielfältigen
Transfer- und Verflechtungsprozesse zwischen dem Osmanischen Reich und der frühneuzeitlichen
Staatenwelt auch in ihrer strukturellen Ausgestaltung methodisch erfasst und dargestellt werden
können (Helmedach u.a. 2014). Dabei hat er sich nicht nur mit der Funktion politischer und
administrativer Grenzen im östlichen Europa als Interaktions- und Kommunikationsräumen (Koller
2005, 2010, 2014b) beschäftigt, sondern in diesem Zusammenhang auch deren Bedeutung als
imaginierte Raumkonfigurationen untersucht, die in unterschiedlichen Raum- und Zeitkontexten immer
wieder inhaltlich neu aufgeladen werden können (Koller 2015a, 2015b). Mobilität erscheint dabei als
ein zentraler Forschungsgegenstand, wie die Rekonstruktion regionaler und überregionaler Netzwerke
von Kaufleuten, Gewaltakteuren oder Angehörigen der osmanischen Verwaltung im Mediterraneum
(Koller 2001, 2004, Koller/Helmedach 2013a) und im Schwarzmeerraum (Koller 2011) zeigt.
Gleichzeitig hat sich Markus Koller dem politisch-religiösen Konfliktfeld im osmanisch-safawidischen
Grenzraum zugewandt (Koller 2013b), wo sich in den militärischen Auseinandersetzungen zwischen
den beiden islamischen Imperien verschiedene Formen der Kommunikation zeigten, die sich sowohl
im gesamteuropäischen Kontext als auch in den transosmanischen Interaktionszusammenhängen
erkennen lassen.
3 20 Themenbezogene Publikationen der Mitglieder des Programmausschusses
Conermann, Stephan 1998b: Expansionspolitik im Zeichen des Aufgeklärten Absolutismus? Katharina
II. und die Krimtataren, in: Eckhard Hübner, Jan Kusber, Peter Nitsche (Hg.): Rußland zur Zeit
Katharinas II. Absolutismus – Aufklärung – Pragmatismus. Köln/Weimar/Wien, 337–359;
1999: Das Eigene und das Fremde. Der Bericht der Gesandtschaft Muṣṭafā Rāsiḥs nach St.
Petersburg im Jahre 1792–1794, in: Archivum Ottomanicum 17, 249–270; 2013b: Das
Mittelmeer zur Zeit der Mamlukenherrschaft in Ägypten und Syrien (1250–1517).
Vorbemerkungen zu einer globalgeschichtlichen Perspektive, in: Michael Stolz (Hg.):
Randgänge der Mediävistik, Bd. 3. Bern, 21–60; 2014b: Südasien und der Indische Ozean
1350–1750, in: Reinhard, Wolfgang (Hg.): Weltreiche und Weltmeere 1350–1750. München,
369–508, 865–881, 940–948.
Faroqhi, Suraiya 1990: Herrscher über Mekka. Die Geschichte der Pilgerfahrt. München/Zürich; 2000:
Geschichte des Osmanischen Reiches; 2004: The Ottoman Empire and the World Around it.
London; 2014: Travel and Artisans in the Ottoman Empire: Employment and Mobility in the
Early Modern Era. Istanbul.
Fuess, Albrecht 2001: Verbranntes Ufer. Auswirkungen mamlukischer Seepolitik auf Beirut und die
syro-palästinensische Küste (1250–1517). Leiden; mit Sebastian Kolditz, Nikolaus Jaspert.
2013 (Hg.): Muslime und Piraterie im Mittelmeer (7–16. Jahrhundert), in: Gefährdete
Konnektivität. Piraterie im Mittelmeerraum in Antike, Mittelalter und Neuzeit. Paderborn, 175–
198; mit Jan-Peter Hartung 2011 (Hg.): Court Cultures in the Muslim World, (7th–19th
Centuries). London; mit Bernard Heyberger 2014: La frontière méditerranéenne (15e–17e
siècles). Échanges, circulations, et affrontements. Turnhout.
Helmedach, Andreas, Markus Koller, Konrad Petrovszky, Stefan Rohdewald 2014 (Hg.): Das
osmanische Europa. Methoden und Perspektiven der Frühneuzeitforschung zu Südosteuropa.
Leipzig.
Koller, Markus 2004: Bosnien an der Schwelle zur Neuzeit. Eine Kulturgeschichte der Gewalt (1747–
1798). München; 2010: Eine Gesellschaft im Wandel. Die osmanische Herrschaft in Ungarn
im 17. Jahrhundert (1606–1683). Stuttgart; 2015a: Europa und das Osmanische Reich/Europe
and the Ottoman Empire, in: Pietro Rossi (Hg.): The Boundaries of Europe. From the Fall of
the Ancient World to the Age of Decolonisation. Berlin, 139–173.
Rohdewald, Stefan 2005: „Vom Polocker Venedig.“ Kollektives Handeln sozialer Gruppen in einer
Stadt zwischen Ost- und Mitteleuropa (Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19. Jh. bis 1914). Stuttgart;
mit David Frick, Stefan Wiederkehr 2007 (Hg.): Litauen und Ruthenien. Studien zu einer
transkulturellen Kommunikationsregion (15.–18. Jahrhundert)/Lithuania and Ruthenia. Studies
of a Transcultural Communication Zone (15th–18th Centuries). Wiesbaden; 2014: Götter der
Nationen. Religiöse Erinnerungsfiguren in Serbien, Bulgarien und Makedonien bis 1944.
Wien/Köln/Weimar; [zum Druck angenommen]: „bu sulh u salah mukarrer ve mü’ebbed“/„Pax
8
perpetua“ Polnisch-litauische Friedensformeln und Allianzen mit Osmanen und Krimtataren
bis 1790, in: Themenheft Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung: Polnisch-osmanische
Verflechtungen in Kommunikation, materieller Kultur, Literatur und Wissenschaft, hg. von
Hans-Jürgen Bömelburg, Stefan Rohdewald, Dirk Uffelmann, voraussichtlich 2016.
4 Literaturverzeichnis (unter Punkt 3 nicht berücksichtigte Titel)
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Davor Dukić (Hg.): History as a Foreign Country. Historical Imagery in South-Eastern Europe/Geschichte als ein fremdes Land.
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5 Inhaltliche Begründung unter Berücksichtigung der Programmziele
5.1. Originalität der wissenschaftlichen Fragestellungen unter thematischen und/oder
methodischen Aspekten
Die Vorherrschaft der Nationalgeschichte ist so unhaltbar geworden wie die Geschichte einzelner
Kulturen. Das Interesse der Globalgeschichte liegt nicht im „Zusammenprall der Zivilisationen“,
sondern an der Schnittstelle der Interaktion, oder wenn man so will: des Konflikts zwischen globalen,
weiträumigen Entwicklungen und lokalen und regionalen Reaktionen. Hochfrequentierte
Interaktionsräume sind der Indische Ozean oder das Mittelmeer (z.B. Schwara 2011), aber gerade
auch Landräume wie der hier ins Zentrum gerückte transosmanische Kontext, der Meere wie das
Schwarze Meer oder das Kaspische Meer umschließt. Bei der Globalgeschichte steht die Erfassung
und Beschreibung der Dialektik zwischen weiträumigen, externen Beziehungen und räumlichen
Integrationsprozessen (die zwangsläufig immer auch zu Grenzziehungen und Fragmentierungen
führen muss), bzw. zwischen Verdichtung und Differenzierung, im Vordergrund. Es geht dabei nicht
um die Nachzeichnung der Europäisierung der Welt, sondern um die Interaktion verschiedener
Weltteile bei der Konstruktion von Zusammenhängen in Vergangenheit und Gegenwart (Conermann
2013).
Die hier fokussierten Interaktionszusammenhänge fanden nicht nur in den Anrainerregionen
13
des Schwarzen Meeres statt, sondern griffen bis nach Polen, Russland, Syrien, Ägypten und das
östliche Mittelmeer sowie das Kaspische Meer und Iran aus. Diese Zusammenhänge stellen keine
abgrenzbare Geschichtsregion (vgl. z.B. zum Schwarzen Meer: Troebst 2007) dar, sondern einen von
uns bewusst an den Rändern unscharf gefassten Raum, der über Jahrhunderte hinweg eine Arena für
wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Austausch von wechselnder Dichte und Intensität
darstellte. Räumliche, kulturelle und soziale Grenzen überschreitende Interaktionen einzelner Akteure
schufen soziale Praktiken und Handlungsrahmen, die als multipel verschränkte relationale
Handlungsräume analysiert werden können. Menschen erzeugten diese relationalen Handlungsräume
nicht allein durch physische Mobilität, sondern erlebten auch soziale Mobilität. Hiermit ging eine
mentale Mobilität einher, über die diese Handlungsräum (um)konzipiert wurden.
Die Auseinandersetzung mit diesem vergangenen Handeln in Konstruktions- und
Austauschbeziehungen
konstituiert
spezifische
wissenschaftliche
Fragestellungen,
die
unterschiedliche, ggf. interdisziplinäre, Zugänge erfordern. Ausgehend von diesen Überlegungen
bietet
sich
die
Erforschung
von
Kommunikationspraktiken
einer
staatenund
religionsgrenzenübergreifend entworfenen transregionalen Geschichte der Verflechtungen in
zahlreichen Bereichen an. Sie soll ausgehend von der methodischen ,Linse‘ Mobilität im Rahmen
dreier ausgewählter thematischer Forschungsschneisen erfolgen, die jeweils unterschiedliche
Perspektiven auf teilweise dieselben Phänomene eröffnen:
1) Mobile Akteure, 2) Wissenszirkulation, 3) Handel und Waren
Durch die ‚Linse‘ Mobilität werden die zentralen Felder Wissenszirkulation, „Handel und Waren“ und
„Mobile Akteure“ in einen kausalen Zusammenhang gestellt. Wir definieren Mobilität dabei als das
Zusammenspiel sozialer und räumlicher Bewegungen (flows) von Personen und Dingen (materielle
und immaterielle Ressourcen, Ideen, Wissen, Werte) über Austauschbeziehungen innerhalb von und
zwischen
Netzwerken.
Dabei
realisiert
sich
Mobilität
in
Figurationen,
d.h.
Verflechtungszusammenhängen, die sowohl Teile als auch Effekte von Globalisierungsprozessen sein
können. So können je nach thematischer Gewichtung unterschiedliche regionale Zusammenhänge
relevant sein. Über das Mobile – flows von Menschen, Gütern, Ideen, Ressourcen in Netzwerken
sowie die Effekte, die sich daraus ergeben – lässt sich die Interkonnektivität von Raum
konstituierenden Akteuren und Strukturen herausstellen. In „transosmanischer“ Perspektive sind viele
mobile Phänomene wie Warenströme, grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen und damit
verbundene Rücküberweisungen von Migranten oder auch das ‚Wandern‘ von Ideen und Diskursen
über staatliche, ethnische, sprachliche usw. Grenzen hinweg augenfällig ausgeprägt. Empirisch
erfassbar sind diese wie auch andere, ggf. weniger evidente Phänomene mit entsprechend
‚mobilen‘ Methoden, die weder disziplinär noch staatsräumlich begrenzt sein können. Vielmehr bilden
thematisch konstituierte Untersuchungsräume den wissenschaftlichen Referenzrahmen für die
Analysen. Wir gehen davon aus, dass eine Veränderung an einzelner Stelle einer Figuration das
Gesamtensemble betreffen kann. In Abhängigkeit von Akteuren, Zeit und Ort können sich Logiken
verändern oder es kann aufgrund normativer und/oder sozialer Wandlungsprozesse zu NeuAnordnungen der Figurationen mit ihren Netzwerken und flows kommen. In diesem Sinne eignet sich
die Figurationsmetapher auch für die thematische Fokussierung der Einzelstudien im Rahmen dieser
drei Forschungsschneisen:
5.1.1 Mobile Akteure
Reisen als zentrales Themenfeld verdeutlicht auf personenbezogener Ebene den individuell zeitlich
beschränkten Austausch zwischen und innerhalb der behandelten Regionen. Das osmanische Reich
war dabei fast immer Transitraum. Das Schwarze Meer, das Kaspische Meer (Eichwald 1834),
Konstantinopel und andere Städte dienten als Drehscheiben und Knotenpunkte, um in den Kaukasus,
den Mittelmeerraum, den Balkan und Osteuropa zu gelangen. Entscheidend ist nicht nur die
Verknüpfung von Ziel- und Endpunkt, sondern das Durchqueren von Räumen und dabei entstehende
Prozesse von Translokalisierung und Transkulturation (Pratt 1992). Reisen sind eng verbunden mit
Fragen von Mobilität und Migration, stellen jedoch in stärkerem Maße ziel- und zweckgebundene,
freiwillige und singuläre Aktionen von identifizierbaren Individuen dar. Motive und Anlässe für Reisen
sind vielfältig und oft überlappend: Pilgerreisen und religiöse Zielsetzungen, politische Missionen und
Gesandtschaftsreisen, Explorationen und wissenschaftliche Forschungsreisen, Handelsreisen und
wirtschaftliche Zielsetzungen sowie zu jeder Epoche Neugier, Abenteuerlust und Unterhaltung
(leisure). Reisende interagieren in contact zones mit Bildern fremder Kulturen und machen
Erfahrungen (vgl. Schwara 2007), wobei sie zugleich Rezipienten und Akteure sind.
Die Erforschung von Migration leitet sich direkt aus mit Mobilität verbundenen
Zusammenhängen ab. Migration wird im Allgemeinen als eine auf eine längere Zeit angelegte
räumliche, auch multidirektionale oder zirkulare Mobilität von Menschen und Familien unter
14
Veränderung ihres Lebensmittelpunkts definiert (z.B. Droz/Sottas 1997: 70). Verstanden als soziale
und kulturelle, nicht nur ökonomische Praxis sind Interaktionsmuster und Rückkoppelungseffekte
jenseits des Moments der Ankunft oder Abfahrt ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken
(Hahn/Klute 2007: 10). „Migrationen als transkulturelle Verflechtungen“ (Borgolte 2009) sind in ihren
globalen Bezügen (Borgolte 2012) nicht nur für die Zeitgeschichte, sondern auch für die Mediävistik
sowie die Frühneuzeit zentral. Transosmanische Migrationsmuster können nur begriffen werden,
wenn externen Impulsen wie Zwang oder Katastrophen ebenso wie endogenen Dynamiken wie
Motivation oder Verlangen gebührend Rechnung getragen wird. Der individuelle Akt der Migration darf
aber nicht nur als ein Resultat persönlicher Entscheidung verstanden werden. Die Entscheidung für
die Migration wird in einem sozialen Kontext gefasst; sie schließt einen Haushalt, eine soziale
Gemeinschaft oder eine konfessionelle Gruppe Menschen mit ein. Translokale Netzwerkprozesse und
Migration/Mobilität sind in ihrer Zusammenwirkung auf der Ebene der Akteure zu betrachten (Faist
1997, Cohen/Sirkeci 2011). Die Erforschung von Migration und dadurch entstandener
Akteursnetzwerke oder Karrieren reisender Experten in politischer, militärischer, wirtschaftlicher und
religiöser Hinsicht zwischen den Vielvölkerreichen soll konkrete Konstruktionen kultureller Differenz
und sozialer Grenzen bzw. Inklusion und Exklusion zwischen den politischen Herrschaftsgebieten und
innerhalb der Akteursgruppen deutlich machen. Emigrierende, Immigrierte und Ziel- wie
Herkunftsgesellschaften bildeten als relationale Migrationsnetzwerke neue soziale Zusammenhänge
(Massey 1991: 42, Poros 2011: 161). In der Praxis der Migration entstandene translokale Netzwerke
ermöglichten und organisierten wachsende Migrationsströme (Pries 2001: 34–5, Han 2005: 17–8).
Im Sinne einer neuen Kulturgeschichte und unter Berücksichtigung sozialgeschichtlicher
Zusammenhänge bieten sich auch politische und militärische Verflechtungen dazu an, als
Migrationspraktiken untersucht zu werden. Im Rahmen der Neuen Imperiengeschichte interessieren
jeweils Strategien der Subversion oder die Aushandlung von Loyalitäten gegenüber mehreren
politischen Herrschaftszusammenhängen im Kontext individueller Karrieren von der Gefangenschaft
bis zur Mitherrschaft, von Netzwerken oder ganzer Migrationsgemeinschaften, namentlich Karäer
(Kizilov 2009, Müller 2009), Tataren, Tscherkessen, Juden (Cohen 2014) und Armenier. Metropolen
wie Istanbul, aber auch die Randgebiete des Osmanischen Reiches, waren mehrfach Ziele von
Fluchtmigration, die oft nur kurzfristig angedacht war und zur Ausgestaltung intensiver Kontakte der
Migranten – und damit der gesamten Stadt – zur Herkunftsregion führten (Harpviken 2009). Die
Machtzentren der Imperien der Region waren als Vielvölkerstädte stark miteinander verflochten, wie
der Hinweis auf sich zum Teil sehr erfolgreich in die Istanbuler Gesellschaft integrierende polnische
Emigranten seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zeigen kann. Migranten als Teil translokaler
sozialer Netzwerke gestalteten in der Folge soziale Ordnung(en)/Gesellschaften vor Ort wie auch in
weiter Ferne. Der Fokus unseres Interesses liegt dabei auf der Vervielfältigung von voneinander
abhängigen Verbindungen und Netzwerkbeziehungen sowie von persönlichen Kontakten und
Austauschbeziehungen auf verschiedenen miteinander verbundenen Ebenen der Gesellschaften, die
Migrationshandlungen auslösten und dynamisierten. Zu den Folgen von Migration können der
Neuentwurf oder die Festigung individueller und kollektiver Identitätsentwürfe bzw. ihre Überlagerung
mit neuen Selbst- und Gruppenentwürfen im Kontext der Herkunfts- und Zielbevölkerung zählen, wie
beispielsweise im serbischen Fall die Entstehung erinnerungskultureller Praktiken als einer Dynastie
loyalen transethnischen imperialen Elite, im polnischen Fall als Emigrations- oder
Diasporagemeinschaft.
Die kulturwissenschaftliche Analyse von Migration als Translation (Bachmann-Medick 2014)
eröffnet zahlreiche Perspektiven, die weit über sprachliche Übersetzung hinausreichen und
translokale soziale und kulturelle Praktiken in der räumlichen und akteurszentrierten Konkretisierung
erkennbar machen. Zudem bleibt für Stadtbevölkerungen verbreitete Mehrsprachigkeit zu beachten,
die gerade von Migranten hergestellt und aufrechterhalten wurde (Dursteler 2012) und für die
Kommunikation mit transimperialen Reisenden auch aus anderen Regionen wichtig waren. Die
weiträumig vernetzte vorwiegend griechischsprachig sozialisierte vornationale Gruppe der in der
Forschung früher oft voreilig mit einer stabilen Gruppenidentität ausgestatteten sogenannten
Phanarioten kann als Resultat der in die Walachei und Moldau expandierenden Expertenmigration
(Kaufleute, Gelehrte, Herrschaftskarrieren) im osmanischen Imperium gedeutet werden. Sie wandelte
und erneuerte sich mit der russländischer Kolonisation der früher osmanischen Nordküste des
Schwarzen Meeres transimperial, namentlich mit der Gründung der baldigen Großstadt Odessa als
Anziehungspunkt zahlreicher Schwarzmeergriechen, aber auch serbischer und bulgarischer
Gemeinschaften von Fernhändlern, ganz abgesehen von der Zuwanderung russischer
Stadtbevölkerung und serbischer wie deutscher, oft konfessionell segregierter, Kolonisten. Unter
Berücksichtigung der vermittelnden Peripherien und mobiler Akteure mit Verbindungen zu den Eliten
in mehreren Reichsverbänden sollen Wechselwirkungen zwischen den Reichen unterstrichen werden.
Kaufleute (im Wechselspiel von Nah- und Fernhandel), Militärs und Gelehrte aller Glaubensrichtungen
und Konfessionen entfalteten translokal verdichte Migrationsnetzwerke und integrierten großräumige
15
Zusammenhänge ökonomisch und sozial.
Neben Reisen und Migration ist im transosmanischen Zusammenhang auf die Bedeutung
mobiler Gesellschaftsgruppen gerade, aber nicht nur in den Randgebieten der Reiche hinzuweisen.
Bereits in der Entstehungsgeschichte der Großreiche der Safawiden und Osmanen, deren
herrschende Dynastien aus einer Derwischbewegung bzw. einer nomadisch lebenden
Bevölkerungsgruppe hervorgingen. In der Genese beider Großreiche deuten sich schon einige
Dynamiken
zwischen
den
„moveable
empires“
an,
in
der
sich
maßgebliche
Verflechtungszusammenhänge erkennen lassen. Die historische Forschung hat sich eingehend mit
dem Funktions- und Bedeutungswandel mobiler Bevölkerungsgruppen innerhalb der Reiche
beschäftigt, die mit der Implementierung und der Transformation imperialer Herrschaftsstrukturen
einhergingen (Kasaba 2009, Tapper 1997). Die Ansiedlung von Nomaden als Wehrbauern in den
Grenzräumen der Großreiche war eine weitverbreitete Praxis (Ágoston 2003, Veinstein 2014), die
bisher vorwiegend mit Blick auf ökonomische und militärische Fragestellungen diskutiert worden ist.
Jedoch entwickelten sie auch eigene Kommunikations- und Handlungsräume, die oft über die
interimperialen Kontaktzonen hinausreichten, und brachten auch eigenständige politische Strukturen
bzw. Bewusstseinsformen hervor (Kaser 1997). In vielen Fällen fanden solche Raumkonfigurationen
entlang von Flüssen statt, die immer wieder für die Selbstwahrnehmung dieser Gruppen von
entscheidender Bedeutung (Boeck 2009) waren und auch vor diesem Hintergrund in ihrer vielfältigen
Funktion für transosmanischen Handlungsräume zu hinterfragen sind. Die Frage nach
Identitätsbildungsprozessen schließt an das Konzept der „trans-imperial subjects“ an (Rothman 2012),
das eine veränderte Akzentuierung in der Mobilitätsforschung zumindest mit Blick auf den
Untersuchungsraum eröffnet. Sie geht über die Rekonstruktion von Netzwerken im wirtschaftlichen
(Faroqhi 2004) oder religiösen Milieu (Reichmuth 2009) hinaus und stellt das Spiel mit den multiplen
Identitäten in den Vordergrund, auf die Kaufleute oder Pilger im jeweiligen sozio-kulturellen Kontext
zurückgriffen. Diese stärker akteursbezogene Perspektive beeinflusst auch die Analyse von
Raumvorstellungen und Zeithorizonten orthodoxer Wandermönche, die eng mit Erinnerungskulturen
an vorosmanische Herrschaftsgebilde verbunden waren (Koller 2010).
Die verstärkt anthropologisch ausgerichtete historische Migrationsforschung betrachtet somit
mobile Bevölkerungsgruppen immer weniger als ein zwischenstaatliches bzw. staatliches
„Problemfeld“ (Ateş 2013, Schlingemann 2001), sondern richtet den Blick auf deren sozioökonomisches Umfeld. Naturräumliche Gegebenheiten wie die Wechselwirkung von Berg und Tal
förderten die transhumante Lebensweise mit ihren spezifischen gesellschaftlichen Ausformungen, zu
denen die patriarchalische Familien- bzw. Verwandtschaftsstruktur gehört (Kaser 1992). Die
Herausbildung eigener Rechtsnormen war häufig eng verbunden mit dem Rückzug in Räume, die von
den staatlichen Herrschaftsmechanismen nur bedingt erfasst wurden. Die Entstehung der kanuns im
Bereich der albanischen Stämme und Sippenverbände kann hier angeführt werden. Damit etablierten
sich aber auch transterritoriale Gesellschaftssysteme, deren Normen- und Wertesystem durch
freiwillige und erzwungene Migration in andere regionale Kontexte transferiert werden konnte
(Brunnbauer 2009). Transterritoriale und damit grenzübergreifende Gesellschaftssysteme, die nicht
nur auf Stämme und Sippenverbände zurückgingen, waren nicht nur für die Raumkonfigurationen
innerhalb der Großregion wesentlich, sondern erwiesen sich auch als stabilisierende Elemente für den
Handel (Baghdiantz McCabe 1999). Tribale Migration definierte für lange Zeit die Beziehungen
zwischen lokalen Bevölkerungsgruppen in den östlichen osmanischen Gebieten (Azeris, Türken,
Kurden, Assyrer, etc.). Die Projekte stehen vor der Herausforderung, transimperiale Strategien von
Akteuren und Logiken der Kommunikation innerhalb großräumiger und doch konkret verorteter
Netzwerke herauszuarbeiten.
5.1.2 Wissenszirkulation
In transosmanischen Handlungsfeldern spielte das Osmanische Reich auch als Drehscheibe für die
Wissenszirkulation eine entscheidende Rolle. Im Sinne von Transnationalität geht es hier um
grenzüberschreitende Wechselbeziehungen zwischen Akteuren verschiedener kultureller Milieus. Im
Zusammenhang von Transferleistungen bzw. Travelling Concepts interessieren die Wandlungen, die
bei der Übertragung von Normen und Repräsentationen stattfanden. Um die Übertragung von
technischem Know How und kognitiven Diskursen untersuchen zu können, wird dem Ansatz der
Travelling Concepts entsprechend zunächst die Frage nach Paradigmen und Narrativen gestellt
(„Was?“). Mit der Kategorie der Translation kommt die Frage nach der Vermittlung zur Geltung
(„Wie?“). Diesbezüglich sind sowohl individuelle Spielräume von ÜbersetzerInnen als auch soziale
Praktiken
von
Spezialisten-Netzwerken
respektive
die
spezifische
Rolle
der
Wissenschaftskommunikation zu berücksichtigen. Anschließend kann über die Frage nach den
Umständen von Imitation und Adaption („Warum?“) die Reichweite kultureller Transfers in historischen
und räumlichen Kontexten ausgelotet werden (Baumbach/Michaels/Nünning 2012, Neumann/Nünning
2012, Bachmann-Medick 2014).
16
Untersuchungsgegenstände sind Selbstzeugnisse und Karrieren von Gelehrten insbesondere
im Hinblick auf die Stationen ihrer wissenschaftlichen Biographien zwischen den Reichen. Das
Erkenntnisinteresse gilt der Tradierung von Diskursen und der Zirkulation von Wissensordnungen in
der überregionalen Kommunikation. Am praktischen Beispiel lässt sich dies etwa an den Images
verdeutlichen, die urbane Räume bei Stadtplanern und Architekten über die Vermittlung von
Reisebeschreibungen genossen, insbesondere im Hinblick auf die Ausstrahlungskraft Istanbuls als
islamische Stadt und Handelsmetropole (Boll 2012). Wissens-Flows betrafen nicht nur die Astronomie,
die Mathematik und die Medizin, sondern auch Geschäftspraktiken und nautische Kenntnisse (Darwin
2007). Davies spricht von einer osmanischen militärischen Revolution, durch deren Rezeption
Osteuropa im 16. Jahrhundert umgestaltet wurde (Davies 2012). Andererseits findet sich die von den
Hussiten erfundene Wagenburg hundert Jahre später, nach einem Weg über das Osmanische Reich,
in Nordindien, wo sie der Mogulherrscher Babur zu Beginn des 16. Jahrhunderts „nach Art der
Osmanen“ gegen seine Feinde einsetzte (Fuess 2009).
Darüber hinaus führte die Entstehung regionaler Bildungszentren seit dem 16. und 17.
Jahrhundert zur Verbreitung von Praktiken des Lesens, der Wissensproduktion und des
Wissensaustausches (Petrovszky 2014). Der aus der osmanischen Walachei stammende Theologe
Petro Mohyla schuf nach dem Vorbild der Jesuitenkollegien 1632 in Kiew eine orthodoxe Akademie,
die nicht nur im Zarenreich, sondern auch im Osmanischen Reich Nachahmer fand (Podskalsky 1988).
Orthodoxe Kirchenführer entfalteten zwischen dem Osmanischen Reich und dem östlichen Europa
diplomatische Aktivitäten, die über das Patriarchat in Konstantinopel liefen (Kraft 1995).
Im 18. und 19. Jahrhundert rückten Fragen der Institutionalisierung und Professionalisierung
von akademischem Wissen auf die Agenda (Sarıkaya 2005, Kreiser 2011). Hinzuweisen ist
exemplarisch auf die Einrichtung der Orientalischen Fakultät in St. Petersburg 1856 oder die
Gründung des Russischen Archäologischen Instituts in Konstantinopel/Istanbul 1895 (Tolz 2011,
Jobst 2014). Zugleich sind Einflüsse visueller Repräsentationen oder medialer Öffentlichkeiten zu
verbuchen, die in der Kartographie (Seegel 2012) oder im Journalismus (Adam 2002) ihren
Niederschlag fanden. Unter diesen Voraussetzungen wurden neue, gesamtimperiale oder ethnische
Identitätskonzepte wie der Panslavismus oder der Panturkismus ins Zentrum der Aufmerksamkeit
gerückt.
Neben der Zirkulation von Konzepten an Institutionen des Wissens und durch
Gelehrtenkarrieren sind Reisen und ihre Dokumentation zentral für Travelling Concepts. Die
Quellengattung des Reiseberichts führt zu methodischen Ansätzen der Imagologie und zu Methoden
der Analyse von Selbstzeugnissen sowie auch literarischer Genres. Die Beschreibung von sozialen
Situationen der Reise, von Stationen und Routenverläufen bilden wichtige Anknüpfungspunkte zur
Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Der enorme Zuwachs an europäischen Reiseberichten zu
der Großregion seit dem 18. Jahrhundert – Berichte und Literarisierungen, die oft selbst transregional
angelegt sind – wurde im 19. Jahrhundert von einer Vielzahl indigener Reiseliteratur erwidert.
Von besonderem Interesse sind die Vorläufe zu Reisen, die An- und Rückreisen, die die
sonstige Fokussierung auf die Zielregion überwinden (so z.B. Wagner 1852, eigentlich mit einem
fundierten Bericht zu Persien und Kurdistan als Zielregion, aber mit einem Vorspann:
Denkwürdigkeiten von der Donau und vom Bosporus). Reisen im Dienste anderer Nationen, die
Russland, das Osmanische Reich und Persien miteinander verbanden, finden sich zu
unterschiedlichen Epochen und haben oft exemplarischen Charakter (Moskowitische und
Persianische Reise von Olearius im 17. Jahrhundert; ebenso Kotzebue in kaiserlich russischen
Diensten zu Persien und dem Kaukasus im 19. Jahrhundert). Koloniale Aspekte des
Forschungsreisenden finden sich am stärksten im Bereich des Kaukasus im Kontext der russischen
Erschließung der Region seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Unter den Pilgerreisen verdienen
neben den klassischen Mekkapilgerberichten auch Berichte von Reisen zu schiitischen Heiligtümern
(Atabat, Damaskus, Mashhad) alltagsgeschichtliches Interesse. „Touristische“ Aspekte spielen dabei
ebenfalls eine Rolle, ebenso wie Handel Pilgerreisen mitfinanzieren konnte. Dabei konnten kulturelle
wie politische Grenzen durchbrochen werden.
In jüngerer Zeit hat ein Perspektivenwandel stattgefunden, der dem umgekehrten Blick des
orientalischen Reisenden nach „Farang“ bzw. Europa breiten Raum einräumt (Babaie 2009, Matthee
2009, 2010, Sohrabi 2012). Jenseits der Dichotomien von Okzidentalismen versus Orientalismen und
des inverted gaze – Konstantinopel ist dabei konkreter Ort des Blickrichtungswechsels ebenso wie
des Wechsels von Transportmitteln – verdienen Binnenreisen innerhalb der Großregion besondere
Aufmerksamkeit. Dazu zählen Untersuchungen politischer Missionen aus Persien nach Russland (z.B.
die offizielle Entschuldigungsreise von Khosrou Mirza nach St. Petersburg, Bournoutian 2014)
genauso wie die sorgfältig dokumentierte Reise Murads IV. nach Eriwan und Tabriz 1044–45 h.q.
(Zayrik/Salihi 2012). Reisen zwischen Iran und dem Osmanischen Reich dokumentieren vielfältige
Kontakte jenseits der militärischen und ideologischen Konfrontation (Eberhard 1970, Woods 1979,
Posch 2013). Die Großregion als Transitraum von globalen Reisenden verbindet zudem Indien mit
17
Europa und teils den Amerikas (Alam/Subrahmanyam 2007). Noch am Anfang stehen Genderaspekte
des Reisens in der Vormoderne; keinesfalls waren Reisende ausschließlich Männer.
Geschlechterrollen verschoben sich auf Reisen deutlich, da übliche Formen der Segregation nicht
aufrechterhalten werden konnten bzw. Frauen Teil von größeren Reisegruppen oder offiziellen
Gesandtschaften waren.
5.1.3. Handel und Waren
Nicht zuletzt in Bill Clintons berühmten Wahlkampfmotto “It’s the economy, stupid” zeigt sich die
herausragende Bedeutung von Handel und Wirtschaft für den inneren Zusammenhalt von
Herrschaften, den äußeren Zusammenhalt von Regionen und das Wohlempfinden der Bevölkerung.
Die im Zentrum des Projekts stehenden Regionen bilden hier keine Ausnahmen von der Regel,
dennoch sind sie bisher selten als gemeinsamer Wirtschaftsraum untersucht worden, sondern eher in
ihrem jeweiligen Zusammenspiel mit Zentraleuropa. Braudel legt davon Zeugnis ab, indem er die
russische Wirtschaft der frühen Neuzeit als einen autonomen Block darstellt, der nur wenige Bezüge
zu Europa gehabt habe und durch eine machtvolle lenkende Autokratie auf sich selbst gerichtet
gewesen sei. Das Osmanische Reich habe ähnliche Tendenzen gehabt, sei aber zusätzlich noch „une
contre-Europe, une contre-Chrétienté“, was die Eingliederung in die Weltwirtschaft erschwert habe
(Braudel 1979: 552 ff., 586). Diese Argumentation knüpft an Wallersteins Arbeiten an, nach denen das
Osmanische Reich und Russland gegenüber der „World Economy“ der frühen Neuzeit autarke
„external areas“ gewesen seien, die erst nach und nach als Peripherie und Semi-Peripherie in die
europäische „Weltwirtschaft“ hineinintegriert worden seien. Diese „external areas“ seien mit der
„Weltwirtschaft“ eigentlich nur durch den vereinzelten Austausch von Luxusgütern verbunden
gewesen (Wallerstein 1974).
Was bei diesen Ansätzen aber zumeist außer Betracht gelassen wird, sind wirtschaftliche
Zirkulationsprozesse zwischen Osteuropa, dem Osmanischen Reich, dem Mittleren Osten und
Zentralasien. Hier gab es ebenfalls Fernhandel, man denke nur an Seide, die im Safawidenreich
hergestellt, ihren Weg nach Osteuropa fand. Der Handel war so bedeutend, dass der Boykott des
Seidenhandels durch den safawidischen Schah Abbas I. das Osmanenreich um 1700 an den Rand
des Ruins brachte, da es osteuropäische Handelspartner nicht mehr bedienen konnte (Floor 2000: 50).
Gehandelt wurden vor allem Textilien, Zucker, Gewürze und Metalle. Gerade für Gewürze aus Indien
stellte das Safawidenreich das Transitland für seine nördlichen und westlichen Nachbarn dar. Für
Edelmetalle, vor allem Silber, ging es in die Gegenrichtung nach Indien. Im Gegensatz zum
zeitgenössischen Europa, das seine vorhandenen Edelmetallvorkommen durch Importe aus Amerika
ergänzen konnte, sah es in Osteuropa und im östlichen Asien ausgesprochen dürftig im
Edelmetallbereich aus, sodass manche Wirtschaftshistoriker den „Bullion Flow“ von West nach Ost
sogar zum Vorboten europäischer militärischer Expansion erklären (Braudel 1979, Wallerstein 1974,
vgl. Barkan 1975). Die neuere Forschung verfolgt inzwischen multikausale Erklärungsansätze, in
denen auch das Bevölkerungswachstum, die Zunahme des Buchgeldes und die
Umlaufgeschwindigkeit einbezogen werden.
Ein zentrales Wirtschaftsgut der Großregion stellten rund um das Schwarze Meer und im
Kaukasus Sklaven dar. Die Genuesen hatten Kaffa auf der Krim bereits ab dem 13. Jahrhundert zu
einer Hochburg des internationalen Sklavenhandels gemacht. Kaukasische Tscherkessen gingen als
Kriegsklaven nach Ägypten, Tscherkessinnen und Russinnen erfreuten sich in südeuropäischen
Städten großer Beliebtheit (Epstein 1996: 267). Dieser Handel ging auch nach Vertreibung der
Genuesen durch die Osmanen im Jahr 1475 weiter. Die Krimtataren machten in Osteuropa Jagd auf
Menschen, die sie ins Osmanenreich verkaufen konnten. Schätzungen sprechen von ca. 2 Millionen
Osteuropäern, die auf diesem Weg zwischen 1500 und 1760 über die nördliche Schwarzmeerküste in
die Herschaften im Süden und Osten fanden, so die Ehefrau des osmanischen Sultans Süleyman I.
Roxelane (Hürrem Sultan). Bis weit in das 18. Jahrhundert waren tscherkessische
und ,orientalische‘ Frauen als Sklavinnen in Zentraleuropa und Russland, gerne auch als Geschenk
unter Adligen, sehr begehrt. Da sich das Zarenreich im Laufe des 18. Jahrhundert der östlichen
Schwarzmeerküste bemächtigte, übernahm es auch zunehmend die Kontrolle über diesen sehr
lukrativen Handelszweig (Zeuske 2013: 470, 521). Ertragreich war insbesondere der
Lösegeldsklavenhandel (Dávid/Fodor 2007).
Wichtig für diesen Fernhandel mit Luxusgütern und Sklaven zwischen Osteuropa, Osmanenund Safawidenreich erwiesen sich christliche und jüdische Minderheiten als Händler mit
überregionalen Familiennetzwerken, die wirtschaftliche Transaktionen begünstigten. Gleichzeitig
übernahmen auch die italienischen, iberischen, später auch die nordeuropäischen Handelsnationen
eine Rolle als Zwischenhändler (Tracy 1990, Arbel 1995).
Selbst wenn im Zentrum des Wirtschaftsteils des geplanten Projektes vor allem die
interregionalen und internationalen Handelsbewegungen von Händlern und Gütern stehen werden, ist
zu berücksichtigen, dass die Hauptgrundlage der heimischen Wirtschaften die lokale Landwirtschaft
18
darstellte. Für die frühe Neuzeit spricht Inalcik davon, dass 90 % der Staatseinnahmen der Osmanen
aus der Landwirtschaft und der Kopfsteuer für die christlichen Untertanen kamen (Inalcik 1994: 55).
Aber auch diese lokalen Märkte waren nicht komplett autark, sondern besaßen immer auch
Beziehungen zu Nachbarregionen, was mit dem Konzept der “connectivity of microregions”
beschrieben wird (Horden/Purcell 2000: 123). Das geplante Projekt möchte gerne diesen
Mikroregionen nachspüren und sehen, wie zwischen dem Osmanischen Reich, dem islamischen
Osten und Osteuropa durch handelnde Akteure Handels- und Wirtschaftsnetzwerke geknüpft wurden.
Neuere methodische Überlegungen zu Materialität als Zugang zu zentralen kultur- und
gesellschaftsgeschichtlichen Fragestellungen zur Rolle von Dingen in der Konstitution von sozialen
Praktiken sind geeignet, den thematischen Bereich über orientalisch gestaltete Accessoires in
Osteuropa hinaus entscheidend weiter zu fassen (paradigmatisch zur Antike: Van Dommelen 2010).
5.2 Eingrenzung der wissenschaftlichen Fragestellungen unter Berücksichtigung der Laufzeit
eines Schwerpunktprogramms
Der hier im Zentrum der Aufmerksamkeit stehende Raum war in der Geschichte eher verbindend als
trennend. Vom antiken Persischen-, Griechischen und Römischen Großreich über die mittelalterliche
Goldene Horde, Polen-Litauen und das Russische Reich bis zum Osmanischen Reich stellten immer
wieder regionenübergreifende Herrschaftsgebilde den Nexus von Iran bis zum Balkan, dem Kaukasus
und der Ukraine und Russland her. Sogar in Zeiten fragmentierter Herrschaft bestanden
Handelsverbindungen, politische Netzwerke und kulturelle Transfers um und über das Schwarze Meer.
Erst das Auftreten der Kolonialmächte blockierte ab Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich die
Bewegung von Menschen, Waren und Ideen und machte die Region zum trennenden Glacis. In der
Außenwahrnehmung avancierte die Großregion während des 20. Jahrhunderts aufgrund des OstWest-Gegensatzes und des Kalten Krieges zu einer Problemzone.
Konfessionelle, religiöse und sprachliche Vielfalt wurde durch übergreifende kulturelle
Praktiken der Kommunikation in Frieden und Krieg verbunden. Dies betrifft neben der übergreifenden
Rolle des Osmanischen als Verkehrssprache und dominante Sprache von Herrschaft und Hochkultur
eine Reihe anderer Sprachen (u.a. Polnisch, Russisch, Persisch), die in mehr als nur einem Land der
Großregion verwendet wurden. Phänomene der sozialen Ordnung, besondere Modi der
Kommunikations- und Aushandlungskultur, Elemente der Alltagskultur (Arbeitstechniken,
Bewässerungspraktiken, Formen des Pastoralismus, Kleidung, Musik, Esskultur) und konkurrierende
religiöse und konfessionelle Orientierungen (Islam, Katholizismus, Orthodoxie etc.) stellten ebenfalls
soziale Verbindungen her. Auch kompetitive, in der wechselseitigen Beobachtung und Abgrenzung
oder in Synkretismen konstituierte Beziehungen sind von Interesse. Als verbindende Perspektive für
das Schwerpunktprogramm wählen wir jedoch nicht zunächst religionswissenschaftliche Zugänge,
sondern generell Mobilität. Wir konzentrieren uns auf wechselseitig verschränkte Handlungsräume,
die sich in den räumliche, kulturelle und soziale Grenzen überschreitenden Interaktionen der Akteure
konstituierten.
Durch die Auswahl eines Untersuchungsgegenstandes, der durch die Linse von Mobilität
erforscht wird, folgt jedes Teilvorhaben einem figurationalen Verständnis, wobei die konkreten,
zueinander in einem Figurationsverhältnis stehenden Menschen(gruppen) und Parameter jeweils zu
benennen sind. Damit bilden historisch erforschbare Figurationen den erfahrbaren und
handlungsrelevanten Niederschlag dessen, was durch Mobilität konstituiert wird. Das
Erkenntnisinteresse – also die jeweilige Fragestellung für eine Erforschung durch die Mobilitätslinse –
eröffnet den konkreten Untersuchungsraum. Diese grundlegend post-territorialisierende Perspektive
lässt sich so weit spannen, dass rein virtuell wahrgenommene (‚imaginierte’) Räume als
Untersuchungsgegenstand in Frage kommen, wie sie in den kognitiven Landkarten (mental maps)
vieler zu Immobilität gezwungener Menschen verfolgbar sind.
Die Erforschung transimperialer oder transnationaler Verzahnungen innerhalb Europas und
über seine Grenzen hinaus ist insbesondere hinsichtlich des östlichen Europa und des osmanischen
Reiches weiterhin ein dringendes Desiderat. Das Schwerpunktprogramm setzt sich zum Ziel,
epochen- und disziplinenübergreifend Projekte von Osteuropahistorikern, Osmanisten,
Islamwissenschaftlern und Iranisten zu vereinen, die sich in exemplarischer Form grundlegender
Aspekte dieser Verflechtungsgeschichte annehmen. Die im Schwerpunktprogramm behandelten
Themenfelder, die in unterschiedlichen mobilitätsinduzierten Figurationen in den Dimensionen Mobile
Akteure, Wissenszirkulation sowie Handel und Waren verortet sind, machen einen multi- und
interdisziplinären Zugang erforderlich. Um dieses zu leisten, nutzen die Mitwirkenden des
Schwerpunktprogramms theoretische und methodische Zugänge der verschiedenen Fächer, denen
sie im Einzelnen verpflichtet sind, und entwickeln diese – in der ersten Phase – weiter. In den drei
Forschungsschneisen, jedoch auch diese übergreifend, werden in der ersten Phase zusätzliche
Zugänge zu den Interaktionen, denen unser Hauptaugenmerk gilt, gesucht und diskutiert. In der
zweiten Phase sollen auch z.B. räumliche Differenzen konkreter Handlungszusammenhänge neu
19
betrachtet werden, indem zusätzliche Mobilitätskontexte miteinbezogen werden, die sich ggf. über die
transosmanische Konfiguration in noch größeren Raum- und Zeitzusammenhängen hinaus
erstreckten. Auf Grundlage der in multiplen Kombinationen einzeldisziplinärer Zugänge und Ansätze
zu entwickelnden Zugänge sollen die Disziplinen um Erkenntnisse bereichert werden, die im
transosmanischen Kontext erarbeitet wurden, wovon eine Belebung von fachspezifischen Debatten
und im idealen Fall – für die zweite Phase – auch eine Neubestimmung von disziplinär bestimmten
Diskursen und theoretischen Ansätzen zu erwarten sind.
5.3. Kohärenz der geplanten Forschungsaktivitäten
Mit den geschilderten drei Zugängen, die sich wechselseitig bedingen, sollen bisher zu wenig oder
unsystematisch betrachtete, jedoch zentrale Bereiche der Vernetzung der von uns
„Transottomanica“ benannten Verflechtungsräume mit einem Fokus auf Mobilität im übergreifenden
Zusammenhang innovativ untersucht werden können.
Übergreifend sollen im Rahmen der Kommunikationsvorgänge entstandene gemeinsame
Verfahren und explizite Konstruktionen kultureller (In-)Differenz angesprochen werden. Grundlegend
für eine solche Herangehensweise ist die Einschätzung der jeweiligen Kommunikationspartner:
Sowohl Polen-Litauen (Rohdewald/Frick/Wiederkehr 2007) als auch das Osmanische Reich
(Helmedach u.a. 2014) aber auch das Moskauer Reich respektive Petersburger Imperium (Kappeler
1992) und Persien sowie insbesondere die Herrschaftsgebiete zwischen diesen Reichen
charakterisierten sich durch sprachliche und religiöse Heterogenität. Sie konstituierten sich gerade in
ethnokonfessionelle Gruppengrenzen überschreitenden (trans-)kulturellen Praktiken, ohne
Konfliktlosigkeit oder anachronistisch eine vermeintlich prinzipielle Toleranz (vgl. Barkey 2008)
anzunehmen.
Das hier vorgeschlagene Schwerpunktprogramm baut u.a. bewusst auf den Ergebnissen des
bis Ende 2016 laufenden BMBF-Kompetenznetzwerkes „Crossroads Asia“ (www.crossroads-asia.de)
auf, an dem Stephan Conermann maßgeblich beteiligt ist. Wir sind angesichts der dort geleisteten
empirischen und theoretischen Arbeit davon überzeugt, dass sich Crossroads Studies als neuer
Forschungsansatz für die Übertragung auf andere Weltregionen, die ebenfalls durch multiple
Verflechtungsbeziehungen (‚Netzwerkgesellschaften‘) gekennzeichnet sind, geeignet ist. Das
Besondere des SPPs ist vor allem – in scharfer Abgrenzung zu dem Kompetenznetzwerk – seine
historische Ausrichtung und seine Ausrichtung auf „Mobile Akteure“, „Wissenszirkulation“ und „Waren
und Handel“. Ziel des Schwerpunktprogramms ist es also nicht, eine neue ‚Region‘ zu konstruieren.
Stattdessen gehen wir von konkret thematisch definierten Kausal- und Funktionszusammenhängen –
sozialen und räumlichen Figurationen – aus. Unsere ‚post-regionalwissenschaftliche‘ Perspektive
erlaubt eine Orientierung an einem konkretisierten, durch das Erfahren, Imaginieren und Handeln von
Menschen in jeweils thematisch definierten Kontexten konstituierten Raum. Der Mehrgewinn durch die
Bündelung von Einzelstudien im Schwerpunktprogramm besteht – über die Summe der empirischen
Befunde zur Verfasstheit und Logik der Einzelfigurationen hinaus – darin, dass durch den
gemeinsamen Zugriff über die Linse Mobilität ein tieferes, transdisziplinäres Verständnis über die
multipel verschränkten (entangled) Dynamiken in einer Crossroads-Zone ermöglicht wird.
Das hier u.a. vertretene Konzept eines transkontinentalen Interaktionsraums mit offenen
Rändern wird akteurszentriert begründet: Soziale und räumliche Netzwerke konstituieren relationale
Räume, die durch die Vielzahl der sie hervorbringenden Akteure, kulturellen Praktiken und
Erfahrungen definiert sind (Rohdewald u.a. 2007). Damit unterscheidet sich der Zugang vom zu
statisch und zu einheitlich verstandenen älteren Konzept des „Kulturraums“. Kultur wird nicht mehr als
territorial gebundener Lebensraum verstanden, wie es die area studies implizit weiterhin propagieren,
sondern als Austausch, Aushandlungs- und Aneignungsprozess (Conermann 2013).
5.4
Konzepte
zur
Gestaltung
der
interdisziplinären
und
ortsübergreifenden
Zusammenarbeit/Netzwerkbildung
5.4.1 Bestehendes Institutionelles Netzwerk
Die geplante Maßnahme stützt sich innerhalb der deutschen Forschungslandschaft maßgeblich auf
vier wissenschaftliche Zentren und Institute an den Universitäten Bochum, Bonn, Gießen und Marburg.
Hinzu tritt in Istanbul durch die Mitwirkung von Frau Prof. Dr. Suraiya Faroqhi der Fachbereich
Geschichte der Istanbul Bilgi Universitesi sowie die der LMU München. Das Leibniz Institut für
Europäische Geschichte in Mainz ist mit der Osmanistin Dr. des. Denise Klein (Ulema, Krimkhanat,
Sefâretnâmes über Russland: Klein 2007, 2010, 2012) eingebunden. Daraus resultiert, dass das
Projekt lokal von bestehenden Strukturen und Ressourcen unterstützt werden kann.
Die wissenschaftliche Koordination liegt beim Gießener Zentrum östliches Europa (GiZo)
(siehe 5.4.2.). Neben dem geplanten Sprecher Stefan Rohdewald sind hier vor allem die Professuren
für Osteuropäische Geschichte (Prof. Dr. Thomas Bohn: Russland, Sowjetunion, u.a. Historiographie,
Orientalische Frage, Vlad III. Draculea (Bohn 1992, 1998, 2014, Bohn/Gheorghe/Weber 2013)) und
20
für Ostmitteleuropäische Geschichte (Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg: Herder Chair, Herder Institut
Marburg: u.a. Frühneuzeitliche Nationskonzepte, Deutsch-polnische Verflechtungen, Adelsreisen,
Teilungen Polen-Litauens (Bömelburg 2005, 2006, Bömelburg/Gestrich/Schnabel-Schüle 2013,
Bömelburg/Kizik 2014)) als besonders enge Kooperationspartner hervorzuheben, die aktiv an der
Ausarbeitung des Projektantrages beteiligt waren. Als Partner im Projekt bietet sich auch die Sektion
„Slavia Turcia“ an, die Turkologie (Prof. Dr. Mark Kirchner), Slavistik (Prof. Dr. Monika Wingender),
Islamische Theologie und ihre Didaktik (Prof. Dr. Yaşar Sarιkaya) sowie Südosteuropäische
Geschichte (Prof. Dr. Stefan Rohdewald) verbindet. Ebenso entstand in Gießen auf Antrag von
Markus
Koller
der
jährlich
tagende
internationale
Arbeitskreis
„Das
osmanische
Europa“ (www.Osmanisches-Europa.de), der in den vergangenen Jahren von Stefan Rohdewald
koordiniert wurde.
In Bonn ist in diesem Zusammenhang seitens des Initiatoren Stephan Conermann das von
ihm geleitete Bonner Forum Osmanistik als Kooperationspartner zu benennen. Außerdem ist Bonn
durch das von der DFG geförderte Annemarie Schimmel Kolleg „History and Society during the
Mamluk Era“ mit seinen zahlreichen Projekten und dem BMBF Kompetenznetzwerk Crossroads Asia
ausgewiesen. Bochum verfügt mit dem vom BMBF geförderten Zentrum für Mittelmeerstudien, in
dessen Vorstand sich Markus Koller befindet, ebenfalls über ein lokales Netzwerk, das sich mit
Fragestellungen von Mobilität und Zirkulation aussetzt, die auch für den vorliegenden Projektantrag
von Relevanz sind. Ähnliches lässt sich für das am CNMS der Universität Marburg laufende ANRDFG Forschungsprojekt „Dynamics of Transmission: Families, Authority and Knowledge in the Early
Modern Middle East (15th–17th Centuries)“ anführen. In Marburg ergänzt zudem Prof. Dr. Christoph
Werner (Iranistik: u.a. Stadtgeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Selbstzeugnisse von Kaufleuten:
Werner 2000, 2005, 2014), der ebenfalls aktiv an den Antragsvorbereitungen beteiligt war, das Team
mit seiner Expertise zu Iran und Zentralasien.
Mit dieser Aufzählung soll aber nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Netzwerkbildung
schon vor Beginn des Projektes abgeschlossen ist. Vielmehr geht es um den Nachweis einer starken
institutionellen Basis von der aus das Netzwerk zukünftig weiter wachsen kann.
5.4.2 Wissenschaftliche Koordination
Das Koordinationsprojekt der Transottomanica Maßnahme wird am GiZo der Universität Gießen
angesiedelt sein. Dort bestehen mit dem GCSC (International Graduate Centre for the Study of
Culture) und dem GGK Graduiertenzentrum Kulturwissenschaft bereits eine Basis-Infrastruktur sowie
ein tragfähiges Umfeld besonders für Nachwuchswissenschaftler. Die Universität als Ganzes wird das
SPP entsprechend unterstützen. Das Koordinationsprojekt wird zudem die internationale Kooperation
anregen und organisieren, insbesondere auch forschungsnahe Auslandsaufenthalte von
Nachwuchswissenschaftlern und Doktoranden unterstützen. Es wird zudem den Webauftritt betreuen.
5.4.3. Vernetzungsstrategie
Die einem der drei genannten Forschungszugänge zugeordneten Projekte werden durch die
Initiatoren als sektorale Koordinatoren in miteinander kommunizierenden Forschungsschneisen
organisiert. Für die Diskussion der Projekte, den Austausch von Zwischenergebnissen und deren
kritische Diskussion sowie die Entwicklung innovativer Zugänge innerhalb der jeweiligen
Forschungsschneisen besteht die Möglichkeit, bis zu dreimal im Jahr themen- und
methodenbezogene Arbeitstreffen im Sinne kleiner informeller Workshops abzuhalten. Die
Arbeitstreffen dienen der Stärkung der Kommunikation innerhalb der Research Cluster und sollen
abwechslungsweise auch gemeinsam mit einem zweiten Research Cluster stattfinden, um
Querverbindungen zwischen den zwischen den Arbeitsgruppen und thematische/methodische
Gemeinsamkeiten/Unterschiede im Vorgehen zu diskutieren. Zudem wird jährlich seitens der
Initiatoren ein projektübergreifender Workshop durchgeführt, der allen Mitgliedern des SPP mit
Kommentaren und Beiträgen externer Expert/innen zur Diskussion von übergreifenden methodischen
Zugängen zu den Themenbereichen der Forschungsschneisen und des Schwerpunktprogrammes
insgesamt dienen soll. Diese Plattform wird die Möglichkeit gewährleisten, praktische und
methodische Forschungsfragen Themen übergreifend zur Diskussion stellen. Im Rahmen dieser drei
Workshops finden sich die Initiatoren, Antragssteller, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb des
Schwerpunktprogramms zu einem gemeinsamen, SPP-internen Austausch zusammen. Diese
jährlichen Zusammenkünfte sind wesentliche Elemente der Herausbildung und Förderung einer
innovativen, fächerübergreifenden methodischen Herangehensweise an die Themen des
Schwerpunktprogrammes. Im dritten Jahr der ersten beantragten Förderperiode steht eine
internationale Tagung, deren Beiträge nach dem Ende der ersten Förderperiode veröffentlicht werden
sollen. Mit Kommentaren externer Experten und unter aktiver Teilhabe interner KollegInnen aller
Research Cluster sollen Zwischenresultate und neue Zugänge zur Diskussion gestellt werden. Auf
diesem Weg sollen methodische sowie praktische Probleme und innovative Ideen für die Umsetzung
21
und Fortführung der Forschungskooperation in der anschließenden Periode erörtert und formuliert
werden. Ausgehend von diesem Zwischenschritt sollen bis zur zweiten internationalen Tagung bzw.
im zweiten Band zum Abschluss der zweiten Förderperiode weiterführende Ergebnisse und für die
Großregion entwickelte neue Fragestellungen sowie methodische und konzeptuelle Überlegungen
festgehalten werden.
5.5 Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Förderung von
Wissenschaftlerinnen, Angebote zur Familienfreundlichkeit
Zur Förderung der Ausbildung von Doktorand/innen-Ausbildung sollen zudem bestehende
Instrumente der beteiligten Universitäten zum Einsatz kommen. Je nach Möglichkeit und Bedarf
werden sie in die Programme der lokalen Institute, Graduiertenschulen oder Kollegs integriert.
Beispielsweise in Gießen werden Promovierende des Fachbereichs 04 Mitglied im Gießener
Graduiertenzentrum Kulturwissenschaften (GGK) und auf Antrag im International Graduate Centre for
the Study of Culture (GCSC, https://www.uni-giessen.de/fbz/faculties/gcsc/gcsc), das im Rahmen der
Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird. In Bonn ermöglicht die Bonn
International Graduate School – Oriental and Asian Studies (BIGS-OAS, http://www.ioa.unibonn.de/bigs-oas) exzellente Forschungsbedingungen. An der Ruhr-Universität Bochum ist
entsprechend die RUB Research School (http://www.research-school.rub.de) und in Marburg die
Marburg University Research Academy (https://www.uni-marburg.de/mara) zu nennen, die den
eingetragenen Promovierenden gleichfalls Forschungsaufenthalte und Kurse anbieten.
Den Doktorand/innen und Postdocs im geplanten Vorhaben soll ermöglicht werden, Perioden
ihrer Förderungszeit an einem anderen Standort, vorzugsweise bei einem anderen Teilprojekt oder
einem/r Kooperationspartner/in im Ausland, zu verbringen: Die Nachwuchswissenschaftler/innen
können auf diese Weise Erfahrungen in neuen akademischen Umgebungen sammeln. Zudem wird
der Wissensaustausch sowohl im Bereich der thematischen Kenntnisse wie auch hinsichtlich des
methodischen Vorgehens angeregt werden. Der SPP wird die „Forschungsorientierten
Gleichstellungsstandards“ der DFG berücksichtigen, um die Karrieren weiblicher Mitglieder zu fördern.
Dies soll durch eine bewusste Auswahl junger Projektbearbeiterinnen, die finanzielle Unterstützung für
Kinderbetreuung außerhalb von Kindergartenöffnungszeiten aber auch während Konferenzen und
Workshops sowie spezifische Mentoring-Gruppen umgesetzt werden.
Das Koordinationsprojekt wird Rundgespräche und Workshops sowie Kooperationstreffen
anregen, unterstützen und umsetzen. Vorgesehen sind neben jährlichen Treffen des
Gesamtprogramms, das regelmäßig auch mit einem internationalen Workshop verbunden werden soll,
Treffen der Forschungsbereiche sowie übergreifende thematische Treffen, etwa Methoden- oder
Theorieworkshops. Das Kooperationsprojekt wird ferner spezifische Anstrengungen unternehmen,
wissenschaftlichen Nachwuchs auf allen Stufen zu gewinnen und darauf achten, dass diese auch
hinreichend viel Unterstützung und angemessene Betreuung erhalten, um ihre Qualifikationsarbeiten
in angemessenen Zeiträumen abschließen zu können.
Zur Förderung spezifischer „transosmanischer Kompetenzen“ sollen zwei Mal in drei Jahren
Intensiv-Sommerschulen (bis zu einem Monat) auch in Ländern der Region für die Projektmitarbeiter
veranstaltet werden, die für eine begrenzte Zahl weiterer Interessierter seitens der durch Projekte
vertretenen Universitäten geöffnet sein sollen: Auf diesem Weg sollen seltene, aber für die Themen
des Schwerpunktprogrammes wesentliche Kombinationen von Sprachkenntnissen gezielt gefördert
werden und der Nachwuchs auch für eine zweite Förderperiode gefördert werden. Intensivkurse in
Russisch, Polnisch, Osmanisch, Arabisch und Persisch, die auch paläographische Module beinhalten,
sollen die jeweils bereits vorhanden Sprachkenntnisse der Projektmitarbeiter komplementieren und sie
mit Grundkenntnissen im Sinne einer Arbeitsbasis im Umgang mit Forschungsstand und spezifischen
Quellen ausstatten. Beispielsweise sollen Islamwissenschaftler mit Arabischkenntnissen auf diesem
Wege grundlegende Osmanischkenntnisse erlangen können und im Laufe der Zeit auch die Fähigkeit,
polnische oder russische Fach- und ggf. Quellentexte oder zumindest Buchtitel erschließen zu können.
Die Kurse können durch die seitens der Initiatoren vertretenen Universitäten mit zusätzlichen
Lehraufträgen und durch das punktuelle gezielte Engagement der Antragssteller rotierend angeboten
werden, vorzugsweise aber zentral ggf. im zwischen Marburg und Gießen gelegenen Schloss
Rauischholzhausen (JLU). Im Rahmen dieser Sommerschulen sollen auch Research Cluster
übergreifende Projektvorstellungen mit externer Kommentierung stattfinden können. Im Kontext der
Wissenszirkulation bietet sich auch ein Handschriftenworkshop zur frühneuzeitlichen Ideengeschichte
in Kooperation mit dem Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt (Prof. Dr. Martin Mulsow) an.
Der dortige Bestand an arabischen, osmanischen, west- und osteuropäischen Handschriften bietet
sich nicht nur paläographisch an, sondern kann auch eine Quellenbasis zur Erforschung von
Wissensaustausch in der frühen Neuzeit sein.
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Kompetenzen und praktische Erfahrung der Marburger Iranistik besteht auch in der
Vermittlung von paläographischen Kenntnissen und Kanzleischriften sowie Archivwesen für den
persisch-iranischen Raum: zuletzt Siyaq-Sommerschule 2013.
5.6 Vernetzung der geplanten Forschungsaktivitäten im internationalen Wissenschaftssystem
5.6.1 Akademische Kooperationspartner in der Untersuchungsregion
Die Verbindungen der Antragsteller mit gegenwärtigen akademischen Institutionen in der historischen
Transottomanica sind zahlreich. In Osteuropa bestehen aktive Beziehungen zur Universität Warschau
(Prof. Dr. Dariusz Kołodziejczyk) und für die JLU Gießen das DAAD Netzwerk Kulturelle Kontakt- und
Konfliktzonen, an dem Lódź, Minsk, Cluj, Kazan’ und Almaty teilhaben. Zusätzlich stehen die Mohyla
Akademie in Kiew (Dr. Tetiana Grygorieva), die Ukrainische Katholische Universität in L’viv sowie die
Universitäten Zagreb (Dr. Vjeran Kursar), Sarajevo und die Russische Akademie der Wissenschaften
in Moskau (Dr. Il’ja Zajcev) als Partner zur Verfügung. Das CNMS verfügt ebenfalls über ein
institutionalisiertes Netzwerk an Partnern im Nahen und Mittleren Osten, das Studentenaustausch
aber auch gemeinsame Forschungsplanungen umfasst. Dazu gehören Universitäten im Iran
(Teheran), Tadschikistan (Duschanbe), Ägypten (Ain Shams University und Cairo University) und
Marokko (Université Mohammed VI Polytechnique, Rabat und Université Cadi Ayyad, Marrakesh). Die
Universität Marburg verfügt zudem über eine eigene Außenstelle im deutschen Wissenschaftszentrum
Kairo, das die Forschungsaktivitäten des geplanten Projekts im Nahen Osten koordinieren würde.
Weitere wichtige Kooperationspartner sind die Hebrew University (Jerusalem) und neben der Bilgi
Universitesi in Istanbul die dortigen Universitäten Yıldız Teknik (Prof. Dr. Mehmet Hacısalihoğlu) und
Yeditepe. Hinzu treten folgende Auslandsinstitute der deutschen Wissenschaft, die bereits eine
Zusammenarbeit signalisiert haben: Deutsches Orient Institut Beirut, Deutsches Orient Institut Istanbul,
DHI Moskau, DHI Warschau. Auch das Institut français d'archéologie orientale(IFAO), Kairo (Prof. Dr.
Nicolas Michel) hat bereits Unterstützung angeboten.
5.6.2 Weitere internationale Projektpartner
Neben den vielfältigen individuellen Kontakten der Antragsteller bestehen intensive wissenschaftliche
Kontakte zu folgenden Institutionen: Netherlands Interuniversity School for Islamic Studies (NISIS), mit
einem sehr erfolgreichen Spring- und Summerschoolprogramm (Academic Director Prof. Dr. Leon
Buskens); Münster, Leibnizpreis-Forschungsstelle ALEA – Arabische Literatur und Rhetorik Elfhundert
bis Achtzehnhundert (http://www.uni-muenster.de/ALEA/) (Prof. Dr. Thomas Bauer), School of
Oriental and African Studies, London ( Dr. Benjamin Fortna, Dr. Jan-Peter Hartung, Dr. Konrad
Hirschler), Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (EHESS) (Dr. Pascal Buresi/Prof. Dr.
Bernard Heyberger), School of Mamluk Studies, University of Chicago (Dr. Marlis Saleh). McGill
University, Montréal (Prof. Dr. Giancarlo Casale, History and Classical Studies, Pre-Modern Ottoman
History), Université du Québec à Montréal (UQAM), Prof. Dr. Stefan Winter, History department, PreModern Ottoman History, Arab Lands under Ottoman Rule).
5.6.3 Vernetzungsstrategie
Die internationale Vernetzungsstrategie sieht vor, diese Partner zum frühestmöglichen Zeitpunkt
(Ausschreibung des Programms durch die DFG) in die obengenannte Vernetzungsstrategie (5.4.3)
und die geplanten Nachwuchsförderungsprogramme einzubinden.
6 Abgrenzung zu anderen laufenden Programmen mit direktem Bezug
Das Konzept unterscheidet sich durch seinen Fokus auf Osteuropa, das Osmanische Reich und
Persien vom Exzellenzcluster „Europe-Asia in a Global Context“ der Universität Heidelberg, dessen
Träger insgesamt Asien und Europa ohne regionalen Fokus in einem globalen Rahmen untersuchen
(www.asia-europe.uni-heidelberg.de). Als Ansprechpartner bietet sich dort z.B. Prof. Dr. Harald Fuess
an. Auch der universitäre Forschungsschwerpunkt UFSP Asien und Europa an der Universität Zürich
(www.asienundeuropa.uzh.ch/) hat einen bedeutend weiter gefassten Untersuchungsgegenstand
gewählt. Das Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum (CERES
http://www.ceres.rub.de/de/) befasst sich umfassend mit Themen, die in diesem Antrag hingegen nur
durch die gewählte Linse „Mobilität“ bzw. Wissenszirkulation relevant werden. Komplementär ist auch
das Asien-Afrika Institut der Universität Hamburg (http://www.aai.uni-hamburg.de) aufgestellt. Auf
Armenier in Ostmitteleuropa konzentriert sich bis 2019 als BMBF-GWZO-Redaktionsvorhaben ein
Projekt am GWZO Leipzig (Prof. Dr. Stefan Troebst). Die Unterschiede zu den Ansätzen des BMBFKompetenznetzwerkes „Crossroads Asia“ sind weiter ober (unter 5.3) bereits benannt worden.