Panorama

Klimakrise in der Landwirtschaft Afrika weiß, was kommt - und alle gucken weg

Der Sahel ist bereits so trocken, dass er kaum bewirtschaftet werden kann. Was, wenn er noch trockener wird?

Der Sahel ist bereits so trocken, dass er kaum bewirtschaftet werden kann. Was, wenn er noch trockener wird?

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Viele Regionen in Afrika leiden unter dem Klimawandel. Die Temperaturen sind hoch und steigen weiter, das Wasser ist knapp und wird weniger. Wie wirkt sich das auf die Landwirtschaft aus? Ganz genau weiß man das nicht, denn während sich in Europa und Nordamerika Tausende Studien mit dieser Frage beschäftigen, gibt es in einigen afrikanischen Regionen keine einzige Untersuchung. Das erzählt Christoph Gornott im "Klima-Labor" von ntv. Der Agrarwissenschaftler untersucht seit einigen Jahren für das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und die Universität Kassel, wie sich die Klimabedingungen in der außergewöhnlichen trockenen Sahelzone oder im extrem nassen Westafrika verändern und welche Konsequenzen das für die Ernte in den kommenden Jahrzehnten haben könnte. Europa könne "eine ganze Menge" davon lernen, sagt er. Denn speziell die südlichen Nationen müssten sich bald fragen, wie sie mit Wasserknappheit und Trockenheit umgehen und welche alternativen Kulturen sie anbauen könnten.

ntv.de: Sie haben früher als Landwirt in verschiedenen Milchviehbetrieben gearbeitet. Inzwischen untersuchen Sie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft - woher kommt der Sinneswandel?

Christopher Gornott: Ich glaube, es ist kein Sinneswandel, die Arbeit setzt sich ja fort. Ich habe sehr praktisch angefangen und mich als Landwirt damit beschäftigt, Mais und andere Kulturen für Tiere anzubauen. Das gleiche mache ich jetzt immer noch, aber abstrakter, weil wir landwirtschaftliche Kulturen am Computer anbauen und simulieren, wie sich nicht nur die nächste Ernte auswirkt, sondern auch die Ernte im Jahr 2030 oder 2050.

Christoph Gornott leitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die Arbeitsgruppe "Anpassung in Agrarsystemen" und an der Universität Kassel das Fachgebiet "Agrarökosystemanalyse und -modellierung".

Christoph Gornott leitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die Arbeitsgruppe "Anpassung in Agrarsystemen" und an der Universität Kassel das Fachgebiet "Agrarökosystemanalyse und -modellierung".

(Foto: Privat)

Konkret erforschen Sie seit ein paar Jahren widerstandsfähige Agrar-Ökosysteme in Tropen und Subtropen. Welche Regionen sind das genau?

Zu den Tropen und Subtropen gehören natürlich auch Teile von Südamerika, Asien und Südostasien, unser großer Schwerpunkt ist aber Afrika südlich der Sahara. Das sind Regionen wie Ostafrika, Länder wie Tansania oder Kenia. Auch in Westafrika arbeiten wir sehr viel - in Burkina Faso oder auch Ghana.

Und wie sieht die Milchindustrie dort aus?

Da gibt es bei mir tatsächlich einen kleinen Sinneswandel. Ich beschäftige mich jetzt größtenteils mit der pflanzlichen Produktion, also Nahrung aus Pflanzen, vor allen Dingen Mais und Hirse. Ein bisschen machen wir auch zu Milchviehhaltung oder Tierhaltung im Allgemeinen. Gerade in Westafrika spielen pastorale Systeme eine große Rolle. Die sind natürlich ganz anders als das, was wir in Europa oder Deutschland kennen.

Können Sie einen Unterschied nennen?

Die sind nicht hoch industrialisiert oder geballt. Da stehen nicht wie bei uns viele Milchkühe in einem Stall, die auf eine sehr hohe Milchleistung gefüttert werden. Das ist ein nomadisches System, wo Nomaden je nach Futtergrundlage rumreisen und versuchen, die beste Futtergrundlage für ihr Einkommen und auch für ihre Ernährungssicherheit zu gewinnen. Und zwar in einer extrem trockenen Region direkt unter der Sahara.

Gibt's auch Parallelen zwischen der Landwirtschaft in Afrika und Deutschland?

Ja, natürlich. Wenn wir über landwirtschaftliche Kulturen reden, ist der Mais eine sehr wichtige in Ostafrika. Der wird auch in Europa angebaut und reagiert prinzipiell sehr ähnlich: Er hat Probleme mit Trockenheit und Wärme. Das trifft in Europa seltener zu, in Afrika ein bisschen häufiger. Er hat aber auch Probleme mit Kälte. In Europa ist der Anbau also ganz klar durch die Temperaturen determiniert, in Ostafrika durch die Regenzeit. Aber die Verbindungen sind sehr stark.

Und müssen wir uns darauf einstellen, dass sich unsere landwirtschaftliche Situation in die gleiche Richtung entwickelt? Sollten wir deshalb nach Afrika schauen, oder was ist Ihr Antrieb?

Wo finde ich das Klima-Labor?

Das "Klima-Labor" könnten Sie sich bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify oder über den RSS-Feed anhören.

Sie haben Fragen an uns? Schreiben Sie eine E-Mail an podcasts@ntv.de oder nehmen Sie Kontakt zu Clara Pfeffer und Christian Herrmann auf.

Man kann zwei Punkte dazu nennen: Erst mal können wir eine ganze Menge aus anderen Agrar-Ökosystemen lernen, auch im südlichen Europa. Wie gehen die mit Wasserknappheit um? Mit Trockenheit? Außerdem können wir gucken, welche neuen Sorten sie kreieren. Bei den genetischen Ressourcen spielen Sorten, die in südlicheren Teilen der Erde angebaut werden, eine größere Rolle.

Insgesamt ändert sich einfach in sehr kurzer Zeit sehr viel für die Agrarsysteme. Darauf müssen wir extrem schnell reagieren, das ist die große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Aber es ist auf der ganzen Welt sehr viel Wissen vorhanden. Es kann nicht falsch sein, das zu generieren und weiterzugeben.

Haben Sie ein Beispiel?

In Westafrika haben wir eine sehr interessante Konstellation zwischen nährstoff- und wassersparenden Methoden, die die Landwirte in der Region schon seit vielen Jahren nutzen. Das sind sogenannte "Zai pits", wo sozusagen kleine Löcher in die Böden gegraben werden, die in einer sehr trockenen und nährstoff-armen Umgebung sehr sparsam mit Wasser und Nährstoffen umgehen. Das ist spannend, weil wir gerade in Europa zu viele Nährstoffe wie Stickstoff brauchen und ein Teil davon im Grundwasser verloren geht. Wenn wir lernen, sparsamer zu sein, ist das sehr positiv auch mit Blick auf Treibhausgasemissionen.

Mehr Effizienz ist das Stichwort?

Genau, bessere Nutzung der Ressourcen oder mehr Effizienz.

Wie schätzen Sie den Forschungsstand in diesem Bereich ein? Ist der zufriedenstellend?

Es gibt auf jeden Fall eine Diskrepanz, wenn wir uns anschauen, wie viele wissenschaftliche Papiere für Subsahara-Afrika und andere Regionen wie Europa veröffentlicht werden. Eine extrem gut erforschte Region ist zum Beispiel der sogenannte Corn Belt, der Maisgürtel in den USA. Da sind Tausende, Zehntausende Untersuchungen publiziert und jedes Jahr kommen Hunderte dazu. Auf der anderen Seite haben wir Regionen in Subsahara-Afrika, wo es noch kein einziges Paper gibt zu einzelnen Technologien. Daran müssen wir arbeiten.

Gibt es keine Daten oder schaut man sich das nicht an?

Zu den USA oder zu Deutschland gibt es aus der Vergangenheit unglaublich große Datensätze, die sehr genau erhoben sind. Eigentlich ohne Fehler. Deswegen ist es natürlich leicht zu sagen, ich knüpfe meine Forschung an diese wunderbaren Beobachtungen zu den Erträgen im Corn Belt an. Da kann man leicht was publizieren, alle wissenschaftlichen Journale wissen, dass es ein hoch qualitativer Datensatz ist. Da hat man es deutlich leichter, in eine gute wissenschaftliche Zeitschrift zu kommen.

In Subsahara-Afrika gibt es Regionen, in denen es wirklich keine Daten gibt oder die Daten nicht verfügbar sind. Da muss man erst mal sehr viel Arbeit investieren und sich lokale Partner suchen, mit denen man zusammenarbeitet. Der Aufwand ist einfach höher, deswegen gibt es wenige Informationen. Das muss man einfach so sehen.

Und die Konsequenz ist, dass Subsahara-Afrika zwar vom Klimawandel betroffen ist, aber nicht weiß, wie sich die landwirtschaftlichen Erträge verändern und wie man am besten darauf reagiert?

Der Klimawandel ist ein globales Problem, das wir global angehen müssen, das ist keine Frage. Da müssen alle Staaten, alle Regionen mithelfen. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch festhalten, dass gerade Subsahara-Afrika die mit am meisten verwundbare Region ist, weil die Effekte des Klimawandels dort noch viel größer sind. Wir haben schon jetzt sehr hohe Temperaturen und es wird noch wärmer, die Wasserknappheit wird durch veränderte Niederschlagsmuster noch stärker. Das wirkt sich auf die landwirtschaftliche Produktion und auf die Ernährungssicherheit aus. Das sind Probleme, die wir in Europa nicht kennen und die wir wirklich adressieren müssen.

Wie ist denn die aktuelle Lage?

Sehr divers. Wie eingangs erwähnt, haben wir auf der einen Seite die Sahelzone direkt unter der Sahara mit außergewöhnlich trockenen, fast wüstenartigen Bedingungen. Die Niederschlagsmenge geht fast nahe Null mit entsprechenden Temperaturen. Es ist wirklich schwierig, überhaupt irgendwas anzubauen. Dann haben wir mit Sierra Leone und Liberia Regionen, die gar nicht weit entfernt sind, wo die Niederschlagsmengen weit über 1000, teilweise über 2500 Millimeter liegen. Das sind außergewöhnlich nasse Bedingungen, wo es auch schwer ist, überhaupt irgendwas anzubauen.

Sehr unterschiedlich, aber immer sehr extrem.

Ja. Äthiopien zum Beispiel hat auch noch sehr große Höhenlagen mit sehr kalten Regionen, wo so etwas wie Weizen oder ähnliche Pflanzen angebaut werden, die in anderen Teilen von Subsahara-Afrika nicht wachsen, weil es zu warm ist. Einen One-Size-Fits-All-Ansatz gibt es auf jeden Fall nicht.

Um die Datenlage zu verbessern, hat Freetown, die Hauptstadt von Sierra Leone, im Oktober eine 34-jährige frühere Bankerin zur ersten afrikanischen "Chief Heat Officer" ernannt. Sie soll als Hitzevorständin sozusagen eine Datenbank aufbauen, weil eben auch in Freetown viele Menschen unter der Hitze leiden und sterben. Ist das ein sinnvolles Projekt?

Ja, ganz klar, die Datenlage und die Datenqualität sind häufig schwierig oder sehr begrenzt. Das sind wichtige Punkte, in die wir auf jeden Fall mehr investieren müssen. Tatsächlich trifft auf fast alle Länder auf dem afrikanischen Kontinent und vor allen Dingen südlich der Sahara zu, dass die Verfügbarkeit von Wetterstationen in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Das ist natürlich schwierig, wenn wir sagen, wir brauchen bessere Daten, um auf den Klimawandel vorbereitet zu sein, und auf der anderen Seite wird das Mess-Netz, auf dem unsere Entscheidungen basieren, kleiner.

Wieso sind es denn weniger geworden?

Das hat unterschiedliche Gründe. Teilweise sind es politische, teilweise hat es mit dem Budget zu tun. Es ist natürlich teuer, eine Messstation zu betreiben. Die muss gewartet werden, ich brauche regelmäßig neues Equipment. Die Daten brauchen eine Qualitätskontrolle, man braucht geschultes, technisches Personal. Dann ist es natürlich leicht zu sagen, wir schmeißen 20 Prozent unserer Messstationen raus und sparen das Geld. Aber es ist natürlich eine fatale Entscheidung.

Mit Christoph Gornott sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch ist zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet worden.

Klima-Labor von ntv

Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Klima-Labor ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen auf Herz und Nieren prüfen. Ist Deutschland ein Strombettler? Vernichtet die Energiewende Industrie & Arbeitsplätze? Warum erwarten so viele Menschen ihren ökonomischen Abstieg? Warum sind immer die Grünen schuld? Sind Seeadler wirklich wichtiger als Windräder? Kann uns Kernkraft retten?

Das Klima-Labor von ntv: Jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert, Spaß macht und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed

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Quelle: ntv.de

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