StartseitePolitikWas von Mandelas Traum von Südafrika geblieben ist

Ikone

Was von Mandelas Traum von Südafrika geblieben ist

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Vor 100 Jahren wurde Nelson Mandela geboren – Von seinen Idealen hat Südafrika sich entfernt
Veröffentlicht:17.07.2018, 18:30

Von:
Artikel teilen:

Sein Kampf für Freiheit, Demokratie und Gleichberechtigung hat Nelson Mandela schon zu Lebzeiten zu einer weltweit verehrten Ikone gemacht. An diesem Mittwoch wäre der Friedensnobelpreisträger 100 Jahre alt geworden.

Umgerechnet 23 Euro kostet ein Ausflug von Kapstadt nach Robben Island. Höhepunkt der geführten Tour über die Insel ist ein Blick in die alte Zelle Nelson Mandelas. Von 1964 bis 1982 lebte der spätere Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger als Häftling auf dieser Gefängnisinsel im Atlantik, einer Art südafrikanischem Alcatraz. Das damalige Regime hätte es gern gesehen, wenn der prominente Insasse dort in Vergessenheit geraten wäre. Das Gegenteil war der Fall. „Free Nelson Mandela“ wurde weltweit zur Parole der Anti-Apartheid-Bewegung.

Das Ende der Unterdrückung

Apartheid: Unter diesem Begriff verstand die Regierung der weißen Minderheit die getrennte Entwicklung der verschiedenen Volksgruppen in Südafrika . In der Realität kam dies einer totalen Dominanz der Weißen gleich. Nelson Mandela hat nicht nur eine zentrale Rolle dabei gespielt, diese rassistische Gesellschaftsordnung zu überwinden. Er hat auch den Nachkommen der europäischen Siedler die Hand zur Versöhnung gereicht. „Niemals, niemals wieder wird in diesem wunderbaren Land eine Gruppe von Menschen die andere unterdrücken“, versprach er 1994 in seiner Antrittsrede als Präsident, und die Südafrikaner – Schwarze und Weiße, Inder und Mischlinge – jubelten ihm zu.

Knapp ein Vierteljahrhundert später schmückt man sich immer noch gern mit dem Vater der Nation. Es gibt Mandela-Gedenkstätten, Mandela-Denkmäler und eine Mandela-Stiftung. Am heutigen Mandela-Gedenktag sind alle Südafrikaner aufgerufen, für gute Zwecke aktiv zu werden. Das reicht von Ärzten, die kostenlose Operationen anbieten – bis hin zum Aufruf, sich unter dem Motto „Shave to Remember“ Mandelas markanten Mittelscheitel aus jungen Jahren schneiden zu lassen. Am Nelson Mandela Square im schicken Johannesburger Vorort Sandton hat kürzlich eine Filiale der edlen Modekette „Presidential“ geöffnet – sie vertreibt die bunt gemusterten Hemden, für die Mandela bekannt war. Die Friedensikone ist längst zur Marke geworden.

Abwärtsspirale unter Zuma

Mit seinem Ideal einer „Regenbogennation“, in der Südafrikaner aller Hautfarben harmonisch zusammenleben, hat Mandela eine passende Metapher gewählt: Ein Regenbogen ist eine flüchtige Erscheinung und verblasst nach kurzer Zeit. Und so leben, 24 Jahre nach Mandelas Amtsantritt, Südafrikas verschiedene Bevölkerungsgruppen im Alltag bestenfalls nebeneinander her.

Zuma ramponierte die gemeinsame Partei

Das hängt auch mit Mandelas Nachfolgern im Präsidentenamt zusammen. Insbesondere unter Jacob Zuma , Präsident von 2009 bis zum Februar dieses Jahres, geriet das Land in eine Abwärtsspirale. Zuma sah sich einer Vielzahl an Vorwürfen ausgesetzt, es ging um Vergewaltigung, Amtsanmaßung und immer wieder um Korruption. Zwar suchte Zuma die Nähe Mandelas und besuchte den inzwischen hochbetagten Vorgänger sogar noch kurz vor dessen Tod 2013 an seinem Altersruhesitz – doch im politischen Tagesgeschäft war von Mandelas Geist nicht mehr viel zu spüren. Der Ruf des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), der Partei Mandelas wie auch Zumas, wurde nachhaltig ramponiert. Die Partei regiert das Land zwar noch immer mit Zweidrittelmehrheit, doch die wichtigsten Metropolen werden inzwischen von der Opposition kontrolliert.

Erst neuerdings schöpfen viele Südafrikaner wieder etwas Hoffnung. Im Februar zwang der ANC Zuma nach langem Hin und Her zum Rücktritt. Sein Nachfolger ist Cyril Ramaphosa, ein alter Vertrauter von Nelson Mandela, der zwischen 1990 und 1994 Chefunterhändler des ANC bei den Verhandlungen mit dem Apartheid-Regime war.

Neue Hoffnung und alte Probleme

Dem neuen Staatschef trauen auch weiße Südafrikaner zu, das Land wieder auf einen besseren Kurs zu bringen. Doch Ramaphosa sieht sich mit Südafrikas ewigem Problem konfrontiert, der Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Auch wenn man beim Gang durch eine südafrikanische Shopping Mall durchaus eine konsumfreudige schwarze Mittelklasse sieht, die es vor zwei Jahrzehnten so noch nicht gegeben hat – noch immer leben viele Südafrikaner in denselben Wellblechhütten wie bei Mandelas Amtsantritt.

Enteignung oder Versöhnung?

Und dann ist da die Frage der Landreform. Der ANC hat jüngst die entschädigungslose Enteignung weißer Farmer beschlossen. Es ist ein altes Streitthema. Die Weißen besitzen immer noch den größten Teil der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Nähme man ihnen das Land weg und verteilte es an schwarze Kleinbauern, würde aber die für das Land wichtige Agrarwirtschaft zerstört. Nicht nur deshalb hatte Nelson Mandela auf Enteignungen von Weißen verzichtet. Sondern auch, um den Frieden zwischen den Bevölkerungsgruppen nicht zu gefährden. Ob der Enteignungsbeschluss umgesetzt wird, ist offen. Zumindest die weißen Südafrikaner werden das Vorgehen des neuen Präsidenten als Gradmesser dafür nehmen, ob es ihm auch heute noch ernst ist mit Mandelas Idealen von Ausgleich und Versöhnung.