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Karte der Hoffnung: Metalle im Untergrund Afghanistans

Foto: USGS

Geologische Vermessung Afghanistans reiche Schätze

Dieser Atlas weckt Zuversicht: In einem einzigartigen Projekt haben Geologen Afghanistan vom Flugzeug aus vermessen. Die Daten lassen riesige Vorkommen von Metallen im Boden vermuten. Viele ausländische Firmen bekunden ihr Interesse - doch wie kann man in dem Land Bodenschätze sicher fördern?

Hamburg - Die geologische Beschaffenheit Afghanistans ist ein Glücksfall. Die Kollision mehrerer Erdplatten in der Region in den vergangenen Jahrmillionen sorgte für Tausende Vulkanausbrüche, wobei Metalle an die Oberfläche gelangten - gigantische Mengen Rohstoffe liegen im Boden.

Vom Reichtum Afghanistans an Bodenschätzen wussten bereits Alexander der Große und Dschingis Khan. Im 20. Jahrhundert haben dann westliche Staaten, unter ihnen Deutschland, das Land erkundet. Später sammelten russische Geologen Rohstoffdaten. Doch der Wust aus Karten - manche sind von Pistolenschüssen durchlöchert - zeigte stets nur kleine Ausschnitte des Landes.

Nun haben Geoforscher Afghanistan aus der Luft durchleuchtet - und eine Schatzkarte des Landes erstellt. Sie nährt die Hoffnung, dass Afghanistan aus eigener Kraft zu Wohlstand kommen könnte. Bisher konzentrierte sich die Rohstoffsuche auf 24 Regionen, jetzt rückt auch der Rest des Landes in den Blickpunkt der Schatzsucher.

Ein Geologen-Traum

Seit dem Sturz der Taliban erkundet der Geologische Dienst der USA (USGS) Afghanistan. Weil Forschungen am Boden wegen der Bedrohung durch bewaffnete Taliban riskant sind, haben die Forscher das Land aus der Luft vermessen. In 43 Tagen flogen sie 37.000 Kilometer; nur die Grenzregionen des Landes ließen sie aus.

Afghanistan sei ein "Geologen-Traum", schwärmen die US-Forscher: Nur selten verhülle Vegetation den Boden - so sei es vergleichweise einfach, das Gestein zu identifizieren.

Zum ersten Mal überhaupt seien nun gut 70 Prozent eines Landes aus der Luft mit sogenannten Hyperspektral-Messungen vermessen worden, teilt der USGS mit. Das vom Boden reflektierte Sonnenlicht verrät dabei, welche Minerale sich im Boden verbergen: Sensoren an Bord des Flugzeugs zerlegen das Licht in all seine Wellenlängen. Wo der Mensch nur wenige Farben wahrnimmt, erkennt die Spektralanalyse Hunderte.

"Großartiges Werkzeug"

Die Farben geben Auskunft über die Zusammensetzung der Erde: Minerale im Boden filtern das Sonnenlicht, ähnlich wie Regentropfen. So liefert die Lichtanalyse des Bodens quasi einen extrem farbenreichen Regenbogen. Die Farbmischung zeigt, aus welchen Mineralen der Boden besteht. Erfahrene Geologen erkennen daraus, wo größere Mengen Metalle zu erwarten sind.

Die neue Karte sei "ein großartiges Werkzeug für die afghanische Regierung", sagt der Direktor der Arbeitsgruppe für wirtschaftliche Stabilität in Afghanistan im US-Verteidigungsministerium (TFBSO), Jim Bullion. "Damit lassen sich Myriaden reicher Minerallagerstätten finden". Ganz einfach werde es nicht, meint freilich Bergbauexperte Carsten Drebenstedt von der Bergakademie Freiberg. Immerhin lieferten die neuen Daten Anhaltspunkte für Rohstoffe, Erkundungen am Boden müssten folgen.

Wo die Schätze liegen

Die größten Schätze versprechen nun diese Gebiete:

  • Hightech-Metalle, sogenannte Seltene Erden, lagern anscheinend in der Provinz Helmand im Süden Afghanistans: Dort zeigen die Kartierungen Karbonatgesteine, die offenbar gigantische Mengen der wertvollen Metalle enthalten. Seltene Erden werden dringend für die Elektronik von Hightech-Produkten wie Computer, Windkraftanlagen oder Autos benötigt.
  • Kupfererz in Aynak, Zentralafghanistan: Es ist eines der größten Kupfervorkommen der Welt mit einem Wert von schätzungsweise 70 Milliarden Euro.
  • Lithium und andere Metalle im Osten des Landes: Dort liegen sogenannte Pegmatite, also erstarrtes Magma eines Vulkans, der vor nicht mal einer Million Jahre erloschen ist. Das Gestein zeigt große Mineraleinschlüsse.
  • Eisenerz, nordwestlich von Kabul.
  • Kupfererz in Herat, im Westen des Landes.
  • Gold im Südosten Afghanistans.

Von den reichen Vorkommen in Afghanistan werden derzeit nur ganz wenige ausgebeutet. Neben der Förderung von Erdgas und Öl im Norden des Landes durch Firmen aus Kanada und China werden lediglich einige Kohlegruben und kleinere Steinbrüche betrieben, in denen Schürfer nach Edelsteinen wie Smaragd oder Rubin suchen.

Geologen als Taxifahrer

Doch Firmen mehrerer Länder haben bereits ihr Interesse bewiesen: Unternehmen aus China bekamen unlängst den Zuschlag für das Kupfervorkommen von Aynak, 15 andere Länder hatten das Nachsehen. Und China wirbt um weitere Lagerstätten. In Kürze werde nun wohl Indien die Erlaubnis für eine Eisenerzlagerstätte erhalten, berichten Insider.

Der Weg vom Zuschlag zur Inbetriebnahme einer Lagerstätte ist allerdings in Afghanistan besonders weit. Die Lage ähnelt der Amerikas vor dem Goldrausch im 19. Jahrhundert - das Land steht ganz am Anfang: Bis die Förderung der Metalle in großem Stil beginnen könne, werde es noch mindestens ein Jahrzehnt dauern, fürchten selbst Optimisten. Denn weder fließen an den potentiellen Abbaugebieten Strom oder Wasser, noch verlaufen dort Straßen oder Bahnschienen. Hüttenwerke zur Trennung von Gestein und Metall gibt es nicht.

Ohne die Hilfe ausländischer Firmen werden sich die Bodenschätze in absehbarer Zeit nicht erschließen lassen. Doch es mangelt an Sicherheit und politischer Stabilität. Der Aufbau lokaler Behörden, die die Rohstoffgewinnung koordinieren würden, erweist sich als kompliziert - das schreckt ausländische Firmen ab. Der Geologische Dienst Afghanistans etwa liege in Trümmern, berichten die Wissenschaftler des USGS. An systematische Arbeit sei nicht zu denken. Einheimische Geologen müssten sich mit Taxifahren ein Zubrot verdienen.

Regierung stoppt den Ansturm

Die afghanische Regierung sorgt sich, die Bodenschätze könnten einfach außer Landes wandern. Neue Gesetze, die ausländischen Bergbau-Investoren Sicherheit für ihre Investitionen geben sollten, habe die Regierung in Kabul jetzt auf Eis gelegt, berichtet die "New York Times". Es würde geprüft, ob die neuen Gesetze tatsächlich den Interessen Afghanistans entsprächen, zitiert die Zeitung Afghanistans Präsident Hamid Karzai.

Bei der Ausschreibung der Kupferschätze von Aynak wurde den Chinesen bereits vorgeschrieben, nicht nur das Erz zu fördern, sondern auch Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen und Straßen zu bauen. Immer wieder jedoch sind Gerüchte über Bestechungsgelder bei der Vergabe von Förderlizenzen zu hören, so bleibt unklar, ob die Vorgaben eingehalten werden.

Die Afghanen wollten mehr Sicherheiten, dass das Land nicht ohne eigenen Profit ausgebeutet werde, sagte der US-amerikanische Botschafter in Kabul, Ryan Crocker, der "New York Times". Bald werde sich entscheiden, wohin sein Reichtum an Bodenschätzen Afghanistan führen werde, meint der afghanische Regierungsberater Ahraf Ghani: Es könne enden wie die ebenfalls rohstoffreichen Länder Chile oder Kongo - im Wohlstand, oder in Armut.