Die 5. e-Learning Fachtagung Informatik - Universität Siegen
Die 5. e-Learning Fachtagung Informatik - Universität Siegen
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Christian Eibl, Johannes Magenheim,<br />
Sigrid Schubert, Martin Wessner (Hrsg.)<br />
DeLFI 2007<br />
<strong>Die</strong> <strong>5.</strong> e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong><br />
17.-20. September 2007 an der <strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong><br />
Gesellschaft für <strong>Informatik</strong> e.V. (GI)
Lecture Notes in Informatics (LNI) - Proceedings<br />
Series of the Gesellschaft für <strong>Informatik</strong> (GI)<br />
Volume P-111<br />
ISBN 978-3-88579-205-5<br />
ISSN 1617-5468<br />
Volume Editors<br />
Dipl.-Inf. Christian Eibl<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong>, Fachbereich Elektrotechnik und <strong>Informatik</strong><br />
Hölderlinstr. 3, 57068 <strong>Siegen</strong>, Germany<br />
E-Mail: eibl@die.informatik.uni-siegen.de<br />
Prof. Dr. Johannes Magenheim<br />
<strong>Universität</strong> Paderborn, Didaktik der <strong>Informatik</strong><br />
Fürstenallee 11, 33102 Paderborn, Germany<br />
E-Mail: jsm@uni-paderborn.de<br />
Prof. Dr. Sigrid Schubert<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong>, Fachbereich Elektrotechnik und <strong>Informatik</strong><br />
Hölderlinstr. 3, 57068 <strong>Siegen</strong>, Germany<br />
E-Mail: schubert@die.informatik.uni-siegen.de<br />
Prof. Dr. Martin Wessner<br />
Ludwig-Maximilians-<strong>Universität</strong> München<br />
Leopoldstr. 13, 80802 München<br />
E-Mail: martin.wessner@psy.lmu.de<br />
Series Editorial Board<br />
Heinrich C. Mayr, <strong>Universität</strong> Klagenfurt, Austria (Chairman, mayr@ifit.uni-klu.ac.at)<br />
Jörg Becker, <strong>Universität</strong> Münster, Germany<br />
Ulrich Furbach, <strong>Universität</strong> Koblenz, Germany<br />
Axel Lehmann, <strong>Universität</strong> der Bundeswehr München, Germany<br />
Peter Liggesmeyer, <strong>Universität</strong> Potsdam, Germany<br />
Ernst W. Mayr, Technische <strong>Universität</strong> München, Germany<br />
Heinrich Müller, <strong>Universität</strong> Dortmund, Germany<br />
Heinrich Reinermann, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Germany<br />
Karl-Heinz Rödiger, <strong>Universität</strong> Bremen, Germany<br />
Sigrid Schubert, <strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong>, Germany<br />
Dissertations<br />
Dorothea Wagner, <strong>Universität</strong> Konstanz, Germany<br />
Seminars<br />
Reinhard Wilhelm, <strong>Universität</strong> des Saarlandes, Germany<br />
© Gesellschaft für <strong>Informatik</strong>, Bonn 2007<br />
printed by Köllen Druck+Verlag GmbH, Bonn
Vorwort<br />
„<strong>Die</strong> <strong>5.</strong> e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong> ! DeLFI 2007“ der Gesellschaft für <strong>Informatik</strong><br />
(GI) wird vom der GI-Fachgruppe E-<strong>Learning</strong> zusammen mit der <strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong><br />
veranstaltet. Sie präsentiert dem interessierten Fachpublikum die jeweils neuesten informatiknahen<br />
Ergebnisse aus Forschung und Praxis zum Thema E-<strong>Learning</strong> und sichert<br />
den regelmäßigen Austausch zwischen Anwendern und Entwicklern. In den zurückliegenden<br />
fünf Jahren förderten die DeLFI-Tagungen in München (2003), Paderborn<br />
(2004), Rostock (2005), Darmstadt (2006) und jetzt <strong>Siegen</strong> (2007) eine Forschungsgemeinschaft,<br />
die langfristig den Beitrag der <strong>Informatik</strong> zum E-<strong>Learning</strong> in Deutschland<br />
positiv beeinflusste.<br />
Drei Besonderheiten zeichnen die DeLFI 2007 aus: die Kooperation mit der 12. GI-<br />
<strong>Fachtagung</strong> „<strong>Informatik</strong> und Schule – INFOS 2007“ des GI-Fachausschusses Informatische<br />
Bildung in Schulen, die Kooperation mit der GI-Fachgruppe Didaktik der <strong>Informatik</strong>,<br />
die ihren 7. Workshop „Didaktik der <strong>Informatik</strong> ! aktuelle Forschungsergebnisse“<br />
integrierte, und die Kooperation mit dem „6. <strong>Informatik</strong>tag Nordrhein-Westfalen“ der<br />
GI-Fachgruppe „Informatische Bildung in Nordrhein-Westfalen“. Den Aktiven in den<br />
drei Fachgruppen und im Fachausschuss danken wir für die ausgezeichnete Zusammenarbeit<br />
und Unterstützung.<br />
<strong>Die</strong>ser Tagungsband enthält einen der zwei eingeladenen Vorträge und 23 Beiträge, die<br />
vom Programmkomitee aus 46 eingereichten Beiträgen nach einem wissenschaftlichen<br />
Begutachtungsprozess ausgewählt wurden. <strong>Die</strong>se Beiträge beleuchten die folgenden<br />
Schwerpunkte der Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven: Didaktik des E-<strong>Learning</strong>,<br />
Content-Engineering, Fallstudien & Erfahrungsberichte, Infrastrukturen & Mobilität und<br />
Kollaboration. Eine Abrundung erfährt der Tagungsband durch acht zweiseitige Kurzbeiträge,<br />
die aktuelle Entwicklungen aufgreifen. Im Rahmen der Konferenz finden drei<br />
Workshops mit eigenen Publikationen statt: Web 2.0 and Social Software in Technology<br />
enhanced <strong>Learning</strong>, Rechnerunterstütztes Selbststudium in der <strong>Informatik</strong>, E-<strong>Learning</strong><br />
und Literatur.<br />
<strong>Die</strong> Organisation und Durchführung der gesamten Tagung und die Erstellung dieses<br />
Tagungsbandes waren nur durch das Engagement vieler Personen und Institutionen und<br />
durch die finanzielle Unterstützung der Sponsoren und Aussteller möglich, denen wir<br />
hiermit danken. Insbesondere wird der Sponsor „InterRed GmbH“ genannt. Außerdem<br />
möchten wir allen Autoren für ihre qualitativ hochwertigen Beiträge zu diesem Band und<br />
damit zum Gelingen der Tagung danken. Ein besonderer Dank gebührt den Mitgliedern<br />
des Programmkomitees der DeLFI 2007 für ihre sorgfältige Begutachtung der Beiträge<br />
und für die konstruktive Diskussion bei der Erstellung des Tagungsprogramms, sowie<br />
dem Organisationskomitee unter Leitung von Stefan Freischlad, dem Karin Ofterdinger,<br />
Kirstin Schwidrowski, Gerd Müller und Christian Eibl angehören.<br />
<strong>Siegen</strong>, im September 2007<br />
Christian Eibl, Johannes Magenheim, Sigrid Schubert, Martin Wessner
Programmkomitee<br />
Sigrid Schubert (Co-Chair, Uni <strong>Siegen</strong>)<br />
Johannes Magenheim (Co-Chair, Uni Paderborn)<br />
Martin Wessner (Co-Chair, LMU München)<br />
Peter Baumgartner (Uni Krems)<br />
Jörg Desel (KU Eichstätt-Ingolstadt)<br />
Jens Drummer (SMK Dresden)<br />
Wolfgang Effelsberg (Uni Mannheim)<br />
Stefan Freischlad (Uni <strong>Siegen</strong>)<br />
Jörg Haake (FU Hagen)<br />
Sybille Hambach (FhG IGD Rostock)<br />
Michael Herczeg (Uni Lübeck)<br />
Thomas Herrmann (Uni Bochum)<br />
Paul-Thomas Kandzia (Berufsakademie<br />
Lörrach)<br />
Reinhard Keil (Uni Paderborn)<br />
Andrea Kienle (FhG IPSI Darmstadt)<br />
Torsten Leidig (SAP Research)<br />
Stefanie Lindstaedt (Know-Center Graz)<br />
Ulrike Lucke (Uni Rostock)<br />
Zusätzliche Gutachter<br />
Christian Eibl (Uni <strong>Siegen</strong>)<br />
Christian Neumair (Gabrieli-Gymnasium Eichstätt)<br />
Kirstin Schwidrowski (Uni <strong>Siegen</strong>)<br />
Peer Stechert (Uni <strong>Siegen</strong>)<br />
Organisation<br />
Prof. Dr. Sigrid Schubert<br />
Dipl.-Ing. Stefan Freischlad<br />
Didaktik der <strong>Informatik</strong> und E-<strong>Learning</strong><br />
<strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong><br />
Fachbereich Elektrotechnik und <strong>Informatik</strong><br />
Hölderlinstr. 3,<br />
57068 <strong>Siegen</strong><br />
http://www.die.informatik.uni-siegen.de<br />
schubert@die.informatik.uni-siegen.de<br />
freischlad@die.informatik.uni-siegen.de<br />
Wolfgang Merzenich (Uni <strong>Siegen</strong>)<br />
Max Mühlhäuser (Uni Darmstadt)<br />
Thomas Ottmann (Uni Freiburg)<br />
Sabine Rathmayer (TU München)<br />
Christoph Rensing (Uni Darmstadt)<br />
Ralf Sagorny (Berufskolleg Werne)<br />
Helmut Schauer (Uni Zürich)<br />
Uli Schell (FH Kaiserslautern)<br />
Ulrik Schroeder (RWTH Aachen)<br />
Gerhard Schwabe (Uni Zürich)<br />
Andreas Schwill (Uni Potsdam)<br />
Silke Seehusen (FH Lübeck)<br />
Ralf Steinmetz (Uni Darmstadt)<br />
Udo Winand (Uni Kassel)<br />
Volker Zimmermann (IMC AG)
Inhaltsverzeichnis<br />
Eingeladener Vortrag<br />
Computer-Supported Collaborative Scripts: Einsatz computergestützter<br />
Kooperationsskripte in der Fernlehre<br />
Haake J.M. 9<br />
Best Paper Session<br />
E-<strong>Learning</strong> aus Prozessperspektive<br />
Iske S. 21<br />
EDL-Editor: Eine Anwendung zur automatischen Aufbereitung<br />
von Vorlesungsvideos<br />
Kopf S., Lampi F., King T., Probst M., Effelsberg W. 33<br />
Notetaking in University Courses and its Implications for e<strong>Learning</strong> Systems<br />
Steimle J., Gurevych I., Mühlhäuser M. 45<br />
Didaktik des E-<strong>Learning</strong><br />
Freie Bildungsressourcen im didaktischen Kontext<br />
Baumgartner P., Zauchner S. 57<br />
Organisation tutorieller Betreuung beim E-<strong>Learning</strong><br />
Ojstersek N. 67<br />
Ein generisches Konzept zur Realisierung von Self-Assessments zur<br />
Studienwahl und Selbsteinschätzung der Studierfähigkeit<br />
Baker A.A., Tillmann A. 79<br />
Bessere Schulnoten mit MatES, dem e-Bibliothekardienst<br />
für den Mathematikunterricht<br />
Linckels S., Dording C., Meinel C. 91<br />
Content-Engineering<br />
Flexibilisierung der Lehr- und Lernszenerien von Business-Fallstudien<br />
durch CaseML<br />
Reinecke K., Topcuoglu H., Hauske S., Bernstein A. 103<br />
Content-Migration beim Wechsel zwischen verschiedenen<br />
Systemkategorien zur Content-Erstellung und -Pflege<br />
Frankfurth A., Schellhase J. 115
Entwicklung rekonfigurierbarer Lern-Inhalte mit (edu) DocBook<br />
Thomas L. 127<br />
Das Authoring Management System EXPLAIN zur ganzheitlichen<br />
Unterstützung des Erstellungsprozesses von Trainingsmedien und WBTs<br />
Lehmann L., Fredrich H., Rensing C., Zimmermann V., Steinmetz R. 139<br />
Fallstudien & Erfahrungsberichte<br />
Eine logfilebasierte Evaluation des Einsatzes von Vorlesungsaufzeichnungen<br />
Hermann C., Welte M., Latocha J., Wolk C., Huerst W. 151<br />
Anreizsysteme zur Intensivierung von E-Teaching an Hochschulen<br />
Wannemacher K. 161<br />
Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Provider – Ein Koordinationsansatz zur nachhaltigen<br />
Etablierung von E-<strong>Learning</strong> an einer Massenuniversität<br />
Kolbe H., Nikolopoulos A. 173<br />
Interoperabilität von elektronischen Tests<br />
Piotrowski M., Fenske W. 185<br />
Infrastrukturen und Mobilität<br />
Aktueller Stand und Perspektiven der e<strong>Learning</strong>-Infrastruktur<br />
an deutschen Hochschulen<br />
Lucke U., Tavangarian D. 197<br />
...unser Admin installiert da mal was! – Zur Nachhaltigkeit von<br />
E-learning-Infrastrukturen – Eine Taxonomie<br />
Hampel T., Steinbring M. 209<br />
koaLA – Integrierte Lern- und Arbeitswelten für die <strong>Universität</strong> 2.0<br />
Roth A., Sprotte R., Büse D., Hampel T. 221<br />
Gibt es mobiles Lernen mit Podcasts? –<br />
Wie Vorlesungsaufzeichnungen genutzt werden<br />
Schulze L., Ketterl M., Gruber C., Hamborg K.-C. 233<br />
Kollaboration<br />
Ein Framework für die kooperative Wissensorganisation –<br />
Informelles semantisches Strukturieren und Einsatz in der Praxis<br />
Niehus D., Erren P., Hampel T. 245
Zur Gestaltung der Aushandlungsunterstützung in CSCL-Systemen<br />
Kienle A. 257<br />
Kontextualisierte Kooperationsinitiierung zur Unterstützung<br />
arbeitsplatzorientierten kollaborativen Lernens<br />
Kienle A., Wessner M., Lokaiczyk R., Faatz A., Görtz M. 269<br />
OSOTIS – Kollaborative inhaltsbasierte Video-Suche<br />
Sack H., Waitelonis J. 281<br />
Kurzbeiträge<br />
Ein Werkzeug zur Unterstützung der Anpassung existierender<br />
E-<strong>Learning</strong>-Materialien<br />
Zimmermann B., Rensing C., Steinmetz R. 293<br />
Werkzeuggestützte Untersuchung der Vorgehensweisen von Lernenden<br />
beim Lösen algorithmischer Probleme<br />
Kiesmüller U., Brinda T. 295<br />
Ein prozessorientiertes und dienstbasiertes Sicherheitsmodell<br />
für elektronische Prüfungen an Hochschulen<br />
Hoffmann A. 297<br />
Zur Unterstützung kontextadaptiven E-<strong>Learning</strong>s in Echtzeit am Arbeitsplatz<br />
durch maschinelles Lernen auf Sensorendaten des Computerdesktops<br />
Lokaiczyk R., Godehardt E., Görtz M., Faatz A. 299<br />
CLab – Eine web-basierte interaktive Lernplattform für Studierende<br />
der Computerlinguistik<br />
Clematide S., Amsler M., Roth S., Thöny L., Bünzli A. 301<br />
E-<strong>Learning</strong> als ein Baustein der Hochschul- und Fakultätsentwicklung<br />
der Fachhochschule Kaiserslautern<br />
Grimmig S. 303<br />
E-<strong>Learning</strong> in der Sekundarstufe II – Evaluation eines Modellversuchs<br />
an sportbetonten Gymnasien<br />
Köhler T., Drummer J., Börner C. 305<br />
E-<strong>Learning</strong> im Spannungsfeld Schule<br />
Drummer J. 307<br />
Autorenverzeichnis 309
Computer-Supported Collaborative Scripts: Einsatz computergestützter<br />
Kooperationsskripte in der Fernlehre 1<br />
Jörg M. Haake<br />
Fakultät für Mathematik und <strong>Informatik</strong><br />
Fern<strong>Universität</strong> in Hagen<br />
<strong>Universität</strong>sstrasse 1<br />
58084 Hagen<br />
joerg.haake@fernuni-hagen.de<br />
Abstract: Realisierung und Wirkung von CSCL-Skripten in der Fernlehre sind<br />
heute noch weitgehend offene Fragen. Das Konzept der zusammengesetzten<br />
CSCL-Skripte soll Lehrenden die einfachere Spezifikation und Anpassung von<br />
Skripten ermöglichen. <strong>Die</strong> Implementierung solcher Skripte auf Basis gekoppelter<br />
endlicher Automaten verspricht Flexibilität in der Ausführung und dem Austausch<br />
von Skripten. Eine Feldstudie zeigt, dass CSCL-Skripte praktisch in der Fernlehre<br />
eingesetzt werden können.<br />
1 Einleitung<br />
Im Zeitalter der verteilten Organisationen, in denen viele Teams aus örtlich verteilten<br />
Mitgliedern bestehen, nimmt auch der Bedarf an verteiltem Lernen zu. Ebenso besteht<br />
ein zunehmender Bedarf nach Fernlehre (z.B. berufsbegleitend oder wegen anderer örtlicher<br />
und zeitlicher Einschränkungen, die eine Präsenzlehre nicht zulassen). Aufgrund<br />
der örtlichen Verteilung der Lerner lassen sich klassische Lehr-/Lernmethoden, wie sie<br />
in Präsenzlehrsituationen eingesetzt werden, nur begrenzt einsetzen. Stattdessen hat sich<br />
das Internet, neben postalischer Kommunikation, als bevorzugtes Kommunikations- und<br />
Interaktionsmedium durchgesetzt.<br />
Während in Präsenzlernsituationen die Gruppenarbeit ein integraler Bestandteil des<br />
didaktischen Vorgehens ist, steht heutzutage in der Fernlehre oft noch das individuelle<br />
Lernen – oft aus pragmatischen Gründen – im Vordergrund. Dabei zeigen Studien, dass<br />
kooperatives Lernen in bestimmten Situationen durchaus lernförderlich ist; die Kompetenz<br />
zur Kooperation über das Internet ist außerdem eine gefragte Fähigkeit auf dem<br />
Arbeitsmarkt. Verteilte kooperative Lernsituationen sind jedoch durch eine Reihe von<br />
Problemen gekennzeichnet: die computervermittelte Kommunikation und Interaktion<br />
erfordert im Vergleich zur Präsenzsituation zusätzlichen Aufwand, die Koordination in<br />
größeren Gruppen wird dadurch erschwert.<br />
1 <strong>Die</strong>se Arbeit wurde von der DFG im Projekt HA 3130/2-1 im Rahmen des Schwerpunkprogramms „Netzbasierte<br />
Wissenskommunikation in Gruppen“ gefördert.<br />
9
Hier setzt nun die Idee des CSCL-Skripts an: ein kooperatives Lernskript definiert den<br />
Prozess des kooperativen Lernens, in dem es die Rollen der beteiligten Akteure und die<br />
möglichen Sequenzen ihrer Aktionen festlegt. Computerunterstützte Kooperationsskripte<br />
(CSCL-Skripte) sind kooperative Lernskripte, die rechnerunterstützt ablaufen. Es handelt<br />
sich damit um verteilte Systeme, die das Verhalten kooperativer Lerner auf möglichst<br />
lernförderliche Abfolgen von Aktivitäten beschränken. Experimentelle Studien haben<br />
gezeigt, dass solche Skripte bei größeren Lerngruppen und für komplexe Aufgaben einen<br />
größeren Lernerfolg bewirken können [Fi07, St06, We05].<br />
Wenn das CSCL-Skript in einer computerunterstützten Lernumgebung ausgeführt werden<br />
soll, dann muss das Skript so in der Lernumgebung repräsentiert sein, dass es seine<br />
steuernde bzw. koordinierende Wirkung entfalten kann. Aus der Sicht der <strong>Informatik</strong> ist<br />
heute noch weitgehend offen, wie CSCL-Skripte in Lernumgebungen repräsentiert werden<br />
sollten, wie die Bedienoberfläche der Lernumgebung das Skript reflektieren sollte<br />
(um durch geeignete Affordanzen die Benutzer zu effizienter Nutzung der Lernumgebung<br />
zur Ausführung des Lernprozesses anzuregen), und wie diese Interaktion in der<br />
Lernumgebung effizient und flexibel zu implementieren ist. Zwar zeigen experimentelle<br />
Studien die positive Wirkung von speziellen CSCL-Skripten in bestimmten Situationen<br />
[DJ07, JPT03, Pf05], ein Nachweis der Wirkung solcher Skripte in realen Nutzungssituationen<br />
steht aber noch weitgehend aus.<br />
In diesem Beitrag wird nach einer kurzen Betrachtung von Skript-Ansätzen zuerst eine<br />
Lösung für die Modellierung und Repräsentation von CSCL-Skripten vorgestellt. Zusammengesetzte<br />
CSCL-Skripte können als gekoppelte Endliche Automaten modelliert<br />
werden, die die möglichen Rollen, Aktivitäten und daraus resultierende Rollenwechsel<br />
der Lerner spezifizieren. <strong>Die</strong>se konzeptuelle Repräsentation erlaubt es den Lehrenden<br />
ihre CSCL-Skripte flexibel an die Bedürfnisse der intendierten Lernsituation anzupassen.<br />
Zudem können auf dieser Basis CSCL-Plattformen implementiert werden, die die automatische<br />
Ausführung von Skripten und ihre Nutzung durch andere Lehrende unterstützen.<br />
Danach wird eine Feldstudie über den Einsatz eines speziellen CSCL-Skripts in der<br />
Fernlehre vorgestellt.<br />
2 Ansätze für das Scripting von CSCL<br />
Je nach Umsetzung eines CSCL-Skripts kann man informale und formale CSCL-Skripts<br />
unterscheiden. Informale CSCL-Skripte werden oft in Präsenzsituationen eingesetzt und<br />
mithilfe von Instruktionen für die Lerner sowie durch einen Moderator implementiert.<br />
Der Moderator verteilt die Instruktionen und achtet auf ihre Einhaltung. Informale Skripten<br />
sind flexibel, da die Lerner und Moderatoren bei Bedarf vom starren Skript abweichen<br />
können. Allerdings sind informale Skripte in einer verteilten Situation eher schwierig<br />
anzuwenden, da dort im Vergleich zur Präsenzsituation Kommunikation und<br />
Koordination schwieriger sind. Außerdem erschwert die begrenzte Anzahl verfügbarer<br />
Moderatoren die Skalierbarkeit auf eine große Zahl von Lerngruppen. Deswegen wird<br />
manchmal auch auf Moderatoren verzichtet. Dadurch steigt die Skalierbarkeit, allerdings<br />
können Lerner die Instruktionen auch ignorieren.<br />
10
Ein formales CSCL-Skript wird in einer computerunterstützten Lernumgebung durch<br />
Implementieren der durch das Skript festgelegten Sequenzen von Aktivitäten definiert.<br />
Für jede Lerngruppe wird ein eigener Prozess erzeugt. <strong>Die</strong> Lerner in einer Lerngruppe<br />
können nicht von den erlaubten Abfolgen abweichen. Formale Skripte sollten so definiert<br />
sein, dass sie an das verteilte Lernen in der verteilten Lernumgebung angepasst<br />
sind. Da ja keine Moderatoren sondern nur weitere Prozessinstanzen benötigt werden,<br />
sind sie skalierbar. In Experimenten wurde die Lernwirksamkeit formaler CSCL-Skripte<br />
in bestimmten Situationen nachgewiesen [MW05, PM02, PMM03].<br />
Formale Skripte weisen allerdings auch einige Probleme auf: sie sind wegen der in der<br />
CSCL-Umgebung vorgeschriebenen erlaubten Abfolgen rigide bzw. unflexibel. Für<br />
Lehrende sind sie sind schwierig zu definieren und zu implementieren, denn in der Regel<br />
wird die Prozedur in der Lernumgebung programmiert. Außerdem sind sie schwierig von<br />
Lehrenden oder Lernenden an eine konkrete Einsatzsituation anzupassen, denn dazu sind<br />
ggf. Programmänderungen notwendig. <strong>Die</strong>se Probleme tragen dazu bei, dass formale<br />
Skripte heute noch keine etablierte Technik sind. Um das Sammeln von Erfahrungen<br />
mit formalen Skripten und eine weitere Verbreitung zu ermöglichen, untersuchen wir die<br />
Vereinfachung der Definition und Anpassung von komplexen formalen Skripten durch<br />
einfachere Modellierungssprachen und durch die Wiedernutzung von Skripten. Weiterhin<br />
untersuchen wir die Implementierung von Skripten durch Ausführungskomponenten<br />
in der CSCL-Umgebung.<br />
3 Modellierung und Implementierung zusammengesetzter CSCL-<br />
Skripte<br />
In einer verteilten Situation unterstützt das CSCL-System die ortsübergreifende Interaktion<br />
zwischen den verteilten Lernern. Ein CSCL-Skript soll mögliche Interaktionen zwischen<br />
Lernern beschränken. Das Skript kontrolliert dazu für die einzelnen Lerner die<br />
Verfügbarkeit von Operationen des CSCL-Systems und den Umfang der Statusanzeige<br />
(Awareness, rollenspezifische Information). Zur Definition von Skripten in einem<br />
CSCL-System werden eine Modellierungssprache und ein Editor benötigt. Zur Ausführung<br />
von Skripten benötigt das CSCL-System eine Ausführungskomponente.<br />
Ein CSCL-Skript wird als Sequenz von atomaren und zusammengesetzten Skripten<br />
definiert [HP07]. Ein atomares Skript unterstützt eine einzelne Lernaktivität (z.B. Brainstorming,<br />
Verfassen eines kurzen Essays). Ein zusammengesetztes Skript unterstützt<br />
komplexe Lernaufgaben durch eine Sequenz von CSCL-Skripten. Ein CSCL-Skript ist<br />
damit ein zusammengesetztes Skript, das mindestens ein atomares Skript enthält. Atomare<br />
Skripte regulieren und unterstützen die Interaktion zwischen Lernern in einer Lernaktivität,<br />
während zusammengesetzte Skripten die Abfolge von Lernaktivitäten festlegen<br />
(Kontrollfluss, Datenfluss zwischen atomaren Skripten).<br />
11
3.1 Modellierung und Semantik atomarer Skripte<br />
Atomare Skripte können durch endliche Automaten (FSA, Finite State Automatons)<br />
repräsentiert werden. Bei der Modellierung eines atomaren Skripts müssen die Rollen<br />
der Akteure und die möglichen Sequenzen ihrer Aktionen (d.h. Operationen in der<br />
CSCL-Umgebung) definiert werden. In Abbildung 1 ist beispielhaft die Modellierung<br />
eines Frage-Antwort-Skripts dargestellt. In diesem Skript gibt es zwei Rollen: „Questioner“<br />
und „Responder“. Jede Rolle wird durch einen eigenen FSA beschrieben (in Abbildung<br />
1 in separaten Spalten dargestellt). Ihr Zusammenspiel und damit die Semantik des<br />
Skripts ist durch den gesamten Automat eindeutig definiert: Jeder Benutzer wird einer<br />
bestimmten Rolle und dem zugehörigen Automat zugeordnet. Vom aktuellen Zustand<br />
ausgehende benannte Transitionen definieren die möglichen Aktionen eines Benutzers in<br />
diesem Zustand des Skripts. So kann die Rolle „Questioner“ im Zustand „Initiating<br />
Round“ nur die Aktionen „start“ und „quit“ ausführen. Jede ausgeführte Aktion feuert<br />
die zugehörige (entsprechend benannte) Transition, die daraufhin den neuen aktuellen<br />
Zustand definiert. Der neue aktuelle Zustand definiert wiederum die hier für den Benutzer<br />
möglichen Operationen. <strong>Die</strong> Vernetzung der Automaten definiert nun das kooperative<br />
Verhalten der Rollen. Trigger Relationen (Transitionen, die bei ihrem Auslösen eine<br />
weitere Transition in einem anderen FSA auslösen) dienen zur Kopplung von Zustandsübergängen.<br />
In Abbildung 1 löst die Aktion „answer“ des Responders sowohl einen<br />
Wechsel des Responders zum Questioner aus als auch über die Trigger Relation einen<br />
Wechsel des Questioners zum Responder. Damit lassen sich also Rollenwechsel realisieren.<br />
Das Erreichen eines Endzustands beendet die Ausführung des Skripts. [HP07] enthält<br />
eine formale Beschreibung dieser Modellierung.<br />
12<br />
Abbildung 1: Beispiel für ein atomares Skript
3.2 Modellierung und Semantik zusammengesetzter Skripte<br />
Ein zusammengesetztes CSCL-Skript ist als Sequenz von atomaren oder zusammengesetzten<br />
CSCL-Skripten definiert. <strong>Die</strong> Sequenz wird durch Verbinden des Endzustands<br />
des Vorgängerskripts mit dem Startzustand des Nachfolgers gebildet. In Abbildung 2 ist<br />
ein zusammengesetztes Skript zum Thema „Verstehen von Vulkanismus“ dargestellt.<br />
Zuerst beantworten die Lerner, gesteuert durch ein atomares Frage-Antwort-Skript, Fragen<br />
zum Thema (um z.B. vorhandenes Wissen zu aktivieren). Danach führen die Lerner<br />
im zweiten Schritt eine Analyse des Konzepts Vulkanismus durch, welche wiederum<br />
durch ein zusammengesetztes Skript aus Brainstorming- und Clustering-Skripten gesteuert<br />
wird. Globale Variable (inputDocuments, outputDocuments) dienen zur Weiterleitung<br />
von Inhalten, so dass Ergebnisse eines Skripts als Daten in nachfolgenden Skripts<br />
verwendet werden können (z.B. dienen die Ergebnisse des Brainstorming als Input für<br />
das Clustering in Abbildung 2). Zurzeit unterstützen wir als Kontrollstruktur die Sequenz.<br />
Es ist eine offene Frage, ob andere Kontrollstrukturen (z.B. Fallunterscheidung,<br />
Schleife) in der Praxis zur Realisierung von CSCL-Skripten benötigt werden.<br />
Abbildung 2: Beispiel für ein zusammengesetztes Skript (ohne Darstellung der Variablen inputDocuments,<br />
outputDocuments für die zusammengesetzten Skripten)<br />
<strong>Die</strong> Semantik des zusammengesetzten Skripts ist durch die Sequenz der verbundenen<br />
Skripte definiert. Das Verhalten eines atomaren Skripts ist durch Automaten definiert.<br />
Das Verhalten eines zusammengesetzten Scripts ist durch Verketten der Semantik seiner<br />
Komponenten definiert. Das Endergebnis ist als Inhalt der Variable outputDocuments<br />
des letzten Scripts definiert. Eine formalere Definition findet sich in [HP07].<br />
13
3.3 Erstellung von CSCL-Skripten<br />
Grundlage der späteren Ausführung von CSCL-Skripten ist die Erstellung einer ausführbaren<br />
Beschreibung des zugrunde liegenden Automaten. Atomare Skripte können prinzipiell<br />
als ausführbares Programm erstellt werden. <strong>Die</strong> Ausführungsumgebung im<br />
CSCL-System muss dann in der Lage sein, ein Skript-Programm zu starten, ggf. mit<br />
Input-Daten zu versorgen, am Ende die Beendigung festzustellen und ggf. Output-Daten<br />
zwischen zu speichern. Über eine Registratur können Skript-Programme im CSCL-<br />
System bekannt gemacht und später aufgerufen werden.<br />
Zusammengesetzte Skripte können mit einem Editor in der CSCL-Umgebung selbst<br />
erzeugt bzw. editiert werden. So kann eine Bedienoberfläche für den Aufbau einer Sequenz<br />
aus bekannten atomaren Skripten einfach realisiert werden, die jeweils das Anhängen<br />
bzw. Einfügen und Entfernen von atomaren und zusammengesetzten Skripten in<br />
einer Sequenz erlauben. Aus dieser Spezifikation kann dann das CSCL-System für eine<br />
Gruppe von Lernern eine Instanz des Skripts generieren. Hierdurch wird ein einfaches<br />
Ändern zusammengesetzter Skripte und das Experimentieren mit Skriptvarianten ermöglicht.<br />
Andere Lehrende können auf die registrierten CSCL-Skripte zugreifen und diese in<br />
ihrer Lehre anwenden bzw. anpassen.<br />
3.4 Implementierung von CSCL-Skripten<br />
<strong>Die</strong> Implementierung zusammengesetzter CSCL-Skripte haben wir in der Web-basierten<br />
CSCL-Plattform CURE [Ha04a, Ha04b, Ha04c] erprobt. CURE (siehe Abbildung 3)<br />
organisiert Gruppenarbeit in Räumen, zu denen Benutzer mit passenden Schlüsseln Zugang<br />
und Zugriffsrechte haben. Eine Lernumgebung besteht aus einem Eingangsraum,<br />
von dem aus seine Unterräume erreichbar sind. Jeder Raum enthält außerdem von den<br />
Benutzern editierbare Seiten sowie persistente Kommunikationskanäle (Chat, threaded<br />
Mailbox). CURE verwendet eine Servlet-basierte Architektur.<br />
Abbildung 3: Konzeptuelle Implementierung von formalen Skripten in CURE<br />
Zur Implementierung von zusammengesetzten CSCL-Skripten erweiterten wir CURE<br />
um einen Typ von Seite (Page) für atomare CSCL-Skripte (Atomic CSCL Script Types).<br />
14
Unterklassen enthalten die Repräsentation des jeweiligen geschachtelten Endlichen Automaten.<br />
Instanzen einer atomaren Skriptklasse repräsentieren eine konkrete Ausführung<br />
eines Skripts mit gruppenspezifischen Teilnehmern und Inhalten. Zusammengesetzte<br />
Skripte werden in CURE als Seitentyp CSCL Script repräsentiert. Instanzen werden für<br />
eine Gruppe als neue Seite im Gruppenraum erzeugt. Sie enthalten eine Sequenz von<br />
Skriptseiten (Instanzen von Page oder CSCL Script), die die Interaktion der Gruppenteilnehmer<br />
steuert.<br />
In CURE wird die Startseite des Skripts mit einer Beschreibung des Skripts und einem<br />
Startknopf angezeigt. Das Drücken des Startknopfes startet die Ausführung des Skripts.<br />
Jetzt weist die Ausführungskomponente jedem Benutzer des Raums eine Rolle, die im<br />
Skript definiert ist, zu (d.h. Benutzer werden mit den entsprechenden Automaten assoziiert).<br />
<strong>Die</strong> Ausführungskomponente initialisiert dann die Automaten und erzeugt die jeweiligen<br />
HTML-Seiten für die Bedienoberfläche der jeweiligen Benutzer, in der dann<br />
auch nur die zulässigen Operationen (als Buttons bzw. Links) und die definierten Informationen<br />
angezeigt werden. Wenn der Benutzer eine Aktion auslöst wird ein entsprechender<br />
Request an das Skript Servlet gesendet. Das Servlet führt die Operation aus und<br />
definiert den neuen Zustand gemäß der Automatendefinition in der CSCL-Skript-Seite<br />
im Raum. <strong>Die</strong> Bedienoberflächen aller Benutzer des Skripts (d.h. HTML Seiten) werden<br />
gemäß des neuen Zustands mittels Web 2.0 Technologie verändert.<br />
4 Einsatz eines zusammengesetzten CSCL-Skripts in der Fernlehre<br />
Ziel der Feldstudie war es, die Wirksamkeit eines speziellen CSCL-Skripts in einer praktischen<br />
Anwendung in der Fernlehre zu untersuchen. Wir nehmen an, dass CSCL-<br />
Skripte gemeinsames Lernen unterstützen können, insbes. in verteilten Situationen und<br />
bei komplexen, längerfristigen Problemlösungsprozessen. Dabei sollte das Lernen mit<br />
zunehmender Erfahrung besser werden (Lernkurve). <strong>Die</strong>s kann nur durch eine Langzeitstudie<br />
untersucht werden.<br />
In der hier vorgestellten Feldstudie untersuchten wir, ob sich die Wirkung formaler<br />
CSCL-Skripte von denen informaler CSCL-Skripte bei komplexen, längerfristigen Problemlösungsprozessen<br />
unterscheidet. Hierbei betrachteten wir die Lösung einer komplexen<br />
Querschnittsaufgabe durch einen 3-phasigen Problemlösungsprozess (Brainstorming,<br />
Clustering, Essay). Der gesamte Prozess wurde durch ein zusammengesetztes<br />
CSCL-Skript unterstützt, in dem für jede Phase ein eigenes atomares Skript definiert<br />
wurde.<br />
4.1 Hypothesen<br />
In der Feldstudie wurde die Wirksamkeit zweier Realisierungsalternativen eines zusammengesetzten<br />
CSCL-Skripts verglichen: einmal als formales CSCL-Skript versus ein<br />
vorgehensmäßig äquivalentes informales CSCL-Skript, welches über Instruktionen realisiert<br />
wurde. Mit Hilfe dieser Skriptrealisierungen mussten die verteilten Lerngruppen<br />
identische komplexe Querschnittsaufgaben in einem Zeitraum von jeweils 2 Wochen<br />
15
lösen, die die Betrachtung des Stoffs einer Lerneinheit aus einer neuen bzw. übergreifenden<br />
Perspektive erforderten. Das Skript definierte dazu einen 3-phasigen Problemlösungsprozess,<br />
der aus den Aktivitäten Brainstorming, Clustering und Essay bestand. Zur<br />
Untersuchung der Lernkurve mussten alle Gruppen über ein Semester fünf solcher Aufgaben<br />
bearbeiteten.<br />
Als Qualitätsmaße betrachteten wir die Qualität der Brainstorming-Ergebnisse, die Qualität<br />
der Clustering-Ergebnisse, die Korrektheit / Verständlichkeit / Nachvollziehbarkeit<br />
des Essays sowie den Lernerfolg des Individuums und der Gruppe. Unsere Hypothese<br />
war, dass die Gruppen mit dem formalen Skript ab einem Zeitpunkt (in Abhängigkeit<br />
von der Lernkurve) immer besser oder gleich gut abschneiden würden als die Gruppen<br />
mit dem informalen Skript. Wir erwarteten außerdem, dass sich der Vorteil des formalen<br />
Skripts mit der Zeit verstärken würde.<br />
4.2 Methode<br />
Setting: Wir arbeiteten an der Fern<strong>Universität</strong> Hagen mit verteilten Lerngruppen aus<br />
3 Studierenden. <strong>Die</strong> Lerngruppen bearbeiteten vorlesungsbegleitende kooperative Übungen<br />
zum Kurs Betriebssysteme im Master of Science <strong>Informatik</strong>. Alle Lerngruppen<br />
nutzen die kooperative Lernplattform CURE über einen Webbrowser auf ihrem Rechner.<br />
Evaluationsinfrastruktur: Wir erweiterten CURE so, dass nach der Abgabe einer<br />
Übung ein Multiple Choice-Post-Wissenstest in CURE durchgeführt werden musste.<br />
Design: Wir verglichen zwei Bedingungen (informal Skript IS, formal Skript FS)<br />
mit je 21 Gruppen je 3 Personen.<br />
Testpersonen: Insgesamt nahmen im Sommersemester 2006 von April bis Juli 126<br />
Fern-Studierende im Hauptstudium des <strong>Informatik</strong>-Diplom/Master freiwillig an den<br />
kooperativen Übungen teil. <strong>Die</strong> Gruppenbildung erfolgte durch die Betreuer gemäß der<br />
von den Studierenden angegebenen zeitlichen Verfügbarkeit, so dass auch die Gelegenheit<br />
zu synchroner Kooperation bestand.<br />
Prozedur: Zuerst wurden alle Teilnehmer des Kurses per Informationsschreiben und<br />
Newsgroup über die Gelegenheit zur Teilnahme an den kooperativen Gruppenübungen<br />
informiert. Danach fand die Gruppenbildung statt (Anmeldung per Mail, Zuweisung zu<br />
Gruppe/CURE-Raum durch Betreuer). Instruktionen zur Durchführung der Übung gemäß<br />
dem Skript befanden sich im CURE-Raum jeder Gruppe (inkl. Manual). Alle 14<br />
Tage wurden die Aufgaben abgeschlossen und die nächste Aufgabe freigeschaltet. Nach<br />
Abgabe der Lösung wurden die Teilnehmer zur Abgabe des Post-Wissenstests aufgefordert.<br />
<strong>Die</strong> Betreuer korrigierten die Lösungen und machten diese den Studierenden in<br />
ihrem CURE-Raum verfügbar. Insgesamt wurden 5 Übungen mit analoger Struktur<br />
durchgeführt. Jede Übung erforderte die Lösung einer komplexen Querschnittsaufgabe<br />
zur aktuellen Kurseinheit und verwendete dasselbe zusammengesetzte Skript (in den<br />
beiden Varianten IS und FS) mit den Aktivitäten Brainstorming, Clustering mit vorgegebenen<br />
Clustern und Verfassen eines Essays zur gestellten Frage.<br />
16
Messgrößen: Für jede Gruppe betrachteten wir die Qualität der Brainstorming-<br />
Ergebnisse definiert als Anzahl gefundener sinnvoller Konzepte, die Qualität der Clustering-Ergebnisse<br />
definiert als Anzahl sinnvoller Konzepte in richtigen Clustern, die Korrektheit<br />
des Essay definiert als Anzahl korrekter Aussagen über Konzepte und deren<br />
Relationen sowie die Verständlichkeit des Essays und die Nachvollziehbarkeit des Essays<br />
auf einer Nominalskala von 1..5 (sehr gut bis mangelhaft). Für Individuen betrachteten<br />
wir die Anzahl richtiger Aussagen im MC Post-Wissenstest.<br />
Coding: <strong>Die</strong> Bewertung jeder Übung wurde durch zwei unabhängige wissenschaftliche<br />
Betreuer des Kurses (Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter) durchgeführt.<br />
Referenzrahmen für die Bewertung aller Messgrößen außer Verständlichkeit und<br />
Nachvollziehbarkeit war eine Musterlösung. Unterschiede in der Bewertung wurden<br />
diskutiert und eine einheitliche Bewertung herbeigeführt.<br />
4.3 Ergebnisse<br />
Qualität der Brainstorming-Ergebnisse: <strong>Die</strong> Bedingungen (IS, FS) unterscheiden<br />
sich nicht. <strong>Die</strong> Gruppen nannten im Mittel 40% der möglichen relevanten Konzepte.<br />
Qualität der Clustering-Ergebnisse: <strong>Die</strong> Bedingungen (IS, FS) unterscheiden sich<br />
nicht. <strong>Die</strong> von den Gruppen konstruierten Cluster wiesen im Mittel 32% der möglichen<br />
korrekten Zuordnungen von korrekten Konzepten zu den vorgegebenen Clustertiteln auf.<br />
Allerdings basiert dieses Ergebnis auch auf den unvollständigen Konzeptsammlungen<br />
aus der Brainstormingphase. <strong>Die</strong> Gruppen mit dem informalen Skript schneiden von der<br />
Richtung her mit M=0.336 eher etwas besser ab als die Gruppen mit formalem Skript<br />
mit M=0.309.<br />
Korrektheit des Essays: <strong>Die</strong> Bedingungen (IS, FS) unterscheiden sich nicht. Im<br />
Durchschnitt werden ca. 60% der für die Lösung der Querschnittsaufgaben wichtigen<br />
Konzepte und Beziehungen korrekt dargestellt. Auch muss berücksichtigt werden, dass<br />
die Ergebnisse der vorherigen Phasen die Anzahl der von der jeweiligen Gruppe berücksichtigten<br />
Konzepte beeinflusst haben kann.<br />
Verständlichkeit des Essays: <strong>Die</strong> Verständlichkeitswerte müssen mit Vorbehalt<br />
interpretiert werden: <strong>Die</strong> allermeisten Essays wurden mit „sehr gut“ (61 %) oder mit<br />
„gut“ (24 %) bewertet, d.h. dass es kaum Varianz gibt und natürlich auch keine annähernde<br />
Normalverteilung. <strong>Die</strong> Bedingungen (IS, FS) unterscheiden sich nicht.<br />
Nachvollziehbarkeit des Essays: <strong>Die</strong> Interpretation ist auch hier nur unter Vorbehalt<br />
möglich, da die meisten Nachvollziehbarkeitsratings bei „gut“ (37%) oder bei „sehr gut“<br />
(42%) liegen. Es zeigt sich, dass hier die Gruppen mit formalem Skript (FS) eine bessere<br />
Bewertung erhalten als die Gruppen mit informalem Skript.<br />
Anzahl richtiger Aussagen im MC-Postwissenstest: <strong>Die</strong> Bedingungen (IS, FS) unterscheiden<br />
sich nicht. <strong>Die</strong> Teilnehmer erreichen im Durchschnitt etwa 70-75% der möglichen<br />
Punkte.<br />
17
4.4 Diskussion der Ergebnisse<br />
Anhand der Ergebnisse konnten die Eingangshypothesen nicht bestätigt werden. Für alle<br />
Messgrößen gilt, dass Gruppen mit informalem Skript genau so gut abschneiden wie<br />
Gruppen mit formalem Skript. Lediglich bei der Nachvollziehbarkeit der Essays scheint<br />
das formale Skript einen Vorteil zu bewirken. Ein Lerneffekt über die Zeit ließ sich nicht<br />
nachweisen. Nach den vorliegenden Daten erscheint daher die Wirkung des informalen<br />
und formalen Skripts in unserer Studie weitgehend äquivalent. Eventuell wurde die positive<br />
Wirkung des formalen Skripts (erleichterte Koordination) durch die größere Flexibilität<br />
des informalen Skripts (Lerner konnten beliebig von Skript abweichen, das Lernverhalten<br />
in den informalen Gruppen konnte ja nicht kontrolliert oder beobachtet<br />
werden) ausgeglichen. In [PMM03] verstärkte sich die Wirkung des formalen Skripts<br />
mit steigender Gruppengröße. Deswegen könnte vermutet werden, dass sich bei steigender<br />
Gruppengröße Wirkungsunterschiede zeigen könnten.<br />
Positiv zu vermerken ist das gute Abschneiden beider Bedingungen in den Post-<br />
Wissenstests und bei den Essays. <strong>Die</strong>s legt nahe, dass die kooperativen Übungen in beiden<br />
Bedingungen zum Lernerfolg beitragen. <strong>Die</strong>s korreliert auch zu den Beobachtungen<br />
des Autors während mündlicher Fachprüfungen. Teilnehmer der kooperativen Übungen<br />
erbringen im Durchschnitt bessere argumentative Leistungen als die Studierenden, die<br />
nicht an den kooperativen Übungen teilnahmen.<br />
5 Zusammenfassung und Diskussion<br />
Der hier vorgestellte Ansatz zur Modellierung zusammengesetzter CSCL-Skripte basiert<br />
auf der Nutzung gekoppelter endlicher Automaten. Bisher wurden CSCL-Skripte oft fest<br />
in experimentellen CSCL-Umgebungen programmiert und waren daher nur aufwändig<br />
änderbar. In unserem Ansatz wird die Skriptrepräsentation zur Laufzeit im CURE Server<br />
ausgewertet und die Bedienoberflächen für die Benutzer ihrer Rolle gemäß dynamisch<br />
erzeugt. <strong>Die</strong> Benutzer können nur zulässige Aktionen anfordern, die im Server ausgeführt<br />
werden und zu einem neuen Zustand des Skriptes führen, was wiederum zur Generierung<br />
passender Bedienoberflächen für alle Gruppenmitglieder führt. <strong>Die</strong> Spezifikation<br />
des CSCL-Skripts kann in diesem Ansatz jederzeit geändert werden – Experimentieren<br />
mit CSCL-Skripten wird so einfacher und billiger. Aus <strong>Informatik</strong>sicht können auch<br />
andere Formalismen zur Spezifikation eines verteilten Systems eingesetzt werden, z.B.<br />
Petri-Netze, die mittels eines geeigneten Interpreters wie z.B. Trellis ausgeführt werden<br />
können [FS94]. Ebenso käme die direkte Programmierung der Skripte in einer Skripting-<br />
Sprache in Frage. Beide Formalismen sind nach unserer Erfahrung aber schwieriger<br />
durch Nicht-<strong>Informatik</strong>er zu benutzen. Daher wären solche Ansätze auf die <strong>Informatik</strong>lehre<br />
beschränkt.<br />
Heutige Standards für Lernumgebungen umfassen auch die Spezifikation von Lehrprozessen,<br />
siehe z.B. IMS-LD [IMS03] und die dazugehörige Ausführungskomponente<br />
CopperCore [CC04]. Allerdings erlauben IMS-LD Skripte nur die relativ grobkörnige<br />
Modellierung von asynchronen Prozessen. Für die Beschreibung unterschiedlicher Synchronisationsverhalten<br />
und Awarenessanzeige sind zusammengesetzte CSCL-Skripte<br />
18
esser geeignet. Workflowsysteme sind ein anderes Mittel zur Koordination einer Gruppe.<br />
Das Flex-eL System [MO00] unterstützt individuelle Lerner bei ihren Lernprozessen<br />
– kooperatives Lernen wird nicht unterstützt.<br />
In der Feldstudie konnte gezeigt werden, dass sich ein zusammengesetztes CSCL-Skript<br />
in der Praxis (vorlesungsbegleitende Übung mit 126 Lernern in 42 Gruppen, 5 Übungen<br />
pro Gruppe, 3 phasiges CSCL-Skript) erfolgreich anwenden lässt. Es zeigt sich aber<br />
auch, dass für einen effizienten Einsatz eine bessere Unterstützung für logistische Abläufe<br />
notwendig ist. So wurde vergleichsweise viel Zeit aufgewendet für die Einrichtung<br />
von Gruppenräumen (Erzeugung von Instanzen, Zuweisung von Lernern), Überprüfung<br />
des Gruppen-Status, Erinnerungen, Korrekturmanagement und für das zentrale Support-<br />
Management für das technische System.<br />
<strong>Die</strong> Motivation der Studierenden zum Mitmachen bei den kooperativen Übungen ist eine<br />
wichtige Voraussetzung für Akzeptanz, die vom Dozenten geleistet werden muss. Positiv<br />
wirkten hier der Erwerb von Kooperationskompetenz mit elektronischen Medien und<br />
die Übung des argumentativen Diskurses, wie er auch in mündlichen Prüfungen auftritt.<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmer gaben durchweg positives Feedback zu den kooperativen Übungen!<br />
Weiterführende Arbeiten betreffen die Untersuchung der Wirkung der Bedingungen auf<br />
die Prüfungsnoten, die Untersuchung der Wirksamkeit von Designalternativen für die<br />
Gestaltung der Bedienoberfläche der Skripte, und die Erweiterung des verwendeten<br />
CSCL-Skripts um eine Peer-Review-Phase.<br />
Danksagung<br />
Folgenden Personen sei für ihre Mitarbeit und Unterstützung gedankt: Hans-Rüdiger<br />
Pfister (Design und Auswertung der Studie), Till Schümmer und Sven Laaks (Implementierung<br />
und technische Betreuung) sowie Anja Haake und Lihong Ma (Betreuung und<br />
Bewertung der Übungen).<br />
Literaturverzeichnis<br />
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20
E-<strong>Learning</strong> aus Prozessperspektive<br />
Stefan Iske<br />
DFG-Graduiertenkolleg „Qualitätsverbesserung im E-<strong>Learning</strong><br />
durch rückgekoppelte Prozesse“<br />
TU-Darmstadt<br />
Alexanderstraße 6<br />
64283 Darmstadt<br />
s.iske@apaed.tu-darmstadt.de<br />
Abstract: In diesem Artikel wird das Verfahren und das Potenzial der Analyse von<br />
E-<strong>Learning</strong>prozessen mittels explorativ-heuristischer Optimal-Matching Analyse<br />
dargestellt. Ziel ist das Identifizieren von Mustern, Regelmäßigkeiten und Strukturen<br />
in Navigationsprozessen. E-<strong>Learning</strong> als Prozess der Interaktion von Lernern<br />
mit einer Online-Lernumgebung wird so analysierbar. Auf Grundlage der Levenshtein-Distanz<br />
des paarweisen Vergleichs aller Navigationsverläufe können in Verbindung<br />
mit Verfahren der Clusteranalyse empirische Navigationsverläufe induktiv<br />
typologisiert werden. In methodologischer Perspektive wird das vorgeschlagene<br />
Verfahren abgegrenzt von der Analyse aggregierter Logdaten sowie von der auf<br />
Markov-Prozessen beruhenden Ereignisanalyse.<br />
1 Einleitung<br />
Bei offenen Online-Lernumgebungen handelt es sich aus medialer Sicht um Hypertexte,<br />
mit den Hauptkennzeichen der Fragmentierung und der Verknüpfung (vgl. [Ku91]): Ein<br />
Gegenstandsbereich wird in Informationseinheiten gegliedert und durch Links untereinander<br />
verbunden. <strong>Die</strong> so entstehende nicht-lineare Netzstruktur ist das Grundmodell<br />
von Hypertext (vgl. [BC90]).<br />
Der Navigationsprozess als Interaktion eines Nutzers mit einer hypertextuellen Online-<br />
Lernumgebung entspricht dem linearen Entfalten eines nicht-linearen Hypertextes. Hypertexte<br />
entfalten sich angesichts eines Nutzers nicht von allein, sondern sind auf dessen<br />
Aktivitäten angewiesen, auf das aktive Auswählen von Verknüpfungen. Genau auf dieses<br />
Auswählen und Entfalten zielt die Kennzeichnung als Pull-Medium. Durch die Auswahl<br />
konkreter Verknüpfungen aus einer Vielzahl möglicher Verknüpfungen entsteht ein<br />
zeitlich-linearer Nutzungspfad. Aus diesem Grund werden Hypertexte auch als multilinear<br />
oder multisequenziell bezeichnet (vgl. [La97]).<br />
Beim Lernen in hypertextuellen Lernumgebungen eignen sich Lernende Wissen an,<br />
indem sie ausgehend von ihrem zeitlich-linearen Navigationsprozess ein mentales, nichtlineares<br />
Modell des Gegenstandsbereichs entwickeln (vgl. [Me06]). Im Kern handelt es<br />
21
sich bei dieser Autodidaktik um ein Übersetzen von Zeitgestalten in Raumgestalten (vgl.<br />
[Hö27]). Dabei spielen neben der Zeit- und Ortsunabhängigkeit des E-<strong>Learning</strong> vor<br />
allem Entscheidungen über die Auswahl der Inhalte sowie Entscheidungen über den<br />
Lernweg eine besondere Rolle. Aus didaktischer Perspektive wird durch den multisequenziellen<br />
Nutzungspfad autodidaktisches Handeln als Strategien und Metaregeln des<br />
Entfaltens rekonstruierbar. All dies macht deutlich, dass es sich beim Navigieren in<br />
Online-Lernumgebungen um anspruchsvolle und komplexe Tätigkeiten handelt [Is02].<br />
<strong>Die</strong> Kennzeichnung der Hypertext-Technologie als Pull-Medium mit der Notwendigkeit<br />
des Entfaltens ist auch Ausgangspunkt eines relationalen Qualitätsverständnisses des E-<br />
<strong>Learning</strong> (vgl. [Eh02]). Dem Lernenden kommt dabei die Rolle eines Koproduzenten zu:<br />
<strong>Die</strong> Online-Lernumgebung liefert beispielsweise den Inhalt und Kommunikationswerkzeuge,<br />
der Lernende muss jedoch selbst tätig, selbst aktiv werden. So betont auch<br />
Ehlers [Eh02, S. 9] die zentrale Bedeutung der Interaktion für die Konstitution von Qualität:<br />
„Qualität entsteht erst dann, wenn der Lernende mit dem Lernarrangement in Interaktion<br />
tritt. Erst dann, wenn gelernt wird entsteht auch Lernqualität (Ko-Produktion des<br />
Lernerfolges). Ein E-<strong>Learning</strong>-Lernarrangement hat keine Lernqualität an sich. Es ist<br />
lediglich der Rahmen (das Arrangement) mit Hilfe dessen sich der Lernprozess vollzieht.“<br />
Dabei unterscheidet Ehlers [Eh02] verschiedene Qualitätsebenen: die Voraussetzungen<br />
(‚Inputqualität’), den Lernprozess (‚Prozessqualität’) und das Ergebnis (‚Outcomequalität’).<br />
Insbesondere die in diesem Artikel zur Diskussion stehende Analyse von<br />
Navigationsprozessen bezieht sich auf die Relation von Lernendem, Lernumgebung und<br />
Lerninhalt. Eine konsequente Qualitätsforschung des E-<strong>Learning</strong> unter Berücksichtigung<br />
der Lernerperspektive muss also neben der ‚Inputqualität’ und der ‚Outcomequalität’ vor<br />
allem die beschriebenen Relationen der ‚Prozessqualität' berücksichtigen.<br />
Auf welcher methodologischen Grundlage kann E-<strong>Learning</strong> aus Prozessperspektive<br />
analysiert werden? Wie kann die Interaktion als das Entfalten einer Online-Lernumgebung<br />
Gegenstand der Analyse werden?<br />
2 Analyse aggregierter und sequenzierter Logdaten<br />
In der Regel wird die Interaktion eines Nutzers mit einer Online-Lernumgebung durch<br />
serverseitige Logdaten aufgezeichnet. <strong>Die</strong> Logdaten stellen eine spezifische Art der<br />
Dokumentation und Transkription des Navigationsprozesses dar. Durch die Logdaten<br />
wird die Abfolge der vom Nutzer aufgerufenen Seiten in eine digitale Textdatei übersetzt,<br />
also von im voraus definierten Algorithmen transkribiert (z.B. im Apache-<br />
Logfileformat). Es handelt sich dabei um eine formale, automatisierte Protokollierung<br />
der Reaktionen des Webservers, die während des Navigationsprozesses automatisch<br />
generiert und aufgezeichnet werden, um eine Form passiver Protokollierung. Priemer<br />
[Pr04] nennt als Vorteile dieser Protokollierung u.a. die unbemerkte, detailgenaue, objektive<br />
und non-reaktive Aufzeichnung der Handlungen des Nutzers in authentischen<br />
Nutzungssituationen. Wie lassen sich diese Logdaten nun auswerten? Grundsätzlich<br />
kann die Analyse aggregierter Logdaten von der Analyse sequenzierter Logdaten unterschieden<br />
werden.<br />
22
<strong>Die</strong> Analyse aggregierter Logdaten stellt das am weitesten verbreitete Verfahren zur<br />
Analyse der Nutzung von Online-Lernumgebungen dar. Viele Internet-Provider stellen<br />
ihren Kunden die Analyse der Logdaten in Form aggregierter Nutzungsdaten zur Verfügung.<br />
Aggregiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die in den Logdaten enthaltenen<br />
Informationen zusammengefasst werden und darauf aufbauend durchschnittliche<br />
Kennzahlen berechnet werden (z.B. durchschnittliche Nutzungsdauer, durchschnittliche<br />
Anzahl der besuchten Seiten u.ä.). Im Vordergrund steht dabei die deskriptiv-statistische<br />
Analyse der Logdaten mit der grundlegenden Orientierung am Querschnittsdesign der<br />
Datenerhebung und -analyse.<br />
<strong>Die</strong> systematische Berücksichtigung sequenzierter Logdaten findet im Bereich des E-<br />
<strong>Learning</strong> bisher lediglich in Ansätzen statt. <strong>Die</strong> grundlegende Analyseeinheit der Sequenzanalyse<br />
sind verlaufsbezogene Daten. <strong>Die</strong>se stellen die Navigationsverläufe von<br />
Nutzern in einer Online-Lernumgebung dar: der Verlauf der besuchten Internetseiten<br />
wird dabei als Sequenz dokumentiert und als Sequenz analysiert. In den sequenzierten<br />
Daten sind also Informationen über den zeitlichen Verlauf enthalten, die bei der Aggregation<br />
verloren gehen. Allgemeines Kennzeichen von Verlaufsdaten ist die Orientierung<br />
am Längsschnittdesign der Datenerhebung und -analyse, d.h. die Daten werden wiederholt<br />
in definierten zeitlichen Intervallen bei gleichen Individuen erhoben. Während Sequenzdaten<br />
Analysen des Verlaufs bzw. der Entwicklung von Navigationsprozessen<br />
ermöglichen, sind diese Analysen auf der Grundlage aggregierter Daten grundsätzlich<br />
nicht möglich (vgl. [IS05]).<br />
Sozialwissenschaftliche Forschungen zur Analyse der Internetnutzung basieren bisher<br />
auf der Analyse aggregierter Logdaten: Bei der Analyse stehen deskriptive und inferenzstatistische<br />
Verfahren im Vordergrund. Bei diesem Forschungsdesign sind jedoch die<br />
Prozesse der Nutzung selbst – z.B. der konkret zeitliche Verlauf der Navigation - nicht<br />
Gegenstand der Analyse. Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive ist diese Fokussierung<br />
auf aggregierte Daten unbefriedigend, da die Kenntnis von Aneignungsprozessen<br />
Lernender zum einen Aufklärung über pädagogisch-didaktisches Handeln erwarten lässt<br />
und zum anderen die Möglichkeit der empirisch basierten Optimierung der Online-<br />
Lernumgebung eröffnet.<br />
Wie kann nun der E-<strong>Learning</strong>prozess anhand sequenzierter Logdaten analysiert werden?<br />
Zur Beantwortung dieser Frage werden im folgenden Markov-Ketten und das Optimal-<br />
Matching Verfahren skizziert.<br />
2.1 Analyse von Navigationssequenzen mittels Markov-Ketten<br />
Den zentrale Anwendungsbereich von Markov-Ketten (bzw. -Prozesse) bildet die Analyse<br />
der Abfolge von Zuständen durch die Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten:<br />
Mit welcher Wahrscheinlichkeit folgt auf dem Zustand A der Zustand B? Auf<br />
den Zustand B der Zustand C? Grundlegende Elemente von Markov-Ketten sind ein<br />
Zustandsraum (als nichtleere, endliche Menge) und eine stochastische Matrix, die die<br />
Wahrscheinlichkeit enthält, von einem spezifischen Zustand in einem Schritt in einen<br />
Folgezustand überzugehen. Ein frühes Beispiel für die Verwendung von Markov-Ketten<br />
in der Analyse von Lehr-Lernprozessen stellen Flanders Interaktionsanalyse-Kategorien<br />
23
dar (vgl. [Fl70]): An der darauf aufbauenden stochastischen Matrix ist ablesbar, auf<br />
welches Lehrerhandeln mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Schülerverhalten<br />
folgt. Gegenstand der Analyse sind also dyadische Beziehungen von Lehrerhandeln und<br />
Schülerreaktion.<br />
Als Markov-Prozesse erster Ordnung werden genau solche Prozesse definiert, bei denen<br />
das Auftreten folgender Zustände lediglich vom momentanen Zustand abhängt und nicht<br />
von vorangehenden Zuständen beeinflusst wird. Analyseeinheit ist der isolierte Übergang<br />
von je zwei Zuständen. Damit wird eine „Gedächtnislosigkeit“ des Prozesses postuliert:<br />
die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Zustandswechsels, d.h. der Übergangswahrscheinlichkeit<br />
eines Markov-Prozesses wird nicht von dessen „Vorgeschichte“ beeinflusst<br />
und kann demzufolge unabhängig von den vorangehenden Zuständen prognostiziert<br />
werden. Mit anderen Worten: zusätzliche Informationen über die<br />
„Vergangenheit“ des Prozesses in Form vorangehender Zustände verbessern nicht die<br />
Prognose der folgenden Zustände.<br />
<strong>Die</strong>se Markov-Prozesse erster Ordnung werden durch das Konzept von Markov-<br />
Prozessen zweiter Ordnung erweitert, die auch als Semi-Markov-Ketten bezeichnet<br />
werden: die Erweiterung besteht darin, dass bei Markov-Ketten zweiter Ordnung nicht<br />
ausschließlich der momentane Zustand zur Prognose des folgenden verwendet wird,<br />
sondern eine begrenzte Anzahl vorangehender Zustände. Das Postulat der „Gedächtnislosigkeit“<br />
des Markov-Prozesses wird damit erweitert zur Berücksichtigung von „Vergangenheit“.<br />
Mit dieser Erweiterung wird Prozessen Rechnung getragen, die nicht als<br />
„gedächtnislos“ im Hinblick auf den Prozessverlauf oder die Prozesszeit betrachtet werden<br />
können. Gemeinsam sind beiden Konzepten jedoch die stochastische Grundlage und<br />
die Analyse isolierter Übergänge, auch wenn diese durch Markov-Ketten zweiter Ordnung<br />
um eine begrenzte Anzahl vorangehender Zustände erweitert werden.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Potenzial der Markov-Ketten in der<br />
Analyse von Determinanten von Übergängen sowie in der empirischen Überprüfung<br />
entsprechender Modelle und Hypothese besteht. Markov-Prozesse bilden damit die<br />
Grundlage der Ereignisdatenanalyse („event history analysis“, vgl. [BR02]).<br />
2.2 Analyse von Navigationssequenzen mittels Optimal-Matching<br />
Für explorativ-heuristische Analyse von Prozessen des E-<strong>Learning</strong> sind Markov-Ketten<br />
von begrenztem Nutzen. Prozesse des E-<strong>Learning</strong> können gerade nicht als „gedächtnislos“<br />
interpretiert und analysiert werden, sondern sind abhängig von der Verweildauer in<br />
den betreffenden Zuständen sowie von ihrer „Vorgeschichte“. Ein größeres analytisches<br />
Potenzial verspricht daher die Verwendung der Sequenzanalyse mittels Optimal-<br />
Matching, da diese gerade mit der Analyse vollständiger Sequenzen ein „Prozessgedächtnis“<br />
beinhaltet. Gerade in diesem „Prozessgedächtnis“ zeigen sich ja spezifische<br />
Navigationsstrategien und Metaregeln. Im Gegensatz zu dem hypothesengeleitetkonfirmatorischen<br />
Vorgehen der Ereignisdatenanalyse stellt die Sequenzdatenanalyse<br />
mittels Optimal-Matching ein deskriptives, explorativ-heuristisches Vorgehen dar.<br />
24
Allgemein versteht man unter einer „Sequenz“ eine Abfolge oder Reihenfolge von Elementen.<br />
Als Prototyp einer Sequenz in den Naturwissenschaften – insbesondere in der<br />
Molekularbiologie – gilt die DNA als Träger des menschlichen Erbgutes. Als Prototyp<br />
einer Sequenz in der Soziologie kann der Lebenslauf bezeichnet werden (vgl. [Er01,<br />
SW01, Wi01]. Den Prototyp einer Sequenz im Kontext von Online-Lernumgebungen<br />
stellt der Prozess der Navigation in einer hypertextuellen Lernumgebung dar. <strong>Die</strong>se<br />
Navigationssequenz basiert auf der zeitlichen Abfolge besuchter Seiten als Elemente der<br />
Navigationssequenz. Aufbauend auf den Logdaten als „elektronischen Prozessdaten“<br />
(vgl. [BM00]) können die Navigationsprozesse von Nutzern in einer Lernumgebung als<br />
Sequenz rekonstruiert werden. <strong>Die</strong>se Navigationssequenzen bilden dann den Ausgangspunkt<br />
der Sequenzanalyse mittels Optimal-Matching.<br />
Ein spezifischer Algorithmus zur Sequenzanalyse ist das Optimal-Matching Verfahren 1 ,<br />
dessen Verwendung im Bereich der Sozialwissenschaften ein relativ junges methodisches<br />
Vorgehen darstellt. Übergeordnetes Ziel des Optimal-Matching Verfahrens ist die<br />
auf einem Algorithmus beruhenden Analyse einer großen Anzahl komplexer und oftmals<br />
sehr langer Sequenzen mit dem Ziel, Muster, Strukturen und Regelmäßigkeiten zu identifizieren.<br />
Das Standard- und Referenzwerk der Sequenzanalyse im naturwissenschaftlichen<br />
Bereich ist das von David Sankoff und Joseph Kruskal herausgegebene „Time<br />
Warps, String Edits, and Macromolecules“ [KS99] aus dem Jahr 1983. Als beispielhafte<br />
Anwendungsgebiete der Sequenzanalyse nennen sie u.a. die Analyse der Homologie von<br />
Makromolekülen, die Sprecher- oder auch Spracherkennung und den Bereich der technischen<br />
Datenübertragung, aus dem auch die grundlegenden Forschungen von Levenshtein<br />
[Le66] stammen. Der Transfer dieser Methode auf den sozialwissenschaftlichen Bereich<br />
und speziell in den Bereich der Soziologie geht auf Abbott (vgl. [AF86]) zurück. 2 In der<br />
pädagogisch-didaktischen Forschung und der Analyse von E-<strong>Learning</strong>prozessen findet<br />
die Sequenzanalyse mittels Optimal-Matching bislang keine Verwendung.<br />
Den Ausgangspunkt der Sequenzanalyse mittels Optimal-Matching bildet die Frage nach<br />
der Bestimmung der Ähnlichkeit von Sequenzen: Wie kann festgestellt werden, ob und<br />
wie stark sich Sequenzen ähneln? Mit der Hamming- und der Levenshtein-Distanz werden<br />
im Folgenden zwei grundlegend unterschiedliche Antworten skizziert.<br />
Das Konzept der Hamming-Distanz [Ha50] stammt aus dem Bereich der elektronischen<br />
Datenübertragung und stellt dort ein Verfahren zur Kontrolle von Übertragungsfehlern<br />
dar. <strong>Die</strong> gesendete und die empfangene Datensequenz werden Position für Position hinsichtlich<br />
identischer Elemente verglichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs ist eine Maßzahl,<br />
die als Hamming-Distanz bezeichnet wird. Der Grad der Ähnlichkeit zweier Sequenzen<br />
steigt mit der Anzahl identischer Elemente in der gleichen Position. Bei einer<br />
maximalen Ähnlichkeit besteht eine Übereinstimmung der Elemente in jeder Position<br />
der zu vergleichenden Sequenzen (d.h. die Sequenzen sind identisch); bei einer maxima-<br />
1 Der Begriff „Optimal-Matching“ wird als Sammelbegriff für Verfahren verwendet, die auf Grundlage der<br />
Levenshtein-Distanz und der Operationen Austauschen („substitution“), Einfügen („insertion“) sowie Löschen<br />
(„deletion“) unter Verwendung iterativer Prozeduren (Algorithmen) die Distanz von Sequenzen bestimmen.<br />
Der Begriff der „Sequenzanalyse“ wird verwendet für die übergeordnete Methodologie, der Begriff „Optimal-<br />
Matching“ für einen konkreten Algorithmus zur deren Umsetzung.<br />
2 Eine softwaretechnische Umsetzung findet der OM-Algorithmus in dem Programm „Transition Data<br />
Analysis“ (TDA) von Götz Rohwer und Ulrich Pötter; .<br />
25
len Unähnlichkeit besteht keine Übereinstimmung von Elementen an keiner Position.<br />
<strong>Die</strong> Bestimmung der Hamming-Distanz stößt jedoch dort an Grenzen, wo sie über die<br />
Kontrolle von Übertragungsfehlern hinaus in Bereichen angewandt wird, in denen nicht<br />
von einer inhärenten Korrespondenz als Entsprechung der Positionen ausgegangen werden<br />
kann oder Sequenzen unterschiedlicher Länge miteinander verglichen werden. Für<br />
eine Analyse von Prozessen des E-<strong>Learning</strong> sind daher differenziertere Verfahren des<br />
Sequenzvergleichs erforderlich.<br />
Den Kern der Optimal-Matching Analyse bildet der paarweise Vergleich aller Sequenzen<br />
eines Datensatzes. <strong>Die</strong> Distanz zweier Sequenzen als Grad der Unähnlichkeit wird<br />
dabei bestimmt in Abhängigkeit der Anzahl der Transformationsschritte 3 die erforderlich<br />
sind, um eine Ausgangssequenz in eine Zielsequenz zu überführen und somit eine Übereinstimmung<br />
(„alignment“ 4 ) herzustellen. Je weniger Operationen benötigt werden, um<br />
eine Übereinstimmung herzustellen, umso ähnlicher sind sich die Sequenzen. <strong>Die</strong> Transformationen<br />
beruhen dabei auf den grundlegenden Operationen des Löschens („deletion“),<br />
Einfügens („insertion“) und Austauschens („substitution“) von Elementen. <strong>Die</strong>ses<br />
Verfahren wird als „Optimal-Matching“ bezeichnet und beruht auf zwei Prozessen (vgl.<br />
[KS99]): Auf der Bestimmung aller möglichen Transformationsoperationen, um eine<br />
Quellsequenz in die Zielsequenz zu überführen („alignment analysis“); sowie auf der<br />
Ermittlung der geringsten Anzahl der dazu notwendigen Operationen („optimum analysis“).<br />
<strong>Die</strong> geringste Anzahl der erforderlichen Operationen zur Herstellung des „alignments“<br />
dient dann als Maßzahl für den Grad der Unähnlichkeit zwischen Sequenzen und<br />
wird als Levenshtein-Distanz bezeichnet [Le66].<br />
Im Folgenden wird die Bestimmung der Levenshtein-Distanz beispielhaft am paarweisen<br />
Vergleich dreier Sequenzen verdeutlicht. In Abbildung 1 ist der paarweise Vergleich<br />
einer Sequenz 1 mit einer Sequenz 2 dargestellt: Zunächst wird in der Ausgangssequenz<br />
das erste Element „A“ gelöscht („deletion“). Danach wird ein Element „A“ eingefügt<br />
(„insertion“). Es sind also minimal zwei Operationen notwendig, um eine Übereinstimmung<br />
der Ausgangs- mit der Zielsequenz herzustellen. In Abbildung 2 ist der paarweise<br />
Vergleich der Sequenz 1 mit einer Sequenz 3 dargestellt: An die erste Position der<br />
Ausgangssequenz wird das Element „G“ eingefügt („insertion“). Damit verschieben sich<br />
alle folgenden Positionen. Es ist also minimal eine Operation notwendig, um eine Übereinstimmung<br />
(„alignment“) mit der Zielsequenz herzustellen. Im Gegensatz zum Hamming-Algorithmus,<br />
der für diesen Fall eine maximale Unähnlichkeit feststellt, ist der<br />
Optimal-Matching Algorithmus aufgrund der grundlegenden Operationen in der Lage,<br />
Regelmäßigkeiten innerhalb der zu vergleichenden Sequenzen zu identifizieren: in diesem<br />
Beispiel sind die Ausgangs- und die Zielsequenz gegeneinander verschoben. In<br />
Abbildung 3 ist der paarweise Vergleich der Sequenz 2 mit einer Sequenz 3 dargestellt:<br />
In der Ausgangssequenz wird zunächst ein Element „G“ eingefügt („insertion“). Danach<br />
wird das Element „B“ gelöscht („deletion“) und ein Element „B“ einfügt („insertion“).<br />
3<br />
In diesem Artikel werden die Begriffe „Transformation“ und „Operation“ synonym verwendet. <strong>Die</strong>se<br />
(Bearbeitungs)Operationen werden auch als „Edit-Operations“ bezeichnet. <strong>Die</strong> Levenshtein-Distanz wird<br />
daher auch als „Edit-Distance“ bezeichnet.<br />
4<br />
Aus diesem Grund wird die Methode des „Optimal Matching“ auch als „Sequence Aligment Method“<br />
bezeichnet.<br />
26
Es sind also minimal drei Operationen notwendig, um eine Übereinstimmung mit der<br />
Zielsequenz herzustellen.<br />
Das Ergebnis des paarweisen Vergleichs aller Sequenzen des Datensatzes wird in Form<br />
einer Distanz-Matrix dokumentiert, in der die Levenshtein-Distanz für jeden paarweisen<br />
Sequenzvergleich eingetragen wird. 5 <strong>Die</strong> Levenshtein-Distanzmatrix als Ergebnis der<br />
Optimal-Matching Analyse bildet dann den Ausgangspunkt für sowohl explorativheuristische<br />
als auch konfirmatorische Forschungsstrategien (vgl. [KS99]).<br />
<strong>Die</strong> Analyse von E-<strong>Learning</strong>prozessen mittels Optimal-Matching entspricht einer explorativ-heuristischen<br />
Forschungsstrategie. In einem ersten Schritt werden Sequenzen unter<br />
dem Gesichtspunkt der Distanz verglichen, um in einem zweiten Schritt mit Hilfe von<br />
Methoden der Clusteranalyse zu homogenen Gruppen ähnlicher Sequenzen zusammengefasst<br />
zu werden. Mit Erzberger [Er01] kann die explorativ-heuristische Sequenzanalyse<br />
als fallorientierte Analysestrategie gekennzeichnet werden, bei der Sequenzen als<br />
Gesamtverläufe bzw. Verlaufsgeschichten in ihrer Vielfalt und Komplexität zum Gegenstand<br />
der Forschung werden. <strong>Die</strong> „Zusammenschau aller Verläufe läßt dann Ordnung<br />
entstehen“ [Er01, S. 36], d.h. in der Gesamtschau einer hinreichend großen Anzahl von<br />
Sequenzen werden Muster und Regelmäßigkeiten überhaupt erst erkennbar. <strong>Die</strong> Optimal-Matching<br />
Analyse als explorativ-heuristisches Verfahren ermöglicht es, „typische<br />
Muster, die sich aus der Empirie ergeben, theoretisch aber nicht ,vorgedacht’ wurden“<br />
[Ai00, S. 15] zu identifizieren. Muster in empirischen Sequenzen, die theoretisch nicht<br />
„vorgedacht“ wurden, können durch eine konfirmatorisch-deduktive Analyse nicht identifiziert<br />
werden.<br />
In Abbildung 4 wird beispielhaft das Ergebnis der Sequenzanalyse mittels Optimal-<br />
Matching mit daran anschließender Clusteranalyse dargestellt: die unterschiedlichen<br />
Quadrate stehen für unterschiedliche Informationseinheiten; die Abfolge der Informationseinheiten<br />
von links nach rechts stellt die Sequenz der besuchten Informationseinheiten<br />
dar (als Beschreibung des Navigationsprozesses). <strong>Die</strong> horizontalen Linien trennen<br />
dabei einzelne Cluster ähnlicher Sequenzen. Klammer 1 kennzeichnet ein Cluster ähnlicher<br />
Navigationssequenzen. Das für dieses Cluster typische Navigationsmuster ist mit<br />
der Ziffer 2 gekennzeichnet. Ziffer 3 markiert eine Sequenz, die sich von dem clustertypischen<br />
Navigationsmuster lediglich durch die Informationseinheit an erster Position<br />
unterscheidet. Fügt man vor der ersten Position ein Element ein (weiße Informationseinheit),<br />
erhält man als Ergebnis das clustertypische Navigationsmuster. Beide Navigationsmuster<br />
sind also auf Grundlage des Optimal-Matching Algorithmus als ähnlich einzustufen,<br />
da für eine Übereinstimmung lediglich eine Einfügen-Operation notwendig ist.<br />
Ziffer 4 markiert Navigationsmuster, die sich vom clustertypischen Navigationsmuster<br />
lediglich durch einen Einschub eines Elementes an der zweiten Position der Sequenz<br />
unterscheiden (sowie durch ein zusätzliches Element am Ende der Sequenz). Beide Navigationsmuster<br />
sind also auf Grundlage des Optimal-Matching Algorithmus als ähnlich<br />
einzustufen, da für eine Übereinstimmung lediglich zwei Löschen-Operationen notwendig<br />
sind. Ziffer 5 markiert ein Navigationsmuster, das sich vom clustertypischen Naviga-<br />
5 An dieser Stelle zeigt sich die Rechenintensität des Optimal-Matching Verfahrens, besonders bei einer großen<br />
Anzahl sowie langen Sequenzen: Ein Vergleich von 100 Sequenzen beruht auf 4950 paarweisen Sequenzvergleichen<br />
(100 * 99 / 2 = 9900 / 2 = 4950), die in die Levenshtein-Distanzmatrix eingetragen werden.<br />
27
tionsmuster lediglich durch ein zusätzliches Element am Ende der Sequenz unterscheidet.<br />
Beide Navigationsmuster sind auf Grundlage des Optimal-Matching Algorithmus<br />
als ähnlich einzustufen, da für eine Übereinstimmung dieser Sequenzen lediglich eine<br />
Löschen-Operation notwendig ist.<br />
3 Ergebnisse und Ausblick<br />
Grundlegend ist festzuhalten, dass auf Grundlage des Optimal-Matching Verfahrens eine<br />
große Anzahl komplexer und oftmals sehr langer Navigationssequenzen analysiert werden<br />
können. In den Navigationssequenzen enthaltene Muster, Strukturen und Regelmäßigkeiten<br />
werden identifizierbar. Damit unterscheidet sich die vorgeschlagene Methodologie<br />
grundlegend von der qualitativen Analyse einzelner Navigationssequenzen. Der<br />
Navigationsverlauf als Sequenz wird zum Ausgangspunkt und zur Analyseeinheit: <strong>Die</strong><br />
beschriebene Methodologie aus Optimal-Matching Analyse in Kombination mit Verfahren<br />
der Clusteranalyse ermöglicht es, Navigationsprozesse in Online-Lernumgebungen<br />
anhand sequenzierter Logdaten zu analysieren. Auf dieser Grundlage können auf induktive<br />
Weise ähnliche Navigationsprozesse identifiziert und zu Gruppen zusammengefasst<br />
werden. Damit kann die vorherrschende Dominanz der Analyse der Resultate von E-<br />
<strong>Learning</strong>prozessen aufgebrochen werden (vgl. „Outcomequalität“) und gleichzeitig<br />
einem relationalen Qualitätsbegriff sowie dem grundlegenden Charakter eines Pull-<br />
Mediums Rechnung getragen werden. <strong>Die</strong> Berücksichtigung von Prozessen des E-<br />
<strong>Learning</strong> ist insbesondere dann notwendig, wenn mit Online-Lernumgebungen die Vermittlung<br />
prozeduralen Wissens und tatigkeitsorientierter Kompetenzen angestrebt wird.<br />
Dabei zielt die Analyse von E-<strong>Learning</strong>prozessen mittels Optimal-Matching auf den<br />
Kern einer Didaktik als Handlungswissenschaft, die die konkret-empirische Abbildung<br />
von Raumgestalten in Zeitgestalten (Didaktik) bzw. die Abbildung von Zeitgestalten in<br />
Raumgestalten (Autodidaktik) analysiert und hinsichtlich Adäquatheit und alternativer<br />
Möglichkeiten reflektiert (vgl. [Me03, Me06]). Gerade Hypertext als grundlegende<br />
Technologie von Online-Lernumgebungen stellt ja einen radikalen medialen Strukturwandel<br />
dar, in dem bisherige Prozesse der Abbildung grundlegend zur Disposition stehen.<br />
Detailliert wurde die Methodologie und das Potenzial der Sequenzanalyse mittels Optimal-Matching<br />
für die Analyse von E-<strong>Learning</strong>prozessen an anderer Stelle ausgearbeitet,<br />
am Beispiel der Analyse der Nutzung einer metadatenbasierten, hypertextuellen Online-<br />
Lernumgebung (vgl. [Is07]). Analysiert wurden dabei insgesamt ca. 1600 Sequenzen mit<br />
insgesamt ca. 4700 Informationseinheiten. Dabei wurden spezifische Muster, Regelmäßigkeiten<br />
und Strukturen in Navigationssequenzen identifiziert, die sowohl in formaler<br />
als auch in inhaltlicher Hinsicht als Navigationsstrategien interpretiert werden konnten:<br />
Z.B. lineare Navigationsmustern der „Erkundung“ und der „Auseinandersetzung“, sowie<br />
nicht-lineare Muster der direkten und gezielte Navigation: <strong>Die</strong>se können als „erklärungsfokussierte“,<br />
„beispielfokussierte“, „aufgabenfokussierte“ und „testfokussierte“ Navigationsstrategien<br />
gekennzeichnet werden. Neben linearen und nicht-linearen Navigationsmustern<br />
wird auch die Fokussierung des Navigationsprozesses auf spezifische<br />
dominierende Typen von Informationseinheiten erkennbar. Darüber hinaus werden auch<br />
28
Navigationsmuster identifizierbar, in denen spezifische Informationseinheiten gerade<br />
nicht enthalten sind.<br />
<strong>Die</strong> dargestellte Methodologie der Analyse von E-<strong>Learning</strong>prozessen leistet einen zentralen<br />
Beitrag für die Qualitätsentwicklung von E-<strong>Learning</strong> unter Prozessperspektive<br />
(„Prozessqualität“), d.h. hinsichtlich der Relation von Lernendem, Lernumgebung, Lerninhalt.<br />
Der Lernende und seine Handlungen werden zum zentralen Gegenstand der Analyse.<br />
Damit kommen Fragen der Interaktivität in den Fokus und besonders Fragen des<br />
Potenzials von Prozessen der Rückkopplung und des Feedback zur Unterstützung von<br />
Online-Lernprozessen. <strong>Die</strong> Kenntnis der konkreten Navigationsprozesse ist dabei die<br />
Voraussetzung für differenzierte Rückmeldungen – personal sowie digital – und bildet<br />
die Grundlage für Strategien der Mikro-Adaptation (vgl. [Le92]). Gerade neuere Entwicklungen<br />
wie Web 2.0, Social Software und Social Navigation versprechen neuartige<br />
und vielfältige Möglichkeiten der Art, des Umfangs und des Zeitpunktes einer lernförderlichen<br />
Rückkopplung.<br />
Bei Social Software und Social Navigation tritt der kooperative Aspekt des E-<strong>Learning</strong><br />
in den Vordergrund und geht damit weit über die 1 : 1 Situation eines isolierten Lerners<br />
vor einem Computer hinaus: Lernen wird zunehmend als sozialer Prozess verstanden, als<br />
Lernen in einer Gruppe und Lernen von einer Gruppe. Insbesondere stellt die Kenntnis<br />
konkreter Navigationsprozesse und deren Analyse die Voraussetzung für die Entwicklung<br />
differenzierter pädagogisch-didaktischer Empfehlungssysteme als spezifische Form<br />
lernförderlicher Rückkopplung dar. Analog zu amazon.de interpretiert ein Empfehlungssystem<br />
die Handlungen des Nutzers und gibt auf Grundlage dieser Interpretation Empfehlungen,<br />
die für den Nutzer hilfreich sind, d.h. ihn in seinem E-<strong>Learning</strong>prozess hilfreich<br />
unterstützen. Gegenwärtige Empfehlungssysteme auf der Grundlage von<br />
Assoziationsanalysen sind vor allem aus dem Bereich des E-Commerce bekannt, z.B. als<br />
Warenkorbanalyse . Dabei steht die Analyse von Nutzungsinformationen in Hinblick auf<br />
gemeinsame Interesse der Nutzer im Vordergrund. Auf Grundlage dieser Warenkorbanalyse<br />
werden Kaufempfehlungen für Nutzer abgeleitet, wie dies z.B. bei amazon.de<br />
als dynamisches Empfehlungssystem implementiert ist: „Kunden, die diesen Artikel<br />
gekauft haben, kauften auch:“, „Kunden, die diesen Artikel angesehen haben, haben<br />
auch angesehen:“, „Unser Vorschlag: Kaufen Sie jetzt diesen Artikel zusammen mit“.<br />
Allerdings unterscheiden sich die Aktivitäten eines Käufers von denen eines Lernenden,<br />
der Kaufprozess unterscheidet sich vom Lernprozess, das Ergebnis eines Lernprozesses<br />
unterscheidet sich vom Ergebnis eines Kaufprozesses. Darüber hinaus bleibt z.B. die<br />
Frage offen, ob ein pädagogisch-didaktisches Empfehlungssystem ähnliche Informationen<br />
vorschlägt – wie dies z.B. bei amazon.de der Fall ist – oder aber im Sinne einer<br />
absichtsvollen Irritation abweichende bzw. konträre Informationen. Grundlage eines<br />
solchen pädagogischen Empfehlungssystems ist jedoch in jedem Fall die Analyse und<br />
Interpretation der Handlungen des Nutzers, des E-<strong>Learning</strong>prozesses.<br />
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30
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Übergang - Sequenz - Verlauf. Weinheim: Juventa, 2001; S. 163-198.<br />
Abbildungen<br />
Abbildung 1: Vergleich Sequenz 1 und 2<br />
Abbildung 2: Vergleich Sequenz 1 und 3<br />
Abbildung 3: Vergleich Sequenz 2 und 3<br />
Abbildung 3: Vergleich Sequenz 2 und 3<br />
31
32<br />
Abbildung 4: Gruppierung ähnlicher Navigationsverläufe mittels Optimal-Matching
EDL-Editor: Eine Anwendung zur automatischen<br />
Aufbereitung von Vorlesungsvideos<br />
Stephan Kopf, Fleming Lampi, Thomas King, Malte Probst, Wolfgang Effelsberg<br />
Lehrstuhl für Praktische <strong>Informatik</strong> IV<br />
<strong>Universität</strong> Mannheim<br />
68159 Mannheim<br />
{kopf, lampi, king, effelsberg}@informatik.uni-mannheim.de<br />
malte.probst@googlemail.com<br />
Abstract: In immer mehr Lehrveranstaltungen werden Vorlesungsmitschnitte den<br />
Studierenden als ergänzendes Lehrmaterial zur Verfügung gestellt. Ein wesentlicher<br />
Nachteil bei der Erzeugung von Vorlesungsvideos ist der hohe personelle<br />
Aufwand, den das Überarbeiten und Schneiden des Rohmaterials verursacht. Dabei<br />
sollte das Schneiden der Videos vorlesungsübergreifend erfolgen, da ein Kapitel<br />
häufig am folgenden Vorlesungstermin wieder aufgegriffen wird. In diesem Artikel<br />
wird die neue Anwendung EDL-Editor (Edit Decision List) vorgestellt, die es<br />
ermöglicht, den manuellen Aufwand bei der Erstellung von Vorlesungsvideos zu<br />
minimieren. Im Regelfall beschränkt sich die Tätigkeit eines Benutzers auf die<br />
Kontrolle der automatisch ermittelten Schnittpositionen in den Videos. Falls der<br />
Algorithmus Schnitte an ungeeigneten Stellen vorschlägt und Korrekturbedarf besteht,<br />
wird durch die Anwendung gleichzeitig ein effizientes Editieren der Schnittlisten<br />
ermöglicht.<br />
1 Einleitung<br />
In immer mehr Lehrveranstaltungen an <strong>Universität</strong>en werden nicht nur Vorlesungsfolien<br />
und Übungsmaterialien den Studierenden zur Verfügung gestellt, sondern auch die Möglichkeit<br />
geboten, auf Vorlesungsvideos zuzugreifen. Studierende nutzen zunehmend die<br />
digitalen Aufzeichnungen, um sich Inhalte auch außerhalb der Vorlesungszeiten anzueignen.<br />
Zusätzlich begrüßen viele Studierende die Möglichkeit, speziell zur Vorbereitung<br />
auf Klausuren, einzelne Themen nochmals intensiv mit Hilfe von Vorlesungsmitschnitten<br />
verinnerlichen zu können.<br />
Das regelmäßige Aufzeichnen von Vorlesungen führt während eines Semesters jedoch<br />
zu einem erheblichen personellen Aufwand. Sofern die Vorlesungsfolien als Bildinhalte<br />
verwendet werden, welche mit dem Ton des Dozenten unterlegt sind, erfolgt die Digitalisierung<br />
– abgesehen vom Start und Stopp der Aufzeichnung – automatisch.<br />
Um sowohl thematisch abgeschlossene als auch kurze Lerneinheiten zu erhalten, sollte<br />
das Rohmaterial des aufgezeichneten Videos nicht ohne ein Editieren veröffentlicht<br />
33
werden. Daher wird die Vorlesung in einem zweiten Schritt aufbereitet und geschnitten.<br />
Bei der Aufbereitung ist insbesondere eine Einteilung in Kapitel erforderlich, damit die<br />
Studierenden schneller auf gewünschte Vorlesungen zugreifen können. Da eine Vorlesung<br />
im Allgemeinen nicht eine einzelne thematische Einheit behandelt, muss das Rohmaterial<br />
korrekt geschnitten und anschließend passend – d. h. ggf. vorlesungsübergreifend<br />
– zusammengefügt werden, so dass der Vorlesungsstoff innerhalb eines<br />
aufbereiteten Videos eine semantisch zusammenhängende Einheit bildet. Langfristig<br />
betrachtet erzeugt dieser Arbeitsschnitt bisher einen hohen personellen Aufwand. <strong>Die</strong><br />
weiteren Schritte, wie beispielsweise die Kodierung in unterschiedliche Videoformate<br />
oder die Veröffentlichung der Vorlesungsvideos im Web lassen sich vollständig automatisiert<br />
realisieren [LKE06].<br />
In diesem Artikel stellen wir ein neu entwickeltes Verfahren zum automatischen Schneiden<br />
von Vorlesungsvideos vor. Obwohl bestehende Systeme einzelne Schritte bei der<br />
Veröffentlichung von Vorlesungsvideos automatisieren [Ha05], existiert kein System,<br />
das für unsere Zwecke ohne größere Anpassungen geeignet ist und insbesondere das<br />
automatische Erstellen von Schnittlisten und das Schneiden der Vorlesungsvideos übernimmt.<br />
Das Authoring-on-the-Fly-System (AOF) ist ein komplexes System zur Aufzeichnung<br />
und Übertragung von Lehrveranstaltungen sowie zur Erzeugung multimedialer<br />
Lerneinheiten [OL02]. Um eine Synchronisation der multimedialen Dokumente zu<br />
erreichen, wurde ein eigenes Format zur Speicherung entwickelt. Ein ähnlicher Ansatz<br />
wurde für das Lecturnity-System gewählt [Lec07], welches die Erzeugung von multimedialen<br />
Lernanwendungen anhand von PowerPoint-Präsentationen ermöglicht, wobei<br />
Animationen oder eingeblendete Videos nicht unterstützt werden.<br />
Bei der von uns entwickelten Anwendung soll die Aufzeichnung auf Notebooks mit<br />
beliebiger Präsentationssoftware wie beispielsweise PowerPoint, Acrobat Reader oder<br />
Open Office Impress möglich sein. Auf dem Präsentationsrechner ist lediglich eine Capture-Anwendung<br />
zur Erzeugung eines Videos aus der Audiospur und dem Bildschirminhalt<br />
erforderlich. Animationen, Folienübergänge, Videoeinblendungen und Anmerkungen<br />
des Dozenten auf den Folien werden erfasst, wobei auch andere Anwendungen wie<br />
beispielsweise JAVA-Applets während einer Vorlesung gestartet werden können.<br />
Da insbesondere bei gering strukturierten Vorlesungen einzelne Fehler bei der Erkennung<br />
von Schnittpositionen nicht ausgeschlossen werden können, wird im Folgenden die<br />
von uns entwickelte und intuitiv zu bedienende Benutzeroberfläche des Programms<br />
EDL-Editor (Edit Decision List) vorgestellt, die ein manuelles Bearbeiten und Korrigieren<br />
der automatisch identifizierten Schnittpositionen effizient ermöglicht. Schnittpositionen<br />
im Rohmaterial können einfach verschoben, gelöscht oder hinzugefügt werden.<br />
Im nächsten Abschnitt werden zunächst Anforderungen an ein Programm zum automatischen<br />
Schneiden von Vorlesungsvideos vorgestellt und die Struktur der entwickelten<br />
Anwendung erläutert. Abschnitt 3 geht auf die Funktionalitäten und neuen Algorithmen<br />
zur Ermittlung von semantischen Inhalten in Videos ein. <strong>Die</strong> Anwendung EDL-Editor<br />
wird in Abschnitt 4 vorgestellt. Auf Erfahrungen, die wir beim automatischen Schneiden<br />
von Vorlesungsvideos gewonnen haben, gehen wir in Abschnitt 5 ein. Abschließend<br />
werden die gewonnenen Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick gegeben.<br />
34
2 Aufbau des Systems EDL-Editor<br />
Schon seit mehreren Jahren werden Vorlesungen des Hauptstudiums an unserem Lehrstuhl<br />
aufgezeichnet und den Studierenden als Video zur Verfügung gestellt. Obwohl der<br />
Ressourcenbedarf recht hoch ist, bieten Videos deutliche Vorteile gegenüber einer Speicherung<br />
der Vorlesung in Form von Einzelbildern. Einerseits werden schriftliche Anmerkungen<br />
des Dozenten / der Dozentin auf den Folien im Zeitablauf erfasst, andererseits<br />
sind Sprache und Vorlesungsfolien synchron. Ein weiterer ganz wesentlicher<br />
Vorteil besteht darin, dass keine spezielle Anwendung zur Wiedergabe der Vorlesungen<br />
erforderlich ist, da jeder PC und die meisten mobilen Geräte die Wiedergabe von Videos<br />
unterstützen. Da innerhalb der <strong>Universität</strong> und auch bei vielen Studierenden zu Hause<br />
breitbandige Internetverbindungen zur Verfügung stehen, führt der erhöhte Speicherbedarf<br />
zu keiner wesentlichen Einschränkung bei der Nutzung der Vorlesungsvideos. Zudem<br />
stehen zusätzlich Vorlesungsvideos für eine sehr geringe Bandbreite zur Verfügung,<br />
für die nur ISDN-Verbindungen erforderlich sind.<br />
Um eine Vorlesung aufzuzeichnen, muss der Dozent zu Beginn die Aufzeichnung starten<br />
und diese am Ende stoppen. Ab dem Startzeitpunkt werden der Bildschirm des Dozenten<br />
und der Ton, der über die Lautsprecher der Vorlesungssaals übertragen wird, als Video<br />
komprimiert und gespeichert. In früheren Vorlesungen wurde das Video anschließend<br />
manuell geschnitten, um beispielsweise den Vor- oder Nachlauf, der keine Vorlesungsinhalte<br />
enthält, zu entfernen. Zudem sollen die Videos kapitelweise im Web veröffentlicht<br />
werden, so dass beim Start eines neuen Kapitels innerhalb einer Vorlesung ein<br />
Schneiden des Rohmaterials sowie ein Zusammenfügen zweier aufeinander folgender<br />
Vorlesungen erforderlich sein kann. Im letzten Schritt, der ebenfalls vollständig automatisch<br />
abläuft [LKE06], werden die geschnittenen Videos mit unterschiedlichen Profilen<br />
kodiert und im Web den Studierenden zugänglich gemacht. <strong>Die</strong> Profile unterscheiden<br />
sich im Wesentlichen in ihren Bitraten, den Bildauflösungen und den verwendeten Videocodecs,<br />
um die Anforderungen unterschiedlicher Endgeräte zu erfüllen.<br />
Das manuelle Editieren der aufgezeichneten Videos ist mit einem hohen Zeitaufwand<br />
verbunden. Im Folgenden wird unser neues System vorgestellt, das alle Bearbeitungsschritte,<br />
die für eine Veröffentlichung von Videos erforderlich sind, automatisch und<br />
ohne Benutzerinteraktion durchführen kann. Da Fehler bei der rechnergestützten Aufbereitung<br />
von Vorlesungsvideos nie vollständig ausgeschlossen werden können, wird zusätzlich<br />
über eine intuitiv zu bedienende Benutzeroberfläche die Möglichkeit gegeben,<br />
Korrekturen an den festgelegten Schnittpositionen vorzunehmen.<br />
<strong>Die</strong> Anwendung EDL-Editor stellt zwei grundlegende Funktionalitäten zur Verfügung.<br />
Um geeignete Schnittpositionen automatisch in einem Video zu identifizieren, erfolgt in<br />
einem ersten Schritt die Analyse des Rohmaterials. Weiterhin wird die Arbeit eines Anwenders<br />
durch eine grafische Benutzeroberfläche unterstützt, welche die bereitgestellten<br />
Funktionen optisch ansprechend dargestellt und eine schnelle Interaktion ermöglicht.<br />
Mehrere zentrale Arbeitsschritte sind bei der automatischen Analyse von Vorlesungsvideos<br />
erforderlich. <strong>Die</strong>se bauen aufeinander auf und können nur in der angegebenen Reihenfolge<br />
durchgeführt werden:<br />
35
! Eine Erkennung von Folienübergängen wird durch die Suche von harten Schnitten<br />
in den Vorlesungsvideos realisiert.<br />
! <strong>Die</strong> Erkennung eines neuen Kapitels erfolgt durch Analyse der Kapitelnummerierung<br />
mittels Texterkennung in den Videos.<br />
! Unterbrechungen der regulären Vorlesung wie beispielsweise eine Fragerunde oder<br />
das Abspielen externer Dokumente (Audio, Video, Animationen) werden<br />
durch eine Änderung des Layouts identifiziert.<br />
! Anhand der Folienänderungen, Kapitelübergängen und der Zuordnung von Unterbrechungen<br />
werden Schnittpositionen in den Rohvideos festgelegt. Dabei müssen<br />
auch Vorlesungen an aufeinander folgenden Vorlesungsterminen kombiniert werden,<br />
sofern diese dasselbe Thema behandeln.<br />
! Der letzte Schritt bei der automatischen Aufbereitung von Vorlesungsvideos umfasst<br />
das Schneiden, Zusammenfügen und Exportieren der Videos in vordefinierte<br />
Formate. Nach dem Upload der aufbereiteten Videos stehen diese den Studierenden<br />
im Web zur Verfügung.<br />
3 Ermittlung semantischer Inhalte in Vorlesungsvideos<br />
Damit ein automatischer Schnitt von Vorlesungsvideos möglich ist, müssen wichtige<br />
semantische Informationen innerhalb von Vorlesungsvideos automatisch, d. h. ohne<br />
Benutzerinteraktionen, identifiziert werden können. Im Folgenden wird auf die vier<br />
zentralen Schritte, die beim automatischen Schneiden von Vorlesungsvideos erforderlich<br />
sind, näher eingegangen.<br />
3.1 Erkennung von Schnitten in Vorlesungsvideos<br />
Ein Vorlesungsvideo wird vom Rechner als ein sequentielles, unstrukturiertes Medium<br />
interpretiert. Um weitere Analyseschritte innerhalb eines Videos zu ermöglichen, ist<br />
zunächst eine Segmentierung des Mediums erforderlich. Bei einer Kameraeinstellung<br />
handelt es sich um eine kontinuierliche Aufnahme; die direkten Übergänge zwischen<br />
Kameraeinstellungen werden als harte Schnitte bezeichnet. Bei Vorlesungsvideos, in<br />
denen die präsentierten Folien mit der Audiospur des Dozenten unterlegt sind, wird eine<br />
Kameraeinstellung durch die Dauer der Einblendung einer Folie charakterisiert.<br />
Das menschliche Gehirn kann Übergänge zwischen Kameraeinstellungen ohne große<br />
Mühe direkt erkennen. Eine manuelle Segmentierung von Videos ist jedoch mit einem<br />
hohen zeitlichen Aufwand verbunden und für ein effizientes Aufbereiten von Vorlesungsvideos<br />
ungeeignet.<br />
Eine Vielzahl von Algorithmen zur automatischen Erkennung von Schnitten wurden die<br />
letzten Jahre entwickelt [KC00, Ne05]. <strong>Die</strong> zentrale Idee der automatischen Schnitterkennungsverfahren<br />
besteht darin, Unterschiede zwischen aufeinander folgenden Bildern<br />
36
eines Videos zu bewerten. Dabei liegt die zentrale Annahme zugrunde, dass Unterschiede<br />
innerhalb einer Kameraeinstellung relativ gering sind und ein Schnitt zu einer starken<br />
Bildänderung führt.<br />
Bildänderungen innerhalb eines Vorlesungsvideos sind auf Folienübergänge, auf eine<br />
Unterbrechung der Präsentation oder auf schriftliche Anmerkungen des Dozenten auf<br />
den Folien zurückzuführen. Ziel der Schnitterkennung soll es im Folgenden sein, einen<br />
Wechsel zu einer anderen Folie oder eine Unterbrechung der Präsentation zu identifizieren.<br />
Schriftliche Anmerkungen des Dozenten auf den Folien sollen jedoch nicht als<br />
Schnitt identifiziert werden. Um eine mögliche Schnittposition zu erkennen, werden<br />
jeweils zwei aufeinander folgende Einzelbilder im Video miteinander verglichen. Übersteigt<br />
der Unterschied einen vordefinierten Schwellwert, so wird ein Schnitt zwischen<br />
den beiden Bildern angenommen.<br />
Bei der Analyse von Vorlesungsvideos kombinieren wir zwei Verfahren, um die Zuverlässigkeit<br />
der Schnitterkennung zu erhöhen. <strong>Die</strong> Summe der absoluten Differenzen der<br />
Pixel zweier Bilder liefert zunächst Kandidaten für mögliche Schnitte. In einem zweiten<br />
Schritt werden jeweils zwei Bilder in gleichgroße Regionen unterteilt und Histogrammdifferenzen<br />
für die entsprechenden Regionen berechnet. <strong>Die</strong> Region mit der größten<br />
Histogrammdifferenz bleibt dabei unberücksichtigt, da angenommen wird, dass schriftliche<br />
Anmerkungen des Dozenten in dieser Bildregion durchgeführt wurden. Durch einen<br />
Vergleich der übrigen Histogrammdifferenzen mit einem Schwellwert können die korrekten<br />
Schnittpositionen in Vorlesungsvideos äußerst zuverlässig identifiziert werden.<br />
<strong>Die</strong> erkannten Schnitte werden für jedes analysierte Vorlesungsvideo als Metadaten<br />
gespeichert. Folgende Analyseschritte können so effizient auf die Ergebnisse der Schnitterkennung<br />
zurückgreifen, so dass auch bei einer Anpassung von Parametern eine erneute<br />
Analyse der Schnitte nicht mehr erforderlich ist.<br />
3.2 Einsatz der Texterkennung zur Identifikation von Kapitelübergängen<br />
Nach der Erkennung von Folienübergängen werden in einem zweiten Schritt Textinformationen<br />
analysiert und ausgewertet. Dabei wird die Annahme getroffen, dass Kapitelnummern<br />
und Foliennummern an fest definierten Bildpositionen innerhalb der Vorlesungsfolien<br />
sichtbar sind. Bei den analysierten Vorlesungsvideos sind insbesondere zwei<br />
Bildregionen relevant. <strong>Die</strong> Titelzeile im oberen Bereich des Bildes enthält häufig Kapitelnummern.<br />
Weiterhin liefert die Foliennummer, die häufig im unteren Bildbereich<br />
eingeblendet ist, die Information, ob ein Folienwechsel in Vorwärtsrichtung oder ob ein<br />
Rücksprung auf die vorherige Folie durchgeführt wurde. <strong>Die</strong> Bildpositionen der Titelzeile<br />
und der Foliennummer sind innerhalb der Anwendung frei konfigurierbar und müssen<br />
einmalig pro Semester für jede Vorlesung festgelegt werden.<br />
Falls keine Textinformationen in den spezifizierten Bildbereichen erkannt werden, so<br />
deutet dies auf den Vor- oder Nachlauf des Rohvideos bzw. auf eine Unterbrechung der<br />
Präsentation hin. Speziell in Vorlesungsvideos bleiben Texte über einen längeren Zeitraum<br />
sichtbar, so dass es ausreicht, Texterkennungsalgorithmen auf nur einem Bild einer<br />
Kameraeinstellung anzuwenden.<br />
37
Abbildung 1: Beispiel für vier Kameraeinstellungen innerhalb eines Vorlesungsvideos.<br />
<strong>Die</strong> analysierten Textregionen werden rechts dargestellt.<br />
Abbildung 1 zeigt beispielhaft vier Bilder unterschiedlicher Kameraeinstellungen. <strong>Die</strong><br />
erste Kameraeinstellung wurde vor Beginn der eigentlichen Vorlesung aufgezeichnet<br />
und soll nicht Bestandteil des aufbereiteten Videos sein. In den anderen Bildern werden<br />
sowohl Kapitelüberschriften als auch Foliennummerierungen erkannt. Beispielhaft werden<br />
im rechten Bereich die Bildregionen, die bei der Texterkennung analysiert werden,<br />
verdeutlicht.<br />
Vor der eigentlichen Texterkennung ist eine Segmentierung der einzelnen Buchstaben<br />
erforderlich. Speziell bei Vorlesungsvideos liefert die Segmentierung recht zuverlässige<br />
Ergebnisse, da ein hoher Kontrast zwischen den Buchstaben und dem Hintergrund besteht.<br />
Um einzelne Segmentierungsfehler zu vermeiden, besteht innerhalb der Anwendung<br />
die Möglichkeit, die Text- und Hintergrundfarbe manuell zu spezifizieren. <strong>Die</strong><br />
Festlegung der Farben ist für jede Vorlesungsreihe nur einmal erforderlich.<br />
Wir haben ein neues Segmentierungsverfahren entwickelt, das insbesondere bei geringen<br />
Abständen zwischen einzelnen Buchstaben zu sehr zuverlässigen Ergebnissen führt<br />
[KHE05]. Dabei werden vor der eigentlichen Segmentierung Trenner zwischen den<br />
einzelnen Buchstaben identifiziert, um zu vermeiden, dass zwei Buchstaben kombiniert<br />
werden bzw. dass ein Buchstabe unterteilt wird. Zur Bestimmung der Trenner wird innerhalb<br />
der Textzeile ein abwärts gerichteter Pfad zwischen zwei Buchstaben gesucht.<br />
Von jedem Pixel in der obersten Pixelzeile wird ein Pfad zur untersten Pixelzeile mit den<br />
jeweils geringsten Kosten berechnet. <strong>Die</strong> Kosten des Pfades sind definiert als summierte<br />
Pixeldifferenzen zwischen benachbarten Pfadpixeln. Der Pfad mit den geringsten Kosten<br />
schneidet nur selten Buchstabenpixel und eignet sich somit gut als Trenner von Buchstaben.<br />
Dabei wird der Kürzeste-Pfade-Algorithmus für Graphen von Dijkstra verwendet,<br />
um die Trenner zu bestimmen. Jedes Pixel entspricht einem Knoten, der mit drei Nachbarpixeln<br />
(links-unten, rechts-unten und unten) verbunden ist. <strong>Die</strong> Kosten, um von ei-<br />
38
nem Knoten zum nächsten zu gelangen, sind definiert als absolute Helligkeitsdifferenz<br />
dieser beiden Pixel.<br />
<strong>Die</strong> eigentliche Texterkennung erfolgt durch ein Pattern-Matching-Verfahren [GS90,<br />
TJT96]. Dazu werden die einzelnen segmentierten Buchstaben mit bekannten Buchstaben<br />
verglichen und das Zeichen mit der größten Übereinstimmung identifiziert. Als<br />
Ergebnis der Texterkennung werden ASCII-Zeichen als Metadaten gespeichert und<br />
stehen für die weiteren Analyseschritten zur Verfügung.<br />
3.3 Erkennung von Sequenzen<br />
Zur Erkennung von Sequenzen werden redundante Informationen aus den Metadaten<br />
entfernt. So ist es beispielsweise für die weitere Bearbeitung eines Vorlesungsvideos<br />
nicht erforderlich zu wissen, wie viele Inhaltsfolien auf einen Kapitelanfang folgen.<br />
Obwohl die Informationen über Folienanfänge zum Schneiden des Videos nicht benötigt<br />
werden, sind sie jedoch für eine schnelle Navigation innerhalb des Videos erforderlich.<br />
Zunächst werden iterativ aus der Liste mit allen Kameraeinstellungen gleichartige Einträge<br />
entfernt. Innerhalb der analysierten Videos wurden drei Arten von Einträgen definiert:<br />
der Anfang eines Kapitels, eine Inhaltsfolie, die jedoch kein neues Kapitel einleitet,<br />
sowie unbekannter Inhalt. Unbekannte Vorlesungsinhalte sind beispielsweise<br />
eingeblendete Filme oder Animationen. Weiterhin werden regelmäßig interaktive <strong>Die</strong>nste<br />
zur Steigerung der Kommunikation mit den Studierenden während den Vorlesungen<br />
eingesetzt [Ko05].<br />
Das Entfernen der doppelten Einträge liefert eine Sequenzliste, anhand derer die endgültigen<br />
Schnittpositionen festgelegt werden. Jeder Eintrag wird anhand seiner Vorgängers<br />
und Nachfolgers entweder als neues Teilstück identifiziert oder an das vorangegangene<br />
Teilstück angehängt. <strong>Die</strong> Entscheidung erfolgt durch den folgenden regelbasierten Ansatz:<br />
! Falls ein neues Kapitel anhand einer höheren Kapitelnummer im Folientitel gefunden<br />
wird, so wird ein neuer Abschnitt festgelegt.<br />
! Unbekannte Inhalte innerhalb des Vorlesungsvideos werden dem davor liegenden<br />
Abschnitt zugeordnet.<br />
! Unbekannte Inhalte am Anfang oder Ende eines Videos werden verworfen.<br />
Da eine Vorlesung nicht immer einem starren Schema folgt, war es notwendig eine<br />
Mehrzahl an Sonderfällen zu berücksichtigen:<br />
! In der Praxis tritt es wiederholt auf, dass der Dozent / die Dozentin am Ende eines<br />
Kapitels auf die nächste Folie wechselt, obwohl das Thema noch nicht vollständig<br />
abgeschlossen ist. Häufig erfolgt dann ein Rücksprung auf das vorherige Themengebiet<br />
innerhalb weniger Sekunden. Ein kurzes Verweilen auf einer neuen Folie<br />
wird nicht als Kapitelanfang erfasst.<br />
39
! Vor dem eigentlichen Beginn einer Vorlesung wurde wiederholt beobachtet, dass<br />
der Dozent / die Dozentin den Foliensatz öffnet und im Schnelldurchlauf bis zur<br />
eigentlichen Startfolie wechselt. Falls sehr schnelle Folienwechsel zu Beginn einer<br />
Vorlesungsaufzeichnung identifiziert werden, so werden diese entfernt.<br />
3.4 Schneiden der Videos<br />
Der automatische Schnitt der Vorlesungsvideos erfolgt mit Hilfe des Freeware-<br />
Programms VirtualDub [Le05], das ein Unterteilen und Zusammenfügen von Videos<br />
ohne erneute Kodierung und dem damit verbundenen Qualitätsverlust ermöglicht. Zunächst<br />
werden die ursprünglichen Videos an den identifizierten Schnittpositionen in<br />
Videosegmente unterteilt. Falls Kapitelinhalte vorlesungsübergreifend behandelt werden,<br />
ist ein Zusammenfügen von einzelnen Videosegmenten erforderlich. Dazu werden alle<br />
Videosegmente in lexikographischer Reihenfolge bearbeitet und später aufgezeichnete<br />
Dateien, die dasselbe oder ein niedrigeres Kapitel im Vergleich zum aktuellen Videosegment<br />
besitzen, werden an die aktuelle Datei angehängt.<br />
4 Ablauf der automatischen Bearbeitung von Vorlesungsvideos<br />
Neben den Funktionen zur Analyse von Vorlesungsvideos wurde eine grafische Benutzeroberfläche<br />
entwickelt, um die automatisch berechneten Daten effizient verändern zu<br />
können. <strong>Die</strong>s ist erforderlich, da die Analysealgorithmen vereinzelt Schnittpositionen<br />
falsch festlegen, die Texterkennung vereinzelt Buchstaben falsch erkennt oder spezielle<br />
Abläufe in Vorlesungen auftreten können, die bisher nicht berücksichtigt wurden und<br />
manuell korrigiert werden sollten. Weiterhin erleichtert die Benutzeroberfläche die Konfiguration<br />
der Anwendung, wie beispielsweise die Definition der Schrift- und Hintergrundfarben,<br />
der Position der Textregionen, die Quell- und Zielverzeichnisse, die Parameter<br />
für die Schnitterkennungsalgorithmen sowie die Pfade für die externen<br />
Hilfsprogramme.<br />
Abbildung 2 verdeutlicht den Aufbau der Anwendung. Es können drei Ansichten – Input,<br />
Output und Schnittkontrolle –gewählt werden. Unter Input wird der Fortschritt der<br />
einzelnen Analyseschritte verdeutlicht, bei denen eine Liste von Quellvideos in geschnittene<br />
Teilvideos überführt wird. Mehrere Rohvideos können gleichzeitig ausgewählt<br />
werden und der Fortschritt der einzelnen Algorithmen wird für jede Datei angezeigt (vgl.<br />
Abbildung 3, unten). Zusätzlich ist es möglich einzelne, alle oder die noch erforderlichen<br />
Analyseschritte manuell zu starten. Falls ein Benutzer einen Analyseschritt direkt startet,<br />
kann er zusätzlich festlegen, ob vorherige Schritte erneut berechnet werden sollen. Der<br />
aktuelle Fortschritt bei der Analyse der aktuellen Datei und der Fortschritt aller ausgewählter<br />
Dateien wird zusätzlich angezeigt.<br />
Unter der Ansicht Output sind die Funktionalitäten zum Zusammenfügen von Videosegmenten<br />
und der Speicherung der überarbeiteten Videos im Zielverzeichnis zusammengefasst.<br />
Weiterhin besteht die Möglichkeit, die geschnittenen Videosegmente mit<br />
Hilfe eines eingebetteten Windows Media Players zu betrachten.<br />
40
Abbildung 2: Einsatz des EDL-Editors beim automatischen Schneiden von Videos<br />
Eine dritte Ansicht ermöglicht ein nachträgliches Korrigieren der automatisch ermittelten<br />
Sequenzlisten. Da nicht sichergestellt werden kann, dass Fehlinterpretationen in<br />
einzelnen Videosegmenten auftreten, wurde die Möglichkeit der manuellen Korrektur<br />
eingefügt. Jede Schnittinformation wird dabei innerhalb einer Textzeile beschrieben und<br />
kann editiert werden. Zudem wurde der Windows Media Player erweitert, so dass eine<br />
auf Einzelbildern basierte Navigation im Video möglich ist.<br />
5 Erfahrungen bei der automatischen Aufbereitung von Vorlesungsvideos<br />
<strong>Die</strong> Anwendung EDL-Editor wurde mit Hilfe eines Trainingsdatensatzes von sechs<br />
aufeinander folgenden Vorlesungen im Fach Computer Networks entwickelt. <strong>Die</strong> Rohvideos<br />
wurden zunächst manuell analysiert und die sinnvollen Schnittpositionen per<br />
Hand ermittelt. Anschließend wurde die Programmlogik zur automatischen Festlegung<br />
der Sequenzliste spezifiziert. In mehreren Iterationen wurden anschließend die Sonderfälle<br />
analysiert und die neuen Verfahren zur automatischen Bestimmung korrekter<br />
Schnittpositionen festgelegt.<br />
41
Nach der Fertigstellung der Anwendung erfolgte ein ausführlicher Test der Funktionalität<br />
mit einer unbekannten Folge von Vorlesungsvideos aus dem Wintersemester 2006.<br />
Im Vergleich zu den Trainingsdaten wurden Vorlesungen des gleichen Dozenten in<br />
einem anderen Studienfach (Multimedia Technology) aufbereitet. <strong>Die</strong> automatische<br />
Analyse einer Stunde Vorlesungsvideos benötigt ungefähr 10 Minuten Rechenzeit auf<br />
einem aktuellen PC. Besonders erfolgreich ist zu bewerten, dass nur sehr selten ein manueller<br />
Eingriff erforderlich war. Auch beim Zusammensetzen der Teilstücke wurden<br />
nur selten Fehler beobachtet.<br />
Bei den Analysealgorithmen liegt der Anteil der korrekt erkannten Kameraeinstellungen<br />
bei nahezu 100 Prozent. Da die Bildqualität und Bildauflösung bei Vorlesungsvideos<br />
deutlich unter der Qualität von eingescannten Textdokumenten liegt, treten bei der Texterkennung<br />
wesentlich höhere Fehlerraten auf. Dennoch ist die korrekte Zuordnung von<br />
Kapitelanfängen in den meisten Fällen möglich.<br />
Im Folgenden werden noch einzelne Beobachtungen erläutert und Ursachen für mögliche<br />
Fehler vorgestellt, die beim Testen der Anwendung beobachtet wurden. Da EDL-<br />
Editor eine Korrektur der automatisch ermittelten semantischen Informationen effizient<br />
unterstützt, sind die einzelnen Beobachtungen kein echtes Hindernis für den Einsatz von<br />
EDL-Editor.<br />
42<br />
! Bei einer Änderung der Bildauflösung des Rohvideos sollten die Programmparameter<br />
wie beispielsweise die Positionen der Textregionen umgehend angepasst<br />
werden, da sonst der Einsatz von EDL-Editor zu ungewünschten Ergebnissen<br />
führt.<br />
! Innerhalb des EDL-Editors werden Vorlesungsfolien mit ein- oder zweistufiger<br />
Nummerierungsstufe unterstützt. Es wurde bewusst darauf verzichtet, Unterkapitel<br />
mit mehr als zwei Nummerierungsstufen zu erkennen, da bei drei Nummerierungsstufen<br />
zum Teil sehr kurze geschnittene Ergebnisvideos mit einer Länge von nur<br />
wenigen Minuten entstehen.<br />
! Bisher wurde die Auswertung der Vorlesungsaufzeichnungen auf die Videospur<br />
beschränkt, da sie in fast immer ausreichend genaue Informationen zum Schnitt<br />
der Videos liefert. Eine Analyse der Audiospur erfolgt im bisherigen System noch<br />
nicht. Speziell am Anfang oder Ende einer Vorlesung könnte die Audiospur wichtige<br />
Hinweise zur Schnittposition liefern, indem beispielsweise die Stimme des<br />
Dozenten identifiziert wird.<br />
! Auch bei einem Vorwärts- und Rückwärtssprung zwischen zwei Kapiteln lässt<br />
sich anhand der Bildinhalte nicht sicher ableiten, ob der Dozent gerade das vergangene<br />
Kapitel wiederholt oder schon auf das nächste Kapitel eingeht. Fehler<br />
können jedoch durch die manuelle Schnittkontrolle ohne großen Aufwand korrigiert<br />
werden.<br />
! Weiterhin wurde die Annahme getroffen, dass Kapitel mit höheren Nummern nach<br />
niedrigeren behandelt werden. Falls der Dozent in der Vorlesung eine andere Reihenfolge<br />
wählt, würde das Video fehlerhaft geschnitten und kombiniert.
! Unbekannte Inhalte einer Vorlesung wie z. B. Videoeinblendungen, Animationen<br />
oder interaktive <strong>Die</strong>nste werden nicht immer zuverlässig dem korrekten Videosegment<br />
zugeordnet. Falls beispielsweise ein Video ein neues Kapitel einführt,<br />
würde das Videosegment fälschlicherweise dem vorherigen Segment zugeordnet.<br />
Auch im Vor- oder Nachlauf einer Videoaufzeichnung werden unbekannte Inhalte<br />
nicht korrekt zugeordnet. In diesen Fällen ist jedoch durch die manuelle Änderung<br />
eine schnelle Korrektur möglich.<br />
! Um eine Verschlechterung der Qualität eines Videos durch erneute Kodierung zu<br />
vermeiden, ist ein Schnitt eines Videos nur zu Beginn einer Group of Pictures<br />
(GOP) innerhalb des Videostroms zulässig. Abhängig von dem verwendeten Video-Codec<br />
ist dadurch eine Verschiebung der korrekten Schnittposition um mehrere<br />
Einzelbilder bis zu wenigen Sekunden möglich. <strong>Die</strong>se Fehler werden beim Betrachten<br />
jedoch nicht als störend empfunden.<br />
6 Fazit und Ausblick<br />
Obwohl es sich beim Schneiden von Vorlesungsvideos um einen komplexen mehrstufigen<br />
Prozess handelt, wird das zentrale Ziel, den manuellen Aufwand zur Aufbereitung<br />
und Veröffentlichung von Vorlesungsvideos signifikant zu reduzieren, mit Hilfe des<br />
vorgestellten Systems EDL-Editor erreicht. <strong>Die</strong> von uns entwickelte Anwendung extrahiert<br />
in mehreren Schritten Informationen aus den Vorlesungsvideos. Nach der Erkennung<br />
von Kameraeinstellungen werden Kapitelgrenzen mit Hilfe von Texterkennungsalgorithmen<br />
identifiziert und Regeln abgeleitet, um geeignete Schnittpositionen zu<br />
spezifizieren. Falls Fehler bei der automatischen Berechnung auftreten, stellt die Benutzeroberfläche<br />
Möglichkeiten zu einer einfachen Korrektur und Anpassung der Schnittpositionen<br />
zur Verfügung.<br />
Der manuelle Aufwand bei der Erstellung von Vorlesungsvideos lässt sich durch das<br />
vorgestellte System erheblich reduzieren. In den meisten Fällen ist lediglich eine kurze<br />
Überprüfung der automatisch geschnittenen Vorlesungen erforderlich. Nur in Ausnahmefällen<br />
ist eine manuelle Korrektur erforderlich, die mit Hilfe des Benutzerinterface<br />
sehr effizient durchgeführt werden kann. Um eine genauere Klassifikation der Vor- und<br />
Nachlaufs der Vorlesung zu ermöglichen, ist eine Weiterentwicklung von EDL-Editor<br />
geplant, die eine Auswertung charakteristischer Merkmale der Audiospur ermöglicht.<br />
Mit den heute existierenden Verfahren zur Analyse von Videos ist ein vollständiges<br />
Verständnis eines Vorlesungsvideos nicht möglich. Auch für einen Menschen existieren<br />
häufig mehrere vergleichbare Möglichkeiten zum Schneiden von Vorlesungsvideos, so<br />
dass es die „perfekte“ Lösung nicht gibt. Wenn ein Benutzer Änderungswünsche an der<br />
automatisch getroffenen Auswahl an Schnittpositionen wünscht, kann er diese komfortabel<br />
und effizient durchführen.<br />
43
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survey. In: Pattern Recognition, Bd. 29 (4), S. 641–662, 1996.<br />
44
Notetaking in University Courses and its Implications for<br />
e<strong>Learning</strong> Systems<br />
Jürgen Steimle, Iryna Gurevych, Max Mühlhäuser<br />
Telecooperation Group, Department of Computer Science<br />
Darmstadt University of Technology<br />
{steimle, gurevych, max}@tk.informatik.tu-darmstadt.de<br />
Abstract: This paper presents the results of a study on notetaking in university courses<br />
and derives implications for the design of electronic notetaking and annotation systems<br />
in e<strong>Learning</strong>. The study focuses on differences between notetaking with a pen<br />
and paper or with a laptop and identifies the reasons for preferring the one or the other.<br />
Our findings show that notetaking systems should allow handwritten input, as notes<br />
on paper are preferred by the majority of students, mainly because they allow unconstrained<br />
free-form handwriting and sketches. Moreover, this paper examines context<br />
factors which influence notetaking. For this purpose, a context model for notetaking<br />
is presented, which distinguishes the four context types of learner, instructor, content<br />
and setting. We identified a significant influence of several specific context aspects<br />
and therefore conclude that notetaking systems must be adaptable in order to support<br />
notetaking in different contexts effectively.<br />
1 Introduction<br />
Notetaking plays an important role in learning processes and has been proven to be a factor<br />
positively related to students’ academic achievement [POK05]. This supportive effect<br />
encompasses both the processes of recording notes (encoding function) and reviewing<br />
notes (storage function) [Ki89].<br />
In e<strong>Learning</strong>, a growing number of tools have been developed which aim to support student<br />
notetaking and annotation. Examples of such systems consist of Livenotes [Ka05],<br />
DyKnow [Be06], eMargo [Ge05], AOF [LTZ05] and u-Annotate [Ch06]. While some of<br />
these systems focus on notetaking during the course itself [Ka05, Be06], other systems<br />
aim at notetaking and review after class [Ge05, LTZ05, Ch06]. Most of them include a<br />
collaborative functionality and numerous systems allow pen-based input on a Tablet PC in<br />
order to simulate the experience of traditional notetaking on paper.<br />
Our current project aims to develop a system for collaborative notetaking, which allows<br />
students to annotate the course material with several input modalities. The system will<br />
allow both typed input on computer keyboards and handwritten input with electronic pens<br />
on digital paper, that consists of ordinary paper sheets, on which a specific pattern is<br />
printed. This enables electronic pens to identify their position on the paper sheets, to<br />
45
capture the user’s strokes and to transfer them to a computer. Our goal is thus to close the<br />
gap between paper, which still plays a central role in learning, and computers, which are of<br />
increasing importance and offer unique benefits not provided by pure paper environments.<br />
The main contribution of this paper is the presentation of a study on student notetaking<br />
in university courses. Notetaking in general and more particularly the use of notetaking<br />
and annotation software in learning are not well studied [BP05, BK06]. Therefore, we<br />
conducted a quantitative study in order to derive implications for the design of notetaking<br />
systems in e<strong>Learning</strong>. These implications provide a basis for the design of a notetaking<br />
system in our ongoing work.<br />
Our research was guided by the following main aspects: 1) We evaluated the reasons for<br />
the choice of taking notes with a pen and paper or with a laptop. We then assessed the<br />
effects of this choice on the notes being taken and on further review and completion activities.<br />
2) Our hypothesis was that notetaking heavily depends on multiple context types.<br />
Therefore, we developed a context model for notetaking in university lectures (see below)<br />
and evaluated the influence of several specific context aspects. 3) Finally, we assessed<br />
note-based collaborative activities.<br />
The context model for notetaking in university lectures is presented in Figure 1. It focuses<br />
on the communicative situation in which notetaking in lectures takes place. Following<br />
Bühler’s organon model of communication [Bü78], we distinguish three central<br />
context types (learner - instructor - content) and add the supplemental dimension of the<br />
setting surrounding the communicative situation. We then evaluated the influence of several<br />
specific aspects of the context types. The learner context type includes preferences<br />
and habits, which are personal (and hence on an individual level) or relate to the membership<br />
in a social group like gender (supra-individual level). In addition, the influence of<br />
two motivational and cognitive factors was assessed, namely the interest in the content and<br />
the average grades obtained during previous studies. Moreover, the potential relationship<br />
between the ownership of a laptop and the preference for electronic notes was evaluated.<br />
In the content type, we analyzed the influence of the course language. The aspect of the<br />
instructor’s teaching style was not empirically assessed; however, we found a qualitative<br />
indice of an influence. Finally, in the setting context type, the study assessed disciplinespecific<br />
aspects as well as differences between the temporal phases of course review and<br />
exam preparation. We did not include a context aspect of tools used for notetaking (i.e.<br />
pen, keyboard etc.), since these are not part of the context but of the notetaking process<br />
itself. Furthermore, the types and aspects presented herein are not exhaustive. In further<br />
work, this framework can be extended for additional types and aspects of context.<br />
The study on notetaking was based on a questionnaire and was conducted in five university<br />
lectures which contained several e<strong>Learning</strong> elements, such as electronic course material,<br />
web discussion forums and lecture recordings. In order to investigate discipline-specific<br />
differences, we questioned students from computer science and pedagogy. Overall, 408<br />
respondents participated to the study.<br />
The following section will present our method. Section 3 will then detail the results of<br />
the study. Finally, Section 4 is dedicated to discussing implications for the design of<br />
notetaking systems in e<strong>Learning</strong>.<br />
46
2 Method<br />
Learner<br />
Setting<br />
- Discipline-specific<br />
context<br />
- Temporal context<br />
- Preferences and habits<br />
(individual and<br />
supra-individual level)<br />
- Motivational factors<br />
- Cognitive factors<br />
- Hardware equipment<br />
Instructor Content<br />
(-Teaching style)<br />
- Language<br />
Figure 1: Context types in notetaking and specific aspects assessed in this study.<br />
The questionnaire contained 22 closed and open questions related to four topics: 1) notetaking<br />
behavior: media used for notetaking, (dis)advantages of those media, types of the<br />
notes and the language they are written in; 2) collaboration and team work; 3) courserelated<br />
information such as the amount of time invested for the course, the personal interest<br />
in the topics and the perceived degree of difficulty; 4) personal information about the<br />
respondent like sex, field of study, semester and hardware equipment.<br />
The questionnaire was handed out at the end of a university semester in five courses. The<br />
participation was voluntary and no compensation was given. We chose four computer science<br />
courses, which covered several domains and in which students of different years of<br />
studies were enrolled. These courses consist of a first-year introductory course to computer<br />
science, a second-year algorithm theory course and two different network courses,<br />
which are typically attended in the third or fourth year of studies. In order to allow an<br />
interdisciplinary comparison, one course in pedagogy was chosen, in which students of<br />
different semesters were enrolled (in average, they were in their forth semester with a<br />
standard deviation of 2.8 semesters).<br />
All courses contained e<strong>Learning</strong> elements. The computer science courses offered a webbased<br />
forum for discussions among the students. Two of these courses were recorded and<br />
a video including the slides was offered for download after each class. In all evaluated<br />
courses, the instructors used PowerPoint slides, which were made available as downloads<br />
before the courses. In the pedagogical course, the instructor additionally provided a pure<br />
textual script covering more detailed contents as the slides.<br />
Table 1 depicts the number of respondents questioned as well as their gender.<br />
In the statistical analysis, we investigated correlations between items which were fivepoint<br />
scaled and performed χ2-tests and t-tests to identify significant group differences.<br />
All these tests were based on a level of significance of 95 %.<br />
47
3 Data Analysis<br />
Discipline Respondents Female Male<br />
Computer Science 316 13.8 % 86.2 %<br />
Pedagogy 92 78.4 % 24.6 %<br />
Overall 408 28.8 % 71.2 %<br />
Table 1: Participants of the study.<br />
In this section, the results of the study will be presented along different categories. We<br />
will first describe the groups of respondents taking notes. Next, we will detail the media<br />
used for notetaking and the reasons of this choice, particularly with regard to the difference<br />
between notes on paper or on a laptop. We will then turn our attention to the notes<br />
themselves and discuss the languages they are written in. Finally, follow-up activities of<br />
notetaking and collaborative aspects will be analyzed.<br />
3.1 Respondents Taking Notes<br />
The proportion of students taking notes during the course considerably varied between<br />
the disciplines. While 93.3 % of the pedagogy students took notes, only 62.3 % of the<br />
computer science students did. When asked for the reasons for not taking notes through an<br />
open question, the largest group of answers to an open question considers the course slides<br />
offered by the instructor to contain sufficient information (N = 16). Eight respondents<br />
indicated that taking notes distracted them from listening.<br />
A significant difference related to the gender of the respondents was revealed in computer<br />
science, but not in pedagogy. While 30.0 % (N = 12) of the female respondents in the<br />
computer science courses did not take notes, a significantly larger proportion of 48.4 %<br />
(N = 121) of male students did not take notes [χ2 (1,N = 290) = 4.702, p = .04].<br />
When relating these results to the context model, we notice that the decision of taking notes<br />
or not seems to depend on the setting and learner contexts, namely on the discipline and<br />
on the gender of the respondents. The percentage of students who took notes maximally<br />
varied from more than 90 % in the pedagogy course to less than 50 % of male students in<br />
computer science.<br />
3.2 Media Used for Notetaking<br />
We further asked the students on which media they take their notes (on empty sheets of<br />
paper, on printed versions of the course slides, on printed versions of the course scripts, on<br />
laptops and/or other media; multiple responses were possible). Moreover, we examined<br />
the use of the course material (i.e. PowerPoint slides, handouts etc.) and searched for<br />
differences which relate to the use of a pen and paper or a laptop. This aspect is of central<br />
48
importance for the design of e<strong>Learning</strong> notetaking systems, as an electronic system should<br />
be able to support the most frequently used media.<br />
Figure 2 below shows the percentage of notetakers on single media or on combinations<br />
of several media. Both in computer science and pedagogy, traditional notetaking with a<br />
pen and paper clearly outperforms notes on a laptop. In the computer science courses, 77<br />
% of the respondents took their notes exclusively on paper. This group consists of three<br />
subgroups of roughly equal percentages which took notes either on empty sheets of paper,<br />
on printed course slides or on both of them. 8 % made an exclusive use of a laptop, while<br />
15 % indicated to prefer cross-media notetaking, which combines notes on a laptop with<br />
notes on empty sheets of paper or on printed course slides.<br />
The context factor of the discipline proved to be an influential factor of the context model,<br />
since laptop use differed largely between the disciplines. In the pedagogy course, laptop<br />
use was almost not existent. 98 % took their notes exclusively on paper. The two largest<br />
groups (about 45 % each) took notes either only on empty sheets of paper or combined<br />
them with printed slides or the printed course script. These findings confirm results of<br />
other studies on the choice between paper and laptops [OS97, Ob03], which, however, did<br />
not assess notetaking during courses but during overall reading processes and moreover<br />
constrained the participants to use a specific software for notetaking.<br />
Laptop<br />
8%<br />
Computer Science<br />
Laptop + printed slides<br />
7%<br />
Laptop + empty sheets<br />
of paper<br />
8%<br />
Printed slides<br />
27%<br />
Empty sheets of paper<br />
28%<br />
Empty sheets of paper<br />
+ printed slides<br />
22%<br />
Printed slides/script<br />
6%<br />
Empty sheets of paper<br />
+ printed slides/script<br />
45%<br />
Pedagogy<br />
Laptop<br />
1%<br />
Figure 2: Combinations of media used to take notes on.<br />
Laptop + empty sheets<br />
of paper<br />
1%<br />
Empty sheets<br />
of paper<br />
47%<br />
It is worth noting that the percentage of students taking notes on a laptop was small even<br />
though 78.6 % (N = 180) of the notetakers possess a laptop. Only 19.6% (N = 35) of<br />
the students owning a laptop took notes on this device. The hardware equipment, one of<br />
our context factors, does therefore not seem to be relevant.<br />
A gender-specific difference was found in the computer science courses, but not in pedagogy.<br />
While 77.8 % (N = 42) of female respondents took notes on printed lecture slides,<br />
only 56.1 % (N = 69) of male respondents did so [χ2 (1,N = 150) = 4.336, p = .05].<br />
However, we found no significant gender-specific difference in the use of laptops.<br />
Comparing different computer science courses, we found that in one course (algorithm<br />
theory), the respondents made a significantly higher use of empty sheets of paper (76.4 %,<br />
N = 42) than the remaining respondents (52.3 %, N = 58) [χ2 (1,N = 166) = 8.927,<br />
49
p = .004]. In this course, the instructor frequently drew sketches and diagrams on the<br />
blackboard which were not contained in the slides. We assume that this specific teaching<br />
style combined with little free space on the slides led to the heavy use of paper sheets.<br />
Taking a closer look on laptop users, we asked them about the software they took their<br />
notes with. Responses fell under two categories of almost equal frequency: Software that<br />
allows to annotate the electronic course slides (e.g. Adobe Acrobat) (N = 16) or word<br />
processors and text editors (N = 17). Four students indicated to use both annotation and<br />
a word processor, three students annotated on a tablet PC and two students employed a<br />
specific software for creating mindmaps. These data show that the repartition between<br />
annotating printouts and taking notes on blank sheets which we identified for paper notetakers<br />
is approximately reflected by notetaking on laptops. The main device for the input<br />
of electronic notes is the keyboard, since only few students own a Tablet PC (1.2 %).<br />
The prominent position which course material provided by the instructor holds in student<br />
notetaking is reflected in the general use of course material as well. Figure 3 depicts the<br />
mean frequency of course material use indepentently of notetaking. This chart indicates<br />
that the most frequently used media are course slides and the textual script.<br />
5<br />
very<br />
frequently<br />
Mean Frequency<br />
4<br />
3<br />
2<br />
never<br />
1<br />
4.4<br />
Lecture slides<br />
(electronic<br />
version)<br />
3.3<br />
3.0 3.0<br />
Lecture slides<br />
(printed)<br />
3.4<br />
2.1<br />
3.0<br />
Textual script Textbook Internet Lecture<br />
recordings<br />
Computer Science Pedagogy<br />
Figure 3: Use of course material (independently of notetaking). Standard deviations<br />
are indicated by the error lines.<br />
3.3 Advantages of Different Media<br />
Besides assessing the distribution among different notetaking media, we aimed to gain<br />
information about the reasons for choosing those media as well as the advantages respondents<br />
associated with paper or electronic notes on a laptop. This aspect is of general<br />
importance for e<strong>Learning</strong> systems which aim to transfer activities traditionally relying on<br />
paper to a computer. Therefore, students were requested to judge the importance of several<br />
advantages of paper and electronic notes on a five-grade scale. In addition, we posed an<br />
open question, in which we asked the students to explain why they preferred the specific<br />
media they took notes on.<br />
50<br />
3.8<br />
2.3<br />
3.2
The results of the quantitative question are depicted in Figure 4. They show that the freeform<br />
flexibility was regarded as the most important advantage of notes on paper. This is<br />
followed by the fact that paper can be easily transported. As far as electronic notes are concerned,<br />
all proposed advantages were rated almost equally. When investigating differences<br />
between the advantages of paper and laptops, we found that long-term archivability was<br />
rated significantly more important for laptop than for paper notes [T = −<strong>5.</strong>935, df = 234,<br />
p = .000]. Similarly, good readability of typescript is rated significantly more important<br />
than good readability on paper [T = −<strong>5.</strong>907, df = 230, p = .000].<br />
very<br />
important<br />
Mean Importance<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
very<br />
unimportant<br />
1<br />
4.3<br />
Flexibility<br />
(e.g.<br />
sketches,<br />
formulas)<br />
4.0<br />
Ease of<br />
transport<br />
3.5<br />
Long-term<br />
archivability<br />
3.5<br />
Different<br />
colors and<br />
pens (e.g.<br />
textmarker)<br />
3.3<br />
Good<br />
readability in<br />
comparison<br />
to a display<br />
3.9 3.8 3.9 3.8<br />
Paper Laptop<br />
Long-term Easy<br />
archivability sharing (e.g.<br />
by e-mail)<br />
Figure 4: Advantages of paper and electronic notes.<br />
Electronic<br />
search<br />
Good<br />
readability<br />
of typescript<br />
Students taking notes on paper regarded most advantages of paper as significantly more<br />
important than students taking notes on a laptop and vice versa. However, both groups<br />
highly rated the flexibility of free-form notes on paper, which thus seems to be of great<br />
importance even for laptop notetakers.<br />
The responses to the open question indicate some additional important factors. Students<br />
taking notes on a laptop valued that notes can be more easily modified (N =4) and offer<br />
a cleaner appearance (N =2). Two respondents stated to prefer electronic notes because<br />
this way, they do not have to print the slides. Two further students noted that a laptop<br />
allows them to keep the information in one place. On the other hand, 20 respondents<br />
stated that notetaking on paper is easier and faster than notetaking on a laptop.<br />
The responses also indicated reasons for preferring annotations on course material or notes<br />
on blank sheets of paper. Annotations on printed course slides are regarded as advantageous,<br />
since these allow to establish a direct reference to the context by taking the notes<br />
on the place they refer to (N = 27). 24 respondents particularly valued that they do not<br />
need to write everything down on the slide, but only add additional information of importance.<br />
On the contrary, blank sheets of paper are favored because they allow to create an<br />
own structure and to note own ideas more individually (N = 12). Moreover, in contrast<br />
to course slides, they provide sufficient free space (N =5). Three students indicated to<br />
combine notes on paper and on printed course slides in order to separate their own ideas<br />
from additional information given by the instructor.<br />
51
3.4 Language of the Notes<br />
A further aspect of our context model is the language in which the notes are taken. This<br />
aspect must be considered if an e<strong>Learning</strong> system includes further analysis of textual notes<br />
like handwriting recognition or summarization and recommendation of relevant notes.<br />
Even though German stays the most used language, the language in which the course is<br />
held largely influences the languages of the notes. The percentage of respondents who<br />
indicated to often or very often use the German language varied from 36.7 % (N = 14) in<br />
courses held in English to 9<strong>5.</strong>0 % (N = 207) in courses held in German.<br />
An important finding was that a significant proportion of students combined notes in two or<br />
more languages. This percentage corresponded to 60.2 % of the respondents in computer<br />
science and to 26.8 % in pedagogy.<br />
3.5 Review and Completion of Notes<br />
Respondents who took notes were asked how frequently they review and complete their<br />
notes after class and when preparing the exam. These results allow to estimate in which<br />
phases an electronic notetaking system would be used. Mean values are depicted in Figure<br />
<strong>5.</strong> (Results for exam preparation relate only to the computer science courses, since in<br />
the pedagogy course, no final exam took place.) The results show that, in contrast to the<br />
wrap-up phase after class, where scores are rather low, students become more active when<br />
preparing the exam. The context factor of time thus seems to influence notetaking.<br />
very 5<br />
frequently<br />
Mean Frequency<br />
never<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
3.1<br />
2.3<br />
Review Completion Review * Completion *<br />
(* Computer Science only)<br />
4.2<br />
After Class Exam Preparation<br />
Figure 5: Frequencies of follow-up activities for notetaking.<br />
No significant differences were found between laptop and paper notetakers. However, taking<br />
a closer look on the group which took notes on paper, our data indicate that annotations<br />
relate to more frequent follow-up activities than notes on empty sheets of paper: In review<br />
after class as well as in review and completion before the final exam, mean frequencies of<br />
respondents annotating printed course slides or the course script were .4 to .6 points higher<br />
(p < .006) than of students taking notes on blank sheets.<br />
52<br />
3.4
3.6 Note-based Collaboration<br />
Collaborative notetaking is supported by most e<strong>Learning</strong> systems for notetaking. They<br />
allow either to collaborate by synchronously taking notes on a shared set of documents<br />
(e.g. [Ka05, Be06]) or by asynchronously sharing notes in threaded forum-like discussions<br />
(e.g. [Ge05, LTZ05]). In order to additionally assess collaborative behavior in university<br />
courses, we asked the respondents to indicate their collaborative activities which make use<br />
of their notes.<br />
54.4 % (N = 135) of the respondents who took notes during class indicated to use them<br />
for collaborative work. The most important point (71.1 % of this group) consisted of using<br />
the notes as a basis for group work and discussion with other students. 51.1 % compared<br />
their notes for completion with those of others. 4<strong>5.</strong>9 % gave their notes to other students<br />
or used those of others, e.g. in case of illness. Collaborative use of notes does not seem to<br />
relate to a specific medium on which respondents took their notes.<br />
We found a relationship between collaboration and the frequency of note review and completion.<br />
Respondents using their notes collaboratively review them more frequently after<br />
class (M1 =3.3 [SD =1.0, N = 134] vs. M2 =2.7 [SD =1.1, N = 92])<br />
[T = −4.142, df = 224, p = .000]. Alike, this group completes them more frequently<br />
after class than non-collaborative notetakers (M1 =2.4 [SD =1.0, N = 129]; M2 =1.9<br />
[SD =1.0, N = 91]) [T = −3.671, df = 218, p = .000].<br />
4 Implications for Notetaking Systems in e<strong>Learning</strong><br />
The goal of this study was to derive implications for e<strong>Learning</strong> and the design of notetaking<br />
systems which support students in university courses. These implications will be<br />
discussed in this section.<br />
Support of handwritten input<br />
Our study shows that in university courses, taking notes with a pen and paper is considered<br />
to be easier and faster and therefore preferred to a laptop by the vast majority of students.<br />
Important factors for the choice of paper consist of the flexibility of free-form notes and<br />
the easy transport. For the majority of the respondents, these advantages are not outrivaled<br />
by those of electronic notes on a laptop which mainly consist of electronic search, longterm<br />
archivability and editing functions. According to the results of this survey, this also<br />
seems to apply to computer science students, who are generally more familiar with new<br />
technologies.<br />
Therefore, our findings indicate that a laptop is not the most adequate device for taking<br />
notes in courses. Instead, handwritten input should be supported by an e<strong>Learning</strong> system.<br />
However, no recommendations for the choice between traditional paper and Tablet PCs,<br />
which allow handwritten input, can be given, since only 1.2 % of the respondents possess<br />
a Tablet PC.<br />
53
Support of both annotations and notes on blank pages<br />
This study indicates that a system for notetaking should allow both to annotate course<br />
material provided by the instructor and to take unstructured notes in a blank region. Annotations<br />
in textual handouts or presentation slides allow a close association with the course<br />
by directly referring to the adequate position within the material. Furthermore, students<br />
can concentrate on noting important points, since not everything must be noted. On the<br />
contrary, unstructured notes in a blank region of the screen or on blank sheets of paper<br />
offer the benefit of not constraining students to closely follow the structure provided by<br />
the lecturer. Instead, a restructuring can be made and a personal view on the relations<br />
between pieces of information can be expressed. These transformation operations have<br />
proven to increase the effectiveness of learning processes in other findings [BP05]. In this<br />
respect, DyKnow [Be06] offers an appropriate support as students can both annotate the<br />
slides provided by the instructor and take unstructured notes in a separate blank frame.<br />
Windows Journal supports both modes as well. However, most other current e<strong>Learning</strong><br />
notetaking systems only support annotations.<br />
Provide enough free space for annotations<br />
With regard to annotations, several respondents stated that the free space available on the<br />
slides for annotations was too small. Instructors should thus provide enough room on<br />
paper handouts for annotations. In this respect, electronic systems have the potential to<br />
clearly outperform paper-based annotation since they can dynamically adapt free space<br />
for annotations on the screen, hide and filter annotations on demand or display them in a<br />
separate frame (e.g. [LTZ05]).<br />
Support of several languages<br />
Furthermore, our results indicate that students tend to combine several languages when<br />
taking notes, especially if the course is held in a language other than their native one.<br />
Hence, systems for handwritten input which use handwriting recognition techniques must<br />
correspond to this more complex situation and offer support for several languages at the<br />
same time. A system in which the user must choose one single language to be recognized<br />
(e.g. Windows Journal) does not seem appropriate.<br />
Support of collaboration<br />
According to the results of this survey, a significant proportion of respondents use their<br />
notes for collaboration. Hence, collaborative functionality should be included in e<strong>Learning</strong><br />
systems. This can be especially beneficial in distance learning settings, where a personal<br />
exchange of the notes is not possible or more difficult to realize.<br />
Adaptability to the specific context<br />
Our findings indicate that notetaking in university courses should be studied along several<br />
context types (see Figure 1). We showed that in the learner type, both individual preferences<br />
and supra-individual factors have a significant effect on notetaking. In addition,<br />
54
influences of the setting, such as discipline-specific and temporal factors, were revealed.<br />
However, personal interest in the content and average previous grades of the respondents<br />
do not seem to influence the choice of a notetaking medium and the frequency of followup<br />
activities or collaboration. In the two remaining context types which concern instructor<br />
and content, only a small contribution could be made since both the teaching style and<br />
the content of the course are difficult to assess in a questionnaire. Nevertheless, context<br />
influence of the language and of the teaching style was revealed as well.<br />
In summary, our study showed that notetaking behavior largely depends on a complex multitude<br />
of context aspects. Notetaking systems must account for this dependency. Therefore,<br />
they must be adaptable in their central functionality (like support for annotations vs.<br />
notes on blank pages, input modality, types of the notes and collaborative features) to fit<br />
the different user needs and teaching styles in specific context situations.<br />
5 Conclusion<br />
The study presented in this paper examined both the differences of paper and electronic<br />
notes and the influence of several contextual factors in notetaking. Based on these findings,<br />
implications for the design of e<strong>Learning</strong> notetaking systems were derived.<br />
We showed that numerous key characteristics of traditional notetaking with a pen and<br />
paper are comparable with those of electronic notes on a laptop. No differences between<br />
the two groups were found in the types of notes taken, in the frequency of later review and<br />
completion as well as in collaborative activities.<br />
Nevertheless, in university courses, most students prefer notetaking on traditional paper to<br />
electronic notes on a laptop. This also applies to computer science students. Main reasons<br />
for this choice are the easy transport as well as the advantage of easily taking free-form<br />
notes on paper. About two thirds of the students who took notes on a laptop simultaneously<br />
took notes on paper. This seems to indicate that the support of handwritten free-form notes<br />
is a key aspect for a successful introduction of electronic notetaking systems in university<br />
courses.<br />
Furthermore, a model of context types which influence notetaking was presented and the<br />
influence of specific context aspects was proven. Amongst others, the study identified an<br />
influence of personal habits, of the discipline in which the students are enrolled and of their<br />
gender. An e<strong>Learning</strong> system for notetaking must comply with this complex multitude of<br />
context dependencies. Therefore, it seems indispensable that such systems are highly<br />
adaptable to fit diverse user needs and teaching styles in specific context situations. This<br />
is even more important as the literature shows that small changes in the system design can<br />
have large effects on notetaking processes [BK06].<br />
Future work could make a contribution to refining the context model. A question of great<br />
interest consists of evaluating the influence which specific media types (such as text, pictures,<br />
diagrams, tables, videos) used in the courses have on notetaking and more specifically<br />
on annotations. Furthermore, the dynamics of collaborative notetaking could be<br />
taken into account by introducing a fifth context type, the interaction history. Once note-<br />
55
taking systems allow a tightly integrated support of both paper-based and electronic input,<br />
future work should also evaluate this combined use. This would lead us a further step<br />
forward in understanding how traditional tools can be effectively integrated into electronic<br />
systems.<br />
Acknowledgments<br />
This work was supported by the German Research Foundation as part of the Research<br />
Training Group “Feedback-Based Quality Management in e<strong>Learning</strong>” (DFG-GK-1223).<br />
We are grateful to Michael Deneke and Oliver Glindemann for their advice and support.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Be06] Dave Berque. An evaluation of a broad deployment of DyKnow software to support note<br />
taking and interaction using pen-based computers. Journal of Computing Sciences in<br />
Colleges, 21:204–216, 2006.<br />
[BK06] Aaron Bauer and Kenneth Koedinger. Pasting and Encoding: Note-Taking in Online<br />
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56
Freie Bildungsressourcen im didaktischen Kontext<br />
Peter Baumgartner, Sabine Zauchner<br />
Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien<br />
Donau-<strong>Universität</strong> Krems<br />
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30<br />
3500 Krems<br />
peter.baumgarter@donau-uni.ac.at<br />
sabine.zauchner@donau-uni.ac.at<br />
Abstract: Im Beitrag werden einige Gründe für Initiativen zu „Open Educational<br />
Resources“ (OER) für den Hochschulsektor zusammengestellt und kritisch beleuchtet.<br />
Daran anschließend werden mögliche didaktische Konsequenzen im Zusammenhang<br />
mit dieser Bewegung diskutiert. Im dritten Teil des Beitrages werden didaktische<br />
Aspekte von Anforderungen an OER Initiativen diskutiert.<br />
1 Aspekte der OpenCourseWare (OCW) Initiative<br />
Als das Massachusetts Institute of Technology (MIT) im April 2001 seine OpenCourseWare<br />
Initiative [W01] öffentlich bekannt machte, reichten die Reaktionen von Überraschung<br />
bis zu Verwirrung: Warum sollte eine solch prestigeträchtige Institution ihre<br />
Kursinhalte frei zur Verfügung stellen? Gibt sie damit nicht ihr wesentliches Kapital der<br />
Konkurrenz preis? Kritiker/innen wurden nicht müde, die schlechte Umsetzung (tatsächlich<br />
bestehen viele Inhalte – vorerst? – bloß aus einem Syllabus, d.h. aus einer Zusammenstellung<br />
von Überschriften zu den Kursinhalten) sowie mögliche (kultur-)<br />
imperialistische Hintergedanken (die ganze Welt soll mit MIT-Inhalten „sozialisiert“<br />
werden) zu beanstanden.<br />
In der Zwischenzeit hat sich die Situation jedoch soweit entwickelt, dass wohl der folgende<br />
Spruch zutrifft: „<strong>Die</strong> Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter“: Schätzungen<br />
zufolge, standen mit Herbst 2006 am Hochschulsektor mehr als 2500 Lehrgänge von<br />
über 200 <strong>Universität</strong>en und Hochschulen alleine aus den USA, China, Japan und Frankreich<br />
zur Verfügung [Wi06]. Davon stellte das MIT damals noch den überwiegenden<br />
Teil von 1.550 Kursen. In der Zwischenzeit beteiligen sich am 2005 gegründeten Open-<br />
CourseWare Consortium [W02] bereits mehr als 120 <strong>Universität</strong>en [W03].<br />
In einem Referat auf der Konferenz "Open Educational Resources - Institutional Challenges",<br />
an der Universitat Obertate de Catalunya (UOC, Barcelona 22.-24. November<br />
2006), zählte Shigeru Miyagawa, Professor für Linguistik am MIT, 7 Vorteile der OCW-<br />
Initiative für das MIT auf [W04]:<br />
57
1. Es wird damit weltweit das Image des MIT verbessert. <strong>Die</strong>se Initiative brachte<br />
(und bringt immer noch) dem MIT enormes Echo in der Presse [W05].<br />
2. Es wird ein gewisser Stolz innerhalb der MIT-Community erzeugt, der insbesondere<br />
in der Bindung der Absolventen/innen (Alumni) an das MIT sichtbar wird.<br />
3. Es wird die Kooperation innerhalb der Hochschullehrenden unterstützt, weil Erfahrungen<br />
mit diesen Ressourcen innerhalb der Lehre ausgetauscht werden.<br />
4. Es wird die Bildungsmission, der das MIT verpflichtet ist, mit dieser Initiative unterstützt.<br />
<strong>5.</strong> <strong>Die</strong> Materialien fungieren als Anschauungsmaterial für die Institute und deren<br />
Curricula (Showcase).<br />
6. <strong>Die</strong> öffentlich zugänglichen Materialien erleichtern das Werben um neue Studierende<br />
(Akquise).<br />
7. <strong>Die</strong> Beteiligung an der Initiative erfordert neue Kompetenzen in der MIT-Faculty<br />
und fördert damit Prozesse der Personalentwicklung.<br />
Entscheidend für die Einschätzung der OpenCourseWare Initiative für die einzelnen<br />
Institutionen aber sind zwei wesentliche Einschränkungen: Obwohl das Material frei<br />
zugänglich ist, kann daraus weder eine Beratungsleistung noch eine (Kosten-)Ersparnis<br />
oder gar das Recht einer Zertifizierung in Anspruch genommen bzw. abgeleitet werden.<br />
Aus unserer Sicht ergeben sich daraus folgende drei weit reichende Konsequenzen:<br />
58<br />
! Individuell Lernende können zwar das Material für selbst gesteuerte Lernvorgänge<br />
verwenden, daraus ergibt sich jedoch nicht automatisch ein formal anerkannter<br />
ausbildungs- oder karriererelevanter Vorteil. Selbst wenn sie sich in Studiengänge<br />
des MIT einschreiben, sind keine reduzierten Gebühren vorgesehen. Das überrascht<br />
auch deshalb, weil Ansätze des kompetenzbasierten Lernens – und damit<br />
auch die Anerkennung früher erworbener Qualifikationen (Acknowledgement of<br />
Prior <strong>Learning</strong> = APL oder auch Recognition of Prior <strong>Learning</strong> = RPL) zunehmend<br />
an Verbreitung gewinnen.<br />
! Lehrende hingegen könnten das frei zugängliche Material – wenn sie es für ihre<br />
eigene Zwecke aufbereiten und adaptieren – nutzbringend für eigene Bildungsveranstaltungen<br />
verwenden. Leider wird jedoch das angebotene Material für eine solche<br />
Wiederverwendung gerade nicht besonders vorbereitet und ist deshalb häufig<br />
– vor allem wegen der immanenten Kursstruktur der Materialien – wenig für eine<br />
solche Wiederverwendung geeignet.<br />
! Eine dritte – unserer Meinung nach bisher viel zu wenig beachtete – Wirkung von<br />
OpenCourseWare besteht darin, dass der Bildungsprozess implizit aufgewertet<br />
wird. Wenn erst einmal die Inhalte frei zur Verfügung stehen, kann sich die Aufmerksamkeit<br />
und damit die Konkurrenz der Bildungsinstitutionen auf die Effizienz<br />
des didaktischen Arrangements richten. „Content“ wird dann richtigerweise nur<br />
mehr als ein Teil einer umfassenden und ganzheitlich zu betrachtenden Lernumgebung<br />
gesehen.
Zusammenfassend also zeigt sich, dass die MIT OpenCourseWare Initiative durchaus<br />
nicht nur eine „Mogelpackung“ darstellt, sondern für die jeweilige (anbietende) Einrichtung<br />
institutionelle Vorteile mit sich bringt. Andererseits wird das Potential dieser globalen<br />
Initiative jedoch durch ein Fehlen von Überlegungen zum kompetenzbasierten Lernen,<br />
der möglichst hohen Wiederverwendbarkeit von Materialien und einer expliziten<br />
Diskussion didaktischer Adaptionen und Implementierungen eingeschränkt.<br />
2 Aspekte von Open Educational Resources (OER)<br />
Seit der OCW-Initiative des MIT sind weltweit eine Reihe anderer Initiativen wie Open<br />
Access (= freier Zugang zu wissenschaftlichen Zeitschriftenartikeln) und Open Content<br />
bzw. Open Educational Resources-Initiativen (OER, dt. „freie Bildungsressourcen“) zu<br />
beobachten. OER setzt sich zum Ziel, den Einsatz und die Wiederverwendung von freien<br />
Bildungsressourcen weltweit zu fördern und die Nachhaltigkeit dieser Projekte sicherzustellen<br />
[z.B. ABH07]. <strong>Die</strong>se Entwicklungen beziehen sich aber nicht nur auf Hochschulen,<br />
denn auch die Anzahl freier Bildungsressourcen, die nicht in Form von universitären<br />
Lehrgängen angeboten werden, nimmt kontinuierlich zu [Wi06].<br />
<strong>Die</strong> Vielzahl unterschiedlicher Initiativen sowie die Diskussion zur begrifflichen Abgrenzung<br />
und Schärfung der dabei verwendeten Begriffe zeigt, dass ein allgemeiner<br />
Konsens über deren Gehalt und Verwendung, v.a. auch unter Miteinbeziehung einer<br />
eigenständigen Europäischen Perspektive, noch aussteht. Besondere Verdienste kommen<br />
in diesem Zusammenhang der UNESCO zu, die eine erste Definition vorlegte [Un02],<br />
sowie den Bestrebungen des CERI (Centre for Educational Research and Innovation) der<br />
OECD [z.B. Hy06]. Es herrscht heute aber weitgehend Einigkeit, dass „freien Bildungsressourcen“<br />
(OER) ein umfassendes Anliegen ist, das sowohl<br />
! Lerninhalte,<br />
! Software-Werkzeuge, die den Lernprozess unterstützen,<br />
! Repositorien von Lernobjekten (<strong>Learning</strong> Object Repositories, LOR),<br />
! als auch Kurse und andere inhaltliche Materialien<br />
einschließt. Unterschiedliche Bedeutungen werden auch unter dem Begriff „open“ bzw.<br />
„frei“ zusammengefasst. So wird je nach Quelle davon gesprochen, dass für die Nutzer/innen<br />
möglichst keine<br />
! technischen (z.B. Quellcode, Editoren, APIs),<br />
! kostenmäßigen (z.B. Subskriptionsgebühren, Pay-Per-View Gebühren)<br />
! oder rechtlichen (z.B. Copyright oder Lizenzeinschränkungen)<br />
Einschränkungen gegeben sein sollten [vgl. z.B. Do06, Ba07, Ol07].<br />
59
Zu Beginn der internationalen Bestrebungen nach freien Bildungsressourcen stand vor<br />
allem das humanistisch Ideal der „Bildung für alle“ im Vordergrund (freier Zugang auch<br />
für benachteiligte Bevölkerungsschichten, Entwicklungsländer etc.). Aus unserer Sichtweise<br />
gilt es jedoch zu betonen, dass nicht nur politische oder philanthropische Aspekte<br />
für freie Bildungsressourcen sprechen, sondern auch die Innovationskraft und didaktische<br />
Qualität von Bildungsprozessen positiv beeinflusst werden können. <strong>Die</strong> innovative<br />
Entwicklung und Anwendung didaktischer Modelle wird in den Vordergrund gestellt,<br />
wenn Inhalte erst frei zur Verfügung gestellt werden und sich der Blickwinkel der Aufmerksamkeit<br />
auf die Qualität des Lehrens und Lernens richten kann. Damit wird nämlich<br />
die Konkurrenz um die „besseren“ Inhalte auf eine Konkurrenz um innovativere didaktische<br />
Formen transformiert. <strong>Die</strong> Inhalte sind frei verfügbar und damit sozusagen gegeben;<br />
es geht nun in der Folge in erster Linie darum wie sie angewendet werden, d.h. in<br />
Lehr-/Lernarrangements verwendet bzw. eingebunden werden [Ba07]. Häufig entstanden<br />
innovative didaktische Modelle bei der Entwicklung neuer Inhalte – sozusagen als<br />
notwendige Komponente einer ganzheitlichen Problemlösung mit sowohl inhaltlichen<br />
als auch didaktischen Aspekten. Dadurch wurden aber Inhalte und Didaktik zu stark in<br />
der spezifischen Rolle ihrer gegenseitigen Bezugnahme gesehen und quasi mental fest<br />
„verdrahtet“. Eine mögliche Wiederverwendbarkeit sowohl der Inhalte als auch des<br />
didaktischen Modells wird daher oft nicht sofort gesehen weil sie eine zusätzliche kognitive<br />
Operation (Blick mit einem höheren Abstraktionsgrad) erfordert. Das Zur-<br />
Verfügung-Stellen von Materialien – wie es zum Teil noch bei der OpenCourseWare<br />
Initiative der Fall ist – fungiert unter diesen Gesichtspunkt nicht mehr bloß isoliert (humanistisch,<br />
philantropisch etc.), sondern wirkt als Katalysator für didaktische Innovationskraft<br />
bei der kollaborativen Entwicklung und Nutzung der frei, verfügbaren Ressourcen.<br />
Als besonders zentraler Aspekt steht damit die Möglichkeit, Bildungsressourcen für<br />
eigene Lehr- und Lernzwecke zu adaptieren, weiter zu entwickeln, wieder zur Verfügung<br />
zu stellen und unter den Gesichtspunkten kompetenzbasierter Ausbildung auch als<br />
Grundlage für die Zertifizierung der eigenen Bildungsinstitution zu verwenden, im Vordergrund.<br />
3 Herausforderungen für OER Konzepte und Projekte<br />
Eine Vielzahl an Publikationen beschäftigt sich derzeit mit der Thematik einer nachhaltigen<br />
Verankerung von OER Initiativen mit dem Ziel, Empfehlungen für Entscheidungsträger/innen,<br />
Fördergeber/innen, Bildungspolitiker/innen, Projektverantwortliche, Studierende<br />
oder Lehrende ableiten, z.B. [Ol07, Do07, ABH07, Al05, Mm07, Hy06].<br />
Inhaltlich werden hier unterschiedliche Finanzierungsmodelle ebenso thematisiert wie<br />
Copyrightfragen, technische Voraussetzungen, Produktions- und Contentmodelle oder<br />
personelle Ressourcen und Communitybuilding, kaum jedoch stehen didaktische Überlegungen<br />
im Zentrum der Diskussion.<br />
Aus unserer Sichtweise lassen sich insgesamt sechs Gruppen von Herausforderungen für<br />
OER-Initiativen unterscheiden: (1) Zieldefinition, (2) Geschäftsmodell, (3) didaktische<br />
Integration, (4) technische Voraussetzungen, (5) Nutzungsrechte und (6) Qualitätssicherung.<br />
Wir haben diese sechs Herausforderungen bereits dargestellt [ZB07] wollen wir<br />
auf die didaktischen Implikationen all dieser Kriterien – und nicht nur der dritten (didak-<br />
60
tischen) Gruppe – näher eingehen und zeigen, dass diese Herausforderungen für freie<br />
Bildungsressourcen in jedem der einzelnen Aspekte implizit auch eine eigenständige<br />
didaktische Komponente haben.<br />
3.1 Didaktische Zieldefinition<br />
Obwohl für OER Initiativen eine ganze Reihe von unterschiedlichen Zielen genannt<br />
werden, die von moralisch-ethischer Verpflichtung des Teilens von Bildungsressourcen<br />
über wirtschaftlichen Überlegungen bis hin zur Verbesserung interner Kompetenzen und<br />
der Qualität der angebotenen Ressourcen reichen (vgl. z.B. [Hy06, Mm07], wird didaktische<br />
Variabilität und didaktische Innovation als explizites Ziel nur selten angeführt.<br />
Wären mit den freien Bildungsressourcen didaktische Absichten explizit gekoppelt, dann<br />
müsste sich dies in der Gestaltung sowohl der angebotenen Ressourcen als auch im Design<br />
der Umgebung, in der sie angeboten werden, niederschlagen. Zwei prinzipielle<br />
Zugänge, die sozusagen zwei Pole einer didaktischen Zielstellung darstellen, wären<br />
denkbar:<br />
! Der Inhalt wird bereits mit einem innovativen didaktischen Setting verknüpft angeboten.<br />
Das eigentlich interessante Angebot (die Bildungsressource) ist das didaktische<br />
Arrangement, das dementsprechend auch detailliert beschrieben und erläutert<br />
gehört.<br />
! Obwohl der Inhalt relativ didaktisch neutral angeboten wird, geht es vor allem um<br />
den Erfahrungsaustausch in der didaktischen Nutzung: Unter welchen Voraussetzungen,<br />
mit welcher Zielgruppe, in welchen räumlichen, zeitlichen und personellen<br />
Rahmenbedingungen wurden welche Erfahrungen damit gemacht? Statt einer<br />
Feedbackschleife zur Verbesserung des Inhalts (indem z.B. korrigierte, adaptierte,<br />
verbesserte etc. Inhalte wieder zur Verfügung gestellt werden) bedarf es systematisch<br />
gesammelter Rückmeldungen zum didaktischen Arrangement (inklusive<br />
Werkzeuge, die bei der Erstellungen und Auswertung dieser Erfahrungen helfen).<br />
3.2 Didaktisch motiviertes Geschäftsmodell<br />
Finanzierungsmodelle, finanzielle Nachhaltigkeit und Anreizsysteme können auch für<br />
eine didaktisch motivierte Ökologie von freien Bildungsressourcen entwickelt werden.<br />
Wie können die frei zur Verfügung gestellten Ressourcen die didaktische Variabilität<br />
erhöhen, die didaktische Qualität verbessern und/oder didaktische Innovationen fördern?<br />
<strong>Die</strong> bisherigen Überlegungen zum Austausch bzw. Wiederverwendung von Inhalten<br />
ließe sich recht einfach auf didaktische Modelle umlegen. „Didactic sharing“ klingt<br />
vielleicht sprachlich nicht so flott wie „Content sharing“ wäre aber mindestens ebenso<br />
wichtig. Ganz abgesehen davon, dass wir Werkzeuge zur Beschreibung, Entwicklung<br />
und Implementierung didaktischer Settings brauchen. Werkzeuge, die – anders als bei-<br />
61
spielsweise die Editoren für IMS <strong>Learning</strong> Design – intuitiv und ohne detaillierte Kenntnisse<br />
der darunter liegenden technischen Konzeptionen benutzt werden können.<br />
3.3 Didaktische Integration<br />
<strong>Die</strong> Innovationskraft einer OER Initiative ist in weiten Bereichen davon bestimmt, inwieweit<br />
es gelingen kann, OER für variable Anforderungen didaktischer Nutzungskontexte<br />
verfügbar zu machen. Es kommt also dem Bereich der Adaptierbarkeit und der<br />
Wiederverwendbarkeit von OER auf einer kontextuellen Ebene besondere Bedeutsamkeit<br />
zu.<br />
Damit steht hier Fragen im Zentrum der Überlegungen, die sich auf die Adaptierbarkeit<br />
der Bildungsressourcen für unterschiedliche didaktische Modelle (Ist es möglich OER<br />
für unterschiedliche didaktische Modelle nutzbar zu machen? Sind die Ressourcen in<br />
didaktischer Hinsicht adaptierbar und wieder verwertbar? Haben Lehrende die Möglichkeit,<br />
die Ressourcen an ihre Lehrmethode anzupassen? Haben Lernende die Möglichkeit,<br />
die Ressourcen an ihre Bedürfnisse anzupassen? ) und auf eine kooperative Weiterentwicklung<br />
der Ressourcen (Sind in Erweiterung eines „Use-Only“-Konzepts kooperative<br />
Weiterentwicklungen der Ressourcen möglich? Wie gestaltet sich der Umgang mir adaptierten<br />
Inhalten? Wie werden die Ressourcen aktuell gehalten?) beziehen.<br />
Aber auch die didaktische Qualität der angebotenen Ressourcen (Sind Lehrziele transparent<br />
gemacht? Sind Lernwirksamkeitskontrollen vorgesehen? Werden die eingesetzten<br />
Lehrmethoden auf die Lernziele abgestimmt? Werden Einstiegsvoraussetzungen genannt?<br />
Wird angegeben, welche Vorkenntnisse vorausgesetzt werden? Wird das Erreichen<br />
unterschiedlicher Lehrzielebenen gefördert?) das Angebot von Support- oder Tutoringmodellen<br />
und eine curriculare Einbindung der Angebote (Sind Möglichkeiten einer<br />
curricularen Einbindung gegeben bzw. geplant? Welcher Bezug besteht zu Prüfungselementen?<br />
Sind Anrechnungsmöglichkeiten für formale Qualifikationen gegeben) sind<br />
Überlegungen, die im Sinne einer didaktischen Integration angestellt werden müssen.<br />
3.4 Technische Voraussetzungen für didaktische Adaptionen<br />
Technische Voraussetzungen für Adaption und Wiederverwendung stellen eine wesentliche<br />
weitere Anforderung für OER Projekte dar. <strong>Die</strong>se Voraussetzungen beziehen sich<br />
aber nicht nur – wie dies traditionellerweise gesehen wird – auf Fragen der Interoperabilität<br />
und technischen Adaptierbarkeit, Auffindbarkeit und einfachen Nutzung der Ressourcen<br />
sondern auch auf die Möglichkeit der didaktischen Adaption der Ressourcen:<br />
Fragen, die sich unter diesem Aspekt stellen und durch technische Vorkehrungen gelöst<br />
werden müssten, wären beispielsweise:<br />
62<br />
! Was müsste wie und mit welchen Werkzeugen geändert werden, damit die Ressource<br />
für eine andere Ziel- oder Altersgruppe einsetzbar wird?
! Welche Änderungen sind wie und mit welchen Werkzeugen vorzunehmen, damit<br />
die Ressource für eine andere Gruppengröße verwendet werden kann?<br />
! Welche Änderungen sind wie und mit welchen Werkzeugen vorzunehmen, damit<br />
die Ressource auch für andere physikalisch-technische (z.B. räumliche) Ausstattungen<br />
verwendet werden kann?<br />
<strong>Die</strong>sen Beispielen für Fragestellungen haftet eine gewisse Künstlichkeit an. <strong>Die</strong>s hängt<br />
aber unserer Meinung nach vor allem damit zusammen, dass wir (fatalerweise) noch<br />
gewohnt sind, vor allem in darbietenden bzw. darstellenden Lehrformen zu denken und<br />
uns daher die Präsentation von Inhalten bei der Wiederverwendung und Adaption vorstellen.<br />
Erarbeitende, problemorientierte, explorative und konstruktive Lehrformen werden<br />
leider noch viel zu wenig beachtet.<br />
Wenn wir uns beispielsweise ein didaktisches Arrangement vorstellen, das einen spielerischen<br />
Zugang zu einer Problematik mittels eines Balls vorsieht, wird deutlich, wie die<br />
obigen Anforderungen steigen: Sowohl das Material des zu verwendenden Balls, seine<br />
Größe als auch die Raumstruktur bekommen eine enorme Bedeutung. Das gilt nicht nur<br />
in der realen (Präsenz-)Situation sondern auch im E-<strong>Learning</strong>: In diesem Fall wäre beispielsweise<br />
die Wahl der Farbe und Größe des Balls, die Art und Schnelligkeit seiner<br />
Steuerung, die Komplexität des simulierten Raumes usw. im Zusammenspiel mit der<br />
angepeilten Zielgruppe oder der Anzahl der Spieler/innen bei der Entwicklung (bzw.<br />
Adaption der Software) von Belang.<br />
3.5 Kommunikation der Intellectual Property Rights (IPR)<br />
Es gibt mittlerweile bereits eine Reihe von Lizenzen, die nicht mehr bloß „All Rights<br />
Reserved“ (traditionelles Copyright) vorsehen, sondern entweder überhaupt keine Einschränkungen<br />
(Public Domain, „No Rights Reserved“) oder aber eine Abstufung spezifischer<br />
Rechte beinhalten, sodass sie die Möglichkeiten und Bedingungen der Nutzung<br />
eindeutig beschreiben werden. Erst damit ist ein effektiver, leicht nachvollziehbarer,<br />
transparenter kontrollierter Austausch von Ressourcen möglich. Besonderes Interesse<br />
kommt hier sicherlich der Creative Commons Lizenz zu [W06], die 11 unterschiedliche<br />
Variationen vorsieht.<br />
Aus unserer Sicht kommt dabei sowohl der Kommunikation und der benutzer/innenfreundliche<br />
Umgang mit der verwendeten Lizenzstrategie als auch deren transparente<br />
Implementierung große Bedeutung zu. So unterliegt beispielsweise ein Kurs, der<br />
aus unterschiedlich lizenzierten Materialien zusammengestellt worden ist, der dabei<br />
verwendeten eingeschränktesten Lizenz. Wie kann diese mit einer ungünstigen Lizenz<br />
versehende Ressource im Kurs gefunden werden (damit es beispielsweise mit einem<br />
Objekt einer freieren Lizenz ausgetauscht werden kann)? Lassen sich die Ressourcen<br />
unter bestimmten Nutzungsbedingungen zusammenstellen? Ähnlich wie es unter Creative<br />
Commons bereits eine Remix-Lizenz für Audioressourcen gibt, bräuchten wir auch<br />
eine Remix-Lizenz für Bildungsressourcen bzw. Lernobjekte.<br />
63
3.6 Qualitätssicherung und Didaktik<br />
<strong>Die</strong> Qualität der im Rahmen einer OER Initiative bzw. eines Projekts angebotenen Bildungsressourcen<br />
stellt eine weitere der zentralen Herausforderungen der OER Bewegung<br />
dar. Dabei geht es aber nicht nur um Qualitätssicherungsprozesse von inhaltlichen Kriterien<br />
wie Korrektheit, Genauigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte, sondern<br />
auch um die Beurteilung der Relevanz der angebotenen Inhalte für einen bestimmten<br />
Kontext, d.h. um eine Bewertung der didaktischen Qualität eines Angebotes.<br />
Wird die didaktische Güte eines Angebotes aber ebenfalls in die Prozesse der Qualitätssicherung<br />
einbezogen, dann ist es mit einer simplen Begutachtung der Inhalte durch<br />
Fachexperten/innen nicht getan. Es müssen vielmehr Modelle und Evaluierungsformen<br />
entwickelt werden, die ein – auch didaktische Gesichtspunkte berücksichtigendes –<br />
Qualitätsmanagement-System favorisieren, das wiederum als Projektsteuerungsinstrument<br />
wahrgenommen, kontinuierlich überprüft und adaptiert wird.<br />
4 Zusammenfassung<br />
Aus unserer Sicht sind Initiativen für freie Bildungsressourcen Katalysatoren für didaktische<br />
Innovation. OER Aktivitäten erfordern nämlich entweder a priori Überlegungen zu<br />
einer möglichst kontextfreien Entwicklung von Ressourcen oder aber a posteriori Konzepte,<br />
Hinweise und Ideen wie die unter einem spezifischen Gesichtspunkt zusammengestellten<br />
Ressourcen auch unter anderen Kontexten von anderen NutzerInnen Verwendung<br />
finden können.<br />
Damit OER Projekte erfolgreich sind, müssen sie einer Reihe von Anforderungen genügen.<br />
Das sind: (1) Eine klare didaktische Zieldefinition, (2) ein überzeugendes auf Win-<br />
Win-Situationen aufgebautes didaktisch motiviertes Geschäftsmodell, (3) vielfältige<br />
Möglichkeiten unterschiedlicher didaktischer Integrationen, (4) technische Möglichkeiten<br />
und Hilfestellungen für didaktische Adaptionen, (5) eine verständliche und übersichtliche<br />
Kommunikation der Lizenzbedingungen möglichst mit Hinweisen auf alternative<br />
Möglichkeiten und (6) den Aufbau eines intrinsisch motivierten Qualitätssicherungsprozesses.<br />
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65
Organisation tutorieller Betreuung beim E-<strong>Learning</strong><br />
Nadine Ojstersek<br />
Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissensmanagement<br />
<strong>Universität</strong> Duisburg-Essen<br />
Forsthausweg 2<br />
47057 Duisburg<br />
nadine.ojstersek@uni-due.de<br />
Abstract: <strong>Die</strong> Organisation und Gestaltung der Betreuungskomponente ist ein wesentlicher<br />
Erfolgsfaktor für das E-<strong>Learning</strong>. Jedoch wird häufig der hohe Zeit- und<br />
Kostenaufwand für die Betreuung und die Bedeutung eines leistungsfähigen Planungs-<br />
und Zeitmanagements unterschätzt. Durch das Level Support-Konzept<br />
können Lernende optimal unterstützt werden und zugleich wird ein angemessener<br />
Arbeitsaufwand für Betreuende gewährleistet. Insbesondere bei stark arbeitsteiligen<br />
Betreuungskonzepten ist die Klärung und Transparenz von Abläufen, Zuständigkeiten<br />
und Entscheidungskompetenzen erforderlich. Der kombinierte Einsatz<br />
einer Lernplattform und eines Content Management Systems kann sowohl die<br />
Entwicklung aktiver <strong>Learning</strong> Communities unterstützen als auch den Austausch<br />
und die Zusammenarbeit im Betreuungsteam fördern.<br />
1 Einleitung<br />
In Diskussionen über die technischen Möglichkeiten des E-<strong>Learning</strong> fließen zunehmend<br />
pädagogische bzw. fachinhaltliche und -didaktische Aspekte ein. Es wurde erkannt, dass<br />
Medien zwar eine unterstützende Funktion beim Lernen übernehmen, jedoch didaktisch<br />
aufbereitetes und in technischen Medien zur Verfügung gestelltes Wissen allein keine<br />
Garantie für den Erfolg eines Lernangebotes bietet [Sc04]. Insbesondere die personelle<br />
Betreuung spielt eine wichtige Rolle für erfolgreiches E-<strong>Learning</strong> [HB02a]. Darüber<br />
hinaus ist die Frage der Effizienz und Effektivität mediengestützten Lernens für alle<br />
Entscheidungsträger und solche, die sich mit der Überlegung tragen, neue Medien in<br />
Bildungseinrichtungen einzusetzen, von zentraler Bedeutung [Ke01]. Um die Lernenden<br />
optimal zu unterstützen und zugleich einen angemessenen Betreuungsaufwand gewährleisten<br />
zu können, ist eine sorgfältige Konzeption langfristig tragfähiger Betreuungskonzepte<br />
erforderlich. Anhand des weiterbildenden Online-Studienprogrammes Educational<br />
Media 1 wird das Level Support-Konzept als eine Möglichkeit der effizienten und<br />
effektiven Organisation und Gestaltung tutorieller Betreuung veranschaulicht. Darüber<br />
hinaus wird die Verknüpfung softwareunterstützter Betreuung mit personeller Unterstützung<br />
aufgezeigt.<br />
1 http://online-campus.net (Stand: 30.06.2007)<br />
67
2 Konzept des Level Supports<br />
Im Gegensatz zu Präsenzlernangeboten wächst beim E-<strong>Learning</strong> der Betreuungsaufwand<br />
mit steigender Teilnehmerzahl wesentlich steiler an [GSW03]. Insbesondere, wenn die<br />
optimale Betreuungsrelation von maximal 1:12 bis 1:15 [Mü01] überschritten wird. Um<br />
die Qualität der Betreuung beim E-<strong>Learning</strong>, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen<br />
Betreuungsaufwandes, realisieren zu können, bietet das Konzept des Level<br />
Supports Anhaltspunkte für die Organisation tutorieller Betreuung. Im Bereich des IT-<br />
Service Managements wird die Implementierung eines Level Supports bereits als eine<br />
notwendige Voraussetzung für die zielgerichtete Bearbeitung von Kundenanfragen betrachtet,<br />
um qualitativ hochwertige <strong>Die</strong>nstleistung zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten<br />
zu können [EK04]. <strong>Die</strong> Einbeziehung möglichst vielfältiger Kommunikations-wege<br />
soll eine schnelle und kompetente Beantwortung von Anfragen, z.B. durch den Einsatz<br />
eines Call Center, bieten [BF99]. <strong>Die</strong>ses Konzept wird zunehmend auch von Bildungsorganisationen<br />
übernommen. Als erste und zentrale Anlaufstelle für Lernende [EHF98]<br />
[Wo04] stellt es den zentralen Kontaktpunkt zwischen Lernenden (Kunden) und Betreuenden<br />
(Kunden-Service) dar.<br />
Durch eine zentrale Anlaufstelle kann verhindert werden, dass die Lernenden versuchen,<br />
kompetente Betreuungspersonen direkt zu erreichen, da dies bei Erfolglosigkeit unnötige<br />
zeitliche Ressourcen strapaziert und dies zu Frustrationen bei den Lernenden und<br />
Betreuenden führen kann. Darüber hinaus wird eine kompetente und schnelle Beratung<br />
ermöglicht sowie die Notwendigkeit der Weiterleitung an andere Ansprechpersonen<br />
reduziert [Wo04]. Aus diesem Grund sollten auch kleine Bildungsanbieter – mit einer<br />
geringen Anzahl von Lernenden und geringen finanziellen Mitteln – eine solche zentrale<br />
Anlaufstelle anbieten (z.B. Sekretariat) (vgl. Abb. 1).<br />
LERNENDE<br />
LERNENDE<br />
CALL<br />
CENTER<br />
LERNENDE<br />
Abbildung 1: Kontaktpunkt Call Center<br />
Das Hauptziel besteht daher darin, eine schnelle Hilfe für aktuell auftretende Probleme<br />
zu bieten, d.h. möglichst viele Fragen bereits bei der ersten Kontaktaufnahme zu beantworten,<br />
um auf diese Weise eine geringe Weitergabe von Fragen und Problemmeldungen<br />
an nachfolgende Spezialistenteams zu vermeiden [RM98].<br />
68<br />
BETREUENDE
Um die auf diese Weise gewonnenen, vielfältigen Informationen über die Lernenden zu<br />
dokumentieren, ist eine geeignete Software erforderlich. Nur durch die technischen<br />
Möglichkeiten der Informationssammlung und des -austausches kann eine optimale<br />
Betreuung gewährleistet werden. Beispielsweise können Gesprächsverläufe dokumentiert<br />
und bei erneuten Anfragen des Lernenden bei der Beratung – auch durch andere<br />
Betreuende – eingesehen und berücksichtigt werden. Durch die Dokumentation und<br />
Analyse von Informationen über die Lernenden wird auf diese Weise eine kompetente<br />
und schnelle Beratung ermöglicht, die zu einer hohen Zufriedenheit und Teilnehmerbindung<br />
führen kann [Wo04].<br />
<strong>Die</strong> Organisation der Betreuung kann über ein (One Level-Support) oder mehrere Level<br />
(Multiple Level-Support) erfolgen.<br />
2.1 One Level-Support<br />
Erfolgt die Organisation der Betreuung als One Level-Support, stellen die Lernenden<br />
ihre Anfragen direkt an die, für diese Fragestellung kompetente/n Ansprechpartner/in<br />
und erhalten von dieser Person eine Rückmeldung. Zusätzlich zu den Lehrenden werden<br />
durch den Einsatz neuer Medien auch im Rahmen traditioneller Lernangebote weitere<br />
Personen in das Betreuungsteam integriert, die im Rahmen eines „One Level-Supports“<br />
bei Bedarf von den Lernenden direkt kontaktiert werden (vgl. Abb. 2).<br />
LERNENDE<br />
Kursbetreuer/in<br />
Techniker<br />
Sekretariat<br />
Abbildung 2: One Level-Support<br />
Ob die Betreuung im Rahmen eines One Level-Support oder – wie im nächsten Kapitel<br />
beschieben – über mehrere Level erfolgen sollte, ist abhängig von der Betreuungsrelation,<br />
den finanziellen und personellen Ressourcen der Bildungsorganisation und der<br />
Anzahl der Lernenden. Können kleine Betreuungsorganisationen mit einer geringen<br />
Anzahl von Lernenden keine zentrale Anlaufstelle anbieten, müssen bei einem solchen<br />
One Level-Konzept alle Beteiligten umfassend informiert sein (z.B. unterstützt durch<br />
eine technische Informationsbasis), um möglichst viele Fragen aus unterschiedlichen<br />
Bereichen beantworten und somit die Notwendigkeit einer Weiterleitung verhindern zu<br />
können. Darüber hinaus wird das Verantwortlichkeitsgeflecht insbesondere bei einer<br />
differenzierten Arbeitsteilung leicht unübersichtlich, so dass die Lernenden bei der Suche<br />
nach einer kompetenten Ansprechperson unterstützt werden sollten. <strong>Die</strong> Kentucky<br />
Virtual University 2 bietet den Lernenden beispielsweise die Möglichkeit, ihr Problem in<br />
ein Hilfeformular einzugeben. <strong>Die</strong> Lernenden erhalten daraufhin eine Telefonnummer<br />
2 Kentucky Virtual University: http://www.kyvu.org (Stand 26.03.2007)<br />
69
der entsprechenden Ansprechperson [HM03]. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten<br />
werden in Kapitel 2.4 und Kapitel 3.2 erläutert.<br />
2.2 Multiple Level-Support<br />
Das Konzept des Two Level-Supports [AKT02] und Three Level-Supports [Wi01] wird<br />
zunehmend auf den Bereich E-<strong>Learning</strong> übertragen. Eine Betreuung über mehrere Level<br />
hinweg ist insbesondere geeignet, um eine große Anzahl von Lernenden effektiv und<br />
effizient zu betreuen. In Anlehnung an ein Call Center erfolgt eine Bearbeitung von<br />
Anfragen seitens der Lernenden über mehrere Level hinweg (vgl. Abb. 3).<br />
LERNENDE<br />
FRONT OFFICE<br />
Call Center<br />
BACK OFFICE<br />
Experte/Expertin A<br />
Experte/Expertin B<br />
Experte/Expertin C<br />
Abbildung 3: Front Office- und Back Office-Bereiche [Oj07]<br />
Als „Front Office“ wird der Bereich bezeichnet, der als erste zentrale Anlaufstelle von<br />
eingehenden Anfragen erreicht wird. Hier stehen Ansprechpartner/innen zur Verfügung,<br />
die über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, um eine möglichst große Anzahl von<br />
eingehenden Anfragen bereits hier abschließend zu bearbeiten oder diese ggf. gezielt<br />
weiterzuleiten [BF99]. Da die Lernenden beim E-<strong>Learning</strong> gerade zu Beginn des Lernangebotes<br />
viele Anfragen stellen, können die Betreuenden zumindest in dieser Kernphasen<br />
durch beispielsweise fortgeschrittene Studierende von der Beantwortung einfacher<br />
technischer und organisatorischer Anfragen entlastet werden. In den „Back Office-<br />
Bereich“ werden die Anfragen an Expert/inn/en weitergeleitet, für die im Front Office<br />
kein ausreichender Service gewährleistet werden konnte.<br />
Der Vorteil für die Lernenden bei einem Multiple Level-Konzept besteht darin, dass<br />
‚Universalansprechpersonen‘ im First Level-Support für alle Fragen zeitnah zur Verfügung<br />
stehen. Darüber hinaus wird den Lernenden abgenommen, die kompetente Ansprechperson<br />
für ihr Anliegen selber herauszufinden. Sollte der First Level-Support den<br />
Lernenden nicht weiterhelfen können, wird die Anfrage an eine kompetente Ansprechperson<br />
im Second Level-Support weitergeleitet. Für die Betreuenden besteht der Vorteil<br />
dieses Konzeptes darin, dass sie durch das Filtern von einfachen organisatorischen oder<br />
technischen Anfragen deutlich entlastet werden [AKT02].<br />
Bei einem Three Level-Support wird das „First Level“ (Front Office) und das „Second<br />
Level“ (Back Office-Bereich) durch das „Third Level“ ergänzt. <strong>Die</strong>ser dritte Bereich<br />
um-fasst beispielsweise die <strong>Die</strong>nstleistung des Herstellers oder externe Spezialist/inn/en.<br />
Wilbers [Wi01] veranschaulicht einen möglichen Three Level-Ablauf der Betreuung<br />
beim E-<strong>Learning</strong> im universitären Bereich. Im Level 1 erfolgt die sofortige Bearbeitung<br />
einfacher Anfragen durch beispielsweise eine/n Mitlerner/in oder studentische/n Tu-<br />
70
tor/in. Komplexere Anfragen werden an höher qualifizierte Mitarbeiter/innen (z.B. wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter/innen) im Level 2 weitergeleitet. An das Level 3 erfolgt eine<br />
Weiterleitung von Anfragen an die Entwicklungsabteilung, Professor/inn/en, (externe)<br />
Expert/inn/en oder Techniker/innen.<br />
<strong>Die</strong> Voraussetzung für eine optimale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Level<br />
besteht in klaren Strukturen hinsichtlich der Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />
eines jeden Teammitgliedes, um die Weiterleitung der Anfragen aus dem Front Office an<br />
die korrekte, zuständige Person im Back Office zu gewährleisten. Für den Three Level-<br />
Ablauf der tutoriellen Betreuung besteht bei Einsatz weniger qualifizierter<br />
Ansprechpartner/innen im ersten Level vor allem die Gefahr, dass Fragen nicht<br />
kompetent beantwortet werden [BF99]. Lösungsmöglichkeiten werden in Kapitel 2.4<br />
und Kapitel 3.2 erläutert.<br />
2.3 Lerngruppen- und Fachtutor/inn/en<br />
Wird in einem Betreuungskonzept die Trennung zwischen Lerngruppentutor/inn/en und<br />
Fachtutor/inn/en umgesetzt, fungieren die Lerngruppentutor/inn/en als First Level-<br />
Support und die Fachtutor/inn/en als Second Level-Support (vgl. Abb. 4).<br />
LERNENDE<br />
Abbildung 4: Two Level-Support [Oj07]<br />
Nach Sautner und Sautner [SS04] hat sich insbesondere bei zeitlich umfangreichen Bildungsangeboten<br />
und bei Lernangeboten mit konstanten Lerngruppen bewährt, die Bereiche<br />
der fachlichen Unterstützung und der Lerngruppenbetreuung voneinander zu trennen<br />
(vgl. Abb. 5). Im Folgenden wird anhand des Studienprogrammes Educational Media<br />
veranschaulicht, wie durch eine Trennung der Aufgabenbereiche die personellen Ressourcen<br />
im Betreuungsteam optimal genutzt werden können.<br />
LERNGRUPPENTUTOR/IN<br />
FIRST LEVEL-SUPPORT<br />
Lerngruppentutor/in<br />
Sekretariat/Verwaltung<br />
Moderation von Lerngruppentreffen<br />
Klärung organisatorischer Fragen<br />
Motivation<br />
„Organisatorische/r Vermittler/in“<br />
Technischer Support<br />
SECOND LEVEL-<br />
SUPPORT<br />
Fachtutor/in<br />
FACHTUTOR/IN<br />
Produktion von Lernmaterial<br />
Fragenbeantwortung/Feedbacks<br />
Vorträge/Workshops<br />
Prüfungen/Leistungsbeurteilung<br />
Abbildung 5: Trennung Lerngruppentutor/in und Fachtutor/in [Oj07]<br />
71
Ein/e Lerngruppentutor/in begleitet ihre bzw. seine Lerngruppe über den gesamten Verlauf<br />
des Lernangebotes und je nach aktuellem Themengebiet bzw. Modul, stoßen die<br />
entsprechenden Fachtutor/inn/en als Ansprechpartner/innen hinzu. <strong>Die</strong> Begleitung durch<br />
Fachtutor/inn/en erfolgt im Rahmen dieses Betreuungskonzeptes durch die Aufbereitung<br />
und inhaltliche Betreuung der Kurse bzw. Lernmaterialien. Lerngruppentutor/inn/en<br />
stehen jedoch im direkten Diskurs mit den Lernenden und benötigen daher auch ein<br />
gewisses Fachwissen [Ar04]. Nach Sautner und Sautner [SS04] vereint sich idealerweise<br />
die Rolle von Lerngruppentutor/inn/en und die Rolle von inhaltlichen Expert/inn/en in<br />
einer Person. Ein solches Betreuungskonzept eignet sich insbesondere, wenn Lernende<br />
in temporären Lerngruppen ein Lernangebot durchlaufen und sich themen- bzw. modulabhängig<br />
im Verlauf des Lernangebotes mehrfach neu zusammensetzen und dementsprechend<br />
eine temporäre Lerngruppenbetreuung ausreicht.<br />
<strong>Die</strong> Arbeitsteilung in einem Betreuungsteam macht ein gut organisiertes Personaleinsatzmanagement<br />
erforderlich [EHF98]. Im folgenden Kapitel wird die zentrale<br />
Schnittstellenfunktion beschrieben, die von Online-Tutor/inn/en eingenommen wird und<br />
dargestellt, wie diese durch den Aufbau eines effektiven Informationsmanagements<br />
unterstützt werden kann.<br />
2.4 Technologische Unterstützung und Klärung der Verantwortlichkeiten<br />
Für ein erfolgreiches Betreuungskonzept ist ebenso wie bei einer Call Center-<br />
Implementierung die Entwicklung wirkungsvoller Prozesse und Verfahren, die Nutzung<br />
geeigneter Technologien sowie die Koordination und Zusammenführung der unterschiedlichen<br />
Aufgaben erforderlich [EHF98].<br />
Lerngruppentutor/inn/en nehmen im Rahmen eines solchen Betreuungsteams eine zentrale<br />
Schnittstellenfunktionen ein [AKT02]. Als unmittelbare Ansprechpartner/innen für<br />
die Lernenden fungieren sie als ‚Brücke‘ bzw. ‚organisatorische Vermittler‘ zwischen<br />
den Lernenden, den Autor/inn/en, technischen Expert/inn/en und dem Bildungsträger.<br />
72<br />
LERNENDE<br />
LERNENDE<br />
LERNGRUPPEN-<br />
TUTOR/IN<br />
LERNENDE<br />
Abbildung 6: Lerngruppentutor/in als Brücke<br />
EXPERT/INN/EN,<br />
AUTOR/INN/EN ETC.
Arnold et al. [Ar04] weisen darauf hin, dass die Betreuenden klare Vorstellungen über<br />
ihre Rollen, Funktionen und Aufgaben sowie eine klare Verortung innerhalb des Verantwortungsgeflechtes<br />
benötigen. Durch klare Strukturen und die Klärung von Zuständigkeiten<br />
und Entscheidungskompetenzen können die personellen Ressourcen effizient<br />
genutzt werden. <strong>Die</strong> Zuständigkeitsbereiche sind sowohl gegenüber den Lernenden, als<br />
auch innerhalb des Betreuungsteams transparent zu machen. <strong>Die</strong> Transparenz der Zuständigkeitsbereiche<br />
und die erforderliche enge Abstimmung im Betreuungsteam<br />
[HB02b] erfordert eine ausreichende Versorgung mit relevanten Informationen (z.B.<br />
über die Struktur der Organisation und des Bildungsangebotes, Verantwortungsbereiche<br />
aller Mitarbeiter/innen, Ansprechpartner/innen für Online-Tutor/inn/en und Lernende<br />
sowie über Kurse, Module und Gestaltungsspielräume) [Ar04]. Zur Qualitätssicherung<br />
des Lernangebotes – insbesondere wenn die Mitglieder eines Betreuungsteams nicht an<br />
einem Ort tätig sind – ist ein transparenter Informations-fluss zu gewährleisten, um einen<br />
gemeinsamen Austausch über Ideen zur Modul-verbesserung und die Klärung allgemeiner<br />
Fragen zu ermöglichen [Ar04]. <strong>Die</strong>s kann durch den Aufbau eines effektiven<br />
Informations- bzw. Wissensmanagements ermöglicht werden, beispielsweise durch die<br />
Nutzung einer speziellen Software, die den Aufbau von Wissensdatenbanken unterstützt.<br />
In einem Datenpool werden u.a. technische Problemlösungen gesammelt, auf die bei<br />
Bedarf direkt zugegriffen werden kann. Obwohl der Aufbau einer solchen<br />
Wissensdatenbank und eines effektiven Informations-managements mit einem<br />
erheblichen Aufwand verbunden ist, bietet die konsequente Umsetzung eine Reihe von<br />
Vorteilen für die Organisation (z.B. eine steigende Sofort-lösungsquote, geringere<br />
Einarbeitungs- und Schulungszeiten der Mitarbeiter/innen, eine sichere Archivierung<br />
von Informationen, eine höhere Effizienz beim Informations-austausch und eine höhere<br />
Flexibilität sowie letztendlich auf diese Weise Kosten-einsparungen) (vgl. Kapitel 2.4<br />
und Kapitel 3.2).<br />
3 Studienprogramm Educational Media<br />
Im Folgenden wird das Konzept des Level Supports anhand des viersemestrigen, berufsbegleitenden<br />
Online-Weiterbildungsstudiums Educational Media 3 der <strong>Universität</strong> Duisburg-Essen<br />
veranschaulicht.<br />
3.1 Betreuungskonzept<br />
Das Studium startet mit einer Präsenzveranstaltung, um den Lernenden insbesondere<br />
eine technische Einführung zu geben und um die Lerngruppenbildung zu unterstützen.<br />
<strong>Die</strong> Lerngruppen bestehen aus ca. sechs Personen und werden das gesamte Studium über<br />
von einem bzw. einer Lerngruppentutor/in begleitet. Nach der Präsenzveranstaltung folgt<br />
die erste Onlinephase, in der den Studierenden in einem dreiwöchigen Rhythmus Studienmaterialien<br />
(Studienbriefe, Einzel- und Gruppenaufgaben etc.) auf einer Lernplattform<br />
zur Verfügung gestellt werden. Jedes Semester schließt mit einer Präsenzveranstaltung<br />
ab, um Prüfungen abzulegen, Projekte zu präsentieren und um den Aus-<br />
3 http://www.online-campus.net (Stand 24.03.2007)<br />
73
tausch in den Lerngruppen zu fördern. Um die persönliche Beziehung zwischen den<br />
Online-Tutor/inn/en und den Lernenden sowie zwischen den Lernenden zu vertiefen,<br />
finden darüber hinaus gemeinsame Abendessen und Exkursionen statt. Zum Studienabschluss<br />
erfolgt im Rahmen einer Abschlussveranstaltung die Verleihung der Master-<br />
Urkunden. Anschließend werden die Absolvent/inn/en in ein Alumni-Netzwerk aufgenommen.<br />
Um das Gruppengefühl zu stärken und personale Präsenz herzustellen, ist die<br />
Kommunikation zwischen Online-Tutor/inn/en und Lernenden von besonderer Bedeutung<br />
[NNK04]. Es finden daher alle drei Wochen virtuelle, synchrone Lerngruppentreffen<br />
statt, bei denen auch der/die Lerngruppentutor/in anwesend ist. Im Vordergrund steht<br />
hierbei nicht nur der fachliche Austausch, sondern auch die Koordination der Gruppenaufgabenbearbeitung,<br />
die Klärung organisatorischer Fragen und informelle Gespräche.<br />
Da die virtuellen Lerngruppentreffen überwiegend in den Abendstunden und die Präsenzveranstaltungen<br />
am Wochenende stattfinden, kann ein/e Lerngruppen-Tutor/in aus<br />
terminlichen Koordinationsgründen nur die Betreuung einer begrenzten Anzahl von<br />
Lerngruppen übernehmen. Daher bietet es sich an, durch die fachliche Betreuung eines<br />
Themengebietes das Aufgabenspektrum eines Lerngruppen-tutors bzw. einer Lerngruppentutorin<br />
zu ergänzen. Im Rahmen des Studienprogramms wird das „split role model“<br />
[KNG04] umgesetzt, d.h. es erfolgt eine Trennung zwischen Lerngruppen- und<br />
Fachtutor/inn/en (vgl. Kapitel 2.3). Jedes Modul wird von Fachtutor/inn/en und die<br />
Lerngruppen von Lerngruppentutor/inn/en betreut. <strong>Die</strong> fachbezogene Betreuung unterstützt<br />
insbesondere die Auseinandersetzung der Lernenden mit den Lernmaterialien und<br />
die person- bzw. gruppenbezogene Betreuung schafft u.a. eine lernförderliche Atmosphäre<br />
in den Lerngruppen [NNK04]. Abbildung 7 veranschaulicht die arbeitsteilige<br />
Organisation und das Beziehungsgeflecht zweier Online-Tutor/inn/en. Zwischen allen<br />
Beteiligten findet ein intensiver kommunikativer Austausch statt.<br />
Online-<br />
Tutor/in<br />
A<br />
Fachtutor/in<br />
Kurs A<br />
Lerngruppe A<br />
Lerngruppentutor/in<br />
A<br />
Fachtutor/in<br />
Kurs B<br />
Lerngruppe B<br />
Online-<br />
Tutor/in<br />
B<br />
Abbildung 7: Kommunikationsprozesse zwischen Studierenden und Tutor/inn/en [Oj07]<br />
Bei diesem Betreuungskonzept wird ein Two Level-Support umgesetzt, bei dem sowohl<br />
die Lerngruppentutor/inn/en, Fachtutor/inn/en als auch das Sekretariat den First Level-<br />
Support übernehmen. <strong>Die</strong> Fachtutor/inn/en stehen für inhaltliche Anfragen zur Verfügung<br />
und leiten u.U. Anregungen und Kritik an die Autor/inn/en der Studien-materialien<br />
weiter. Organisatorische Anfragen werden an die Lerngruppentutor/inn/en oder an das<br />
Sekretariat gestellt. Einige Anfragen erfordern darüber hinaus eine Rücksprache mit der<br />
Studienprogrammleitung. <strong>Die</strong> Beantwortung technischer Anfragen übernehmen die<br />
74
Lerngruppentutor/inn/en. <strong>Die</strong>se werden nur dann an den technischen Support übermittelt,<br />
falls eine abschließende Beantwortung nicht möglich war.<br />
<strong>Die</strong> Betreuung durch die Online-Tutor/inn/en erfolgt im Rahmen der üblichen Bürozeiten<br />
und zusätzlich am Abend (z.B. virtuelle Treffen) oder an Wochenenden (Präsenzveranstaltungen).<br />
Ermöglicht wird diese umfangreiche Betreuung durch eine arbeitsteilige<br />
Organisation, einen flexiblen Arbeitszeitrahmen sowie durch einen transparenten Informationsfluss.<br />
<strong>Die</strong> Mehrheit der Studierenden des Online-Studienprogramms empfinden<br />
laut einer Studierendenbefragung [Oj07] die Betreuung als sehr wichtig 4 , die Rollenaufteilung<br />
beim diesem Studienprogramm als gut nachvollziehbar 5 und sind mit der Betreuung<br />
zufrieden 6 . <strong>Die</strong> Frage, ob sich die Lernenden im Laufe des Lernangebotes einen<br />
Wechsel des bzw. der Lerngruppen-tutors/in gewünscht haben, wird von allen Befragten<br />
verneint. <strong>Die</strong> Gegenfrage, ob die Lernenden lieber eine/n Online-Tutor/in hätten, der/die<br />
sowohl für die fachliche Betreuung sowie auch für die Betreuung der Lerngruppe verantwortlich<br />
ist zeigt, dass dies überwiegend nicht der Fall ist 7 . <strong>Die</strong> Ergebnisse weisen<br />
darauf hin, dass das Betreuungskonzept im Rahmen eines Two Level-Supports bei diesem<br />
Online-Studien-programm erfolgreich umgesetzt wird. Durch den Two Level-<br />
Support kann das häufig unterschätzte Betreuungsproblem gelöst werden, dass Anfragen<br />
von Lernenden und Studieninteressierten nicht ausreichend schnell und kompetent<br />
beantwortet werden. Das Multiple Level-Konzept hat den Vorteil, dass die Lerngruppentutor/inn/en<br />
über ein großes Überblickswissen verfügen und den Lernenden als erste<br />
Ansprechpartner/innen zur Verfügung stehen sowie die meisten Anfragen umgehend<br />
beantwortet können oder die Lernenden an eine kompetente Ansprechperson weiterleiten.<br />
Darüber hinaus werden die Fachtutor/inn/en von der Beantwortung einfacher technischer<br />
und organisatorischer Anfragen entlastet.<br />
LERNENDE<br />
Abbildung 8: Two Level-Support im Studienprogramm Educational Media<br />
3.2 Lernumgebung<br />
FIRST LEVEL-SUPPORT<br />
Lerngruppentutor/in<br />
Sekretariat/Verwaltung<br />
Fachtutor/in<br />
SECOND LEVEL-SUPPORT<br />
Autor/inn/en<br />
Technischer Support<br />
Studienprogrammleitung<br />
Im Rahmen des Online-Studienprogramms Educational Media ermöglicht die Kombination<br />
einer Lernplattform und eines Content Management Systems einen transparenten<br />
Informationsfluss unter den Lernenden, Betreuenden sowie auch zwischen den Lernen-<br />
4 sehr wichtig (61,5%) bzw. überwiegend wichtig (38,5%)<br />
5 vollkommen (38,5%), überwiegend (23,1%), etwas (23,1%) bzw. kaum (15,4%) nachvollziehbar (n=13)<br />
6 sehr zufrieden (76,9%) bzw. zufrieden (23,1%) mit der Betreuung durch die Lerngruppentutor/inn/en. Mit der<br />
Betreuung durch die Fachtutor/inn/en sind 69,2% der Befragten sehr zufrieden und 30,8% zufrieden (n=13)<br />
7 61,5% der Befragten überhaupt nicht, kaum (7,7%) bzw. nur etwas (15,4%) zutrifft. Nur für einen Befragten<br />
(7,7%) trifft dies überwiegend und für einen Befragten (7,7%) vollkommen zu. (n=13)<br />
75
den und Betreuenden (vgl. Kapitel 2.4). Auf diese Weise wird der Lernprozess der Studierenden<br />
gefördert und die Online-Tutor/inn/en bei der Organisation der Betreuung<br />
unterstützt. <strong>Die</strong> Lernplattform Online-Campus 8 bietet den Studierenden eine personalisierbare<br />
Umgebung. Neben Lernmaterialen, dem aktuellen Lernstand sowie vielfältigen<br />
Kommunikations- und Kooperationswerkzeugen (z.B. Forum, Chat) lassen sich darüber<br />
hinaus externe Werkzeuge und Informationsquellen (z.B. Blogs, Wikis, Newsfeeds,<br />
Podcasts) integrieren. <strong>Die</strong>se können auf einer individuell konfigurierbaren Startseite<br />
ausgewählt und eingestellt werden. Auf diese Weise wird ein intensiver Austausch, sowohl<br />
zwischen den Lernenden als auch mit den Betreuenden, unterstützt. Im Rahmen<br />
von Einzel- und Gruppenaufgaben arbeiten die Lernenden beispielsweise alleine oder<br />
gemeinsam in Lerngruppen an Materialien und produzieren Inhalte. <strong>Die</strong> Wahl eines<br />
Werkzeugs zu Lösung der Aufgaben steht den Studierenden in der Regel frei. <strong>Die</strong> Lernenden<br />
werden jedoch dabei unterstützt, verschiedene Bearbeitungsmöglichkeiten einer<br />
Lernaufgabe und Tools sowie ihre Möglichkeiten und Grenzen kennen zu lernen und zu<br />
reflektieren. <strong>Die</strong> Entscheidung, welches Tool sie letztendlich nutzen möchten und welche<br />
Vorgehensweise bei der Aufgabenlösung sie wählen, obliegt letztendlich den Lernenden.<br />
<strong>Die</strong>s kann für ein- und dieselbe Aufgabe von einer Lerngruppe ein Blogeintrag<br />
und von einer anderen Lerngruppe ein Wikibeitrag sein.<br />
Darüber hinaus bietet das persönliche Profil im Online-Campus den Lernenden umfangreiche<br />
Möglichkeiten, die Eindrucksbildung zu unterstützen. <strong>Die</strong> Lernenden und Online-<br />
Tutor/inn/en stellen sich hier mit ihrem Foto sowie mit ihren beruflichen und persönlichen<br />
Angaben vor. Zusätzlich können vielfältige Kontaktinformationen eingebunden<br />
werden (z.B. ICQ-Nummer, Skype-Name, eigene Homepage). Zur weiteren Unterstützung<br />
der Studierenden und als zentrales Werkzeug im Rahmen des Betreuungsteams<br />
wird darüber hinaus ein Content Management System (CMS) (Drupal) eingesetzt. Durch<br />
ein differenziertes Rollen- und Rechtesystem wird die Grundidee, dass sich alle Nutzer/innen<br />
mit eigenen Beiträgen, Kommentaren oder Blogeinträgen etc. aktiv an einer<br />
Website beteiligen können, umgesetzt. Statt lediglich Kommunikations-möglichkeiten<br />
und Content für Lernende bereit zu stellen wird von einem didaktischen Ansatz ausgegangen,<br />
der individuelle und soziale Lernaktivitäten fokussiert. 9<br />
Neben der Bereitstellung eines umfangreichen Informationspaketes (z.B. Übersicht der<br />
Studieninhalte und Ansprechpartner) bietet ein CMS u.a. die Möglichkeit für die Organisation<br />
von Terminen, Bildern und Anmeldungen 10 . So werden beispielsweise nach jeder<br />
Präsenzveranstaltung von den Online-Tutor/inn/en und Studierenden Bilder eingestellt<br />
und ausgetauscht. Darüber hinaus dient das CMS als Evaluationstool und zur Teilnehmerverwaltung.<br />
Neben regelmäßig durchgeführten Befragungen werden hier alle Studierendeninformationen<br />
dokumentiert (vgl. Kapitel 2.4). Ebenso wie die Lernenden können<br />
auch die Online-Tutor/inn/en gemeinsam Inhalte erstellen und editieren. <strong>Die</strong>se Möglichkeit<br />
wird im Rahmen des Betreuungsteams häufig genutzt, um auch virtuell gemeinsam<br />
Ideen und Materialien zu entwickeln. <strong>Die</strong> Inhalte werden als RSS-Feed exportiert bzw.<br />
importiert sowie Nachrichten aus externen Blogs und Links auf persönliche (externe)<br />
Internet-Tools (z.B. die persönliche Website, Flickr, Furl) eingebunden. Darüber hinaus<br />
werden Neuigkeiten zum Thema E-<strong>Learning</strong> von externen Sites integriert und gesam-<br />
8 http://online-campus.net (Stand 24.03.2007)<br />
9 http://mediendidaktik.uni-duisburg-essen.de/drupalms (Stand 24.03.2007)<br />
10 http://mediendidaktik.uni-duisburg-essen.de/node/3566 (Stand 24.03.2007)<br />
76
melt. 11 Auf diese Weise unterstützt ein Content Management System einerseits die Entwicklung<br />
aktiver <strong>Learning</strong> Communities, andererseits wird der Austausch und die Zusammenarbeit<br />
im Betreuungsteam durch die Möglichkeit u.a. der gemeinsamen Erstellung<br />
von Leitfäden für (externe/neue) Online-Tutor/inn/en, des Austauschs von<br />
Bookmark-Liste, Terminen und Bildern gefördert. <strong>Die</strong> Webseite wird zunehmend zu<br />
einem Ort des sozialen Austausches, zwingt jedoch die Lernenden und Betreuenden<br />
nicht, diesen Ort als Zentralstelle für alle ihre Informationen anzuerkennen. Stattdessen<br />
holt sich das System die Informationen von verschiedenen Orten und führt sie an einem<br />
zentralen Ort zusammen [Ke06].<br />
4 Fazit<br />
Im Rahmen eines Betreuungskonzeptes sollten vielfältige Möglichkeiten für eine indirekte<br />
Betreuung (z.B. Informationsangebote und Selbsteinschätzungstests, technische<br />
Hotline) als auch für eine direkte, persönliche Betreuung durch die aktive Kontaktaufnahme<br />
und Interaktion mit den Lernenden mittels einer großen Bandbreite an Kommunikationsmöglichkeiten<br />
(Foren, Instant-Massaging etc.) berücksichtigt werden. <strong>Die</strong> Angemessenheit<br />
einer direkten oder indirekten Betreuung ist einerseits abhängig vom<br />
Lernszenario und andererseits von den Bedürfnissen der Lernenden. Bei anspruchsvollen,<br />
komplexen und zeitlich lang angelegten Lernangeboten ist eine aktive und direkte<br />
Unterstützung der Lernenden von großer Bedeutung [Ar04]. Lernende wünschen sich<br />
eine zentrale Anlaufstelle und eine schnelle Beantwortung ihrer Anfragen. Das Konzept<br />
des Level Support bietet eine Möglichkeit der effizienten und effektiven Organisation<br />
und Gestaltung tutorieller Betreuung. Insbesondere bei stark arbeitsteiligen Betreuungskonzepten,<br />
bei denen die Betreuung über verschiedene Level erfolgt, können die personellen<br />
Ressourcen durch klare Strukturen und die Klärung und Transparenz von Zuständigkeiten<br />
und Entscheidungskompetenzen effizient genutzt werden. Sowohl für die<br />
Versorgung mit relevanten Informationen innerhalb des Betreuungsteam als auch für die<br />
Gestaltung einer bedarfsgerechten Betreuung der Lernenden bietet die Kombination<br />
einer Lernplattform mit einem Content Management System vielfältige Möglichkeiten.<br />
Literaturverzeichnis<br />
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78
Ein generisches Konzept zur Realisierung von<br />
Self-Assessments zur Studienwahl und Selbsteinschätzung<br />
der Studierfähigkeit<br />
Ashraf Abu Baker 1 , Alexander Tillmann 2<br />
1 Institut für Graphische Datenverarbeitung,<br />
2 Kompetenzzentrum für Neue Medien in der Lehre<br />
Johann Wolfgang Goethe-<strong>Universität</strong> Frankfurt<br />
Robert-Mayer-Str. 10<br />
60325 Frankfurt am Main<br />
1 baker@gdv.cs.uni-frankfurt.de<br />
2 a.tillmann@em.uni-frankfurt.de<br />
Abstract: Für eine geeignete Studienwahl ist eine gute Passung zwischen den Studieninteressen<br />
und der Studierfähigkeit von angehenden Studierenden auf der einen<br />
Seite und den Anforderungen der Studiengänge auf der anderen Seite von besonderer<br />
Bedeutung. Sie kann dazu beitragen, Studienabbruchquoten zu senken<br />
und die Studienzufriedenheit zu heben. An der Johann Wolfgang Goethe-<br />
<strong>Universität</strong> wurde im Rahmen des Projektes „megadigitale“ ein Self-Assessment-<br />
Instrumentarium entwickelt und in die Studienberatung der Studiengänge <strong>Informatik</strong><br />
und Psychologie integriert. Es wird das neuartige, flexible und erweiterbare<br />
Konzept zum Aufbau und Ablauf eines Self-Assessments beschrieben und seine<br />
Umsetzung in der <strong>Informatik</strong> vorgestellt.<br />
1 Einleitung<br />
<strong>Die</strong> Wahl des Studienfaches wird bei vielen Studierenden neben inhaltlich-fachlichen<br />
Entscheidungskriterien von zahlreichen anderen Faktoren beeinflusst, wie z.B. den angenommenen<br />
Berufchancen, dem Ruf bzw. Ansehen einer Fachdisziplin oder dem Studienort.<br />
Neigungen und Fähigkeiten der Studierenden treten bei der Wahl eines Studienganges<br />
nicht selten in den Hintergrund. Aufgrund fehlender Kenntnisse und Fehleinschätzungen<br />
liegen die Erwartungen der Studierenden häufig mit den tatsächlichen Studieninhalten<br />
und Anforderungen weit auseinander. <strong>Die</strong> von den Hochschulen kurz vor<br />
Semesterbeginn angebotenen Orientierungsveranstaltungen richten sich im Wesentlichen<br />
an Studierende, die sich bereits für ein bestimmtes Studium entschieden haben. Mangelnde<br />
Kenntnis der persönlichen Stärken, unrealistische Einschätzungen bezüglich der<br />
eigenen Leistungsfähigkeit und Kompetenzen und falsche Vorstellungen von den Studieninhalten<br />
sind in vielen Fällen die Ursachen für Fehlentscheidungen bei der Wahl<br />
eines Studiengangs.<br />
79
Self-Assessments (Selbsteinschätzungstests) zur Studienwahl sind darauf ausgerichtet,<br />
eine bessere Passung zwischen den Studieninteressen und der Studierfähigkeit von angehenden<br />
Studierenden und den Anforderungen eines Studienganges zu erzielen. Dabei<br />
werden unterschiedliche Personenmerkmale nach eignungsdiagnostischen Kriterien im<br />
Hinblick auf die gegebenen Anforderungen überprüft. Anschließend wird die Qualität<br />
des Bearbeitungsergebnisses dem jeweiligen Kandidaten rückgemeldet. <strong>Die</strong> Self-<br />
Assessment-Tests werden eigenständig durchgeführt und die Ergebnisse sollten ausschließlich<br />
den Teilnehmern selbst zugänglich sein. Sie dienen der persönlichen Weiterentwicklung<br />
der Studienkandidaten und stellen damit einen Baustein zur Unterstützung<br />
einer willentlichen Entscheidung für oder gegen ein Studienfach dar. Ein derartiges<br />
Studienberatungsangebot zur Erkundung der eigenen Stärken und Schwächen hinsichtlich<br />
der Anforderungen des Studienfachs lässt in der Folge einen höheren Anteil an geeigneten<br />
Bewerbern für einen bestimmten Studienplatz und eine Steigerung der Studienzufriedenheit<br />
erwarten, so dass letztlich auch eine Senkung der Studienabbruchquoten,<br />
die vor allem bei naturwissenschaftlichen Studiengängen und der <strong>Informatik</strong> besonders<br />
hoch liegen, erhofft werden kann.<br />
Mit Hilfe eines Self-Assessments können Studieninteressierte ihre Erwartungen mit den<br />
Inhalten der jeweiligen Studiengänge vergleichen und Hinweise auf die von Seiten der<br />
<strong>Universität</strong> erwartete Leistungsbereitschaft und geforderte kognitive Fähigkeiten bekommen.<br />
Eine durchdachte und wohl begründete Wahl der potentiellen Studienplatzbewerber,<br />
welche sich neben der erhofften Reduzierung an Studienabbrüchen auch in einer<br />
kürzeren Studiendauer niederschlagen sollte, nutzt somit ökonomisch sowohl der <strong>Universität</strong><br />
als auch dem Bewerber. Anhand der Rückmeldung des Self-Assessments werden<br />
Wissenslücken aufgedeckt, so dass eine gezielte Vorbereitung auf das Studium möglich<br />
wird. Auf diese Weise kann es zu einem homogeneren Kenntnisstand bei den Studierenden<br />
im ersten Semester kommen und einem „Erstsemesterschock“ entgegengewirkt<br />
werden. So kann es durch das Beratungsangebot zu einer direkten Verbesserung der<br />
Lehrsituation kommen. Im Folgenden wird ein generisches Konzept zur Erstellung eines<br />
Self-Assessments vorgestellt und beispielhaft dessen Umsetzung und Implementierung<br />
für den Studiengang <strong>Informatik</strong> an der Johann Wolfgang Goethe-<strong>Universität</strong> aufgezeigt.<br />
Ein vergleichbares Instrumentarium wird für Studieninteressierte bundesweit bisher erst<br />
an sehr wenigen <strong>Universität</strong>en angeboten.<br />
2 Das Konzept<br />
Im Rahmen des E-<strong>Learning</strong> Projektes „megadigitale“ (www.megadigitale.de) wurde an<br />
der J.W. Goethe-<strong>Universität</strong> im Fachbereich <strong>Informatik</strong> und Mathematik in Zusammenarbeit<br />
mit dem Fachbereich Psychologie ein generisches Konzept zur Realisierung von<br />
fachunabhängigen Selbsteinschätzungstests entwickelt, die als Studienberatungsangebot<br />
über das Internet zugänglich gemacht werden können. Generisch bedeutet in diesem<br />
Zusammenhang, dass das Konzept so allgemeingültig ist, dass es unterschiedlichen Anforderungen<br />
genügt und sich damit an jedem Fachbereich und jeder Hochschule in beliebiger<br />
Sprache umsetzen lässt. Der allgemeingültige Anspruch bringt einige Anforderungen<br />
an das Konzept mit sich. Entsprechend der fachübergreifenden Einsetzbarkeit<br />
soll das Konzept die Verwendung beliebiger Aufgabentypen wie z.B. Multiple-/Single-<br />
80
Choice, Short-Answer-Aufgaben („Lückentext“), Ja-Nein-Fragen, figurale Matrizenaufgaben,<br />
Hot-Spots, usw. ermöglichen und sich nicht auf bestimmte Aufgabentypen beschränken,<br />
um unterschiedliche fachspezifische Aufgabenformen realisieren zu können.<br />
Dabei soll das Konzept derart flexibel sein, dass einerseits eine Erweiterung und Umgestaltung<br />
von einzelnen Aufgaben und andererseits das Einfügen, Entfernen und Modifizieren<br />
von ganzen Testeinheiten mit minimalem Änderungsaufwand möglich ist.<br />
<strong>Die</strong> erfassten Daten und Testergebnisse sollen unmittelbar im Anschluss an die Bearbeitung<br />
eine aussagekräftige Beurteilung der Studierfähigkeit der Benutzer sowie die<br />
Abbildung und den Vergleich der Ergebnisse anhand einer Profilbildung zulassen. <strong>Die</strong><br />
Auswertung der Tests muss daher automatisiert ausgeführt werden. Um die Durchschnittswerte<br />
nicht zu verfälschen, sollten nicht ernsthaft durchgeführte Tests abgefangen<br />
werden.<br />
Das Self-Assessment soll darüber hinaus die Anonymität der Nutzer wahren, um eine<br />
unbefangene, „angstfreie“ Selbsteinschätzung zu gewährleisten. Teilnehmende sind<br />
daher für das System anonyme Benutzer, die nur als solche identifiziert werden können.<br />
In der anonymisierten Form liegen die Ergebnisse den Entwicklern zur Studienangebotsplanung<br />
und zum Zwecke der Evaluation vor. <strong>Die</strong> Daten bieten sowohl wichtige Hinweise<br />
über Vorkenntnisse und Leistungsniveau der Studienanfänger als auch – nach<br />
Vergleich der Daten der Selbsteinschätzungstests mit Studienerfolgsdaten (Klausur- und<br />
Prüfungsergebnisse) – über die Eignung des Self-Assessments zur Studienberatung<br />
selbst [MJF06].<br />
2.1 Aufbau<br />
Konzeptgemäß besteht ein Self-Assessment aus einem organisatorischen Teil, einem<br />
inhaltlichen Teil und einem Auswertungsteil. Der organisatorische Teil umfasst die<br />
Start-, Beschreibungs-, Registrierungs- und Zugangsseiten sowie das Passwortmanagement.<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Bearbeitungsbereiche werden im organisatorischen Teil vorgestellt<br />
und ihre Bedeutung im Studiengang ersichtlich gemacht.<br />
Der Aufbau des inhaltlichen Teils folgt einem bottom-up-Ansatz (siehe Abb. 1). Mehrere<br />
logisch zusammenhängende Aufgaben werden dabei zu einer Testeinheit, einem so<br />
genannten Block, zusammengefasst. Mehrere Blöcke bilden gemeinsam ein Test-Modul.<br />
Ein Assessment kann dabei aus beliebig vielen Modulen bestehen, die Fragen zu unterschiedlichen<br />
Themenbereichen umfassen. <strong>Die</strong> Aufgaben können nach kognitiven und<br />
nicht kognitiven Aufgaben unterschieden werden [MK07]. Der kognitive Teil umfasst<br />
z.B. Aufgaben zur Logik, zur Mathematik, zum algorithmischen Denken oder zum Textverständnis.<br />
Zu den nicht kognitiven Aufgabenbereichen „Studienverhalten und –motivation“<br />
gehören unter anderem die Dimensionen Entscheidungsfähigkeit, Erfolgsorientierung,<br />
Zielgerichtetheit, Leistungsdenken, Anspruchsniveau, Lernbereitschaft, Arbeitshaltung<br />
und Lerntechniken.<br />
Während die fachbereichsspezifischen Fragestellungen mit den kognitiven Aufgaben<br />
von den jeweiligen Fachvertretern entwickelt werden müssen, können die von den Psy-<br />
81
Abbildung 1: Bottom-up Ansatz des flexiblen und erweiterbaren Self-Assessment-Konzeptes<br />
chologen entwickelten nicht-kognitiven Aufgaben zu den Bereichen „Studienverhalten<br />
und Studienmotivation“ fachbereichsübergreifend übernommen werden.<br />
Der Auswertungsteil fasst die Ergebnisse für unterschiedliche Aufgabendimensionen in<br />
einem individuellen Profil zusammen, welches mit Durchschnittswerten und Expertenwerten<br />
verglichen werden kann. Dazu werden drei Profile erstellt und graphisch in Profillinien<br />
nebeneinander dargestellt.<br />
2.2 Ablauf des Self-Assessments<br />
Zur Durchführung des Self-Assessments ist eine anonyme Registrierung erforderlich.<br />
Studierende erstellen dazu ein Pseudonym. Nach der Registrierung wird ein Aktivierungslink<br />
an die vom Teilnehmer eingetragene E-Mail-Adresse gesendet. Mit Hilfe<br />
des Links wird der persönliche Self-Assessment-Zugang aktiviert. <strong>Die</strong> Bearbeitung der<br />
Module kann sowohl im online- als auch im offline-Betrieb durchgeführt werden. Zur<br />
Bearbeitung des Self-Assessments im offline-Modus können die Aufgaben vom Web-<br />
Server heruntergeladen und anschließend zur Auswertung zurück zum Server übertragen<br />
werden. Erst wenn alle Module vollständig bearbeitet wurden, wird eine individuelle<br />
Auswertung erstellt und die Durchschnittsstatistik aller Ergebnisse aktualisiert. Nicht<br />
ernsthaft durchgeführte Tests werden durch automatisierte Auswertungen der aufgezeichneten<br />
Nutzerdaten abgefangen und fließen nicht in die Gesamtwertung ein.<br />
<strong>Die</strong> Navigation innerhalb der Inhaltsmodule ist besonders übersichtlich gestaltet, um<br />
eine bestmögliche Orientierung zu gewährleisten (Abb. 2) und die Assessment-Teilnehmer<br />
möglichst wenig von den Aufgaben abzulenken.<br />
Abbildung 2: Navigationsleiste mit Kennzeichnung der aktuellen Position<br />
<strong>Die</strong> Reihenfolge, in der die Module bearbeitet werden sollen, kann von den Autoren<br />
festgelegt werden. Bauen Aufgaben verschiedener Module aufeinander auf, stellt diese<br />
82
Option eine wichtige Funktion zur Testkonstruktion dar. Ist es vorgesehen eine beliebige<br />
Bearbeitungsreihenfolge zuzulassen, so ist dies ebenfalls möglich.<br />
Timer erlauben eine maximale Bearbeitungszeit für die einzelnen Aufgaben vorzugeben<br />
und zeitbeschränkte Pausen einzuplanen. <strong>Die</strong> Timer laufen unabhängig davon, ob die<br />
Bearbeitung im Online- bzw. Offline-Betrieb erfolgt. <strong>Die</strong> Anzeige des Bearbeitungsstandes<br />
gibt einen Überblick über den Bearbeitungsfortschritt und ermöglicht eine zeitliche<br />
Orientierung innerhalb eines Moduls (Abb. 3).<br />
Abbildung 3: Beispiel des Timers zur Anzeige der verbleibenden Bearbeitungszeit der aktuellen<br />
Aufgabe oder der zeitbeschränkten Pausen. Rechts daneben wird zur Gesamtübersicht der Bearbeitungsstand<br />
innerhalb des aktuellen Moduls angezeigt.<br />
Module, die während der Bearbeitung abgebrochen wurden, können fortgesetzt werden.<br />
Beim erneuten Aufruf des Moduls wird der Benutzer genau an die Stelle des Self-<br />
Assessments zurückversetzt, an der er die Bearbeitung unterbrochen hat. <strong>Die</strong>s gewährleistet,<br />
dass eine Aufgabe innerhalb eines Moduls nur einmal bearbeitet wird, was für die<br />
Evaluation des Self-Assessment-Instrumentariums selbst und die Einschätzung der Vorkenntnisse<br />
von Studienanfängern von großer Bedeutung ist. <strong>Die</strong> Nutzer werden nach<br />
einem Abbruch durch eine im System integrierte tutorielle Unterstützung angeleitet<br />
(Abb. 4).<br />
Eine erneute Bearbeitung eines Moduls ist nach dem Abschluss des ersten Durchgangs<br />
möglich, wird aber als solche in der Datenbank gekennzeichnet und nicht ausgewertet.<br />
Das Konzept erlaubt des Weiteren die Bearbeitung eines Moduls pro Benutzer auf eine<br />
bestimmte Anzahl zu beschränken oder beliebig viele Wiederholungen zuzulassen.<br />
2.3 Technische Umsetzung<br />
Das neuartige, flexible und erweiterbare Konzept, auf dem die Realisierung des Self-<br />
Assessments beruht, erfolgte aus technischer Sicht unter Einsatz moderner plattformunabhängiger<br />
Web-Technologien auf der Basis einer modernen Client-Server-Architektur<br />
und bietet den Interessenten zahlreiche Möglichkeiten, den Test von jedem<br />
Rechner und zu jedem Zeitpunkt auf benutzerfreundliche Art und Weise durchzuführen.<br />
Der Zugriff ist mit herkömmlichen Browsern über das Internet möglich, wobei die Anonymität<br />
der Benutzer gewahrt wird und keinerlei Rückschlüsse auf die Identität der Person<br />
möglich sind. Alle zwischen dem Client und Server ausgetauschten Daten werden<br />
verschlüsselt übertragen. Sensible Daten wie zum Beispiel Passwörter werden im Hash-<br />
Format gespeichert.<br />
83
Abbildung 4: Hinweis der integrierten tutoriellen Unterstützung bei Wiederaufnahme<br />
eines abgebrochenen Moduls<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung der graphischen Benutzeroberfläche wurde von Designern unter dem<br />
Einsatz von Abobe-Flash und diversen Web-Tools vorgenommen. Auf der Serverseite<br />
und zur Kommunikation zwischen Client und Server wurden Web-Technologien wie<br />
JavaScript, ActionScript, PHP und MySQL eingesetzt. Ein Modul ist als ein Adobe-<br />
Flash-Film (swf Datei) realisiert und kommuniziert mit der MySQL-Datenbank über<br />
eine PHP-Schnittstelle. <strong>Die</strong> Registrierung zum Self-Assessment erfolgt über PHP-<br />
Skripte. <strong>Die</strong> Plattformunabhängigkeit gewährleistet die Portierbarkeit des Self-Assessments<br />
und seinen Einsatz auf verschiedenen Betriebssystemen. Während der Entwicklung<br />
wurde die Anforderung nach Übertragbarkeit des Self-Assessments auf die verschiedenen<br />
Fachbereiche immer im Auge behalten. So wurden für die einzelnen Module<br />
Templates entwickelt, die die Erstellung neuer Module mit minimalem technischem<br />
Aufwand ermöglichen.<br />
Außer einem gängigen Webbrowser, für den der kostenlose Adobe-Flashplayer als Plugin<br />
installiert ist, benötigt der Anwender keine weitere Software zur Durchführung des<br />
Self-Assessments.<br />
Zur Auswertung der aufgenommenen Nutzerdaten wurde ein Verfahren implementiert,<br />
welches anhand der Gesamtbearbeitungszeit eines Moduls und den erzielten Ergebnissen<br />
der einzelnen Testblöcke die Erkennung von Probeläufen und nicht ernsthaft durchgeführten<br />
Tests ermöglicht. <strong>Die</strong> Ergebnisse solcher Bearbeitungen werden verworfen. <strong>Die</strong>s<br />
unterstützt die Erstellung unverfälschter Statistiken und Auswertungen zur Evaluation<br />
und Qualitätssicherung der Testeinheiten.<br />
84
3 Beispielhafte Erstellung eines Online-Self-Assessments für den<br />
Studiengang <strong>Informatik</strong><br />
Statistiken der Prüfungsämter zeigen, dass im Bundesdurchschnitt lediglich 35 % der<br />
Anfänger des Studiums <strong>Informatik</strong> erfolgreich abschließen. Neben den Studienabbrechern<br />
kristallisiert sich an der <strong>Universität</strong> in Frankfurt im Studiengang <strong>Informatik</strong><br />
eine Gruppe von Langzeitstudierenden heraus. Regelmäßig durchgeführte Lehrveranstaltungsevaluationen<br />
zeigen, dass diese Studierenden häufig erst nach einigen Semestern<br />
feststellen, dass sie sich für einen falschen Studiengang entschlossen haben und<br />
das gewählte Studienfach ihren Neigungen oder Fähigkeiten weniger entspricht als zuvor<br />
vermutet [Hu07]. Einige versuchen das Studium dann dennoch - häufig mit viel Mühe -<br />
abzuschließen und erzielen nach etlichen Studiensemestern überwiegend schwache Leistungen.<br />
<strong>Die</strong> hohen Abbruchquoten und zum Teil sehr langen Studienzeiten im <strong>Informatik</strong>studium<br />
erfordern vor dem Hintergrund beschränkter Ressourcen dringend geeignete Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der Situation. Wenn man von einer in der Regel allgemein<br />
gehaltenen Studienberatung absieht, stehen im Studiengang <strong>Informatik</strong> der J.W. Goethe-<br />
<strong>Universität</strong> bisher kaum Instrumente zur Verfügung, die den/die Studienplatzbewerber/in<br />
bereits vor einer Zulassung mit den tatsächlichen Inhalten und Anforderungen des Studienganges<br />
vor Ort konfrontieren. Mit der Platzierung des Online-Self-Assessment-<br />
Instrumentariums auf der Internetpräsenz des Studienganges verbindet sich die Hoffnung,<br />
dass es in einer ersten Stufe in dem Auswahlprozess von Studiengang und Studienort<br />
zu einer Selbstselektion der potentiellen Studienplatzbewerber kommt. Bei denjenigen,<br />
die das Studium vor Ort dann tatsächlich aufnehmen, sollte man in der Regel<br />
von einer besseren Passung ausgehen, was sich wiederum in einer geringeren Studienabbruchquote<br />
und kürzeren Studiendauer niederschlagen dürfte. <strong>Die</strong> daraus frei werdenden<br />
Ressourcen sollten sich unmittelbar in einer Qualitätsverbesserung des Studiums niederschlagen<br />
und Freiräume für innovative Unterrichtskonzepte schaffen.<br />
3.1 Zielgruppe<br />
Als Zielgruppe des Self-Assessments gelten zunächst sämtliche Studieninteressierte am<br />
Studiengang <strong>Informatik</strong> an der J.W. Goethe-<strong>Universität</strong>. Es bewerben sich jedes Semester<br />
ca. 400 Studieninteressierte, von denen dann ca. 150 als Studierende im Studiengang<br />
<strong>Informatik</strong> aufgenommen werden. Das generische Konzept beschränkt sich jedoch<br />
nicht auf einen bestimmten Fachbereich, sondern kann in allen Fachbereichen der <strong>Universität</strong><br />
oder vergleichbaren Institutionen in das Studienberatungsangebot integriert<br />
werden. So wird das für die Bedürfnisse der Psychologie entwickelte Self-Assessment<br />
im kooperierenden Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften ebenfalls seit dem<br />
Wintersemester 2006/07 erfolgreich eingesetzt.<br />
85
3.2 Inhalte der Aufgabenmodule<br />
Auf Grundlage von Anforderungsanalysen wurden solche Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
in das Instrumentarium aufgenommen, die sich in verschiedenen Untersuchungen [Hu07,<br />
JMM06] als studienrelevant erwiesen. Für das Studienfach <strong>Informatik</strong> handelt es sich<br />
dabei um die Studienmotivation, das Interesse an Inhalten des <strong>Informatik</strong>studiums, das<br />
deutsche und englische Textverständnis, mathematische Kompetenzen, das algorithmische,<br />
abstrakte, analytische und logische Denken. <strong>Die</strong> Anforderungen an <strong>Informatik</strong>-<br />
Studierende an <strong>Universität</strong>en sind durch die Empfehlungen des Fakultätentages <strong>Informatik</strong><br />
im Übrigen an jeder <strong>Universität</strong> nahezu gleich. Dem Studieninteressenten wird<br />
durch die Bearbeitung von Aufgaben und die Exploration eigener Motive vor Augen<br />
geführt, welche Anforderungen während des Studiums an ihn gestellt werden. Gleichzeitig<br />
kann er sich anhand des grafisch zurückgemeldeten individuellen Profils mit den<br />
„typischen“ Studierenden, aber auch ausgewiesenen Experten vor Ort vergleichen, d. h.<br />
seine Schwächen, aber auch seine Stärken einschätzen.<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Aufgabenmodule setzen sich aus den folgenden thematischen Blöcken zusammen.<br />
! Modul 1: Aufgaben zur Logik und Mathematik sowie Motivationsaufgaben<br />
(ca. 90 min Bearbeitungszeit)<br />
! Modul 2: Aufgaben zum algorithmischen Denken sowie Textverständnis<br />
(ca. 60 min Bearbeitungszeit)<br />
! Modul 3: Figurale Matrizenaufgaben und Interessensfragen (ca. 60 min Bearbeitungszeit)<br />
Im Folgenden werden einzelne Testblöcke vorgestellt. Anhand von Beispielen wird<br />
dabei die Umsetzung verschiedener Aufgaben unterschiedlicher Themenbereiche aufgezeigt.<br />
Aufgaben zur Logik prüfen elementares logisches Denken [Xi98] und damit eine der<br />
Grundvoraussetzungen des <strong>Informatik</strong>studiums (Abb. 5).<br />
<strong>Die</strong> Aufgaben in dem Abschnitt Mathematik prüfen grundlegende mathematische<br />
Kenntnisse [GKP94], wie sie laut Lehrplan in Hessen in der Mittelstufe in den Gymnasien<br />
vermittelt werden.<br />
Eines der wichtigsten Konzepte der <strong>Informatik</strong> ist der Algorithmus als eine schematische<br />
Handlungsvorschrift [Co01]. In dem Testblock zu diesem Thema wird das so genannte<br />
algorithmische Denken geprüft, wobei die Studierenden sowohl Sequenzen als auch<br />
Wiederholungen von Handlungen als logisches Ausdrucksmittel benutzen sollen<br />
(Abb. 6).<br />
<strong>Die</strong> Fähigkeit wissenschaftliche Texte in deutscher und englischer Sprache zu erschließen,<br />
ist eine der wichtigsten Studienvoraussetzungen. In den Testblöcken werden sprach-<br />
86
Abbildung 5: Beispiel einer Aufgabe zum logischen Denken<br />
Abbildung 6: Beispielaufgabe zum algorithmischen Denken<br />
liche Kompetenzen geprüft, indem kurze Abschnitte wissenschaftlicher Texte vorgegeben<br />
und dazugehörende Verständnisfragen gestellt werden.<br />
Matrizenaufgaben zählen zu den etablierten Verfahren zur Erfassung des schlussfolgernden<br />
Denkens. <strong>Die</strong> Fähigkeit zum logischen Schlussfolgern wird dabei auf einem sprachfreien<br />
Weg untersucht, unabhängig von der Vorbildung und dem kulturellen Hintergrund<br />
(Abb. 7). Das schlussfolgernde Denken umfasst Phänomene des induktiven und dedukti-<br />
87
ven Denkens – beides Eigenschaften, die Grundvoraussetzungen für jedes Studium darstellen.<br />
Personen mit hohen Punktwerten in diesem Testabschnitt fällt es leicht, logische<br />
Zusammenhänge zu erkennen und Regeln aus den Beobachtungen abzuleiten. <strong>Die</strong>s ermöglicht<br />
eine gute Strukturierung und eine leichtere Bewältigung des zu lernenden Stoffes<br />
sowie das Lösen von neuartigen Problemen. Personen mit niedrigen Punktwerten<br />
haben größere Mühe, Gemeinsamkeiten und Unterschieden in dem zu erlernenden Stoff<br />
zu identifizieren und optimale Problemlösungen zu finden. Um ein Studium erfolgreich<br />
zu bewältigen, müssen sie unter Umständen viel mehr Zeit und Energie als andere in den<br />
zu erlernenden Stoff investieren [JMM06].<br />
Abbildung 7: Beispiel einer figuralen Matrizenaufgabe<br />
In den Self-Assessment Abschnitten zur Studienmotivation, zum Studierverhalten und<br />
Studieninteresse bewerten die Benutzer verschiedene Aussagen, mit denen sie sich selbst<br />
charakterisieren (z.B. „Wenn ich etwas plane, dann hängt es nur von mir ab, ob der Plan<br />
auch Wirklichkeit wird.“ oder „Ich suche mir lieber erreichbare Ziele, bevor ich befürchten<br />
muss, zu versagen.“). In welchem Ausmaß die Aussagen nach Selbsteinschätzung<br />
zutreffen, kann auf einer Likert-Skala von 0 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 5<br />
(„trifft vollkommen zu“) angegeben werden.<br />
3.3 Auswertung<br />
Nach vollständiger Bearbeitung des Self-Assessments erhalten die Teilnehmer eine<br />
Rückmeldung über die in den einzelnen Arbeitsbereichen erzielten Werte sowie – zum<br />
normativen Vergleich - ein an Studierenden des Studienganges erhobenes mittleres Profil,<br />
bzw. ein an ‚Experten’ erhobenes Profil, welches die Testergebnisse von Professoren<br />
und wissenschaftlichen Mitarbeitern des Fachbereiches visualisiert (Abb. 8).<br />
88<br />
Abbildung 8: Beispiel einer Auswertung
<strong>Die</strong> einzelnen Bearbeitungsbereiche werden inhaltlich vorgestellt und ihre Bedeutung im<br />
Studiengang ersichtlich gemacht. Anhand der erzielten Ergebnisse können Studierende<br />
eigene Schwächen identifizieren und sich gegebenenfalls gezielt auf das Studium vorbereiten<br />
(z.B. im Bereich Mathematik). Mögliche Konsequenzen bei hohen bzw. niedrigen<br />
Punktwerten werden aufgezeigt, so dass die Erläuterungen zur Einschätzung der eigenen<br />
Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft dienen und das Self-Assessment somit eine<br />
wichtige Ergänzung zur herkömmlichen Studienberatung darstellt. Eine abschließende<br />
Beurteilung der Studierfähigkeit liefert das Self-Assessment bewusst nicht, macht jedoch<br />
auf potentielle Problembereiche aufmerksam. <strong>Die</strong> Entscheidung ein <strong>Informatik</strong>studium<br />
aufzunehmen liegt nach wie vor bei den Studieninteressierten selbst.<br />
4 Ausblick<br />
Zurzeit sind über 150 Studieninteressierte (mit knapp 30.000 Datensätzen) in der Datenbank<br />
des Self-Assessments der <strong>Informatik</strong> registriert. Es ist geplant, das „typische<br />
Studierendenprofil“, welches zur Referenz aus den Mittelwerten der einzelnen Testblöcke<br />
zusammengestellt wird, regelmäßig zu evaluieren. Mit Hilfe eines von den Studierenden<br />
bei der Registrierung selbst erstellten Pseudonyms werden die Daten des Self-<br />
Assessments mit den Prüfungsdaten, für die bei Klausuren und Abschlussprüfungen<br />
ebenfalls das Pseudonym abgefragt wird, abgeglichen. <strong>Die</strong> Auswertung dieser für mehrere<br />
Jahrgänge geplanten Studie ist im Semesterturnus vorgesehen, so dass eine nachhaltige<br />
und dynamische Anpassung des Instrumentariums gewährleistet ist.<br />
Das Self-Assessment kann unter der folgenden Web-Adresse aufgerufen und bearbeitet<br />
werden: https://www.gdv.informatik.uni-frankfurt.de/self-assessment/<strong>Informatik</strong>/<br />
Ein direkter Zugang zu einer Beispielauswertung ist mit Hilfe des Benutzernamens „demo“<br />
und des Passwortes „auswertung“ möglich.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Co01] Cormen, T., Leiserson, C., Rivest, R., Stein, C.: Introduction to Algorithms, New York,<br />
2001.<br />
[GKP94] Graham, R. L., Knuth, D. E., Patashnik, O.: Concrete mathematics, 1994.<br />
[Hu07] Humoud, S.: Verbesserung der Studienbedingungen durch e<strong>Learning</strong> in der <strong>Informatik</strong>.<br />
2007. (unveröffentlichte Diplomarbeit).<br />
[JMM06] Jonkisz, E., Moosbrugger, H. & Mildner, D.: <strong>Die</strong> "Frankfurt Study" zur Vorhersage des<br />
Studienerfolges. In (Gula, B., Alexandrowicz, R., Strauß, S., Brunner, E., Jenull-<br />
Schiefer, B., Vitouch, O. Hrsg.): Perspektiven Psychologischer Forschung in Österreich.<br />
Wien, PABST, 2006.<br />
[MJF06] Moosbrugger, H., Jonkisz, E. & Fucks, S.: Studierendenauswahl durch die Hochschulen<br />
- Ansätze zur Prognostizierbarkeit des Studienerfolgs am Beispiel des Studiengangs Psychologie.<br />
Report Psychologie, 3, 2006; S 114-123.<br />
[MK07] Moosbrugger, H. & Kelava, A. (Hrsg.): Testtheorie und Fragebogenkonstruktion. Berlin,<br />
Heidelberg: Springer. Manuskript in Vorbereitung. 2007.<br />
[Xi98] Xilinx: The Programmable Logic Data Book, 1998.<br />
89
Bessere Schulnoten mit MatES, dem e-Bibliothekardienst<br />
für den Mathematikunterricht<br />
Serge Linckels, Carole Dording, Christoph Meinel<br />
Hasso-Plattner-Institut (HPI) für Softwaresystemtechnik GmbH<br />
Postfach 900460, D-14440 Potsdam<br />
{linckels,dording,meinel}@hpi.uni-potsdam.de<br />
Abstract: In diesem Papier stellen wir die Ergebnisse eines Experiments mit unserem<br />
e-Bibliothekarsystem „MatES“ vor, einem e-<strong>Learning</strong> Werkzeug zum Erlernen<br />
des Bruchrechnens in der Mathematik. MatES ermöglicht den Schülern, durch<br />
das Eingeben vollständiger Fragesätze semantisch korrekte und relevante multimediale<br />
Antworten zu bekommen.<br />
Eine Schulklasse von 22 Schülern nahm an diesem fünf Wochen dauernden Experiment<br />
teil. <strong>Die</strong> Schüler arbeiteten autonom, stellten Fragen an MatES und lernten<br />
durch praktische Übungen. <strong>Die</strong> Multimedia-Erklärungen, die MatES lieferte, ermöglichten<br />
es den Schülern ihr Wissen zu erweitern und ihre Übungen zu lösen.<br />
<strong>Die</strong> Schüler erlebten MatES als hilfreiches, unterstützendes Werkzeug beim Mathematiklernen.<br />
Während sie MatES benutzten, konnten wir relevante Verbesserungen<br />
ihrer schulischen Leistungen messen, indem wir die Resultate mit ihren<br />
früheren Ergebnissen verglichen. Eine der Hauptursachen dieser hervorragenden<br />
Resultate ist möglicherweise die höhere Motivation der Schüler, da sie sich beim<br />
Lernen mehr Mühe gaben, um sich neues Wissen anzueignen. <strong>Die</strong> Schüler haben<br />
auch festgestellt, dass MatES besser erklärt und dass sie die Inhalte viel leichter<br />
verstehen.<br />
1 Das e-<strong>Learning</strong> Tool MatES<br />
Es ist allgemein bekannt, dass Schüler besser in der Lage sind, sich neues Wissen anzueignen,<br />
zu beherrschen, zu behalten und zu verallgemeinern, wenn sie aktiv am Lernprozess<br />
beteiligt sind [Yo98]. Lehrer, die e-<strong>Learning</strong> Werkzeuge in ihrer Klasse eingesetzt<br />
haben, berichten, dass sie ihren Unterrichtsstil geändert haben, um den Schülern eine<br />
größere Autonomie beim Lernen zu ermöglichen [Ow97]. Sie wechselten ihren Unterrichtsstil<br />
von einem didaktischen Frage-Antwort-Unterricht hin zu einem stärker selbstgesteuerten<br />
Lernen.<br />
Ein Computer-Tool kann nicht besser erklären als ein Lehrer, aber es kann die Information<br />
anders darstellen, vielleicht anschaulicher und konkreter als ein Lehrer. Im Vergleich<br />
zu früheren Generationen brauchen die Schüler heutzutage eher einen Anschauungsunterricht,<br />
weil unsere Welt reich an visuellen Stimuli ist [Ow97].<br />
91
Wir arbeiten an einem e-Bibliothekardienst, der den Schülern beim Finden von pertinenten<br />
Lerninhalten helfen soll, so wie es ein richtiger Bibliothekar tun würde. <strong>Die</strong>s soll auf<br />
eine sehr einfache Art und Weise möglich sein, nämlich durch das Stellen von Fragen in<br />
natürlicher Sprache. Der e-Bibliothekar antwortet nicht unbedingt auf die Frage, aber er<br />
kann das am besten passende Dokument zur gestellten Frage finden und aus seiner multimedialen<br />
Wissensdatenbank auswählen. Der Schüler kann die gesuchte Antwort in<br />
diesem Dokument ohne Schwierigkeiten entdecken.<br />
MatES (Mathematics Expert System) [LM07] ist eine prototypische Implementierung<br />
unseres e-Bibliothekarservices zum Thema Bruchrechnen in der Mathematik. Es besteht<br />
aus einem grafischen Benutzerinterface, einer semantischen Suchmaschine und einer<br />
multimedialen Wissensdatenbank. <strong>Die</strong> Wissensdatenbank besteht zurzeit aus 115 Clips,<br />
die das Thema Bruchrechnen ausreichend abdecken, d.h. alle Lerninhalte, die in der<br />
Sekundarstufe unterrichtet werden, sind enthalten. <strong>Die</strong> Clips wurden hauptsächlich mit<br />
Schülern aufgenommen. Wir benutzten tele-TASK (http://www.tele-task.de), um die<br />
Clips zu erstellen.<br />
<strong>Die</strong> Effizienz dieses Werkzeugs wurde durch Benchmarktests überprüft. <strong>Die</strong> Testmenge<br />
bestand aus 229 verschiedenen Fragen. In 97% der Fälle gab MatES die richtige Antwort<br />
auf die gestellte Frage. In 50% der Fälle lieferte MatES sogar nur eine einzige Antwort,<br />
welche genau die Richtige war.<br />
2 Beschreibung des Experiments<br />
2.1 Allgemeines<br />
Unser Ziel war es, die Vorteile unseres e-Bibliothekardienstes in einer normalen Unterrichtsumgebung<br />
zu erproben und festzustellen, inwiefern dieses Werkzeug eine Auswirkung<br />
auf die schulischen Leistungen der Schüler hatte.<br />
An dem Experiment nahmen 22 Schüler zwischen 12 und 14 Jahren (siebte Klasse), aus<br />
dem Lycée Technique EschAlzette (LTE), einem technischen Gymnasium in Luxemburg,<br />
teil. <strong>Die</strong>ses Experiment dauerte 5 Wochen (vom 13. Februar bis zum 16. März<br />
2006). <strong>Die</strong>s ist die normale Zeitspanne, die dem Mathematiklehrer einer siebten Klasse<br />
laut Lehrplan für die Behandlung des Bruchrechnens zur Verfügung steht. Jede Unterrichtsstunde<br />
fand in einem Computersaal statt.<br />
2.2 Aufteilung der Schüler in drei Gruppen<br />
Im ersten Trimester des Schuljahrs (vom 18. September 2005 bis zum 12. Februar 2006),<br />
stand Geometrie auf dem Programm (Volumenrechnen, Flächenrechnen usw.). Jeder<br />
Schüler besaß schon einige Grundkenntnisse im Bruchrechnen, da dieses Thema bereits<br />
kurz in den drei letzten Schuljahren behandelt wurde. Vor Beginn des Experiments führten<br />
wir einen unangekündigten Vortest durch, um die aktuellen Kenntnisse der Schüler<br />
über das Bruchrechnen zu messen.<br />
92
<strong>Die</strong> Schüler wurden gemäß ihrer Ergebnisse im Vortest und ihren Resultaten in der Geometrieprüfung<br />
(erstes Trimester) in drei Gruppen aufgeteilt: schwache (8 Schüler),<br />
mittelmäßige (6 Schüler) und starke (8 Schüler). <strong>Die</strong>se Einteilung half uns bei der Auswertung<br />
unseres Experiments auf drei verschiedenen Kompetenz-Ebenen. Wir nahmen<br />
an, dass normalerweise schwache Schüler auch Schwierigkeiten im Bruchrechnen haben<br />
und gute Schüler auch gut im Bruchrechnen sind. Wir untersuchten, inwiefern das Benutzen<br />
von MatES die Zusammensetzung dieser drei Gruppen verändern würde.<br />
Es konnte festgestellt werden, dass es keine Verbindung zwischen dem Vortest und den<br />
Resultaten der Geometrieprüfungen gibt. Einige gute Schüler schnitten auch gut im<br />
Vortest ab, andere schlecht. Ähnliches war bei den schlechten Schülern zu beobachten.<br />
<strong>Die</strong>s zeigt uns, dass die Grundkenntnisse der Schüler im Bruchrechnen heterogen waren.<br />
2.3 Der Ablauf der Unterrichtsstunden<br />
In unserem Experiment ließen wir die Schüler in die Rolle eines Entdeckers schlüpfen,<br />
der neues Wissen auf eine autonome Art und Weise entdecken und sich aneignen soll,<br />
indem er MatES als eine Art virtuellen Privatlehrer benutzt.<br />
In der ersten Stunde lernten die Schüler, wie man MatES richtig einsetzt. In praktischen<br />
Übungen benutzten die Schüler MatES, um sich ein Grundvokabular über das Bruchrechnen<br />
anzueignen. <strong>Die</strong> Lehrerin gab den Schülern einen Satz mit Lückentext vor. Zum<br />
Beispiel: „Wir müssen das Bruchrechnen lernen, weil Brüche stellen … dar.“ <strong>Die</strong> Schüler<br />
mussten dann eine Frage bilden und den Satz ergänzen, indem sie sich den passenden<br />
Clip anschauten. Zum Beispiel: „Warum müssen wir das Bruchrechnen lernen?“ oder<br />
„Was stellt ein Bruch dar?“.<br />
Während des Experiments war der Verlauf der Unterrichtsstunden stets der gleiche. Am<br />
Anfang jeder Stunde bekamen die Schüler ein Übungsblatt. Als Erstes mussten sie herausfinden,<br />
auf welches Wissen sie aufbauen konnten und welches sie sich noch aneignen<br />
mussten, um diese Übungen zu lösen. Danach mussten sie Fragen an MatES stellen<br />
und sich die passenden Clips anschauen, um ihr Wissen zu vervollständigen. <strong>Die</strong> Lehrerin<br />
war immer anwesend und half den Schülern, welche eine Erklärung nicht verstanden.<br />
Auch Schüler, die noch Schwierigkeiten hatten eine Übung zu lösen, erhielten von der<br />
Lehrerin Unterstützung. Verschiedene Übungen wurden kurz in der gesamten Klasse<br />
besprochen, um potenzielle allgemeine Fehler oder Missverständnisse zu vermeiden.<br />
2.4 <strong>Die</strong> Prüfungsstunde<br />
Über das Bruchrechnen wurden zwei Klassenarbeiten geschrieben. Jede Prüfung dauerte<br />
zwei Stunden und bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil (eine Stunde) war eine klassische<br />
Prüfung (für 30 Punkte) und der zweite Teil war eher eine praktische Prüfung (die<br />
auch mit 30 Punkten bewertet wurde). Während der erste Teil in einem normalen Klassenzimmer<br />
unter klassischen Bedingungen stattfand (ohne Bücher, ohne Notizen, ohne<br />
Taschenrechner usw.) wechselten die Schüler für den zweiten Teil in den Computerraum.<br />
<strong>Die</strong> Übungen für den ersten Prüfungsteil beruhten auf dem Wissen, das sich die<br />
93
Schüler auf eine autonome Art und Weise während der letzten Stunden angeeignet hatten.<br />
Nach einer Stunde erfolgte der Wechsel der Schüler für den zweiten Teil der Klassenarbeit<br />
in den Computerraum. Jeder Schüler arbeitete einzeln an einem Rechner mit MatES.<br />
Im Gegensatz zum ersten Teil der Prüfung beruhten diese Übungen auf einem unbekannten<br />
Stoff im Bereich des Bruchrechnens (zum Beispiel „Was ist ein echter Bruch?“).<br />
Hier durften die Schüler MatES einsetzen.<br />
3 <strong>Die</strong> allgemeinen Ergebnisse<br />
3.1 <strong>Die</strong> Ergebnisse der Schüler<br />
Es gab einige interessante Unterschiede zwischen den zwei Teilen der Prüfung – dem<br />
theoretischen und dem praktischen Teil. <strong>Die</strong>se Unterschiede waren in der ersten Prüfung<br />
weniger relevant als in der zweiten Prüfung. <strong>Die</strong> Ergebnisse des praktischen Teils waren<br />
im Allgemeinen besser als die des theoretischen. Eine mögliche Erklärung ist, dass im<br />
ersten Teil das theoretische Wissen über das Bruchrechnen geprüft wurde und die Schüler<br />
unterschiedlich gut auf diese Prüfung vorbereitet waren. Da der zweite Teil aus unbekanntem<br />
Stoff bestand, konnten auch die Schüler, die nicht so gut auf die Klassenarbeit<br />
vorbereitet waren, trotzdem eine gute Note erzielen, weil sie die Möglichkeit hatten,<br />
Fragen an MatES zu stellen.<br />
Relevanter ist der Vergleich zwischen den Resultaten in Geometrie und denen im Bruchrechnen<br />
(Bild 1). Erstens waren die allgemeinen Resultate im Bruchrechnen besser<br />
(Durchschnittsnote der Klasse 32/60) als in der Geometrie (Durchschnittsnote der Klasse<br />
29/60), was einer durchschnittlichen Verbesserung von 5% entspricht. <strong>Die</strong>se Zahl wurde<br />
mit einem T-Test für Mittelwerte (2 unabhängige Stichproben) bestätigt. 11 Schüler<br />
hatten bessere Resultate im Bruchrechnen als in der Geometrie (sie befinden sich auf der<br />
Grafik oberhalb der Identitätsfunktion). 9 von ihnen machten sehr große Fortschritte<br />
(wenigstens 6 Punkte bei einem Maximum von 60 Punkten in einer Klassenarbeit). Ein<br />
Schüler verbesserte sich sogar um 21 Punkte. 8 Schüler verschlechterten sich, bei 3<br />
Schülern gingen die Resultate sogar um mehr als 6 Punkte zurück. 3 Schüler blieben<br />
konstant.<br />
Zweitens änderte sich die Zusammensetzung der Gruppen (Tabelle 1). 7 Schüler verbesserten<br />
sich in eine höhere Gruppe, ein Schüler verbesserte sich sogar um 2 Gruppen (von<br />
Gruppe „Schwache“ in Gruppe „Starke“). 3 Schüler bewegten sich in eine niedrigere<br />
Gruppe, davon einer aus der Gruppe „Starke“ in die Gruppe „Mittelmäßige“ und ein<br />
Schüler aus der Gruppe „Starke“ in die Gruppe „Schwache“. 12 Schüler blieben in der<br />
gleichen Gruppe: 5 in der Gruppe „Schwache“, 2 in der Gruppe „Mittelmäßige“ und 5 in<br />
der Gruppe „Starke“.<br />
94
Schulresultat über Bruchrechnen<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Claudio<br />
Gwenda<br />
Nuno<br />
Cyril<br />
Nancy<br />
Mandy D.<br />
Mandy R.<br />
Max<br />
Simao<br />
Stéphanie<br />
Priscilla<br />
0<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Kevin<br />
Vicky<br />
Christophe<br />
Schulresultate über Geometrie<br />
Abbildung 1: Durchschnitt der Prüfungen über Geometrie (x-Achse) und<br />
über Bruchrechnen (y-Achse).<br />
Gruppe Vor dem Experiment Nach dem Experiment<br />
Schwache 8 Schüler (36,4%) 6 Schüler [+3 / -1] (27,3%)<br />
Mittelmäßige 6 Schüler (27,3%) 6 Schüler (27,3%)<br />
Starke 8 Schüler (36,4%) 10 Schüler (45,5%)<br />
Tabelle 1: Zusammensetzung der Gruppen vor und nach dem Experiment<br />
Drittens stellten wir fest, dass vor dem Experiment das Wissen der Klasse im Allgemeinen<br />
sehr heterogen war. Nach dem Experiment mit MatES wurden ihre Kenntnisse homogener.<br />
Der Unterschied zwischen den leistungsstärkeren und den schwächeren Schülern<br />
war weniger bedeutsam.<br />
3.2 Eindrücke der Schüler<br />
<strong>Die</strong>se Auswertung basiert auf einer schriftlichen Umfrage (am Ende der ersten Woche<br />
des Experiments), auf wöchentlichen Gesprächen mit den Schülern und vor allem auf<br />
einem individuellen Interview mit jedem Schüler (am Ende der fünften Woche).<br />
3.2.1 Kommentare zu dieser Art des Lernens<br />
<strong>Die</strong> große Mehrheit der Schüler (18 von 22) glaubte, dass ihre Schulresultate mit MatES<br />
besser werden könnten.<br />
Wir fragten die Schüler, ob sie MatES auch zu Hause benutzen würden, falls sie einen<br />
eigenen Computer hätten. Hier antworteten 11 Schüler (50%) „sicher“, die anderen 11<br />
India<br />
David<br />
Sandrine<br />
Tiziana<br />
Simon<br />
Cynthia<br />
Glenn<br />
Eric<br />
95
Schüler antworteten „ziemlich sicher“. Es antwortete aber niemand „nein“ oder „eher<br />
nein“.<br />
Es konnte keine Abhängigkeit in den Antworten auf die Frage „ob sie sich vorstellen<br />
könnten, ohne einen Lehrer zu lernen“ gefunden werden. 4 Schüler (18,1%) sind überzeugt,<br />
dass sie dies könnten, 10 Schüler (45,5%) sagten, dass sie irgendwie einen Lehrer<br />
brauchen und 8 Schüler (36,4%) antworteten, dass sie immer einen Lehrer brauchen.<br />
Zum Schluss wurden sie gefragt, ob es ihnen Spaß gemacht habe mit MatES zu arbeiten.<br />
Hier sagten 11 Schüler (50%) „ja“, 9 Schüler (40,9%) antworteten „ja, sehr gerne“ und 2<br />
Schüler (9,1%) sagten „irgendwie ja“. Kein Schüler arbeitete nicht gern mit MatES.<br />
3.2.2 Kommentare bezüglich MatES<br />
Im Allgemeinen gab MatES nur sehr wenige Antworten auf eine eingegebene Frage,<br />
normalerweise nur eine, selten mehr als 3. Wir fragten die Meinung der Schüler zur<br />
Anzahl der Antworten. Kein Schüler fand, dass MatES zu wenige Antworten gab, 1<br />
Schüler fand, dass MatES zu viele Antworten gab und 21 (von 22 Schülern) sagten, dass<br />
die Anzahl der Antworten angemessen war.<br />
Wir fragten die Schüler, ob sie die Erklärungen auf ihre Frage in den Antworten von<br />
MatES gefunden haben. Keiner sagte „nie“ oder „selten“, ein Schüler (4,6%) sagte „in<br />
der Hälfte der Fälle“, 16 Schüler (72,7%) sagten „fast immer“ und 5 Schüler (22,7%)<br />
antworteten „immer“.<br />
Eine wichtige Frage betraf die Pflicht, ganze Fragen eingeben zu müssen. Kein Schüler<br />
äußerte, dass dies schwierig war, 7 Schüler (31,8%) antworteten, dass sie einverstanden<br />
waren ganze Fragen einzugeben, aber dass sie es nicht gerne machten, und 15 Schüler<br />
(68,2%) antworteten, dass es kein Problem für sie war.<br />
3.3 Analyse der Logdateien<br />
<strong>Die</strong> Logdateien zeigten, dass so gut wie alle Fragen korrekt formuliert wurden. Nur sehr<br />
wenige „unangemessene“ Fragen, die neben dem Thema lagen, wurden absichtlich eingeben.<br />
Im Durchschnitt stellte jeder Schüler 8,5 Fragen pro Unterrichtseinheit (50 Minuten).<br />
In Unterrichtseinheiten mit geringen Fragen wurden im Durchschnitt 4 Fragen<br />
eingeben; 17 Fragen wurden in Unterrichtseinheiten mit einer hohen Anzahl an Fragen<br />
eingegeben. Es gab keinen Unterschied bezüglich der Anzahl der Fragen zwischen normalen<br />
Unterrichtseinheiten und einer Prüfungsstunde. Es gab auch keinen Schüler, der<br />
außergewöhnlich viele oder außergewöhnlich wenige Fragen eingab. Schwache und<br />
starke Schüler gaben in etwa gleich viele Fragen ein, unabhängig davon, ob es sich um<br />
eine normale Unterrichtseinheit oder eine Prüfungsstunde handelte.<br />
96
3.4 Allgemeine Beobachtungen<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, dass sie dabei ganze Fragen eingeben sollten, war am Anfang ein Problem.<br />
Zuerst schien das Eintippen von so vielen Wörtern eine Plage für die meisten Schüler zu<br />
sein, da die meisten Schüler gewohnt sind, nur Stichwörter in Suchmaschinen einzugeben<br />
(z.B. bei Google). Außerdem hatten sie in ihrer Ausbildung bis jetzt noch nicht<br />
gelernt, wie man Fragen richtig formuliert. Nach der zweiten Woche hatten sich jedoch<br />
alle Schüler an diese Art der Formulierung der Fragen gewöhnt. Auch das Eingeben von<br />
ganzen Fragen wurde allgemein akzeptiert. Wir bemerkten, dass die meisten Schüler<br />
sehr schnell beim Eintippen ihrer Fragen waren. Es schien, dass sie bereits Erfahrung mit<br />
der Texteingabe am Computer hatten (möglicherweise durch das Chatten im Internet).<br />
Im weiteren Verlauf des Experiments steigerte sich die Begeisterung der Schüler, Mathematik<br />
auf diese Weise zu lernen. Wir bemerkten, dass Schüler sich verschiedene<br />
Eigenschaften der Clips einprägten, z.B. ein Vortragender, der ein bestimmtes Wort<br />
schlecht ausspricht, eine schöne Illustration innerhalb eines Clips oder ein Sprecher, der<br />
etwas sehr gut erklärt. Es war interessant festzustellen, dass solche Eigenschaften sehr<br />
hilfreich für die Schüler waren.<br />
Wir waren von der sehr positiven Atmosphäre im Klassenzimmer beeindruckt. Jeder<br />
Schüler war mit seiner eigenen Übung beschäftigt und konnte in seinem eigenen Rhythmus<br />
arbeiten. Einige waren sehr schnell, andere langsamer. Alle Schüler benutzten<br />
Kopfhörer. Es war angenehm ruhig im Raum. Es war den Schülern erlaubt, untereinander<br />
zu kommunizieren (die beiden Prüfungsstunden ausgeschlossen). <strong>Die</strong> meisten Gespräche<br />
glichen diesen Äußerungen: „Welchen Clip hast du für diese Übung gefunden?“,<br />
„Hast du eine Antwort für diese Frage gefunden?“, „Bist du bereits mit der Übung fertig?“<br />
usw.<br />
Am Ende der fünften Woche waren die Schüler traurig, dass das Experiment vorbei war<br />
und dass sie zu einer „klassischen“ Art des Lernens zurückkehren mussten. Einige Schüler<br />
baten um eine Kopie von MatES, um das Werkzeug auch zu Hause benutzen zu können.<br />
4 Diskussion<br />
In diesem Abschnitt analysieren wir die Daten aus dem Experiment (Abschnitt 3) und<br />
versuchen festzustellen, ob die besseren Schulresultate auf das Benutzen von MatES<br />
zurückzuführen sind oder ob es andere Gründe gibt.<br />
4.1 Andere Gründe als MatES<br />
War der Unterrichtsstoff „Bruchrechnen“ für Schüler leichter als „Geometrie“? Verschiedene<br />
Lehrer bestätigten uns, dass beide Unterrichtsthemen, so wie sie unterrichtet<br />
werden, einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad aufweisen.<br />
97
Hatten die Schüler bereits Vorwissen über Bruchrechnen? Alle Schüler hatten bereits ein<br />
Grundwissen über Bruchrechnen, jedoch auch über Geometrie. Beide Themen wurden<br />
bereits – sehr oberflächlich – in vergangenen Schuljahren behandelt.<br />
Waren die Klassenarbeiten über Bruchrechnen einfacher als die über Geometrie? <strong>Die</strong><br />
Prüfungen über Bruchrechnen waren ähnlich schwierig, ja sogar den Schwierigkeitsgrad<br />
betreffend identisch mit denen anderer Klassen oder mit denen aus vergangenen Jahren.<br />
Weiterhin wurden alle Klassenarbeiten (über Geometrie und Bruchrechnen) von zwei<br />
Lehrern korrigiert.<br />
4.2 Besseres Verstehen<br />
Haben die Erklärungen von MatES den Schülern geholfen, den Unterrichtsstoff besser<br />
zu verstehen, als die Erklärungen aus klassischen Quellen (z.B. aus Büchern, durch Informationen<br />
an der Tafel, oder durch mündliche Erklärungen vom Lehrer)? Neun Schüler<br />
waren der Meinung, dass die Erklärungen von MatES sehr gut wären und drei Schüler<br />
meinten, dass MatES sehr viel Wissen hätte. Fast alle Schüler (21 aus 22) waren der<br />
Meinung, dass sie die richtigen Informationen von MatES erhielten und 18 sagten, dass<br />
sie in der Tat mit MatES besser lernten. Hier sind einige Erklärungen:<br />
98<br />
! <strong>Die</strong> semantische Suchmaschine ermöglichte es den Schülern schnell, gute Antworten<br />
zu finden. In anderen Worten, sie mussten nicht warten bis der Lehrer ihnen<br />
zur Verfügung stand, um ihre Fragen zu stellen.<br />
! <strong>Die</strong> Antworten von MatES sind sehr präzise und kurz, im Gegensatz zu Büchern<br />
oder langen Antworten des Lehrers.<br />
! <strong>Die</strong> Erklärungen sind einfach und klar.<br />
! Der Schüler kann durch den Clip navigieren und zu jedem beliebigen Augenblick<br />
anhalten oder sich den Clip mehrere Male ansehen.<br />
! <strong>Die</strong> Information wird in einer attraktiveren Form angezeigt als die in einem Buch<br />
oder an der Tafel. Zum Beispiel konnten sich Schüler an eine bestimmte Information<br />
erinnern, weil sie sich an eine bestimmte Eigenschaft im Clip erinnerten.<br />
! Der multimediale Aspekt aktiviert mehr Sinne. <strong>Die</strong> Schüler hören, lesen und sehen<br />
die gleiche Information.<br />
! Illustrationen und Animationen werden benutzt, um ein bestimmtes Thema zu erklären.<br />
<strong>Die</strong>s ist aussagekräftiger als reine verbale Kommunikation [MG90].<br />
! <strong>Die</strong> Videosequenzen zeigen den Vortragenden an der Tafel. <strong>Die</strong>s ist die klassische<br />
Sicht eines Schülers im Klassenzimmer und soll eine Art virtuelle Klassenzimmer-<br />
Atmosphäre erzeugen. Es soll dem Schüler ständig vor Augen gehalten werden,<br />
dass MatES kein Spiel ist, sondern ernste Arbeit.<br />
! <strong>Die</strong> Bewegungen am Bildschirm sollen den Schüler dazu veranlassen, sich auf das<br />
zu konzentrieren, was er selbst tut und was der Präsentator erklärt.
! <strong>Die</strong> Vortragenden sind Schüler. Manche Schüler nehmen eher Erklärungen von ihresgleichen<br />
an als von Erwachsenen.<br />
! <strong>Die</strong> Schüler eigneten sich schnell ein spezifisches Fachvokabular über Bruchrechnen<br />
an. Wenn ein unbekannter Ausdruck verwendet wurde, dann konnten sie Mat-<br />
ES bitten, diesen zu erklären.<br />
4.3 Höhere Motivation<br />
Jeder Lehrer weiß, wie angenehm es ist, in einer Klasse mit motivierten Schülern zu<br />
unterrichten. Fleißige Schüler haben gewöhnlich gute Noten, weil sie gewillt sind, mehr<br />
Zeit und Energie in das Lernen zu investieren. Jedoch sind nicht alle Schüler von Natur<br />
aus zum Lernen motiviert. Daher ist es auch die Pflicht eines Lehrers, die Schüler von<br />
der Wichtigkeit seines Unterrichtsstoffs zu überzeugen und sie zu motivieren.<br />
Generell kann die höhere Motivation der Schüler auf den Einsatz von MatES zurückgeführt<br />
werden, da weder Geometrie noch Bruchrechnen de facto motivierend für Schüler<br />
sind. Möglicherweise haben Schüler eine kleine Vorliebe für Geometrie, weil sie hier<br />
z.B. Hilfsmittel (Zirkel, Lineal usw.) benutzen können und Zeichnungen erstellen können.<br />
Das Bruchrechnen beschränkt sich aber rein auf Berechnungen. Trotzdem haben 20<br />
Schüler (90,9%) ausgesagt, dass das Arbeiten mit MatES ihnen Spaß gemacht hat. Wir<br />
hörten sogar Aussagen wie: „Damit [mit MatES] macht sogar Mathematik Spaß“. Hier<br />
sind einige Gründe, warum MatES die Motivation der Schüler erhöht:<br />
! Der Gebrauch von neuen Technologien ist allgemein motivierend für Schüler.<br />
! Alles, was sich vom normalen Unterricht unterscheidet, ist, zumindest am Anfang,<br />
motivierend. So haben zum Beispiel alle Unterrichtseinheiten in einem Computerraum<br />
stattgefunden und es wurde ein Computerprogramm im Mathematikunterricht<br />
eingesetzt, was alles ziemlich ungewöhnlich aus der Sicht des Schülers ist.<br />
! <strong>Die</strong> Erklärungen sind als multimediale Clips in einer attraktiveren Form dargestellt<br />
(siehe Abschnitt 4.2).<br />
! Der Schüler hat das Gefühl, dass er den Unterrichtsablauf selbst steuert. Es gibt<br />
keinen Lehrer, der ihm vorschreibt, was er als Nächstes tun soll.<br />
! Der Schüler ist ständig aktiv in seinem Lernprozess. Er kann ständig etwas tun und<br />
sich selbst, gezielt neues Wissen aneignen.<br />
! Im traditionellen Unterricht sind schwächere Schüler oft frustriert, weil sie sowieso<br />
nicht an die Leistungen der besseren Schüler herankommen. Das Arbeiten mit<br />
MatES erlaubt es aber jedem Schüler, in seinem eigenen Rhythmus und mit seinen<br />
Möglichkeiten zu arbeiten, ohne jemals verspottet zu werden.<br />
! Der Schüler kann diese Art von Unterricht als eine Art Abenteuer ansehen, in dem<br />
er die Rolle des Entdeckers spielt und neues Wissen erkundet.<br />
99
! Der Schüler versteht den Lernstoff besser (Abschnitt 4.2) und hat keinen Grund zu<br />
verzagen oder sogar aufzugeben. Im Gegenteil, er merkt, dass Mathematik eigentlich<br />
nicht so kompliziert ist und dass auch er das Ziel erreichen kann.<br />
4.4 Mehr Engagement<br />
In unserem Experiment mussten die Schüler wesentlich mehr arbeiten. <strong>Die</strong>ser größere<br />
Einsatz könnte die besseren Resultate erklären. Zuerst verbrachte jeder Schüler viel mehr<br />
Zeit mit Übungen, da es ja keine „theoretischen“ Unterrichtseinheiten gab. Somit hatte<br />
jeder mehr Zeit seine Schwächen herauszufinden, sein Wissen zu erweitern und es durch<br />
Übungen zu testen. Zweitens war es jedem klar, dass man ein gewisses theoretisches<br />
Grundwissen haben muss, um die Übungen zu lösen. Daher war im Interesse eines jeden,<br />
sich diese Theorie so schnell wie möglich anzueignen, um die Übungen zu lösen. Drittens<br />
wussten die Schüler, dass alle Übungen zu Hause fertig zu machen waren. Es war<br />
somit ein Vorteil für jeden, so viel wie möglich in der Schule zu erledigen, um weniger<br />
Hausaufgaben zu haben. Viertens hatten schwächere Schüler mehr Hausaufgaben, da sie<br />
in der Schule langsamer beim Lösen ihrer Übungen waren. <strong>Die</strong>se zusätzlichen Hausaufgaben<br />
und das somit notwenige Engagement könnten ihnen geholfen haben, sich zu<br />
verbessern.<br />
4.5 Eine andere Pädagogik<br />
Im klassischen Mathematikunterricht erhält der Schüler Informationen vom Lehrer, die<br />
er verstehen und behalten muss. Das Volumen an Informationen sowie die Geschwindigkeit<br />
mit welcher sie beim Schüler ankommen, könnte schwache Schüler überfordern<br />
[Wi01]. Des Weiteren ist die Unterrichtseinheit wenig effektiv, wenn Schüler nicht von<br />
der Wichtigkeit der Informationen und der Übung überzeugt sind.<br />
In unserem Experiment benutzen wir eine vollständig andere pädagogische Vorgehensweise,<br />
welche autonomes und exploratives Lernen fördert. Der Schüler ist aktiv in seinen<br />
Lernprozess eingebunden und kann diesen selbst steuern. Mit MatES erhält der Schüler<br />
nur dann Informationen, wenn er sich selbst darum bemüht. Somit steuert der Schüler<br />
seinen Lernprozess und entscheidet selbst, was er sich ansehen möchte, in welchem<br />
Rhythmus er arbeiten will, wie oft er sich die gleiche Information ansehen will usw. Der<br />
Schüler ist nicht vom Lehrer oder von anderen Mitschülern abhängig. Somit kann ein<br />
schwacher Schüler in seinem eigenen, für ihn angemessenen Rhythmus arbeiten. Jeder<br />
Schüler kann sich die gleichen Konzepte wie der Rest der Klasse aneignen. Stärkere<br />
Schüler können schneller vorankommen und anspruchsvollere Übungen machen. Sie<br />
brauchen nicht ruhig und inaktiv zu verweilen, während der Lehrer schwächeren Schülern<br />
etwas erklärt.<br />
Wir möchten aber auch anmerken, dass MatES das Auswendiglernen nicht fördert. Wir<br />
beobachteten, dass einige schwächere Schüler akzeptable Resultate in den vorherigen<br />
Schuljahren hatten, weil sie auswendig lernen konnten. Solche Schüler hatten schlechtere<br />
Resultate mit MatES. Auswendiglernen ist eine Strategie, die verschiedene Schüler<br />
anwenden, die jedoch im Vergleich zum „intelligenten Lernen“ nicht sehr effektiv ist.<br />
100
4.6 Schulresultate<br />
<strong>Die</strong> Daten aus unserem Experiment belegen, dass die Schüler, als sie MatES benutzten,<br />
bessere Schulresultate erzielten. Es kann jedoch nicht bewiesen werden, dass der Einsatz<br />
von MatES diese Leistungssteigerung als direkte Konsequenz nach sich zöge. Tatsache<br />
ist, dass das Arbeiten mit MatES für die Schüler wesentlich motivierender war als der<br />
Frontalunterricht, was wiederum eine positive Auswirkung auf das Lernen und das Verstehen<br />
hatte. Daher trägt MatES indirekt zur Steigerung der schulischen Leistung der<br />
Schüler bei.<br />
Eine offene Frage bleibt, wie lange der Einsatz von MatES die Schüler motivieren kann.<br />
Heutzutage verlieren Schüler schnell das Interesse, an dem was sie tun und an Dingen,<br />
die sie noch vor kurzem interessant fanden. Wenn auch die Schüler in unserem Experiment<br />
während 5 Wochen von MatES begeistert waren, so kann dieses Werkzeug nach<br />
weiteren 5 Wochen vielleicht genau so langweilig werden wie ein normales Schulbuch.<br />
Wir lernten, dass Schüler ein Computerprogramm nur dann richtig und erfolgreich einsetzen,<br />
wenn sie von dessen Vorteilen überzeugt sind und wenn sie es richtig bedienen<br />
können.<br />
Der Erfolg unseres Experiments ist auch teilweise auf die Tatsache zurückzuführen, dass<br />
die Schüler während des ganzen Ablaufs ständig betreut wurden, was eine Bedingung<br />
für den erfolgreichen Einsatz von Computerprogrammen im Unterricht ist [Ma03, Fi99,<br />
NSR99]. Somit reduzierte MatES keinesfalls das Arbeitsvolumen für den Lehrer. Es ist<br />
klar, dass Schüler mehr Betreuung beanspruchen und mehr Fragen stellen, wenn sie im<br />
Lernprozess aktiv werden. Weiterhin sind Lehrer im klassischen Unterricht in erster<br />
Linie verantwortlich für die Organisation und die Übermittlung von Lerninhalten. Ihre<br />
Pflicht verändert und erweitert sich jedoch schnell, wenn e-<strong>Learning</strong> Technologien eingesetzt<br />
werden. Lehrer erhalten dann zusätzliche Aufgaben wie z.B. die eines IT-<br />
Experten oder eines System-Administrators.<br />
<strong>Die</strong> Qualität der semantischen Suchmaschine ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg<br />
von MatES. Wir wissen, dass Schüler es generell verabscheuen, auf eine Anfrage viele<br />
Resultate zu bekommen, denn sie möchten normalerweise eine verständliche, eindeutige<br />
Antwort haben. Sie werden sich die Suchresultate nicht einmal alle ansehen [Fi99].<br />
Schüler haben klare Vorstellungen über das erwartete Suchresultat.<br />
5 Schlussfolgerung<br />
In dieser Arbeit zeigten wir, dass e-<strong>Learning</strong> die schulischen Leistungen verbessern<br />
kann. Mit unserem e-Bibliothekardienst MatES ist der Schüler aktiv in seinem Lernprozess<br />
und spielt die Rolle eines Entdeckers. Durch höhere Motivation ist der Schüler<br />
gewillt, mehr Zeit und Aufwand in das Lernen zu investieren. Weiterhin helfen die einfachen<br />
multimedialen Antworten von MatES, dem Schüler ein bestimmtes Thema besser<br />
zu verstehen, ohne Hilfe des Lehrers. <strong>Die</strong>s ist besonders hilfreich für schüchterne und<br />
schwache Schüler sowie für fremdsprachige Schüler, die sich nur schlecht ausdrücken<br />
101
können. Außerdem kann Grundwissen aus vergangenen Schuljahren mittels eines solchen<br />
Werkzeugs autonom wieder aufgefrischt werden.<br />
Unser e-Bibliothekarsystem kann in verschiedenen Situationen eingesetzt werden. In<br />
unserem Experiment benutzten wir MatES, um ein neues Thema auf eine autonome und<br />
explorative Weise einzuführen. Aber es kann auch in einem Blended <strong>Learning</strong> Aspekt<br />
eingesetzt werden, wo der Lehrer entscheidet, in welcher Unterrichtseinheit es am besten<br />
geeignet ist. Es kann auch beim Distance <strong>Learning</strong> verwendet werden, wo der Schüler<br />
(oder eine berufstätige Person) von zu Hause aus lernen kann. Ein weiterer interessanter<br />
Aspekt betrifft das kollaborative Lernen. Schüler können in Gruppen arbeiten, Informationen<br />
sammeln und diese später diskutieren.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Fi99] R. Fidel, R. et al. A visit to the information mall: Web searching behavior of high school<br />
students. Journal of the American Society for Information Science, 50(1):24-37, 1999.<br />
[LM07] S. Linckels and C. Meinel. Resolving Ambiguities in the Semantic Interpretation of<br />
Natural Language Questions, In Intelligent Data Engineering and Automated <strong>Learning</strong><br />
(IDEAL), LNCS 4224, 612-19, 2006.<br />
[Ma03] P. Martin. Web Intelligence, chapter Knowledge Representation, Sharing and Retrieval<br />
on the Web, pages 263{297. Springer-Verlag, Jan 2003.<br />
[MG90] R. E. Mayer and J. K. Gallini. When is an illustration worth ten thousand words? Journal<br />
of Educational Psychology, 82(4):715-726, Dec 1990.<br />
[NSR99] R. Navarro-Prieto, M. Scaife, and Y. Rogers. Cognitive strategies in web searching. In 5 .<br />
Conference on Human Factors & the Web, http://zing.ncsl.nist.gov/hfweb, 1999.<br />
[Ow97] R. D. Owston. The world wide web: A technology to enhance teaching and learning?<br />
Educational Researcher, 26(2):27-33, march 1997.<br />
[Wi01] W. M. Williams, F. Markle, R. J. Sternberg, and M. Brigockas. Educational Psychology.<br />
Allyn & Bacon, 2001.<br />
[Yo98] C. Youngblut. Educational uses of virtual reality technology. Technical Report IDA<br />
Document D-2128, Defense Advanced Research Projects Agency,<br />
http://www.hitl.washington.edu/scivw/youngblut-edvr/D2128.pdf, Jan 1998.<br />
102
Flexibilisierung der Lehr- und Lernszenarien von<br />
Business-Fallstudien durch CaseML<br />
Katharina Reinecke, Hülya Topcuoglu, Stefanie Hauske und Abraham Bernstein<br />
Institut für <strong>Informatik</strong>, <strong>Universität</strong> Zürich,<br />
Binzmühlestr. 14, CH-8050 Zürich, Schweiz<br />
{reinecke, topcu, hauske, bernstein}@ifi.uzh.ch<br />
Abstract: In diesem Paper wird eine Auszeichnungssprache für multimediale und<br />
modularisierte Fallstudien, die in der Wirtschaftsinformatik-Lehre eingesetzt werden,<br />
vorgestellt. Während die meisten Fallstudien für eine spezifische Lehr-Lernsituation<br />
geschrieben sind, sollen die Fallstudien, wie sie hier beschrieben werden, flexibel und<br />
modular für verschiedene Aufgabenstellungen und in unterschiedlichen Lehr-Lern-<br />
Szenarien einsetzbar sein. Hierfür ist eine flexible Darstellung der Fallstudien notwendig;<br />
sie kann durch die von uns entwickelte Auszeichnungssprache CaseML sichergestellt<br />
werden.<br />
1 Einleitung<br />
Lehren und Lernen mit Fallstudien ist eine effiziente Methode, um höhere Lernziele, wie<br />
effiziente Problemlösung und Entscheidungsfindung, zu erreichen. Werden Fallstudien<br />
multimedial und modular strukturiert in einer E-<strong>Learning</strong>-Umgebung angeboten, erhalten<br />
Lernende darüber hinaus auch eine wirklichkeitsgetreuere Darstellung des Wirtschaftsumfelds,<br />
etwa durch Videoeinspielungen oder Simulationen. Zudem kann die Anzahl von<br />
Lehr- und Lernszenarien durch die multiple und flexible Verwendung des Fallstudienmaterials<br />
gesteigert werden.<br />
Im Rahmen des CasIS-Projekts1 sind in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen<br />
vier reale Fallstudien nach der Harvard-Business-School-Methode [Ro01] entstanden. Im<br />
Vorfeld der Fallstudienerstellung wurden Anforderungen an die Fallstudien zusammengestellt,<br />
die sich einerseits aus den Projektzielen (s.u.) ergaben und die andererseits der<br />
Forderung aller Projektpartner nach einer möglichst flexiblen und modularisierten Verwendung<br />
der Fallstudien Rechnung tragen sollten. Insgesamt wurden folgende sechs Anforderungen<br />
an die Fallstudien formuliert:<br />
• Unterschiedliche Sichten auf die Fallstudie für Lehrende und Lernende<br />
• Flexible Verwendung der Fallstudien in zahlreichen Lehr- und Lernszenarien<br />
1 ”Cases in Information Systems”, ein Projekt des Swiss Virtual Campus<br />
103
• Unterstützung unterschiedlicher Aufgabenstellungen<br />
• Wirklichkeitsgetreue Fallstudien durch die Verwendung von Multimedia<br />
• Unterschiedliche Ausgabeformate<br />
• Plattformunabhängigkeit<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung dieser Anforderungen erfolgte mit Hilfe einer Auszeichnungssprache. CaseML<br />
ist der erste Versuch, eine Fallstudie strukturiert zu beschreiben und deren Inhalt<br />
zugleich zu modularisieren. Fallstudieninhalte können so für verschiedene Aufgabenstellungen<br />
adaptiert oder in unterschiedlichen Lehr- und Lernszenarien eingesetzt werden. <strong>Die</strong><br />
Auszeichnungssprache CaseML erlaubt dadurch einen vielfältigen Einsatz von Fallstudien<br />
und ist gleichzeitig offen für die Erweiterung durch weitere Anforderungen, wie etwa dem<br />
Hinzufügen von Adaptivität.<br />
Das Paper ist folgendermassen aufgebaut: Nach einem kurzen Überblick über das Projekt<br />
CasIS beschreiben wir die grundlegenden Anforderungen, die oben bereits kurz aufgelistet<br />
sind, im Detail. Danach untersuchen wir bestehende Auszeichnungssprachen hinsichtlich<br />
ihrer Relevanz für unser Projekt. <strong>Die</strong> Auszeichnungssprache CaseML wird im Hauptteil<br />
des Papers vorgestellt. Hier konzentrieren wir uns darauf, zu beschreiben, wie in CaseML<br />
die Projektanforderungen berücksichtigt und umgesetzt worden sind. Der Hauptteil endet<br />
mit der Diskussion der Vorteile von CaseML. Das Paper schliesst mit einer Zusammenfassung<br />
und einem Ausblick auf zukünftige Arbeitsschritte.<br />
2 Projektübersicht und -anforderungen<br />
Unser E-<strong>Learning</strong>-Projekt CasIS ist ein Verbundprojekt von vier Schweizer Hochschulen<br />
und wird im Rahmen des Virtuellen Campus Schweiz von Januar 2006 bis Dezember 2007<br />
gefördert. Während der zweijährigen Projektlaufzeit werden in unserem Projekt E-<strong>Learning</strong>-Module<br />
speziell für den Fallstudienunterricht entwickelt, die anschliessend von allen<br />
Projektpartnern in ihren Lehrveranstaltungen zur Wirtschaftsinformatik auf Bachelor- und<br />
Masterstufe langfristig eingesetzt werden.<br />
<strong>Die</strong> Adressierung einer sehr heterogenen Zielgruppe, wie sie Studierende in Rasterprogrammen<br />
im Allgemeinen darstellen, und die Erreichung höherer Lehr- und Lernziele bilden<br />
dabei die übergeordneten Projektziele.<br />
<strong>Die</strong> Heterogenität der Zielgruppe wird durch die vorhergehende akademische Ausbildung<br />
und die Berufserfahrung bestimmt, welche in ein breit variierendes Vorwissen und ein<br />
weites Spektrum unterschiedlicher Kompetenzen münden.<br />
In Lehrveranstaltungen der Wirtschaftsinformatik auf Masterebene sollen im Regelfall<br />
höhere Lehr- und Lernziele wie etwa die Anwendung von Wissen oder die Analyse und<br />
Bewertung von Daten und Informationen erreicht werden. Fallstudien (Case Studies) sind<br />
hier eine sehr geeignete Methode, mit deren Hilfe in erster Linie das Lösen von Problemen<br />
und das Fällen von Entscheidungen eingeübt werden. Bei Fallstudien, die sich auf<br />
104
wirkliche Ereignisse in Unternehmen beziehen – so genannte real case studies“ – werden<br />
”<br />
Lernende in die Position eines Problemlösers oder Entscheiders versetzt und können so<br />
den Umgang mit komplexen Problemen und das Treffen wohlfundierter Entscheidungen<br />
besonders wirklichkeitsnah trainieren.<br />
<strong>Die</strong> im Rahmen des Projekts entstehenden Produkte werden multimedial, insbesondere mit<br />
Videos und Simulationen, aufbereitet und online präsentiert. So sind sie wirklichkeitsnäher<br />
und somit für den Lernenden attraktiver und motivierender.<br />
Insgesamt umfasst das Projekt folgende vier E-<strong>Learning</strong>-Komponenten, die insbesondere<br />
den heterogenen Wissensstand der Zielgruppe berücksichtigen:<br />
• Online-Einstiegstest: Mit Hilfe eines online verfügbaren Einstiegstest können Lernende<br />
einschätzen, ob ihr Wissen über grundlegende Fakten, Methoden und Modelle<br />
(deklaratives Wissen) ausreicht, um die Fallstudien erfolgreich zu bearbeiten oder<br />
ob Wissenslücken bestehen. Darüber hinaus erhalten die Lernenden Hinweise auf<br />
verfügbare und relevante Lernmaterialien.<br />
• Online-Vorbereitungsmodule: Lernende können fehlendes deklaratives Wissen durch<br />
die Bearbeitung der Online-Vorbereitungsmodule erwerben. <strong>Die</strong>se Module sind als<br />
multimediale Selbstlernmodule verfügbar und decken ein breites Spektrum an wirtschaftsinformatikrelevanten<br />
Themen ab.<br />
• Toolbox: <strong>Die</strong> Toolbox umfasst eine Sammlung relevanter Methoden und Werkzeuge<br />
zu Themen wie Analyse und Problemlösung, welche Lernende für die Bearbeitung<br />
einer Fallstudie benötigen.<br />
• Reale Fallstudien: <strong>Die</strong> notwendigen Daten und Informationen eines spezifischen<br />
Falls werden dem Lernenden in Form einer multimedialen Online-Fallstudie präsentiert.<br />
Vier Fallstudien sind in Zusammenarbeit mit Unternehmen zu aktuellen Themen<br />
der Wirtschaftsinformatik entstanden.<br />
Basierend auf den Ergebnissen des Online-Einstiegstest, erhält der Lernende einen Vorschlag,<br />
wie er seinen Lernpfad durch die Online-Vorbereitungsmodule gestalten kann. <strong>Die</strong><br />
Bearbeitung der Online-Vorbereitungsmodule soll sicherstellen, dass der Lernende über<br />
das notwendige Wissen verfügt und dass alle Lernenden über einen ähnlichen Wissensstand<br />
verfügen. <strong>Die</strong> eigentliche Fallstudienarbeit basiert auf den realen Fallstudienmodulen<br />
und wird durch die Toolbox ergänzt.<br />
2.1 Anforderungen an den Einsatz von Fallstudien<br />
Im Nachfolgenden werden die Anforderungen an den Einsatz von Fallstudien beschrieben,<br />
die sich aus den Zielen des E-<strong>Learning</strong>-Projekts ableiten lassen. Wie bereits zuvor<br />
beschrieben, geht es hierbei vor allem darum, höhere Lernziele zu erreichen und Fallstudien<br />
flexibel und modularisiert einsetzen zu können.<br />
Harvard-Business-Fallstudien: Eine Harvard-Business-Fallstudie ist die Veranschaulichung<br />
einer realen Wirtschaftssituation. Der Fall beschreibt eine Person in einer Orga-<br />
105
nisation, die in eine Entscheidung, ein Problem oder eine Aufgabe involviert ist. Durch<br />
den Einsatz von Fallstudien in der Lehre sollen Lernende die Rolle des Entscheidungsträgers<br />
einnehmen und ihr Wissen anwenden sowie Daten und Informationen analysieren<br />
oder evaluieren. <strong>Die</strong>se Ziele führten zu der Entscheidung für die Entwicklung von<br />
fachgebundenen und entscheidungsorientierten Fallstudien nach dem Harvard-Business-<br />
Fallstudienstandard.<br />
Verschiedene Sichten für Lehrende und Lernende: In herkömmlichen Lernumgebungen<br />
haben Lehrende meist Zugriff auf zusätzliche Materialien, die ihnen als Lehrhilfen<br />
dienen. Analog hierzu erfordert die webbasierte Arbeit mit Fallstudien zwei getrennte<br />
Sichten für den Bereich des Lernenden auf der einen Seite, und für ergänzende Informationen<br />
und Lehrnotizen für den Lehrenden auf der anderen. Eine wichtige Anforderung<br />
an die Abbildung von Fallstudien ist daher, dass den Lehrenden der frei wählbare Zugriff<br />
auf alle Materialien gewährt wird. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass Lernende<br />
auf diese Lehrnotizen und -materialien nicht zugreifen können.<br />
Unterstützung verschiedener Aufgabenstellungen: Eine einzige Fallstudie soll verschiedene<br />
Aufgabenstellungen umfassen, welche in den meisten Fällen nur bestimmte<br />
Teile der Fallstudie für eine erfolgreiche Bearbeitung voraussetzen. Einige Textteile oder<br />
Multimedia-Elemente können dagegen für die jeweilige Aufgabe nicht relevant und folglich<br />
überflüssig sein. Sollen für eine Fallstudie verschiedene Aufgaben zur Verfügung<br />
stehen, müssen daher der jeweiligen Aufgabe die relevanten Teile zugewiesen werden<br />
können. Nach Auswahl einer bestimmten Aufgabe muss zudem sichergestellt sein, dass<br />
lediglich die dazugehörigen Teile der Fallstudie für den Lernenden sichtbar sind.<br />
Flexible Lehr- und Lernszenarien: Fallstudien sollen in verschiedenster Weise eingesetzt<br />
werden, wie zum Beispiel in einer 90-minütigen Vorlesung oder über einen Zeitraum<br />
von vier Wochen. <strong>Die</strong> Abbildung der Fallstudie muss daher eine hohe Anpassungsfähigkeit<br />
aufweisen und den Vorlieben des Lehrenden gerecht werden.<br />
Steigerung der Realität: Fallstudien leben von einer möglichst realen Beschreibung<br />
eines Falls. Deshalb ist eines unserer Projektziele die Entwicklung von webbasierten multimedialen<br />
Fallstudien, in denen zum Beispiel ein Video den Manager einer Organisation<br />
bei der Erklärung des Wirtschaftsproblems präsentiert oder ein Diagramm Datensätze visualisiert.<br />
Verschiedene Ausgabeformate: Das Ziel des Projektes ist die Darstellung der Fallstudien<br />
in einer webbasierten Lernumgebung, welche eine einfache Verknüpfung sämtlicher<br />
im Projekt entwickelter Produkte, neben den Fallstudien also Eingangstest, Vorbereitungsmodule<br />
und Toolbox, in einfacher Weise erlaubt. In vorherigen E-<strong>Learning</strong>-Projekten wurde<br />
jedoch die Erfahrung gemacht, dass Lernende die Möglichkeit einer Druckversion sehr<br />
schätzen. Neben der webbasierten Lernumgebung soll daher auch eine textbasierte Offline-<br />
Version zur Verfügung gestellt werden.<br />
Plattformunabhängigkeit: Im Rahmen des Projekts werden von den Projektpartnern<br />
verschiedene <strong>Learning</strong>-Management-Systeme (LMS) eingesetzt, wie zum Beispiel OLAT,<br />
WebCT Vista oder Moodle. Daher müssen alle Fallstudien unabhängig von einer speziellen<br />
E-<strong>Learning</strong>-Plattform erstellt werden, so dass ihre Wiederverwendbarkeit gesichert ist.<br />
106
3 Relevante Forschungsergebnisse<br />
Da die Realisierungsmöglichkeiten durch die Komplexität und Vielfalt der Anforderungen<br />
stark eingeschränkt wurde, ist die Evaluation relevanter Forschung auf existierende Auszeichnungssprachen<br />
beschränkt worden. Eine Auszeichnungssprache kann entweder sehr<br />
allgemein sein und damit domänenspezifisches Wissen zu Gunsten eines grösseren Anwendungsbereiches<br />
auslassen oder sie kann sehr spezifisch und nur in einem begrenzten<br />
Bereich einsetzbar sein.<br />
<strong>Die</strong> hier dargestellte Arbeit greift zum Teil auf XML-Entwicklungen im E-<strong>Learning</strong>-Bereich<br />
zurück. Hierbei ist vor allem zu erwähnen, dass CaseML auf der Auszeichnungssprache<br />
eLML (eLesson Markup Language) für deklaratives Wissen basiert. <strong>Die</strong> Abbildung<br />
von Fallstudien in eLML ist allerdings durch die streng vorbestimmte Struktur von<br />
eLML sehr begrenzt [HNH05]. Weitere Einschränkungen, wie die nicht realisierbare Inhaltsmodularisierung<br />
oder das Fehlen von Domänenwissen, führten zu der Entscheidung,<br />
dass eLML den Anforderungen für den Einsatz von Fallstudien nicht gerecht werden kann.<br />
Eine weitere mögliche Auszeichnungssprache ist die von Stübing [St03] für die Abbildung<br />
von IT-Fallstudien, die es erlaubt, vorhandene Lernressourcen zu referenzieren und damit<br />
in den Lernprozess einzubinden. <strong>Die</strong> vorgeschriebene hierarchische Strukturierung des<br />
Inhalts erlaubt jedoch keine flexible und modular aufgebaute Abbildung von Fallstudien.<br />
Neben Anregungen zur Umsetzung von beiden Ansätzen, haben wir speziell den strukturellen<br />
Aufbau der Präsentationselemente, wie zum Beispiel Tabellen und Listen, von<br />
eLML übernehmen können.<br />
4 CaseML<br />
Der Entwicklungsprozess der Auszeichnungssprache CaseML umfasste nicht nur eine erste<br />
Analyse der Anforderungen und die Überprüfung der Eignung bestehender Auszeichnungssprachen,<br />
sondern auch eine sorgfältige Prüfung der Implementationsmöglichkeiten.<br />
Im Folgenden wird daher auf die Umsetzung der Anforderungen in CaseML eingegangen.<br />
Anschliessend wird der Prozess der Fallstudiengenerierung von der Erstellung bis hin zur<br />
Transformation beschrieben, bevor die Vorteile von CaseML zusammengefasst werden.<br />
4.1 Anforderungen und ihre Umsetzung in CaseML<br />
Nachfolgend wird die von den generellen Anforderungen an Fallstudien abgeleitete Umsetzung<br />
in CaseML beschrieben.<br />
Harvard-Business-Fallstudien: Für die Entwicklung unserer Fallstudien haben wir die<br />
Vorgehensweise von Leenders et al. [ELM01] gewählt. Sie schlagen vor, den Fallstudientext<br />
wie einen auf der Spitze stehenden Kegel zu strukturieren, was einem Fokussierungsprozess<br />
entspricht. Gemäß diesem Framework sollte eine Fallstudie immer mit der Einleitung<br />
beginnen, gefolgt vom Firmenhintergrund, dem Wirkungsbereich, der Problem-<br />
107
stellung oder Entscheidung, sowie den Alternativen und sollte mit einer Zusammenfassung<br />
enden. <strong>Die</strong> Fallstudie wird durch Anhänge und Appendizes, die weitere Materialien,<br />
die die Lernenden für die Bearbeitung der Fallstudie benötigen, und einem Glossar vervollständigt.<br />
CaseML ist, wie in Abbildung 1 dargestellt, gemäss diesem Framework strukturiert. Vom<br />
Wurzelelement caseStudy“ wird das Schema in die Elemente case“, welches den Text<br />
” ”<br />
der Fallstudie repräsentiert und das Framework realisiert, teachingNotes“, welches dem<br />
”<br />
Dozenten Informationen zur Vorbereitung seines Unterrichts bereitstellt, und task“, das<br />
”<br />
verschiedene Aufgaben für die Lernenden enthält, unterteilt.<br />
Das Element case“ besteht aus einer Abfolge der Elemente introduction“, mainPart“,<br />
” ” ”<br />
” conclusion“, ” exhibits“, ” appendixes“, ” glossary“, ” endnotes“ und ” metadata“.<br />
Abbildung 1: Ausschnitt aus der graphischen Darstellung des XML-Schemas, das die oberen<br />
Ebenen von CaseML zeigt<br />
Das Element introduction“ präsentiert eine Zusammenfassung des Sachverhalts, identi-<br />
”<br />
fiziert Namen und Ort der Organisation und bietet zum Beispiel Informationen über den<br />
Entscheidungsträger, das Problem oder den Zeitrahmen. Um all diese Informationen erfassen<br />
zu können, bietet CaseML optionale Elemente, welche dem Fallstudienautor dabei<br />
helfen, diese Informationen zu berücksichtigen. Das Beispiel 2 zeigt, wie eine Einleitung<br />
in CaseML geschrieben werden kann.<br />
Der Hauptteil der Fallstudie wird durch das Element mainPart“ abgebildet, welches un-<br />
”<br />
ter anderem die Elemente companyBackground“, specificArea“, specificProblem“ und<br />
” ” ”<br />
” alternatives“ enthält, um die Informationen über den Organisationshintergrund und dessen<br />
Industrie, den Bereich, in dem der Entscheidungsträger arbeitet, das zu behandelnde<br />
108
Problem oder die Entscheidung und ihre mögliche Alternativen, abzubilden. Zusätzlich<br />
stellt das Schema weitere semantische Elemente, wie zum Beispiel organizationHistory“,<br />
”<br />
” industry“, ” majorProduct“, ” staffing“ oder requirement“, bereit.<br />
”<br />
Das Element conclusion“ bringt den Leser wieder zurück zur Einleitung und greift die<br />
”<br />
Fristen auf, die durch den Fall vorgegeben sind. Deshalb können innerhalb dieses Elements<br />
andere Elemente, wie zum Beispiel deadline“, nextMeeting“ oder customerExpectati-<br />
” ” ”<br />
ons“, benutzt werden.<br />
Abbildung 2: Ausschnitt eines CaseML-Dokuments<br />
Verschiedene Sichten für Lehrende und Lernende: <strong>Die</strong> zwei verschiedenen Sichten<br />
für Lehrende und Lernende sind in der obersten Ebene der CaseML-Hierarchie verankert.<br />
Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, wurde das Wurzelelement caseStudy“ in drei zusätzliche<br />
”<br />
Elemente case“, teachingNotes“ und tasks“ unterteilt. Dementsprechend präsentiert die<br />
” ” ”<br />
erste Ebene sowohl die Perspektive der Lehrenden als auch die der Lernenden: Der Inhalt<br />
des Elements case“ ist für beide sichtbar, während das optionale Element teachingNotes“<br />
” ”<br />
nur Informationen für Lehrende enthält.<br />
Unterstützung verschiedener Aufgabenstellungen: Eine weitere Anforderung an die<br />
Auszeichnungssprache ist die passende Inhaltsdarstellung für verschiedene Aufgaben. <strong>Die</strong>sbezüglich<br />
konnte nur die Modularisierung des Inhalts in Betracht gezogen werden, um<br />
Raum für inhaltliche Anpassungen zu schaffen. Wie zuvor beschrieben, wurde jedem<br />
Modul ein Element task“ und ein Element content“ zugewiesen. Das Aufgabenelement<br />
” ”<br />
” task“ ist dabei vom Typ Integer und kann beliebig oft eingesetzt werden. Eine Restriktion<br />
wird lediglich dadurch vorgegeben, dass jedem Modul mindestens eine Aufgabe, also<br />
ein task“-Element, zugewiesen werden muss. Ein Beispielmodul der XML-Datei würde<br />
”<br />
demnach zusammengesetzt sein, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.<br />
Nach diesem Ausschnitt gehört der Modulinhalt sowie alle untergeordneten Elemente,<br />
wie zum Beispiel paragraph“, zu Aufgabe 1 und Aufgabe 2. <strong>Die</strong> Verbindung zu der zu-<br />
”<br />
gehörigen Aufgabe, die in dem Element task“ definiert wurde, konnte durch eine Attri-<br />
”<br />
109
utsdefinition hergestellt werden. Entsprechend enthält tasks“ die Attribute title“ und<br />
” ”<br />
” taskID“.<br />
Flexible Lehr- und Lernszenarien: Durch die Modularisierung ist eine Anpassung der<br />
Fallstudie an eine beliebige Zeitspanne innerhalb verschiedener Lehr- und Lernszenarien<br />
möglich. Hierfür dient das Element module“, welches die Angabe zugehöriger Aufga-<br />
”<br />
ben und den entsprechenden Inhalt des Moduls bedingt. Der Inhalt kann aus Textparagraphen<br />
oder Multimedia-Elementen zusammengesetzt sein, die zudem von Listen, Tabellen<br />
oder anderen Darstellungsumgebungen umfasst werden können. Der Umfang der<br />
Fallstudie kann durch den Lehrenden beeinflusst werden, indem dieser eine bestimmte<br />
Aufgabe auswählt, die die Darstellung der zugehörigen Module auslöst. Weiterhin bietet<br />
CaseML die Option, semantische Elemente innerhalb des Elements teachingNotes“ zu<br />
”<br />
spezifizieren. So können beispielsweise mit Hilfe des semantischen Elements timePlan“<br />
”<br />
Vorschläge zum Einsatz der Fallstudie hinsichtlich verschiedener Lehr- und Lernszenarien<br />
gemacht werden. Dadurch werden sowohl dem Autor, der die Informationen innerhalb des<br />
Elements teachingNotes“ definiert, als auch dem Lehrenden vielfältige Möglichkeiten<br />
”<br />
gegeben, den Umfang der Fallstudie festzulegen.<br />
Steigerung der Realität: Eines der Hauptziele dieses Projekts ist die Entwicklung<br />
von webbasierten Fallstudien, die mit multimedialen Materialien angereichert sind. Mit<br />
dem Element multimedia“ stellt CaseML eine einfache Integrationsmöglichkeit für Vi-<br />
”<br />
deoclips, Flash-Animationen, Java Applets und Bilder bereit. Weiterhin ist es möglich,<br />
XML-Standards, wie zum Beispiel mathML, SVG oder x3d, mit Hilfe dieses Elements<br />
einzubinden.<br />
Verschiedene Ausgabeformate: Jede Fallstudie wird in einem einzelnen XML-Dokument<br />
gespeichert und kann in verschiedene Ausgabeformate umgewandelt werden. Hierfür<br />
wurden die Stylesheets zur Transformation der Fallstudien in HTML für die Online-Version<br />
und in LaTeX für die Druckversion implementiert. <strong>Die</strong> Umwandlung in das jeweilige Ausgabeformat<br />
erfolgt folgendermassen:<br />
110<br />
• Online-Version: Das Stylesheet für die Online-Transformation erzeugt XHTML-<br />
Code. Dem Prinzip der Trennung von Inhalt und Darstellung folgend, werden alle<br />
Layout- und Style-Definitionen in einer separaten CSS (Cascading Style Sheet)-<br />
Datei definiert. Daher kann das Aussehen der generierten HTML-Seiten sehr einfach<br />
durch die Anpassung der entsprechenden Definitionen in der CSS-Datei geändert<br />
werden. Der Screenshot in Abbildung 3 zeigt das Resultat der Online-Transformation<br />
einer Fallstudie.<br />
• Druckversion: Das Stylesheet für die Druckversion erzeugt LaTeX-Code, welcher<br />
mit Hilfe der LaTeX-Distribution in ein PDF-Dokument umgewandelt werden kann.<br />
Eine andere Möglichkeit, ein PDF zu erzeugen, wäre der Einsatz von XSL-FO<br />
(XSL-Formatting Objects) gewesen. Da sich nicht alle Projektpartner mit XML und<br />
dessen Transformationstechniken auskennen, wurde die Entscheidung für LaTeX<br />
getroffen. Man kann jedoch mit Hilfe der generierte LaTeX-Datei relativ einfach individuelle<br />
Änderungen an der Fallstudie vor der Umwandlung in PDF vornehmen,<br />
wie zum Beispiel die Angabe des entsprechenden Kurses und des Dozenten auf der<br />
Titelseite.
Abbildung 3: Eine Fallstudie in der Online-Version<br />
Plattformunabhängigkeit: <strong>Die</strong> Bedeutung der Plattformunabhängigkeit wurde bereits<br />
in den Anforderungen hervorgehoben, um den Einsatz der Fallstudien in verschiedenen<br />
Lernplattformen zu gewährleisten. Heutzutage unterstützen die meisten Lernplattformen<br />
Standards wie IMS Content Packaging [IMS04] und Sharable Content Object Reference<br />
Model [SCO04] zum Import von Online-Materalien in die Lernplattform. Aus diesem<br />
Grund wurden Verpackungsskripte implementiert, die CaseML-Fallstudien in die Online-<br />
Version für beide Standards transformieren.<br />
4.2 CaseML im praktischen Einsatz<br />
<strong>Die</strong> im vorherigen Abschnitt vorgestellte Umsetzung der Anforderungen in CaseML ermöglicht<br />
eine nahtlose Generierung der Fallstudien von der schriftlichen Version bis hin<br />
zum Online-Einsatz. Getestet wurde dies bereits an vier verschiedenen Fallstudien, die<br />
im Projekt geschrieben wurden. Besonders deutlich wurde hierbei, dass sich die verschiedenen<br />
Autoren zwar an der Struktur einer Harvard-Business-Fallstudie orientierten, diese<br />
aber an das von ihnen gewünschte Lehr- und Lernszenario anpassten. Dadurch entstanden<br />
deutlich abweichende Strukturen: <strong>Die</strong> Fallstudie über die Einführung eines Intranets bei<br />
den Leipziger Verkehrsbetrieben führt den Lerner beispielsweise von dem Problem über<br />
verschiedene Lösungsideen bis hin zur Umsetzung einer gewählten Strategie. Im Schlusskapitel<br />
bekommt der Lernende zusätzlich einen Überblick über Benutzererfahrungen nach<br />
der Einführung. In einer weiteren Fallstudie über die Umstellung des Wertschriftenabwicklungssystems<br />
bei der Zürcher Kantonalbank werden dem Lernenden dagegen lediglich<br />
das Problem, die Strategiekriterien und verschiedene Offerten genannt; die Lösung<br />
des Problems durch Auswahl einer geeigneten Offerte anhand der Strategiekriterien wird<br />
111
ewusst offen gelassen und bietet Raum für zahlreiche Aufgabenstellungen. Beide Fallstudien<br />
gleichen sich also insofern, dass sie Firmenhintergrund, Probleme und Strategien<br />
aufführen, wie es die Struktur von Harvard-Business-Fallstudien vorsieht. Das Ende der<br />
Fallstudien unterscheidet sich jedoch gravierend, ebenso wie die Lehr- und Lernstrategien,<br />
die damit verfolgt werden.<br />
Unsere Erfahrungen bei der Umsetzung der Fallstudien in CaseML hat gezeigt, dass die<br />
Auszeichnungssprache diese Unterschiede problemlos abbilden kann. Alle vier Fallstudien<br />
werden in sehr unterschiedlichen Lehr- und Lernszenarien eingesetzt, wobei sogar<br />
eine einzelne Fallstudie mit Hilfe der Modularisierungsmöglichkeit in CaseML über einen<br />
kürzeren oder längeren Zeitraum angewendet werden kann. Hierfür musste für jedes Modul<br />
in der XML-Datei eine Aufgabenzugehörigkeit angegeben werden. <strong>Die</strong> flexible Struktur<br />
von CaseML erlaubte dabei eine einfache und schnelle Umsetzung in die verschiedenen<br />
” tags“. Textteile und Multimedia wurden mit semantischer Information annotiert, um ein<br />
späteres Suchen nach bestimmten Kriterien zu ermöglichen. Zwei verschiedene Stylesheets<br />
erlaubten anschliessend eine automatische, den Aufgaben angepasste Transformation<br />
in das LaTeX-Format zur weiteren Umwandlung in eine PDF-Datei und in HTML-<br />
Seiten, die später automatisch in Content Packages verpackt wurden. <strong>Die</strong>se ermöglichten<br />
anschliessend eine Online-Version der Fallstudie: Für jede in der XML-Datei definierten<br />
Aufgabe wurde automatisch jeweils eine Version für den Lehrenden und eine für<br />
den Studierenden generiert. <strong>Die</strong> verschiedenen Content Packages wurden anschliessend<br />
manuell ausgewählt und in der Lernplattform OLAT2 eingesetzt. Zusätzlich wird gerade<br />
an einem in verschiedene Lernplattformen integrierbaren Fallstudien-Portal gearbeitet,<br />
dass durch Auswahl der gewünschten Aufgabe automatisch eine Lehrenden- oder eine<br />
Studierenden-Version, je nach Identifikation durch die jeweilige Lernplattform, lädt. Hier<br />
wird schliesslich der Projekt-Prozess im vollen Umfang abgebildet werden können: Das<br />
Portal ermöglicht die Verbindung von Eingangstest, Vorbereitungsmodulen, Fallstudien<br />
und der Toolbox und bietet eine Führungshilfe für die Bearbeitung von Fallstudien.<br />
4.3 <strong>Die</strong> Vorteile von CaseML im Überblick<br />
Wie unser Einsatz von CaseML gezeigt hat, unterscheidet sich die Auszeichnungssprache<br />
besonders durch die Möglichkeit der flexiblen Inhaltsmodularisierung von bereits implementierten<br />
Auszeichnungssprachen. <strong>Die</strong> Fallstudie kann durch das Zuweisen verschiedener<br />
Module zu den dazugehörigen Aufgaben (siehe Anforderung 4) individuell angepasst<br />
werden, so dass dem Lernenden nur relevante Teile präsentiert werden. Durch diese Anpassungen<br />
kann daher der Umfang einer Fallstudie erheblich reduziert werden. Es kann<br />
von verschiedensten Lehrszenarien Gebrauch gemacht und der Schwierigkeitsgrad an die<br />
Lernenden angepasst werden, indem nur relevante Informationen angezeigt werden oder<br />
aber dem Lernenden die Auswahl der Relevanz selbst überlassen wird. <strong>Die</strong>s bedeutet auch,<br />
dass ein und dieselbe Fallstudie sowohl in einer einzigen Lehrstunde als auch über einen<br />
Zeitraum von vier Wochen eingesetzt werden kann. Vorschläge und Anregungen für verschiedene<br />
Formen des Einsatzes findet der Lehrende in den Teaching Notes, die eine mit<br />
dem Inhalt der Fallstudie verbundene Einheit bilden.<br />
2 http://www.olat.unizh.ch<br />
112
Ein hilfreicher Vorteil von CaseML ist weiterhin das Domänenwissen, das eine Erweiterung<br />
der Funktionalität erlaubt. So ist es zum Beispiel möglich, semantische Informationen<br />
auszulesen und das Vorkommen eines bestimmten Details in der gesamten Fallstudie<br />
aufzulisten. Zusätzlich geben die fakultativ einsetzbaren semantischen Informationen<br />
Aufschluss über den Inhalt einer Fallstudie. Dem Autor bieten sich also flexible Anpassungsmöglichkeiten<br />
des Fallstudieninhalts für verschiedene Anforderungen und Szenarien;<br />
trotzdem gewährleistet CaseML eine Art Gliederungsanleitung, die sich an der Struktur<br />
einer Harvard-Business-Fallstudie orientiert.<br />
Aus technischer Sicht betrachtet bietet CaseML durch die Transformationsmöglichkeit in<br />
verschiedene Ausgabeformate, wie zum Beispiel HTML, Latex und PDF, einen weiteren<br />
Vorteil für den modifizierbaren Einsatz von Fallstudien. Zusätzlich wird der Export in<br />
jedes LMS-unterstütztendes Content Package gewährleistet, was der Sprache das Potenzial<br />
gibt, an zahlreichen Schulen und <strong>Universität</strong>en in der jeweils gewohnten Lernumgebung<br />
eingesetzt zu werden.<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Nach einer kurzen Einführung in unser E-<strong>Learning</strong>-Projekt, wurde in diesem Paper speziell<br />
auf die Projektanforderungen an den Einsatz von webbasierten Fallstudien eingegangen.<br />
Durch die besondere Eignung von XML für die Erfüllung dieser Anforderungen,<br />
wurden anschliessend verschiedene XML-Entwicklungen im Bereich des E-<strong>Learning</strong> mit<br />
ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt. Deren Nachteile, wie die streng vorgegebene Struktur<br />
und eine nur geringe Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lehr- und Lernszenarien für<br />
bestimmte Anwendungsgebiete, führten zu der Entwicklung der Auszeichnungssprache<br />
CaseML, die daraufhin vorgestellt wurde. <strong>Die</strong> hochflexible Sprache wurde speziell nach<br />
den aufgeführten Anforderungen entwickelt und bietet unter anderem die Möglichkeit der<br />
Inhaltsmodularisierung zur Unterstützung verschiedener Aufgabenstellungen einer Fallstudie,<br />
sowie das Potenzial, semantische Elemente mit Domänenwissen zu annotieren.<br />
Weiterhin können mit CaseML beschriebene Fallstudien in verschiedene Ausgabeformate<br />
transformiert werden, um den Einsatz in verschiedensten Lernplattformen zu ermöglichen.<br />
Der Vorteil des Domänenwissens ist gleichzeitig eine unvermeidbare Einschränkung von<br />
CaseML, da sich die semantischen Tags insbesondere auf Business-Fallstudien beziehen.<br />
Soll eine Fallstudie ausserhalb dieses Bereichs geschrieben werden, können die optionalen<br />
Elemente jedoch weggelassen oder nur eine passende Teilmenge eingesetzt werden.<br />
Im Rahmen der Entwicklung eines webbasierten Fallstudienportals, welches sowohl in<br />
verschiedene Lernumgebungen integriert, als auch als externe Applikation einsetzbar sein<br />
wird, arbeiten wir im Moment auch an der Implementierung der Auslesefunktionalitäten<br />
für die semantischen Informationen. Ein mögliches Szenario ist hierbei, dass Lernende<br />
nach allen Vorkommnissen eines bestimmten Details suchen können, zum Beispiel um Informationen<br />
über Geschäftseinheiten oder über die strategische Zielsetzung der beschriebenen<br />
Firma zu bekommen. Eine nächste Erweiterung von CaseML wird ausserdem die<br />
Beschreibung von Methoden und Werkzeugen für die Toolbox sein. <strong>Die</strong> mit Hilfe von<br />
113
CaseML generierten Fallstudien werden erstmals im Sommersemester 2007 von Projektteilnehmern<br />
in verschiedenen Lernplattformen eingesetzt.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[IMS04] IMS. Content Packaging Specification, 2004. http://www.imsglobal.org/content/packaging<br />
[HNH05] B. Hebel, M. Niederhuber, H. Heinimann. e-<strong>Learning</strong> basierte Fallstudien zur akademischen<br />
Ausbildung in der Geoinformatik: Methodisches Konzept, Umsetzung und Erfahrungen.<br />
In Proceedings of DeLFI 2005: 3. Deutsche e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong>,<br />
Rostock, 200<strong>5.</strong><br />
[ELM01] J. A. Erskine, M. R. Leenders, L. A. Mauffette-Leenders. Writing Cases. Western Ontario,<br />
Ivey, 2001.<br />
[Ro01] M. J. Roberts. Developing a Teaching Case (Abridged), 2001. Harvard Business School<br />
Case No. 9-901-05<strong>5.</strong><br />
[SCO04] SCORM. Sharable Content Object Reference Model, 2004.<br />
http://www.adlnet.gov/scorm/index.cfm.<br />
[St03] M. Stuebing. Metadaten-gestuetzte Integration von Fallstudien in IT-gestuetzte Lehre,<br />
2003. Diplomarbeit, Technische <strong>Universität</strong> Berlin.<br />
114
Content-Migration beim Wechsel zwischen verschiedenen<br />
Systemkategorien zur Content-Erstellung und -Pflege<br />
Angela Frankfurth, Jörg Schellhase<br />
Fachgebiet Wirtschaftsinformatik<br />
<strong>Universität</strong> Kassel<br />
Nora-Platiel-Straße 4<br />
34127 Kassel<br />
frankfurth@wirtschaft.uni-kassel.de<br />
schellhase@wirtschaft.uni-kassel.de<br />
Abstract: Es existieren unterschiedliche Systemkategorien zur Erstellung und<br />
Pflege von Content, die jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile aufweisen.<br />
Bei der Entscheidung für ein System begibt sich der Content-Entwickler (und<br />
-Nutzer) in mehr oder weniger große Abhängigkeiten, die für ihn nachteilig sein<br />
können. Insbesondere erscheinen zwei Probleme als besonders schwerwiegend: die<br />
grundsätzliche technische Nachhaltigkeit und die Migration. Der Beitrag stellt diese<br />
Probleme für verschiedene Systemkategorien dar.<br />
1 Einleitung<br />
<strong>Die</strong> Content-Erstellung ist komplex sowie intellektuell, personell und damit finanziell<br />
aufwändig. Dennoch sind Content-Anpassungen von Zeit zu Zeit aufgrund veränderter<br />
sachlicher Inhalte (inhaltliche Wartung) sowie aufgrund der Technologiedynamik 1<br />
(technische Wartung) erforderlich. Größere Herausforderungen sind mit Content-<br />
Migrationen verbunden, die bei Systemwechseln notwendig werden. <strong>Die</strong> Content-<br />
Migration ist keine spezifische e<strong>Learning</strong>-Fragestellung, dennoch hat sie für das e<strong>Learning</strong><br />
an Hochschulen eine große Bedeutung. <strong>Die</strong>s gilt besonders vor dem Hintergrund<br />
der technologischen Entwicklungen sowie der sich derzeit entwickelnden e<strong>Learning</strong>-<br />
Strategien, die u.a. auch die Vermarktung von Content zur Refinanzierung zum Ziel<br />
haben. Hochschulen sind auf dem kommerziellen Content-Markt potentielle Content-<br />
Produzenten und -Anbieter, die jedoch über eine sehr heterogene Infrastruktur (auch bei<br />
der Content-Produktion) sowie nur über geringe finanzielle Mittel verfügen. Vor diesem<br />
Hintergrund betrachtet der Beitrag verschiedene Systemkategorien und die Besonderheiten<br />
der Migration zwischen den einzelnen Kategorien.<br />
1 Zu nennen sind hier beispielsweise sich ändernde (Web-)Datenformate, die Weiterentwicklung von Browsern,<br />
die Entwicklung und Verwendung von Standards sowie die Verteilung von Informationen über unterschiedliche<br />
Kanäle wie Printversionen oder mobile Endgeräte [Br01].<br />
115
2 Systemkategorien zur Erstellung und Pflege von e<strong>Learning</strong>-<br />
Content<br />
Im Fokus stehen Erstellung und Pflege von Inhalten zwecks Web-basierter Präsentation.<br />
<strong>Die</strong> meisten <strong>Learning</strong> Management Systeme (LMS) stellen lediglich einen Rahmen für<br />
die Verwaltung Web-basierter Kurse bereit. <strong>Die</strong> Methoden zur Aufbereitung von Inhalten<br />
für die Web-basierte Präsentation werden den jeweiligen Kursanbietern überlassen.<br />
Es gibt führende Anbieter für Software zur Produktion multimedialer Elemente (Animationen,<br />
Videos, Ton), auf deren Produkte für die Erstellung multimedialer Einheiten<br />
zurückgegriffen werden kann. Anders sieht dies in Bezug auf die Web-basierte Inhaltsaufbereitung<br />
aus. Zum einen kann eine Vielzahl von Systemkategorien (z.B. CMS,<br />
LCMS, WYSIWYG-HTML-Editoren, e<strong>Learning</strong>-spezifische Autorensysteme, Wiki-<br />
Systeme, Live-Recording-Systeme) zum Einsatz kommen; zum anderen haben sich in<br />
Bezug auf die Aufbereitung von e<strong>Learning</strong>-Inhalten, mit Ausnahme der Kategorie Live-<br />
Recording-Systeme, aus vielfältigen Gründen keine bestimmten Systeme nennenswert<br />
durchsetzen können. Es gibt viele Möglichkeiten der Web-basierten Aufbereitung von<br />
e<strong>Learning</strong>-Inhalten, die zudem als ein wesentliches Differenzierungsmerkmal genutzt<br />
werden. Auch HTML-Editoren können für die Content-Erstellung eingesetzt werden.<br />
<strong>Die</strong>se erlauben jedoch i. d. R. nur die Erstellung von statischem Content [DV05] und<br />
erfordern HTML-Kenntnisse. Im Folgenden werden verschiedene Systemkategorien, die<br />
zur Erstellung und Pflege von e-<strong>Learning</strong>-Content eingesetzt werden, kurz erläutert.<br />
2.1 Content Management Systeme<br />
Content Management Systeme (CMS) sollen die einfache und effiziente Erstellung,<br />
Aktualisierung und Verwaltung von (e<strong>Learning</strong>-)Content ermöglichen und beinhalten zu<br />
diesem Zweck i.d.R. einfach zu bedienende Autorenumgebungen [DV05; BHM04, 4;<br />
Br04]. Reine CMS sind sehr stark prozess- und produktionsorientiert [Ba05, 127], was<br />
sich besonders in den Rollenkonzepten zeigt. Funktionalitäten Web-basierter CMS sind<br />
„die Beschaffung und Erstellung, das Management, die Präsentation und Publikation von<br />
Inhalten sowie das workflowbasierte Verarbeiten, Verteilen und Wiederverwenden von<br />
Inhalten“ [BHM04, 4]. Weiterhin sollen sie den einfachen Import externer Materialien<br />
ermöglichen [DV05]. Durch den Einsatz von CMS kann zu jeder Zeit ein konsistenter<br />
Zustand einer Web-Seite erreicht werden. Weiterhin kann eine gewisse Flexibilität erreicht<br />
werden, die jedoch mit einem erheblichen Aufwand für notwendige Anpassungen<br />
verbunden sein kann. <strong>Die</strong> Implementierung eines CMS ist jedoch zeitaufwendig und<br />
erfordert erhebliches technisches Know-how. [Br04]<br />
Obwohl XML bereits in vielen CMS implementiert wurde, existiert kein abgestimmtes<br />
Vokabular (Schema) zwischen den Anbietern. <strong>Die</strong>s führt zur proprietären Speicherung<br />
von Content und begrenzt so den Wert, den XML für das Erreichen von Interoperabilität<br />
haben kann. [Ro05, 2] Es existiert eine Anzahl sehr spezifischer Interoperabilitätsstandards.<br />
Keiner der derzeit implementierten Standards deckt jedoch alle Möglichkeiten<br />
eines CMS ab. <strong>Die</strong> Folge ist, dass CMS-Produkte oft proprietäre Technologien nutzen,<br />
um Content zu strukturieren und zu speichern. Selbst wenn XML eingesetzt wird, be-<br />
116
wirkt das Fehlen eines gemeinsamen Vokabulars zwischen den Produkten, dass die<br />
Kommunikation zwischen ihnen sowie die Migration von einem System zu einem anderen<br />
System sehr schwierig sind. Der sich schnell entwickelnde Markt hemmt zudem die<br />
Kooperation zwischen Herstellern. [Ro05, 4] CMS werden bereits vielfach an Hochschulen<br />
eingesetzt (z.B. Typo3, Plone), jedoch überwiegend im Bereich der Erstellung von<br />
Webseiten, selten auch für die Erstellung und Pflege von e<strong>Learning</strong>-Content.<br />
2.2 <strong>Learning</strong> Content Management Systeme<br />
<strong>Learning</strong> Content Management Systeme (LCMS) kombinieren Autorentools mit Tools<br />
für die Speicherung und das Wiederauffinden von Lernobjekten. Sie treten in unterschiedlichen<br />
Formen auf und beinhalten eine sehr große Breite von Funktionalitäten.<br />
LCMS verwalten alle Daten und Informationen in Bezug auf e<strong>Learning</strong>-Content [HK03,<br />
12], sie sind somit auf e<strong>Learning</strong>-Content spezialisierte CMS, die der Erstellung und<br />
Speicherung modularer Lernobjekte, der gezielten Suche nach existierenden Lernobjekten<br />
sowie ihrer Zusammenstellung zu Kursen dienen [Sc04, 504]. LCMS können Lernobjekte<br />
in unterschiedlichen Kursen und Formaten zusammenstellen [HK03, 12]. Der<br />
Content wird i.d.R. mit Autorentools erstellt, [HK03, 12] diese müssen jedoch nicht in<br />
das LCMS integriert sein. Weiterhin ermöglichen LCMS das Content-Tracking, d.h. das<br />
Nachverfolgen der Interaktionen zwischen Lerner und Content [HK03, 12]. Der Begriff<br />
LCMS wird für Systeme verwendet, die über einen größeren Umfang an Funktionalitäten<br />
verfügen als <strong>Learning</strong> Object Repositories. Im Allgemeinen wird der Begriff auf<br />
Systeme angewandt, die Komponenten für die Autorenunterstützung beinhalten, über ein<br />
<strong>Learning</strong> Object Repository verfügen, die Bereitstellung von Lernobjekten für Lernende<br />
ermöglichen und darüber hinaus die Administration unterstützen. [CN06, 29f] <strong>Die</strong> Funktionalitäten,<br />
die ein LCMS bereitstellt, können daher sehr stark differieren, nämlich vom<br />
einfachen Management von mit externen Autorentools erstellten Inhalten, über die Unterstützung<br />
der Erstellung und Verwaltung von Content bis hin zur Übernahme von<br />
LMS-Funktionalitäten 2 . In diesem Beitrag werden LCMS als Lernplattformen betrachtet,<br />
die Funktionen von e<strong>Learning</strong>-spezifischen Content Management Systemen beinhalten.<br />
2.3 WYSIWYG-HTML-Editor<br />
WYSIWYG 3 -HTML-Editoren sind Werkzeuge zur einfachen Erstellung und Pflege von<br />
Web-Seiten. 4 Traditionelle WYSIWYG-HTML-Editoren unterstützten jedoch keine<br />
e<strong>Learning</strong>-Standards [Bu06, 47]. Mit der zunehmenden Verbreitung des e<strong>Learning</strong> wurden<br />
allerdings spezialisierte WYSIWYG-HTML-Editoren entwickelt, die e<strong>Learning</strong>spezifische<br />
Unterstützungsmerkmale aufweisen und Content-Standards wie SCORM<br />
oder AICC-Standards implementiert haben [Bö04, 42].<br />
2 Eine Beschreibung der Funktionen von LMS findet sich beispielsweise in [HSS01].<br />
3 WYSIWYG: What You See Is What You Get.<br />
4 Beispiele für WYSIWYG-HTML-Editoren sind u.a. Macromedia Dreamweaver, Microsoft Frontpage, Adobe<br />
GoLive sowie NetObjects Fusion [Bu06, 47; Bö04, 42].<br />
117
2.4 Wiki-Systeme<br />
<strong>Die</strong> Erstellung von Inhalten im Web gestaltet sich meist schwieriger als der reine Abruf.<br />
Aus diesem Grund wurden Tools entwickelt, die das Lesen und Erstellen von Inhalten<br />
gleichermaßen einfach ermöglichen, so dass beides mit den gleichen Kenntnissen durchführbar<br />
ist. <strong>Die</strong> Kooperation bei der Inhaltserstellung ist somit nicht auf Personen beschränkt,<br />
die über gleiche Kenntnisse und dieselben Tools verfügen. [DV05] Ein weit<br />
verbreitetes Tool für die kooperative Erstellung Web-basierter Inhalte sind Wikis. Sie<br />
stehen der zentralen Funktionalität von CMS, dem stark ausdifferenzierten Rollensystem,<br />
gegenüber. [Ba05, 128] Seit Mitte der 1990er Jahre ist das Wiki-Konzept vielfach<br />
weiterentwickelt worden. Es wurden vielfältige Wiki-Engines in verschiedenen Skript-<br />
und Programmiersprachen entwickelt. 5 <strong>Die</strong> Kernfunktionalitäten eines Wiki sind einfache<br />
Editiermöglichkeiten, einfache Auszeichnungen sowie automatisches Verlinken von<br />
Seiten. Mit der Verbreitung von Wikis nahmen jedoch die Ansprüche der Nutzer zu, so<br />
dass weitere Funktionalitäten hinzukamen, wie der Versionsvergleich sowie die Übersicht<br />
über Änderungen an Seiten. Weitere Funktionalitäten von Wikis sind u.a.: Erstellen<br />
neuer Seiten, Erstellen externer Links, Sandbox für neue Nutzer, 6 Page History sowie<br />
Suchfunktionalitäten. [CL04] Viele Online-Kurse verlinken auf Inhalte von Wikis<br />
[Sm05, 218]. Wikis setzen sich zunehmend für die kollaborative Erstellung von Inhalten<br />
durch. Unterschiedliche Wikis werden derzeit auch für die e<strong>Learning</strong>-Content-Erstellung<br />
an Hochschulen im In- und Ausland eingesetzt.<br />
2.5 e<strong>Learning</strong>-spezifische Autorensysteme<br />
<strong>Die</strong> Kategorie e<strong>Learning</strong>-spezifische Autorensysteme umfasst in diesem Beitrag alle<br />
speziell auf e<strong>Learning</strong> ausgerichteten Systeme zur Erstellung und Pflege von e<strong>Learning</strong>-<br />
Content, die nicht den Kategorien LCMS oder klassische Autorensysteme (z.B. Macromedia<br />
Director) angehören. Beispiele sind spezielle, auf e<strong>Learning</strong> ausgerichtete Generierungswerkzeuge<br />
bzw. so genannte Content-Converter. <strong>Die</strong>se dienen dazu, Dokumente,<br />
die mittels einer Textverarbeitungssoftware erstellt wurden, in HTML-Dateien umzuwandeln.<br />
Hierfür ist es jedoch erforderlich, dass die Struktur im Textdokument, insbesondere<br />
die Überschriftenformate zur Erstellung der Navigation, exakt definiert wurden.<br />
[Bö04, 43] In [Sc01] wird die Individualentwicklung Virtual <strong>Learning</strong> Environment<br />
Generator (VLEG) beschrieben, die auf der Basis von mittels WYSIWYG-HTML-<br />
Editoren gepflegten Manuskrip-ten semantisch angereicherte, hochgradig verlinkte und<br />
mit zahlreichen Funktionalitäten aus-gestattete WBTs generiert. Vorstellbar sind aber<br />
auch e<strong>Learning</strong>-spezifische CMS, die im Gegensatz zu Content-Convertern zusätzlich<br />
e<strong>Learning</strong>-spezifische Rollenkonzepte und Workflow-Unterstützungen anbieten.<br />
5 Eine Übersicht verfügbarer Wiki-Engines findet sich unter: http://www.c2.com/cgi/wiki?WikiEngines.<br />
6 Hierbei handelt es sich um spezielle Wiki-Seiten, die in Wiki-Systemen neuen Nutzern zur Verfügung gestellt<br />
werden, damit diese sich „mit der Bearbeitung und Erstellung von Seiten im Wiki vertraut“ machen können. In<br />
den deutschsprachigen Versionen werden diese Seiten auch „Spielwiesen“ genannt.<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Sandbox, Abruf am 2006-07-23.<br />
118
3 Content-Migrationen zwischen verschiedenen Systemkategorien<br />
Unter Web-basiertem e<strong>Learning</strong>-Content werden im Folgenden einzelne Lernobjekte<br />
verstanden, die mittels spezieller Systeme erstellt, gepflegt und verwaltet werden. Im<br />
Extremfall kann es sich hierbei auch um die vollständige inhaltliche Aufbereitung einer<br />
Vorlesung handeln.<br />
An Hochschulen wurden in den letzten Jahren erhebliche Ressourcen für die Entwicklung<br />
von Web-basiertem e<strong>Learning</strong>-Content verwendet. <strong>Die</strong> Technologien und Sprachen<br />
(HTML, JavaScript, CSS, XML, XSL, RDF), mit denen Web-basierter Content erstellt<br />
wird, haben sich stetig weiterentwickelt. Aufgrund dieser dynamischen technologischen<br />
Entwicklungen entstehen immer wieder Situationen, in denen Web-basierter Content an<br />
neue Technologien angepasst werden muss. Der damit verbundene Aufwand hängt stark<br />
davon ab, mit welcher Systemkategorie Web-basierte Inhalte gepflegt werden. Im Idealfall<br />
reicht ein Softwareupdate des Systems aus, das zur Erstellung und Pflege der Webbasierten<br />
Inhalte verwendet wird. Bei Ansätzen, bei denen zu festen Zeitpunkten Webbasierte<br />
e<strong>Learning</strong>-Produkte generiert werden (z.B. bei Content Convertern), wird es<br />
komplizierter, da in diesem Fall der komplette Web-basierte e<strong>Learning</strong>-Content erneut<br />
generiert werden muss. Bei der Pflege von Web-basiertem Content mittels HTML-<br />
Editoren kann es sogar passieren, dass eine Vielzahl von einzelnen Dateien manuell<br />
überarbeitet werden muss.<br />
Je nach der verfolgten e<strong>Learning</strong>-Strategie einer Hochschule werden eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
oder im Extremfall lediglich ein bestimmtes System zur Erstellung und<br />
Pflege von Web-basiertem e<strong>Learning</strong>-Content eingesetzt. Eine Vielzahl von Gründen<br />
kann dazu führen, dass von den aktuell eingesetzten Systemen zu anderen Systemen<br />
migriert werden muss. Im Rahmen solcher Migrationen muss u.a. der e<strong>Learning</strong>-Content<br />
migriert werden. Der damit verbundene Aufwand hängt sowohl vom Quell- als auch<br />
vom Zielsystem ab. Ist der notwendige Aufwand für eine Content-Migration zu hoch, so<br />
kann dies zu einer Gefährdung von zuvor durchgeführten Investitionen in die Entwicklung<br />
von e<strong>Learning</strong>-Content führen.<br />
Dömer unterscheidet in Bezug auf allgemeine Anwendungssysteme zwischen internen<br />
oder externen Migrationsanlässen sowie zwischen funktionalen oder technologischen<br />
Faktoren. Interne funktionale Ursachen werden durch neue Anforderungen der Organisation<br />
ausgelöst, die mit dem bisherigen System nicht erfüllbar sind. [Dö98, 57] Beispielsweise<br />
kann es sein, dass eine Hochschule das Angebot an e<strong>Learning</strong>-<br />
Lehrveranstaltungen erhöhen möchte und hierzu effiziente Organisationsstrukturen für<br />
die Erstellung und Pflege von Web-basiertem e-<strong>Learning</strong>-Content benötigt. Hierzu könnte<br />
es notwendig sein, dass das für die Erstellung und Pflege eingesetzte System die Definition<br />
komplexer Rollenkonzepte sowie komplexer Workflows unterstützen muss. Sofern<br />
diese Anforderungen durch das vorhandene System nicht erfüllbar sind, kann somit<br />
eine Migrationsnotwendigkeit entstehen. Interne technologische Ursachen sind häufig<br />
mit einer schlechten Wartungsqualität von Systemen verbunden, die dazu führt, dass zu<br />
viele (Mitarbeiter-)Ressourcen durch diese Systeme gebunden werden [Dö98, 57]. Bei<br />
Systemen zur Erstellung und Pflege von Web-basiertem e<strong>Learning</strong>-Content sollten neben<br />
dem Aufwand der Systemwartung, vor allem auch der durch das System verursachte<br />
119
administrative Aufwand sowie die Erstellungs- und Pflegeproduktivität in Bezug auf den<br />
e<strong>Learning</strong>-Content betrachtet werden. Sofern es Systeme mit einem deutlich geringeren<br />
Administrationsaufwand sowie einer erheblich höheren Erstellungs- und Pflegeproduktivität<br />
gibt, kann sich der mit einer Migration verbundene Aufwand lohnen. Externe funktionale<br />
Ursachen werden durch den Wettbewerb ausgelöst. So kann der Wettbewerb das<br />
Angebot neuer <strong>Die</strong>nstleistungen erzwingen, die ohne Migration vorhandener Systeme<br />
nicht erbracht werden können [Dö98, 57]. Bietet eine Hochschule bspw. einen virtuellen<br />
Studiengang an, so stellt die Qualität der angebotenen e<strong>Learning</strong>-Produkte i.d.R. ein<br />
Differenzierungsmerkmal dar. Zur Steigerung der Qualität (z.B. Erweiterung der Funktionalitäten)<br />
kann ein Wechsel auf ein anderes e<strong>Learning</strong>-System erforderlich sein. Externe<br />
technologische Ursachen liegen z.B. dann vor, wenn Systeme bzw. Systemkomponenten<br />
von einem Hersteller nicht mehr unterstützt werden oder neue Technologien<br />
erhebliche Nutzengewinne ermöglichen [Dö98, 57].<br />
Aufgrund der Vielzahl von Anbietern von Systemen zur Erstellung und Pflege von Webbasiertem<br />
e<strong>Learning</strong>-Content ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Systemen in<br />
den nächsten Jahren am Markt nicht überleben wird, so dass ein Migrationszwang entstehen<br />
kann. Zudem sind zahlreiche weitere Migrationsanlässe denkbar, z.B. kann eine<br />
ungünstige Kostenstruktur (hohe Lizenzkosten) Anlass für Migrationsüberlegungen<br />
geben. Genauso gut kann auch die Migrationsfähigkeit eines Systems und des mit dem<br />
System verwalteten e<strong>Learning</strong>-Content ein wichtiger Migrationsanlass sein. Stellt eine<br />
Hochschule fest, dass der mit ihrem System erstellte e<strong>Learning</strong>-Content nur mit sehr<br />
hohem Aufwand migrierbar wäre, kann es sinnvoll sein, rechtzeitig auf ein anderes System<br />
zu wechseln, bei dem eine deutlich höhere Migrationsfähigkeit gegeben ist.<br />
Abbildung 1 veranschaulicht die Vielfalt möglicher Migrationen zwischen verschiedenen<br />
Systemkategorien (WYSIWYG-HTML-Editoren, LCMS, e<strong>Learning</strong>-spezifische<br />
Autorensysteme, Wiki-Systeme, CMS), die für die Erstellung und Verwaltung von Webbasiertem<br />
e-<strong>Learning</strong>-Content eingesetzt werden können. Zu allen aufgeführten Systemkategorien<br />
gibt es eine Vielzahl von kommerziellen Systemen, Open-Source-Systemen<br />
sowie Individualentwicklungen. Eine Systemkonsolidierung, in dem Sinne, dass sich<br />
bestimmte Standardsysteme am Markt etabliert haben, hat in allen hier aufgeführten<br />
Systemkategorien noch nicht stattgefunden. 7 <strong>Die</strong> Mehrzahl der an Hochschulen eingesetzten<br />
Web-basierten e-<strong>Learning</strong>-Inhalte wurde mit e<strong>Learning</strong>-spezifischen Autorensystemen<br />
und WYSIWYG-HTML-Editoren erstellt. An dritter Stelle dürften mittlerweile<br />
LCMS stehen. Seltener werden hingegen allgemeine CMS sowie Wiki-Systeme zur<br />
Erstellung und Pflege Web-basierter e<strong>Learning</strong>-Inhalte verwendet.<br />
In Abbildung 1 werden für jede Systemkategorie drei Unterkategorien unterschieden, so<br />
dass ein Pfeil stellvertretend für jeweils neun unterschiedliche Migrationskategorien<br />
steht und insgesamt 225 verschiedene Migrationskategorien unterschieden werden. <strong>Die</strong><br />
folgenden Betrachtungen zu den einzelnen Migrationskategorien beziehen sich lediglich<br />
auf die Systemoberkategorien und verzichten auf eine Differenzierung zwischen kommerziellen<br />
Systemen, Open-Source-Systemen sowie Individualentwicklungen.<br />
7<br />
Auf der Web-Site von Contentmanager (http://www.contentmanager.de) sind derzeit bspw. über 1000 Content-Management-Systeme<br />
verzeichnet.<br />
120
LCMS<br />
10<br />
16<br />
3<br />
12<br />
14<br />
2<br />
1<br />
6<br />
WYSIWYG-HTML-Editoren<br />
15 7<br />
19<br />
13<br />
9<br />
21<br />
Wiki-Systeme 23 CMS<br />
22<br />
24<br />
25<br />
8<br />
5<br />
4<br />
11<br />
18<br />
20<br />
e<strong>Learning</strong>-spezifische<br />
Autorensysteme<br />
17<br />
Legende<br />
Kommerzielle Systeme<br />
Individualentwicklungen<br />
Open-Source-Systeme<br />
Evtl. problematische<br />
Migration, da nur teilweise<br />
automatisierbar.<br />
Abbildung 1: Potenzielle Migrationspfade zwischen verschiedenen Systemklassen<br />
Bei den folgenden Migrationsbetrachtungen geht es nicht um die Entwicklung eines<br />
neuen Systems auf der Basis eines alten Systems, sondern primär um die Migration von<br />
Elementen, die unmittelbar oder mittelbar mit e<strong>Learning</strong>-Content zusammenhängen. <strong>Die</strong><br />
Nutzung von e<strong>Learning</strong>-Content über unterschiedlichste Systeme (z.B. unterschiedliche<br />
Lernplattformen) stellt meist kein allzu großes Problem dar, auch wenn der Austausch<br />
von Content nicht immer reibungslos funktioniert und gelegentlich sogar problematisch<br />
sein kann [Sm05, 218]. <strong>Die</strong> Migration von e<strong>Learning</strong>-Content zwecks Wechsel des Systems,<br />
das zur Erstellung, Pflege und Verwaltung von e<strong>Learning</strong>-Content eingesetzt wird,<br />
ist hingegen nicht trivial. Von einer Migration sind je nach Systemkategorie u.a. Metadaten<br />
zum e<strong>Learning</strong>-Content, Templates, spezialisierte Skripte sowie der eigentliche Content<br />
betroffen. Der Systemwechsel kann sowohl innerhalb einer Systemkategorie (z.B.<br />
von LCMS zu LCMS) als auch zwischen zwei Systemkategorien erfolgen. Migrationen<br />
innerhalb von Systemkategorien haben meistens einen Vorteil, denn i.d.R. versuchen<br />
Systemanbieter Kunden, die bereits ein System einer bestimmten Kategorie nutzen, dazu<br />
zu bewegen zu ihrem System zu wechseln. Daher sollten sich insbesondere kommerzielle<br />
Anbieter mit adäquaten Migrationsstrategien auseinandersetzen und zumindest für<br />
bestimmte Systeme Migrationswerkzeuge bereitstellen. Zudem gibt es bestimmte Systemkategorieübergänge<br />
für die besonders häufig Migrationsansätze entwickelt wurden<br />
und entsprechend viele Migrationserfahrungen existieren. <strong>Die</strong>s ist bspw. für Migrationen<br />
des Typs 9 (Migration von WYSIWYG-HTML-Editor zu CMS) der Fall. Je nachdem,<br />
von welcher Systemkategorie zu welcher anderen Systemkategorie e<strong>Learning</strong>-Content<br />
migriert wird, kann es zum einen zu einem semantischen Informationsverlust in Bezug<br />
auf mit dem e<strong>Learning</strong>-Content verbundene semantische Metadaten kommen. Zum anderen<br />
können wesentliche Eigenschaften des auf der Grundlage des e<strong>Learning</strong>-Content<br />
bereitgestellten e<strong>Learning</strong>-Produktes vom Zielsystem bestimmt werden, so dass nach der<br />
Migrationsdurchführung i.d.R. sich das e<strong>Learning</strong>-Produkt funktional und optisch vom<br />
Ursprungsprodukt unterscheidet. Im Folgenden wird die Problematik der Content-<br />
Migration an ausgewählten Migrationskategorien verdeutlicht.<br />
121
Migration von CMS zu CMS (25): <strong>Die</strong> Migration von einem CMS zu einem anderen<br />
CMS ist ein komplexes Migrationsvorhaben bei dem eine Vielzahl von Elementen von<br />
der Migration betroffen ist. Folgende Abbildung zeigt CM-Komponenten und Content-<br />
Elemente, die beim Übergang von einem CMS zu einem anderen CMS bei der Migrationsdurchführung<br />
berücksichtigt werden müssen.<br />
CM-<br />
Komponenten<br />
Content<br />
Quelle<br />
Templa<br />
tes<br />
Replikation<br />
Text<br />
Bild<br />
-<br />
-<br />
Rollenkonzepte<br />
-<br />
Work<br />
-flows<br />
-<br />
Abbildung 2: Migration von einem CMS zu einem anderen CMS [BHF03, 5]<br />
Zur Durchführung einer Migration von einem CMS zu einem anderen CMS ist Expertenwissen<br />
über beide Systeme notwendig [BHF03, 5]. Vor einer Migrationsdurchführung<br />
ist zu prüfen, inwieweit eine Migration zwischen den beiden Systemen überhaupt<br />
ökonomisch vertretbar durchgeführt werden kann. Es ist durchaus möglich, dass zwischen<br />
bestimmten Systemen eine Migration zu hohe Aufwendungen verursachen würde.<br />
Insbesondere bezogen auf die verschiedenen CM-Komponenten ist zu prüfen, inwieweit<br />
eine Migration oder aber eine Neuentwicklung vorteilhaft ist. Für die Migration von<br />
CM-Komponenten können teilweise am Markt verfügbare Konvertierungsprogramme<br />
sowie spezielle Migrationstools genutzt werden. Teilweise müssen spezifische Konvertierungsroutinen<br />
programmiert werden. <strong>Die</strong> Migration des Content ist i.d.R. einfacher,<br />
als die Migration der CM-Komponenten, erfordert jedoch meistens die Programmierung<br />
individueller Konvertierungsprogramme [BHF03, 6], da zumindest Teile des Content<br />
systemspezifisch strukturiert und abgespeichert sind. Jeder strukturierten Ablage des<br />
vom CMS verwalteten Content liegt ein CMS-spezifisches Content-Modell zugrunde, da<br />
für CMS kein standardisiertes Austauschformat für Metadaten, Content sowie Layout<br />
existiert [BHF03, 6]. Normalerweise sind mit den durch ein CMS verwalteten Content-<br />
Einheiten spezielle rollen-, gruppen- sowie benutzerbezogene Rechte (Leserechte, Editierrechte)<br />
verbunden. Inwieweit diese Rechte komplett und automatisiert migriert werden<br />
können, hängt sehr stark vom jeweiligen Quell- und Zielsystem ab.<br />
Migration von CMS zu anderen Systemen: Mittels individuell programmierter Skripte<br />
kann Content aus CMS in mittels WYSIWYG-HTML-Editoren (Typ 8) und Wiki-<br />
Systemen (Typ 24) pflegbare Dateien migriert werden. Bei WYSIWYG-HTML-<br />
Editoren und Wiki-Systemen fehlt jedoch, sofern es sich nicht um semantische Wiki-<br />
122<br />
Ziel<br />
Templates<br />
Replikation<br />
Rollenkonzepte<br />
Text<br />
Bild<br />
-<br />
-<br />
Workflows<br />
-<br />
-<br />
CM-<br />
Komponenten<br />
Content
Systeme handelt, die Möglichkeit der semantischen Auszeichnung der zu pflegenden<br />
Inhalte. Zudem stehen eine Reihe von Unterstützungsmöglichkeiten bei der Verwaltung<br />
und der Pflege des Content damit nicht mehr zur Verfügung. Bei der Migration zu e-<br />
<strong>Learning</strong>-spezifischen Autorensystemen (Typ 20) sowie zu einem LCMS (Typ 14) ergibt<br />
sich je nach der Leistungsfähigkeit des Autorensystems eine vergleichbare Situation wie<br />
bei einer Migration zu einem anderen CMS.<br />
Migration von LCMS zu LCMS (10): Im Rahmen der Migration von einem LCMS zu<br />
einem anderen LCMS ist eine Vielzahl von Elementen zu migrieren. Insbesondere die<br />
Migration stark verknüpfter und möglicherweise sehr LCMS-spezifischer Metadatenstrukturen<br />
(z.B. für zu verwaltende Kurse) kann selbst im Falle guter Export-/ Importfunktionen<br />
sehr komplex sein. Hier geht es jedoch primär um die Content-Migration.<br />
Der Aufwand für die Content-Migration von einem LCMS zu einem anderen LCMS<br />
hängt letztlich sehr stark von der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Import-/ Exportfunktionalitäten<br />
8 der LCMS ab. Für den Import und Export bieten sich XML-Dateien an. <strong>Die</strong><br />
Migration von Content-bezogenen Metadaten sollte sich im Falle der Verwendung von<br />
e<strong>Learning</strong>-Standards, wie bspw. SCORM 9 und der Spezifikation des IMS 10 Content<br />
Packaging, 11 erheblich leichter gestalten als die Migration des eigentlichen e<strong>Learning</strong>-<br />
Content, der je nach LCMS sehr unterschiedlich strukturiert und mit LCMS-spezifischen<br />
XML-Tags ausgezeichnet sein kann. Selbst e<strong>Learning</strong>-Content, der nach den Kriterien<br />
des IMS- oder SCORM-Standard erstellt wurde, kann i.d.R. nicht ohne zusätzlichen<br />
Anpassungs- und Programmieraufwand von einem System zu einem anderen System<br />
migriert werden [Ka04, 74]. Vor einem Import von zuvor exportiertem e<strong>Learning</strong>-<br />
Content müssen daher i.d.R. spezifische Konvertierungsprogramme entwickelt werden.<br />
Problematisch ist, dass vielfach LCMS-Anbieter kein allzu großes Interesse an leistungsfähigen<br />
Content-Exportfunktionen haben, denn damit würden sie die Barriere für einen<br />
Anbieterwechsel zu ihrem eigenen Nachteil herabsetzen. Bei der Auswahl eines LCMS<br />
ist dieser Punkt jedoch sehr wesentlich, denn je leistungsfähiger die Content-<br />
Exportfunktion des LCMS ist, desto geringer ist die Abhängigkeit vom LCMS-Anbieter<br />
und desto niedriger sind zukünftige Kosten bei einem notwendigen Systemwechsel.<br />
Migration von LCMS zu anderen Systemen: Im Wesentlichen gelten die Ausführungen<br />
zur Migration von LCMS zu LCMS. Sofern e<strong>Learning</strong>-Content in Form von XML-<br />
Dateien aus einem LCMS exportiert werden kann, lässt sich dieser mittels individuell<br />
programmierter Skripte in mittels WYSIWYG-HTML-Editoren (Typ 2) und Wiki-<br />
Systemen (Typ 15) pflegbare Dateien migrieren. Je nach funktioneller Leistungsfähigkeit<br />
des LCMS in Bezug auf die vom LCMS angebotenen e<strong>Learning</strong>-Produkte, ist dabei<br />
jedoch teilweise ein deutlicher semantischer und funktioneller Verlust verbunden. Bei<br />
WYSIWYG-HTML-Editoren und Wiki-Systemen fehlt die Möglichkeit der semantischen<br />
Auszeichnung der zu pflegenden Inhalte. Bei der Migration zu e<strong>Learning</strong>-<br />
8<br />
Ein Beispiel für eine hohe Leistungsfähigkeit in Bezug auf Import- und Exportfunktionalitäten ist das Literaturverwaltungsprogramm<br />
Endnote. <strong>Die</strong>ses Programm bietet eine Vielzahl von Filtern zu unterschiedlichsten<br />
Systemen und zudem flexible Möglichkeiten eigene Filter, beispielsweise auf XML-Basis, für den Import- und<br />
Export von Daten zu definieren.<br />
9<br />
Sharable Content Object Reference Model, http://www.adlnet.gov.<br />
10<br />
IMS Global <strong>Learning</strong> Consortium, Instructional Management Systems, (IMS) http://www.imsproject.org.<br />
11<br />
<strong>Die</strong> aktuelle Spezifikation des IMS Content Packaging Information Model liegt in der Version 1.1.4 vor.<br />
Siehe [IMS04].<br />
123
spezifischen Autorensystemen (Typ 11) ergibt sich je nach der Leistungsfähigkeit des<br />
Autorensystems eine vergleichbare Situation wie bei einer Migration zu einem anderen<br />
LCMS. <strong>Die</strong> Migration zu einem CMS (Typ 13) gestaltet sich hingegen erheblich aufwendiger,<br />
denn in diesem Fall muss eine Vielzahl von CM-Komponenten (z.B. Templates,<br />
Layout, Metadatenstrukturen) neu entwickelt werden.<br />
Migration von WYSIWYG-HTML-Editoren zu WYSIWYG-HTML-Editoren (1): Prinzipiell<br />
kann zwar relativ einfach zwischen verschiedenen WYSIWYG-HTML-Editoren<br />
gewechselt werden. Allerdings hat jeder WYSIWYG-HTML-Editor gewisse Besonderheiten.<br />
Jeder WYSIWYG-HTML-Editor erzeugt beispielsweise einen für den Editor<br />
charakteristischen HTML-Quellcode. Wechsel zwischen verschiedenen WYSIWYG-<br />
HTML-Editoren können daher dazu führen, dass der Quellcode „verunreinigt“ wird.<br />
Eventuell sollten daher bei einer Migration spezielle Quellcodeoptimierungswerkzeuge<br />
eingesetzt werden.<br />
Migration von WYSIWYG-HTML-Editoren zu anderen Systemen: Bei der Migration zu<br />
einem LCMS (Typ 3), einem CMS (Typ 9) oder einem e<strong>Learning</strong>-spezifischen Autorensystem<br />
(Typ 4) muss eine semantische Anreicherung des Content erfolgen. Zudem ist<br />
die Trennung von Struktur, Layout und Inhalt notwendig. Hierzu bietet sich die Überführung<br />
von HTML-Dateien zu XML-Dateien an. Probleme, die bei derartigen Migrationen<br />
zu lösen sind, werden in [Ga03] und [SC04] beschrieben. <strong>Die</strong> durchzuführende Migration<br />
dürfte sich daher nur sehr schwer vollständig automatisiert durchführen lassen, so<br />
dass der Migrationsaufwand i.d.R. sehr hoch sein wird. <strong>Die</strong> Migration zu einem Wiki-<br />
System sollte sich hingegen verhältnismäßig gut automatisieren lassen, auch wenn sich<br />
dabei die Eigenschaften des resultierenden Lernproduktes deutlich verändern können.<br />
Migration von e<strong>Learning</strong>-spezifischem System zu e<strong>Learning</strong>-spezifischem System (17):<br />
Der Migrationsaufwand zwischen e<strong>Learning</strong>-spezifischen Systemen dürfte zum einen<br />
sehr stark von den Möglichkeiten des Content-Import und -Export der beteiligten Systeme<br />
bzw. dem Speicherformat des verwalteten Content abhängen. Zum anderen kommt<br />
es sehr stark darauf an, welchem primären Paradigma (z.B. Generierungswerkzeuge<br />
bzw. Content-Converter) die jeweiligen Systeme folgen und über welche spezifischen<br />
Eigenschaften die jeweiligen Systeme verfügen.<br />
Migration von e<strong>Learning</strong>-spezifischem System zu anderen Systemen: <strong>Die</strong> Situation ist<br />
hier vergleichbar mit der Migration von LCMS- oder CMS-Systemen zu anderen Systemen.<br />
Allerdings kann hier, je nachdem welche Eigenschaften das e<strong>Learning</strong>-spezifische<br />
System besitzt, der Migrationsaufwand unterschiedlich stark ausfallen. Eventuell sind<br />
zusätzliche Entwicklungsaufwendungen im Anschluss an die Migrationsdurchführung<br />
notwendig.<br />
Migration von Wiki-System zu Wiki-System (22): Wiki-Systeme verwenden zum Editieren<br />
von Web-Seiten verhältnismäßig wenige und einfache Konventionen. Zwar gibt es<br />
je nach Wiki-System unterschiedliche Editierkonventionen, diese folgen jedoch einer<br />
sehr ähnlichen Philosophie. Daher sollten sich Konvertierungsprogramme sehr schnell<br />
entwickeln lassen, so dass die Migration von Wiki-Content für den Übergang von einem<br />
Wiki-System zu einem anderen i.d.R. keinen großen Aufwand darstellen sollte.<br />
124
Migration von einem Wiki-System zu anderen Systemen: Für die Migration von Wiki-<br />
Content zwecks zukünftiger Bearbeitung mit einem WYSIWYG-HTML-Editor (Typ 6)<br />
werden ebenfalls lediglich einfache Konvertierungsprogramme benötigt. Für die Migration<br />
von Wiki-Content zu LCMS, CMS sowie e<strong>Learning</strong>-spezifischen Systemen gelten<br />
im Wesentlichen die Ausführungen zur Migration von WYSIWYG-HTML-Editoren zu<br />
anderen Systemen. Allerdings dürfte die Migration von Wiki-Content deutlich einfacher<br />
zu realisieren sein, als die Migration von mit WYSIWYG-HTML-Editoren gestalteten<br />
Web-Seiten, da diese durchaus problematischen HTML-Quellcode sowie problematische<br />
Skripte beinhalten können.<br />
4 Fazit<br />
<strong>Die</strong> effiziente Erstellung und Pflege von Content ist für Hochschulen im Wesentlichen<br />
aus zwei Gründen besonders wichtig: zum einen sind sowohl Erstellung als auch Pflege<br />
in der Regel mit hohen Aufwendungen verbunden, zum anderen können diese jedoch<br />
durch die Wiederverwendung des Content (z.B. durch Vermarktung) refinanziert werden.<br />
Zur Erstellung und Pflege können unterschiedlichste Systemkategorien verwendet<br />
werden. Problematisch ist jedoch die Content-Migration sowohl innerhalb derselben<br />
Systemkategorie als auch zwischen den verschiedenen Systemkategorien. <strong>Die</strong> Situation<br />
verschärft sich, wenn eine Migration aus zwingenden Gründen erfolgen muss.<br />
Bereits bei der Entwicklung oder Auswahl eines Systems für die Content-Erstellung und<br />
Pflege für das e<strong>Learning</strong> muss darauf geachtet werden, dass zu einem späteren Zeitpunkt<br />
eine Migration zu einem anderen System notwendig werden kann. Daher sollte bei Auswahl<br />
von Systemen, die zur Erstellung und Pflege von e<strong>Learning</strong>-Content eingesetzt<br />
werden, unbedingt darauf geachtet werden, welche Content-Exportmöglichkeiten das<br />
jeweilige System bietet und inwieweit exportierter Content mit vertretbarem Aufwand<br />
für unterschiedlichste Zielsysteme automatisiert konvertiert werden kann.<br />
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2006-07-21.<br />
126
Entwicklung rekonfigurierbarer Lerninhalte<br />
mit (edu) DocBook<br />
Ludger Thomas<br />
Education and Training<br />
Fraunhofer Institut Experimentelles Software Engineering (IESE)<br />
Fraunhofer-Platz 1<br />
67663 Kaiserslautern<br />
ludger.thomas@iese.fraunhofer.de<br />
Abstract: Wiederverwendung und Rekonfiguration sind zwei zentrale Herausforderungen<br />
für Autoren und Produzenten digitaler (Lern)Inhalte. Am Beispiel eines<br />
aktuell laufenden Projektes wird dargestellt, wie entsprechende Inhalte in rekonfigurierbarer<br />
Form nach dem Single-Source-Publishing-Ansatz erstellt und in multiplen<br />
Konfigurationen und Formaten ausgegeben werden können. Es wird aufgezeigt<br />
welche Möglichkeiten sich hieraus für Inhaltsanbieter, Trainer und<br />
Seminaranbieter ergeben und wie der Ansatz mit freier Software und weltweit genutzten<br />
Standards umgesetzt werden kann.<br />
1 Rekonfiguration und Wiederverwendung als Herausforderung<br />
für die Inhaltsentwicklung<br />
Digitale und insbesondere Lerninhalte werden meist mit einem hohen Aufwand an Ressourcen<br />
erstellt: Ein Team von Konzeptern und Autoren erarbeitet die Gesamtkonzeption<br />
sowie die Vorlagen für die Implementierung; Agenturen oder interne <strong>Die</strong>nstleister setzen<br />
die entsprechenden Konzepte um. Aufgrund des großen Personaleinsatzes und des damit<br />
verbundenen Aufwandes für die initiale Erstellung von Inhalten müssen diese aus betriebswirtschaftlicher<br />
Sicht eine möglichst große - und ggf. auch zahlungskräftige - Zielgruppe<br />
ansprechen sowie über effiziente Kanäle zur Verfügung gestellt werden. Erst<br />
wenn die Inhalte möglichst günstig erstellt und von möglichst vielen Rezipienten (mit<br />
gutem Erfolg) verwendet werden, entfalten sie ihr maximales betriebswirtschaftliches<br />
Potenzial für den Auftraggeber. <strong>Die</strong>s ist jedoch nur eine, zwar wichtige, jedoch verkürzte<br />
Sicht auf den betriebswirtschaftlichen Nutzen. Der Blick auf den gesamten sog. Content<br />
Lifecyle, also den Lebenszyklus der Inhalte, wird nur ansatzweise berücksichtigt: Zum<br />
betriebswirtschaftlichen Erfolg trägt nämlich ebenfalls bei, wenn bestehende Inhalte<br />
möglichst einfach für neue Medienformate aufbereitet, inhaltlich aktualisiert und an neue<br />
Erfordernisse angepasst sowie in neuen Kontexten genutzt werden können. Zu einem<br />
Zeitpunkt, da sich E-<strong>Learning</strong> als ein fester Bestandteil des Medienmixes im Trainings-,<br />
Dokumentations- und Supportbereich etabliert hat, und in Unternehmen und Bildungseinrichtungen<br />
bereits zahlreiche Inhalte vorliegen und kontinuierlich neue Inhalte erstellt<br />
127
werden, ist die Erschließung und Ausschöpfung von Wiederverwendungspotenzialen ein<br />
nicht zu vernachlässigender betriebswirtschaftlicher Faktor im Content Lifecyle.<br />
Wiederverwendung und Rekonfiguration von Inhalten, d.h. die Anpassung der inneren<br />
und äußeren Struktur an neue Anforderungen, ist somit nach wie vor ein zentrales Thema<br />
für die Weiterentwicklung der Lernmedienproduktion. <strong>Die</strong>s wurde beispielsweise in<br />
einer Studie der e<strong>Learning</strong> guild 2005 bestätigt [El05]. Thomas und Ras haben in ihrer<br />
Analyse aufgezeigt, dass die meistgenutzten Techniken für die Lernmedienerstellung<br />
gerade den Aspekt des „re-use“ und „re-purposing“ vernachlässigen [TR06]. Zum einem<br />
ähnlichen Schluss kommt auch Hörmann in seiner Dissertation [Ho06]: Danach behindern<br />
„verbreitete Autorenwerkzeuge […] die Wiederverwendung häufig durch die Verwendung<br />
monolithischer Datenformate zur Speicherung der Lernobjekte […]“.<br />
Betrachtet man das Thema Wiederverwendung von Inhalten aus einer allgemeinen Perspektive,<br />
so lassen sich grundsätzlich mehrere Dimensionen unterscheiden:<br />
Dimension 1: Verwendungszusammenhang<br />
Lerninhalte werden erstellt, um bestimmte Ziele zu erreichen, beispielsweise „Unsere<br />
Mitarbeiter sollen weniger Fehler bei der Eingabe der Daten machen“. Durch Konzeption<br />
und Auswahl der Technologien werden Inhalte oftmals auf spezifische Verwendungszusammenhänge<br />
wie z.B. auf die Verwendung als Selbstlernmedium festgelegt.<br />
Wechselt der Verwendungszusammenhang, beispielsweise vom Einsatz als Selbstlernmedium<br />
für KFZ-Meister hin zum Einsatz in einem Support-Portal für Kunden eines<br />
Automobilzulieferers, so müssen die Medien ggf. aufwändig umgearbeitet werden. Eine<br />
besondere Herausforderung bei der Wiederverwendung besteht folglich darin, Inhalte so<br />
zu erstellen, dass sie in möglichst vielen unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen<br />
genutzt werden können.<br />
Dimension 2: Medienformat<br />
Eine weitere Dimension ist die Wiederverwendung über Medienformate hinweg. Inhalte,<br />
die für ein Medienformat produziert wurden, sollen auch in anderen Formaten nutzbar<br />
sein: Ein Online-Kurs sollte sich also beispielsweise auch als gedrucktes Werk ausgeben<br />
lassen oder in einem ganz anderen Format auf ein mobiles Endgerät, beispielsweise für<br />
eine Nutzung im Zug, darstellen lassen.<br />
Zentral für die medienformatübergreifende Wiederverwendung ist der Single-Source<br />
Multiple-Media Publishing Ansatz. <strong>Die</strong>ses Konzept besagt, dass Daten und Dokumente<br />
zunächst möglichst redundanzfrei zentral abgelegt werden. Dabei muss insbesondere auf<br />
die konsequente Trennung der drei Textdimensionen Inhalt, Struktur und Layout geachtet<br />
werden, da nur so eine medienformatübergreifende Wiederverwendung möglich ist.<br />
Durch eine entsprechende Speicherung und anschließende Transformation der Daten<br />
können aus den Daten letztlich beliebige Ausgabeformate erzeugt werden.<br />
Aus dem Bereich der elektronischen Hilfesysteme kommt der so genannte Electronic<br />
Performance Support System (EPSS) Ansatz [Ge91]. Damit wird die Gesamtheit aller<br />
technischer Systeme und Medien bezeichnet, die den Nutzenden bei der Arbeit mit einem<br />
(elektronischen) System unterstützen: EPSS ist “an integrated electronic environ-<br />
128
ment that is […] structured to provide immediate, individualized on-line access to the<br />
full range of information, software, guidance, advice and assistance, data, images, tools,<br />
and assessment and monitoring systems to permit job performance with minimal support<br />
and intervention by others.” (ebd.) Im Bereich von Softwareprodukten bedeutet dies<br />
beispielsweise, dass ein EPSS im Allgemeinen aus einer Sammlung von Dokumenten<br />
(z.B. Handbüchern), Hilfesystemen (z.B. Online-Hilfen) sowie Trainingsmedien (z.B.<br />
WBT) sowie weiteren Unterstützungsangeboten besteht. <strong>Die</strong>se Medien tragen dazu bei,<br />
dass die Nutzer ihre Aufgaben effizienter erledigen können. Lerninhalte werden in diesem<br />
Kontext neben den gedruckten und den online verfügbaren Medien als ein weiterer<br />
Baustein zur Unterstützung der Nutzung gesehen.<br />
Abstrahiert man nun von den einzelnen Medienformaten im EPSS-Ansatz und betrachtet<br />
das Ganze aus der medienformatübergreifenden Sicht des Single-Source-Publishings, so<br />
stellt man fest, dass die im EPSS-Ansatz vorgesehenen Dokumente zahlreiche Informationen<br />
enthalten, die sich in multiplen Medienformaten und Verwendungszusammenhängen<br />
wiederverwenden lassen [vergl. TR05]. So werden beispielsweise in kleinen und<br />
mittleren Unternehmen (KMU) die unterschiedlichen Dokumente vom selben Autor<br />
verfasst. Auch enthalten die Dokumente gleiche oder ähnliche Inhalte. Ebenso verfolgen<br />
sie ähnliche Ziele, nämlich dass sie den Nutzenden bei seinen Aufgaben unterstützen<br />
sollen. Dazu müssen die jeweiligen Bestandteile möglichst gut auf den Gegenstand sowie<br />
die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sein. Entsprechend ähnlich gestalten<br />
sich auch die damit verbundenen Qualitätsanforderungen: So ist für ein Lernmedium der<br />
sprachliche Ausdruck und Verständlichkeit, eine klare Struktur, unterstützender Medieneinsatz,<br />
gute Navigierbarkeit und schneller Zugriff auf die enthaltenen Informationen<br />
usw. ebenso wichtig wie für ein Hilfe-System oder auch eine Dokumentation. Nichtsdestotrotz<br />
gibt es auch Unterschiede: Während ein Lernprogramm i.A. darauf ausgelegt ist,<br />
einen Fluss von Informationen anzubieten, den die Lernenden, mit einigen Verzweigungen,<br />
möglichst von Anfang bis zum Ende durcharbeiten, um z.B. eine Abschlussprüfung<br />
zu bestehen, kann bei Online-Hilfen oder Handbüchern i.A. von einer singulären Nutzung<br />
einzelner Teilbereiche ausgegangen werden. Eine Online-Hilfe lesen wohl nur<br />
wenige Nutzer von Anfang bis zum Ende durch; eine explizite Auflistung von Lernzielen<br />
würde ein Nutzer in einer Courseware erwarten, in einer Online-Hilfe würde sie aber<br />
vermutlich keinen Sinn machen, da hier ein enzyklopädischer, selektiver Zugriffstil<br />
vorliegt. Bei der Erstellung eines EPSS muss entsprechend darauf geachtet werden, dass<br />
neben einer möglichst hohen Wiederverwendung auch den o.g. inhaltlichen und strukturellen<br />
Aspekten Rechnung getragen wird.<br />
Dimension 3: Organisation<br />
<strong>Die</strong>se Dimension spielt eine wesentliche Rolle für den Erfolg von Wiederverwendung.<br />
Letztlich reicht es nicht, dass auf der technischen und inhaltlichen Ebene Wiederverwendung<br />
ermöglicht wird. Es muss vielmehr geklärt werden, auf welchen Ebenen und<br />
Organisationseinheiten Wiederverwendung ermöglicht werden kann, darf und soll, und<br />
unter welchen Konditionen dies geschieht. So lässt sich unterscheiden:<br />
129
1. Projektinterne Wiederverwendung:<br />
<strong>Die</strong>s ist die einfachste Form der Wiederverwendung, bei der es im Wesentlichen auf die<br />
Lösung der technischen und inhaltlichen Probleme, der Abstimmung unter den Autoren<br />
(Redaktionsleitfaden) sowie der geschickten Konzeption, Speicherung und Erstellung<br />
der Inhalte ankommt.<br />
2. Organisationsweite Wiederverwendung:<br />
Sobald Wiederverwendung vom „rechtsfreien“ Raum des Projekts, des Dozenten, des<br />
Lehrstuhls oder der Arbeitsgruppe gelöst ist, spielt die Vergabe und Einhaltung von<br />
Nutzungsrechten eine zentrale Rolle bei der Wiederverwendung. So begegnen Organisationen<br />
beim Versuch einer organisationsweiten Bereitstellung und Nutzung von Inhalten<br />
– z.B. auch bei Wissensmanagement Systemen – oft dem Problem, dass die Fachexperten<br />
fürchten, mit ihren Inhalten auch „Herrschaftswissen“ preiszugeben und dadurch an<br />
„Wert“ zu verlieren. Entsprechende Versuche, Inhalte dem Unternehmen zur freien und<br />
uneingeschränken (Wieder) Verwendung zu überlassen, stoßen in der Praxis daher oft<br />
auf zum Teil massive Widerstände resp. entsprechende Inhalte werden einfach nicht zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
3. Organisationsübergreifende Wiederverwendung:<br />
Ähnlich wie bei der organisationsweiten Wiederverwendung spielen die Nutzungsrechte<br />
auch hierbei eine zentrale Rolle. Noch mehr als in der anderen Dimension von Wiederverwendung,<br />
bedarf die organisationsübergreifende Form einer vertraglichen Fixierung<br />
sowie ggf. eines Ressourcentauschs. Plattformen, wie educanext (www.educanext.org),<br />
die einen organisationsübergreifenden Austausch von Lernobjekten zum Ziel haben,<br />
verfügen deshalb über ein umfangreiches Lizenzierungs- und Nutzungsrechtemanagement,<br />
bei der die Emittenten detailliert die Bedingungen der Nutzung<br />
durch andere regeln können.<br />
<strong>Die</strong>se kurze Analyse hat gezeigt, dass Wiederverwendung eine zentrale Herausforderung<br />
im Content Lifecycle darstellt und dass dieses Problem in mehreren Dimensionen mit je<br />
ganz spezifischen Schwerpunkten betrachtet werden muss. Das zentrale Augenmerk<br />
dieser Arbeit liegt auf praxisnahen und technischen Fragen, wie sie in den Dimensionen<br />
Verwendungszusammenhang und Medienformat angerissen wurden. <strong>Die</strong>se werden insbesondere<br />
vor dem Hintergrund einer projektinternen Wiederverwendung diskutiert und<br />
es werden erste Lösungsansätze präsentiert. Auf die Notwendigkeit eines systematischen<br />
Erstellungsprozesses sowie einer geschickten Koordination der Autoren wurde an anderer<br />
Stelle bereits hingewiesen [GT06] und soll deshalb hier nicht weiter ausgeführt werden.<br />
Im Folgenden wird zunächst die Idee eines eduDocBook als Austauschformat für Lerninhalte<br />
konzeptionell umrissen. Anschließend wird auf die modulare Inhaltsproduktion<br />
mit diesem Format eingegangen und es werden Erfahrungen und Entwicklungen, wie sie<br />
im Rahmen eines aktuell laufenden EU-Forschungsprojektes gemacht wurden, vorgestellt.<br />
Abschließend werden in einer Diskussion des Ansatzes Möglichkeiten und Grenzen<br />
dargestellt und es wird ein Ausblick auf zukünftige Arbeiten geboten.<br />
130
2 eduDocBook. Austauschformat für Lerninhalte<br />
DocBook ist ein mehr als 400 Elemente umfassender XML-Dialekt, der Anfang der<br />
1990er Jahre als Austauschformat für (Software-)Dokumentationen entworfen wurde<br />
und der seitdem weltweit große Verbreitung erlangt hat. Eine rege, weltweite Community<br />
stellt für DocBook neben dem Support eine Vielzahl von Hilfsmitteln für die Erstellung<br />
der Daten sowie deren Transformation in diverse Ausgabeformate zur Verfügung.<br />
Aufgrund seiner weltweiten Nutzung diente DocBook zahlreichen Entwicklern von<br />
XML-Dialekten als erfolgreiches Beispiel für die Entwicklung eines strukturierten Formates<br />
für Dokumente. So berichten Entwickler von Educational Modeling Languages<br />
(EML), dass DocBook bei der Entwicklung der XML-Dialekte Pate gestanden hat<br />
[KO04]. Zu einer größeren, dokumentierten Verbreitung des DocBook Standards im<br />
Bereich der Lernmedienproduktion kam es jedoch bislang nicht. Vielmehr wurden in den<br />
letzten Jahren zahlreiche proprietäre Formate für diesen Bereich entwickelt, die jeweils<br />
bislang jedoch nur singulär Bedeutung erzielt haben (z.B. ML3, LMML, eLML). Im<br />
Gegensatz zu diesen Arbeiten fokussiert vorliegender Ansatz auf die Verwendung von<br />
DocBook als weltweit genutztem Standard für EPSS.<br />
Der Begriff „eduDocBook“ wurde – jedenfalls laut der Suchmaschine Google - erstmals<br />
im Juni 2003 in einer Internet-Diskussion der CETIS erwähnt. Dabei ging es darum, ob<br />
und wie SCORM mit der Modellierung der eigentlichen Lerninhalte umgehen sollte und<br />
ob es hierfür eine Art universeller Auszeichnungssprache bedarf [Go03]. Weiterhin<br />
wurde in der Diskussion darauf eingegangen, dass Elemente von DocBook sowie die<br />
Idee der Inhaltsauszeichnung ursprünglich in der Educational Modeling Language (OU-<br />
EML) der Open University der Niederlande enthalten waren, aber aufgrund der damit<br />
verbundenen Komplexität auf dem Weg der Standardisierung (IMS <strong>Learning</strong>Design)<br />
über Bord geworfen wurden.<br />
eduDocBook, wie es am Fraunhofer IESE entwickelt und genutzt wird, ist eine Erweiterung<br />
und Spezialisierung von DocBook, die diese Sprache insbesondere für den Bildungsbereich<br />
sowie für die Erstellung von EPSS empfiehlt. <strong>Die</strong> bisherige und zukünftige<br />
Entwicklung von eduDocBook folgt im Wesentlichen den folgenden Leitgedanken:<br />
! Es sollen, soweit möglich, nur minimale Anpassungen an DocBook vorgenommen<br />
werden, sodass die Inhalte weitgehend mit dem Standard kompatibel bleiben.<br />
! Es sollen, soweit möglich, zunächst alle Möglichkeiten zur Spezialisierung von<br />
Elementen (z.B. über das role Attribut) geprüft werden, bevor Erweiterungen an<br />
DocBook vorgenommen werden. Domänenspezifische Erweiterungen sollen,<br />
wenn möglich, vermieden werden (z.B. statt ).<br />
! Über Anpassungen der Standard-Transformationen werden lernmedienspezifische<br />
Ausgabeformate, wie z.B. ein WBT-Format, erzeugt. Dabei kommen Standardtechnologien,<br />
frei verfügbare und anpassbare Werkzeuge zum Einsatz.<br />
131
Im Ergebnis erlaubt der derzeit vorliegende Stand von eduDocBook die feingranulare<br />
Modellierung sequenziell-hierarchischer Lerninhalte. Auf Seiten der Informationsmodellierung<br />
werden u.a. folgende Möglichkeiten geboten:<br />
! Auszeichnung von zielgruppenspezifischen Inhalten (z.B. Anfänger, Fortgeschrittene)<br />
und Inhaltsvarianten (z.B. für WBT, Hilfe, Handbuch).<br />
! Unterstützung von Relationen innerhalb von Dokumenten (z.B. x istÜbungZu y).<br />
! Modellierung von Übungsaufgaben und automatische Umsetzung von einzelnen<br />
Übungsformen für nicht-interaktive Formate (z.B. Druckformate).<br />
! Modulare Speicherung und Wiederverwendung von Inhalten.<br />
! Build-Tool auf Basis von Open-Source-Software.<br />
! Zusätzlich alle Möglichkeiten, die DocBook per se bietet: Glossar(e), Index, div.<br />
Verzeichnisse, Funktionsreferenzen, Bibliographien, …<br />
Wie erste Anwendungen in Industrie und Hochschule belegen, lassen sich mit dem erarbeiteten<br />
eduDocBook Format sowie den begleitenden Werkzeugen zahlreiche Formen<br />
von Inhalten detailliert auszeichnen und in multiplen Konfigurationen und Medienformaten<br />
ausgeben. So wurden seitens des Fraunhofer IESE für einen Industriekunden<br />
multiple Dokumentenvarianten (z.B. Kurs, Hilfe, Handbuch) semantisch feingranular<br />
modelliert und in diversen Endformaten bereitgestellt. Wenngleich nicht detailliert bezifferbar,<br />
ergab sich im Projekt eine sehr hohe Wiederverwendungsquote. Auch im Rahmen<br />
des hier referenzierten Projektes Up2UML wurden Inhalte so modelliert und aufbereitet,<br />
dass sie in multiplen Konfigurationen und Medienformaten in Blended-learning-<br />
Arrangements eingebettet werden können. Erste Evaluationen zeigen, dass die medienformatübergreifende<br />
Wiederverwendung funktioniert und von den Teilnehmern sehr gut<br />
angenommen wird. Ebenso lassen sich Inhalte in multiple Konfigurationen einbetten und<br />
so von mehreren Trainern und Kursanbietern parallel nutzen.<br />
3 Inhaltsproduktion mit (edu)DocBook<br />
Auf technischer Ebene lassen sich bei einem DocBook-basierten Ansatz zur Inhaltsentwicklung<br />
grundsätzlich vier aufeinander aufbauende Schichten (layer) unterscheiden, die<br />
bei der technischen Erstellung und Aufbereitung von Dokumenten nacheinander durchlaufen<br />
werden. Auf die entsprechenden Redaktionsprozesse wurde an anderer Stelle<br />
bereits hingewiesen [GT06].<br />
132<br />
1. Datenhaltung (storage layer)<br />
In dieser Schicht werden die Bestandteile der Dokumentationen in XML erstellt<br />
und für die weitere Verarbeitung vorgehalten.<br />
2. Komposition (composition layer)<br />
<strong>Die</strong>se Schicht dient der Aggregation der Bestandteile zu einem in sich geschlosse-
nen, validen DocBook-Dokument, das als Grundlage für die weiteren Verarbeitungsprozesse<br />
dient.<br />
3. Transformation (transformation layer)<br />
Auf dieser Ebene werden die aggregierten Dokumentationen in das gewünschte<br />
Ausgabeformat überführt.<br />
4. Präsentation (presentation layer)<br />
<strong>Die</strong> formatierten Dokumentationen werden in dieser Schicht den Benutzerinnen<br />
und Benutzern präsentiert.<br />
Abbildung 1: Produktionsprozess mit DocBook [GT06]<br />
Auf der Ebene der Erstellung und Bereitstellung der Dokumentationsbestandteile (storage<br />
layer) arbeiten Autorinnen und Autoren typischerweise mit einem Autorenwerkzeug,<br />
beispielsweise einem XML-Editor oder einem IDE-Werkzeug wie Eclipse. <strong>Die</strong> Bestandteile<br />
werden beispielsweise in einem SVN-Repository gespeichert und für die weitere<br />
Be- und Verarbeitung vorgehalten. Durch Verwendung entsprechender Technologien<br />
wie xinclude, xpointer, xml catalog, conref usw. ist eine weitgehende Modularisierung<br />
der Informationen sowie eine Wiederverwendung auf technischer Ebene möglich. Zentrales<br />
Werkzeug auf den Ebenen Komposition (composition layer) und Transformation<br />
(transformation layer), ist ein XSLT-Prozessor, der die valide XML-Datei einer Dokumentation<br />
(Profiled intermediate-File) regelbasiert nach HTML bzw. XSL-FO überführen<br />
kann. Für das Überführen der XSL-FO Dateien in das Portable Document Format<br />
(PDF) stehen sowohl freie als auch kommerzielle Software zur Verfügung. Für die Präsentation<br />
und Bereitstellung der finalen Dokumentationen und Medien kann ein Content<br />
133
Management System (CMS) oder, im Fall von Lernsoftware, ein <strong>Learning</strong> Management<br />
System (LMS) wie Moodle verwendet werden. Über eine entsprechende Transformation<br />
können aus DocBook heraus IMS Manifest-Dateien geschrieben werden, die den Import<br />
in ein LMS über die SCORM-Schnittstelle unterstützen. Der gesamte Produktionsvorgang<br />
ist für das eduDocBook-Format weitgehend automatisiert und wird durch einen<br />
Transformations-Assistenten gesteuert.<br />
Im Rahmen des EU-Forschungsprojektes „Upskilling to Object-oriented development<br />
with the UML“ (Up2UML) wurde diese Form der Inhaltsproduktion – initial entstanden<br />
im Rahmen eines Industrieprojekts - weitgehend beibehalten und weiter verfeinert. Zusätzlich<br />
wurde ein spezifisches WBT-Ausgabeformat für eduDocBook entwickelt, das<br />
eine ansprechende und funktionale Oberfläche zur Präsentation der DocBook Inhalte<br />
erzeugt und den Lernenden schnelle und unkomplizierte Zugriffsmechanismen auf die<br />
Inhalte erlaubt. Durch den SCORM-Export wurde ermöglicht, dass die Inhalte direkt in<br />
jedes gängiges LMS, z.B. Moodle, Ilias importiert werden können.<br />
4 Der CourseComposer als Beispiel für ein Werkzeug zur Rekonfiguration<br />
von (Lern)Inhalten<br />
Im Rahmen des Projektes Up2UML wurden Inhalte zur „Unified Modeling Language“<br />
(UML) in modularer Form erstellt und als weitgehend voneinander unabhängige Informationsobjekte<br />
gespeichert. Insgesamt wurde dadurch das Ziel verfolgt, späteren „Wiederverwendern“<br />
der Bausteine – also Trainern, Verlagen, Kursanbietern – die Möglichkeit<br />
zu geben, Kurse nach individuellen Wünschen zusammenzustellen. So kann ein<br />
Trainer mit den im Projekt erstellten Inhalten in der Vorbereitung einer Präsenzphase<br />
beispielsweise die theoretischen Grundlagen der UML-Diagramme in Form eines WBT<br />
herausgeben und die praktischen Übungen zusammen mit einer Case Study den Teilnehmern<br />
erst mit Abschluss des Workshops zur Verfügung stellen, um den Transfer des<br />
Gelernten zu sichern. Auch sind durch diese Rekonfiguration der Medien so beispielsweise<br />
Fokussierungen auf bestimmte Diagrammarten innerhalb der UML oder auch<br />
Anpassungen an vorliegende Blended-learning-Konzeptionen möglich.<br />
Der Begriff der Rekonfiguration von Inhalten im hier verwendeten Zusammenhang<br />
entspricht dem, was [HRS05] im Wesentlichen als „Authoring by Aggregation“ bezeichnen.<br />
Letztlich wird mit Rekonfiguration die Zusammenstellung von Inhalten aus<br />
bestehenden Inhaltsbausteinen (Aggregation) bzw. die Änderung einer solchen Zusammenstellung<br />
sowie die Übertragung auf andere Dimensionen der Wiederverwendung<br />
bezeichnet (Rekonfiguaration).<br />
Der Erstellungsprozess für Lernmedien in Up2UML erfolgt in zwei Schritten: Zunächst<br />
werden Inhalte in modularer Form erstellt und gespeichert. Im zweiten Schritt werden<br />
diese Bausteine, die so genannten Inhaltsobjekte, zu didaktisch sinnvollen Arrangements<br />
inklusive der diversen Zugriffshilfen aggregiert. Als Werkzeug für diese Aggregation<br />
und letztlich auch Rekonfiguration der Inhalte wurde im Rahmen des Projektes zunächst<br />
mit einer lokalen Lösung gearbeitet. Dabei kam die Idee auf, dass die gleichen Prozesse<br />
sich auf einen Web-Server übertragen lassen und so den späteren Nutzern eine komfor-<br />
134
tablere Zusammenstellung und Rekonfiguration von Lernmedien erlaubt. Aus diesem<br />
Gedanken heraus ist der CourseComposer entstanden. <strong>Die</strong>se Applikation erlaubt es den<br />
Nutzern, didaktisch-motivierte Arrangements aus Inhaltsobjekten - faktisch sind dies in<br />
SVN vorliegende XML-Dateien im eduDocBook-Format - komfortabel zu erstellen bzw.<br />
bereits vorhandene Arrangements zu rekonfigurieren. Anschließend durchlaufen die<br />
Zusammenstellungen eine Reihe von Transformationen, um schließlich im gewünschten<br />
Ausgabeformat, der Zielsprache sowie mit den gewünschten Inhalten (z.B. den zielgruppenspezifischen<br />
Daten) zum Download zur Verfügung zu stehen (Abbildung 2).<br />
Abbildung 2: Schematischer Ablauf der Rekonfiguration von Trainingsmedien<br />
mit dem CourseComposer [GTS06-2]<br />
Durch die Verwendung von Java-Script und Ajax Bibliotheken und -techniken bietet der<br />
Course Composer eine intuitiv bedienbare Oberfläche. So ist es beispielsweise im sog.<br />
Arranger des CourseComposers möglich, Kurse über Drag&Drop regelgeführt zusammenzustellen<br />
oder einzelne Knoten, Lektionen, Kapitel usw. mit der Maus zu verschieben.<br />
Im so genannten Transformer werden die so „zusammengeklickten“ Kurse in die<br />
gewünschten Formate überführt. Mit Abschluss der Transformationen stehen Sie dann in<br />
den Formaten WBT (HTML) und PDF sowie ggf. mehreren Sprachen zur Verfügung<br />
und können in gängige Systeme zur Distribution eingebunden werden.<br />
135
5 Diskussion des Ansatzes und Ausblick<br />
<strong>Die</strong> Analyse hat gezeigt, dass Wiederverwendung und Rekonfiguration von (Lern) Inhalten<br />
ein spannendes und wichtiges Feld für die Weiterentwicklung des Bereich E-<br />
<strong>Learning</strong> sowie der EPSS-Systeme darstellt. Mit eduDocBook sowie den verwandten<br />
Werkzeugen stehen Lösungen zur Verfügung, mit der einige der beschriebenen Ansätze<br />
realisiert werden können. Insbesondere projektinterne und medienformatübergreifende<br />
Wiederverwendung kann so gut unterstützt werden. Im Gegensatz zu vielen proprietären<br />
Lösungen (wie den diversen EMLs), kann DocBook als etablierter und weltweit genutzter<br />
Standard auf eine rege Nutzergruppe sowie zahlreiche verwandte Technologien zurückgreifen.<br />
Hierin liegt denn auch einer der originären Beiträge des Ansatzes. Gerade<br />
aufgrund der Verbreitung und der Nutzung von Standard-Technologien, scheint ein<br />
Einsatz von DocBook resp. eduDocBook für Unternehmen und Bildungseinrichtungen<br />
mittelfristig als zukunftssicher. Auch in Bezug auf die derzeit auf internationaler Ebene<br />
geführten Diskussionen zu Open Content scheint die Verwendung freier Standards für<br />
die Lernmedienproduktion ein zentraler Aspekt zu sein.<br />
Der hier beschriebene Ansatz zur Erstellung und Re-Konfiguration von Inhalten hat sich<br />
bislang im Rahmen von je einem Industrie- und einem Forschungsprojekt zu ganz unterschiedlichen<br />
Themenstellungen bewährt, wenngleich eine intensive wissenschaftliche<br />
Evaluation noch aussteht. Erste Erfahrungen aus dem eigenen Einsatz sowie einer Evaluation<br />
der damit erstellten Inhalte verliefen bislang sehr positiv. Eine grundsätzliche<br />
Eignung des Ansatzes für weitere Themenfelder scheint plausibel, kann in der Gänze<br />
jedoch nicht belegt werden. Selbst wenn der Einsatz von DocBook in den Sozial- und<br />
Geisteswissenschaften vereinzelt gefordert wird [Bu05], so liegen nur wenige Erfahrungsberichte<br />
über die Eignung des Standards für die Auszeichnung entsprechender<br />
Texte, z.B. für die Bereiche Medizin, Jura usw., vor [MRS02].<br />
Grundsätzlich hat sich (edu)DocBook in den beschriebenen Kontexten als relativ universell<br />
nutzbare Auszeichnungssprache bewährt. <strong>Die</strong> beschriebene geringe Spezialisierung<br />
auf den Bereich der Lernmedienmodellierung ist jedoch auch ein Problem von eduDoc-<br />
Book: So lassen sich Übungsaufgaben nur begrenzt in DocBook semantisch sauber modellieren.<br />
Auch die immer wieder geforderten, aber selten praktisch realisierten, komplexen<br />
didaktischen Szenarien lassen sich nur schwer mit der in DocBook<br />
implementierten Lehrbuch-Logik umsetzen. Vielmehr muss man hier (gangbare) Umwege<br />
gehen, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Für die „gute Praxis“ im Bereich<br />
des Blended-learning – bei der der Trainer durch weitere Aktivitäten ausreichend viele<br />
Interaktionen in einen Kurs einbetten kann - scheint dies kein nennenswerter Nachteil zu<br />
sein, wie erste Evaluationsergebnisse im Projekt zeigen: Vielmehr artikulierte die überwiegende<br />
Zahl der befragten Teilnehmer, dass sie eine rein sequenzielle Lehrbuchform<br />
in PDF einer Variante im WBT-Format sogar vorziehen würden.<br />
Mittelfristig ist der Ansatz auf seine praktische Tragfähigkeit außerhalb der beschriebenen<br />
Projekte hin zu überprüfen. So ist zu eruieren, ob die beschriebenen Techniken auch<br />
im Rahmen von weiteren EPSS-, Dokumentations- oder E-<strong>Learning</strong>-Vorhaben zu den<br />
gewünschten Ergebnissen führen. Kurzfristig stehen zunächst technische Arbeiten im<br />
Vordergrund, die den Ansatz komplettieren helfen: So ist beispielsweise abzuwägen, ob<br />
136
und inwieweit multiple Wiederverwendung innerhalb desselben Dokuments unterstützt<br />
werden kann. XML-Dialekte wie Darwin Information Typing Architecture (DITA) bieten<br />
hierfür mit conref entsprechende Mechanismen, die auch in eduDocBook implementiert<br />
werden könnten [Wa05]. Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Verbesserung der Suche<br />
von Informationsobjekten im CourseComposer, da diese die Kursautoren dabei unterstützt,<br />
neue Arrangements zusammenstellen bzw. bestehende Inhaltsarrangements zu<br />
rekonfigurieren. Mit dem weiteren praktischen Einsatz der beschriebenen Technologien<br />
wird zukünftig sicherlich auch der Bereich der Projekt- und organisationsübergreifenden<br />
Wiederverwendung von Bausteinen einen wichtigen Stellenwert einnehmen.<br />
6 Zusammenfassung<br />
Gerade vor dem geschilderten Hintergrund, dass „re-purpose“ und „re-use“ von Content<br />
mittel- und langfristig zentrale Herausforderungen für Inhaltsentwicklung im E-<br />
<strong>Learning</strong>-Bereich darstellen, scheinen Ansätze, Lernmedien nach den Prinzipien des<br />
Single-Source-Publishings und mit Blick auf eine mögliche Rekonfiguration und Wiederverwendung<br />
der Inhalte zu erstellen, eine Alternative für die bislang betriebenen<br />
Vorgehensweisen der singulären Produktion zu sein. Entsprechende Investitionen in eine<br />
saubere Konzeption und Modularisierung lohnen sich für Autoren oder Produzenten<br />
mittel- oder langfristig, da nicht nur die Wiederverwendung besser unterstützt wird,<br />
sondern auch Wartungs- und Anpassungsprozesse effizienter werden.<br />
Im Rahmen des EU-Forschungsprojektes Up2UML wurde ein Repository mit Lernobjekten<br />
aufgebaut, das von Trainern, Kursanbietern oder Verlagen zur Herstellung<br />
eigener Produkte genutzt werden kann. Für die Rekonfiguration der Lernmedien wurde<br />
mit der CourseComposer Anwendung ein Werkzeug entwickelt, das es erlaubt, modular<br />
vorliegende Informationsobjekte im (edu)DocBook Format zusammenzustellen und in<br />
multiple Ausgabeformate zu überführen. Zukünftige Arbeiten werden darauf fokussieren<br />
neben den Lernmedien ganze Blended-<strong>Learning</strong>-Szenarien und -Muster in rekonfigurierbarer<br />
Form zu beschreiben und o.g. Zielgruppen eine weitgehend automatisierte<br />
Lernmedien, Handbücher und Kursraumgenerierung zu ermöglichen.<br />
Danksagungen<br />
Das Projekt „Upskilling to Object-oriented development with the UML“ (Up2UML)<br />
umfasst Partnerorganisationen aus Deutschland, Frankreich, Irland, Rumänien und Bulgarien<br />
und erhält Fördermittel aus dem europäischen Berufsbildungsprogramm LEO-<br />
NARDO da VINCI 2005-2007 (Förderkennzeichen PP 146369).<br />
Besonderer Dank an Eric Ras für Durchsicht und hilfreiche Anmerkungen.<br />
137
Literaturverzeichnis<br />
[Bu05] Bunke, Hendrik: Schreibt strukturiert! XML und Docbook in Sozial- und<br />
Geisteswissenschaften. 07.12.200<strong>5.</strong> <br />
[17.03.2007]<br />
[El05] The e<strong>Learning</strong>guild: The Content Authoring Research Report 200<strong>5.</strong><br />
(13.03.06)<br />
[Ge91] Gery, G.: Electronic Performance Support System. Gery Association, 1991<br />
[Go03] Gorissen, P.: Fiercely complex ? In reponse to the dynamic appearance model and implementing<br />
SCORM 1.3 (13.07.2003)<br />
[29.06.2007]<br />
[GT06] Grützner, I.; Thomas, L.: Systematische Entwicklung von Medien zur Benutzerunterstützung<br />
und -schulung mit einem XML basierten Single-Source-Ansatz. Multikonferenz<br />
Wirtschaftsinformatik 2006<br />
[GTS06-2] Grützner, I.; Thomas, L.; Steinbach-Nordmann, S.: Building re-configurable multilingual<br />
training media. in: Méndez-Vilas, Antonio (Ed.); Solano Martin, A. (Ed.); Mesa<br />
González, Julian (Ed.); Mesa González, J.A. (Ed.): Current Developments in Technology-Assisted<br />
Education (2006) - Vol. 3, S. 1944-1948<br />
[HRS05] Hoermann, S.; Rensing, C.; Steinmetz, R.: Wiederverwendung von Lernressourcen<br />
mittels Authoring by Aggregation im ResourceCenter. In: Haake, J. M.; Lucke, U.; Tavangarian,<br />
D. (Hrsg.): DeLFI 2005: 3. Deutsche e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong>, GI-<br />
Edition, September 2005, S. 153-164<br />
[Ho06] Hoermann, S.: Wiederverwendung von digitalen Lernobjekten in einem auf Aggregation<br />
basierenden Autorenprozess. Dissertation, Technische <strong>Universität</strong> Darmstadt, 2005<br />
[KO04] Koper, R.; Olivier, B.: Representing the learning design of units of learning. Educational<br />
Technology & Society, 7 (3), S. 97-111.<br />
[MRS02] Merz, A. K.; Rockmann, F.; Schwarz, C.; Reng, C. M.: Rechnergestützte Lehr- und<br />
Lernsysteme in der Medizin. "MedicCaseML: XML Austauschformat für CBT Systeme<br />
in der medizinischen Aus- und Weiterbildung"; In: Bernauer, J.; Fischer, M.R.; Leven,<br />
J.; Puppe, F.; Weber, M. (Hrsg.): Rechnergestützte Lehr- und Lernsysteme in der Medizin,<br />
S. 67-76, Shaker Verlag: Berlin (2002)<br />
[TR05] Thomas, L.; Ras, E.: Courseware Development Using a Single-Source Approach. In:<br />
Proceedings of the World Conference on Education Multimedia, Hypermedia and Telecommunications,<br />
Ed-Media 2005; S. 4502-4509<br />
[TR06] Thomas, L.; Ras, E.: Wiederverwendungsorientiertes Content Authoring nach dem Single-Source<br />
Prinzip. In: Mühlhäuser, M.; Rößling, G.; Steinmetz, R. (Hrsg.): DeLFI 2006,<br />
4. e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong>, September 2006, Darmstadt, S. 159-170<br />
[WM99] Walsh, N.; Muellner, L.: DocBook. O'Reilly, 1999<br />
[Wa05] Walsh, N.: DITA for DocBook. Volume 8, Issue 136.<br />
[17.03.2007]<br />
138
Das Authoring Management System EXPLAIN zur ganzheitlichen<br />
Unterstützung des Erstellungsprozesses von<br />
Trainingsmedien und WBTs<br />
Lasse Lehmann 1 , Helge Fredrich 2 , Christoph Rensing 1 ,<br />
Volker Zimmermann 2 , Ralf Steinmetz 1<br />
1 KOM - Multimedia Kommunikation<br />
Technische <strong>Universität</strong> Darmstadt<br />
Merckstrasse 25<br />
64283 Darmstadt<br />
{Lasse.Lehmann, Christoph.Rensing, Ralf.Steinmetz}@kom.tu-Darmstadt.de<br />
2 imc - information multimedia communication AG<br />
Altenkessler Str. 17 D3<br />
66115 Saarbrücken<br />
{Helge.Fredrich, Volker.Zimmermann}@im-c.de<br />
Abstract: In Unternehmen erfordern kurze Produktentwicklungszyklen und enge<br />
Terminpläne zumeist eine Entwicklung der Trainingsinhalte parallel zur Produktentwicklung<br />
selbst. Unternehmen können hierzu entweder externe <strong>Die</strong>nstleister<br />
beauftragen oder die Produktion in-house durchführen. Während sich ersteres oft<br />
schon auf Grund der hohen Kosten nicht lohnt, lohnt sich letzteres für kleine und<br />
mittlere Unternehmen nur, wenn eine vorhandene Infrastruktur die oben genannten<br />
Prozesse vereinfacht und unterstützt. Um eine solche Infrastruktur handelt es sich<br />
bei dem hier vorgestellten Authoring Management System (AMS).<br />
1 Einleitung und Motivation<br />
<strong>Die</strong> Erstellung und Produktion von e-<strong>Learning</strong> Inhalten ist ein zeitaufwändiger und<br />
komplexer Prozess. So dauert die Entwicklung von Produktschulungen in Unternehmen,<br />
von der Konzeption bis zur Bereitstellung an die Kunden oder Mitarbeiter, durchaus 6-9<br />
Monate. In Unternehmen erfordern kurze Produktentwicklungszyklen und enge Terminpläne,<br />
oftmals wird ein Produkt noch wenige Wochen vor dem Verkauf geändert, deshalb<br />
zumeist eine Entwicklung der Trainingsinhalte parallel zur Produktentwicklung<br />
selbst. Dadurch wird die effektive Entwicklung dieser Trainingsmedien zu einem wichtigen<br />
Wettbewerbsfaktor [BBS01]. <strong>Die</strong>s gilt zwar im Besonderen für multimedial aufbereitete<br />
Inhalte, aber im Prinzip für alle möglichen Arten von Trainingsmedien, die zu<br />
einem Produkt erstellt werden müssen. Hierzu zählen beispielsweise Produkt-<br />
Dokumentationen, Schulungsunterlagen, Foliensätze für Fortbildungen, Selbstlerneinheiten<br />
oder auch Werbematerial. Da die Content-Produktion durch externe <strong>Die</strong>nstleister<br />
häufig, besonders für kleine und mittlere Unternehmen, kaum erschwinglich ist, streben<br />
viele Unternehmen eine in-house Produktion von Trainingsmedien an. Hier fehlen je-<br />
139
doch oft das nötige Know-How und die passenden Werkzeuge zur Medien- und Content-<br />
Produktion.<br />
Zudem ist der organisatorische Aufwand sehr hoch: <strong>Die</strong> Inhalte müssen konzipiert und<br />
das Konzept dann von den zuständigen Projektleitern autorisiert werden, noch bevor der<br />
eigentliche Inhalt erstellt wird. <strong>Die</strong> Fachexperten müssen die Inhalte liefern und ihr Wissen<br />
in enger Zusammenarbeit mit den Autoren zur Verfügung stellen. Dafür müssen sie<br />
auf Wissen und Ressourcen im Firmennetzwerk zugreifen können. Mediendesigner<br />
müssen wissen, welche Medienobjekte wann und in welcher Form produziert werden<br />
sollen; und schließlich muss das Projektmanagement den Prozess kontrollieren, die<br />
wichtigsten Parameter abrufen und, soweit notwendig, effektiv eingreifen können. <strong>Die</strong>s<br />
ist nur möglich, wenn eine vorhandene Infrastruktur die oben genannten Prozesse vereinfacht<br />
und unterstützt. Um eine solche Infrastruktur handelt es sich bei dem hier vorgestellten<br />
Authoring Management System (AMS). In Kapitel 2 werden, anhand der existierenden<br />
Schwachstellen bei der Content-Erstellung in Unternehmen, Anforderungen an<br />
ein solches System definiert, während auf dieser Basis im folgenden Kapitel das der<br />
Authoring Management Plattform zugrunde liegende Konzept vorgestellt wird. In Kapitel<br />
4 wird die Implementierung des Systems beschrieben, während Kapitel 5 sich mit der<br />
Evaluation sowohl des Konzepts als auch der Plattform als solche befasst. Nach einem<br />
Blick auf die verwandten Arbeiten in Kapitel 6, schließt Kapitel 7 den Artikel ab und<br />
gibt einen Ausblick auf zukünftige Schritte.<br />
2 Schwachstellen in der Content-Produktion<br />
In [CLL07] wurden die Content-Erstellungs-Prozesse in kleinen und mittleren Unternehmen<br />
analysiert. Dazu wurden Firmen, die bereits selber Content produziert haben,<br />
befragt und eine Reihe von Schwachstellen in der Content-Produktion identifiziert. Hieraus<br />
lassen sich wiederum Anforderungen an ein AMS ableiten. <strong>Die</strong> nachfolgend aufgeführten<br />
Schwachstellen werden weitestgehend in [CLL07] detailliert beschrieben und im<br />
Einzelnen begründet.<br />
1. Hoher Zeitbedarf bei spezialisierten, teuren Mitarbeitern<br />
Eine Authoring Management Plattform muss für eine optimale Einbindung der Fachexperten<br />
in den Erstellungsprozess der Inhalte sorgen und nach Möglichkeit nicht inhaltliche<br />
Tätigkeiten von den Fachexperten fernhalten.<br />
2. Fehlende Integration der Werkzeuge<br />
<strong>Die</strong> Authoring Management Plattform muss entweder die Funktionen der verschiedenen<br />
Werkzeuge beinhalten oder eine kompatible und konsistente Schnittstelle zu existierenden<br />
Werkzeugen bieten.<br />
3. Hoher Kommunikations- und Koordinationsaufwand<br />
Das AMS soll einen integrativen, zentralen Kommunikationspunkt darstellen, über den<br />
alle Koordinationsaufgaben schnell und unkompliziert gelöst werden können.<br />
140
4. Große Datenmenge und ungewollte Redundanz<br />
<strong>Die</strong> Authoring Management Plattform muss ein konsistentes System zur Verwaltung und<br />
zum Austausch der Inhalte bieten, aber dennoch einfach und intuitiv zu benutzen sein.<br />
<strong>5.</strong> Hohe Kosten und Aufwände durch Aktualisierungen und Lokalisierungen<br />
Das AMS muss ein einfaches und zügiges Aktualisieren bestehender Inhalte unterstützen,<br />
indem bspw. Inhalt und Layout getrennt voneinander gehandhabt werden.<br />
6. Divergenz zwischen erwarteten und tatsächlichen Kosten<br />
Das System kann durch klare Projektmanagement- und Controlling-Funktionen eine<br />
Hilfestellung bieten.<br />
7. Höherer Zeitaufwand durch komplexe Drehbücher<br />
Drehbücher werden im industriellen Umfeld häufig als Meilensteine in der Content-<br />
Erstellung verwendet. Der Projektleiter autorisiert nach Durchsicht des Drehbuchs die<br />
Weiterführung des Inhaltserstellungs-Prozesses, was eine Form der Qualitätssicherung<br />
darstellt. <strong>Die</strong> von uns durchgeführten Anwendungs-Szenarien haben jedoch gezeigt, dass<br />
komplexe Drehbücher den Prozess unnötig in die Länge ziehen, da sie weder einen guten<br />
Überblick über die zu erstellenden Inhalte vermitteln, noch schnell und effizient zu lesen<br />
sind (siehe Kapitel 5). Das AMS sollte zumindest optional eine effektivere Möglichkeit<br />
der Qualitätssicherung und Konzepterstellung bieten.<br />
8. Spezieller Werkzeug-Bedarf<br />
Unterschiedliche Formen von Lernmaterial haben unterschiedliche Anforderungen an<br />
die Werkzeuge, mit denen die Inhalte erstellt werden. So benötigt man beispielsweise<br />
zum Erstellen einer e-Lecture ein anderes Werkzeug als zum Erstellen eines WBTs.<br />
Daher müssen oft teure Software-Lizenzen für einmalig oder selten benutzte Werkzeuge<br />
erworben werden. Das Authoring Management System muss hier zum einen passende<br />
Werkzeuge für die unterschiedlichen Arten von Lerninhalten zur Verfügung stellen und<br />
zum anderen Geschäftsmodelle anbieten, die auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren<br />
Unternehmen zugeschnitten sind.<br />
3 Das Authoring Management System<br />
Im Folgenden wird ein Konzept vorgestellt, welches die in Kapitel 2 genannten Anforderungen<br />
erfüllt und Grundlage unserer Implementierung ist.<br />
3.1 Gesamtkonzept<br />
Einigen der in Kapitel 2 genannten Schwachstellen liegt das Problem zu Grunde, dass<br />
die verwendeten Autorenlösungen nicht den gesamten Produktionsprozess und den begleitenden<br />
Projektmanagement-Prozess hinreichend unterstützen. Der überwiegende<br />
Großteil setzt erst bei der Produktion der eigentlichen Inhalte an (siehe Kapitel 5). Viele<br />
141
der genannten Schwachstellen können vermieden werden, indem ein Werkzeug bereits<br />
die Konzeptionsphase unterstützt und allen Projektbeteiligten, also auch den Fachexperten<br />
und dem Projektmanager, zur Verfügung steht (1, 3). Das Konzept für ein AMS sieht<br />
daher vor, alle Teilprozesse innerhalb der Content-Erstellung (vgl. Kapitel 3.2) und<br />
insbesondere die Konzeption und Modellierung der Inhalte mittels einfacher integrierter<br />
Werkzeuge zu unterstützen (2) und den gesamten Produktionsprozess zu managen (4, 6).<br />
<strong>Die</strong> Drehbucherstellung wird durch eine angereicherte Content-Modellierung ersetzt (5,<br />
7). Neben der Unterstützung der verschiedenen Teilprozesse innerhalb eines Content-<br />
Projektes soll das AMS umfangreiche Mehrwertdienste bieten. <strong>Die</strong>se Mehrwertdienste,<br />
die vom Betreiber des AMS angeboten werden, sammeln Erfahrungswissen, welches<br />
allen Nutzern zur Verfügung gestellt werden kann. Dazu zählen Profile externer<br />
<strong>Die</strong>nstleister, ein didaktischer Assistent und ein Pool von WBT-typischen Ressourcen,<br />
sowie Werkzeugen auf Basis verschiedner Lizenzmodelle (8).<br />
3.2 Teilprozesse des AMS<br />
Um die in Kapitel 2 gestellten Anforderungen zu erfüllen, muss ein AMS Teilaspekte<br />
und Funktionen der Bereiche Projekt-Management, Content-Konzeption bzw. Erstellung<br />
und Material-Management abdecken oder unterstützen. <strong>Die</strong>sen Anwendungsbereichen<br />
entsprechen die drei grundlegenden Prozesse, die die Hauptfunktionalität der Plattform<br />
bilden (siehe Abbildung 1). <strong>Die</strong> Basis all dieser Prozesse bildet das Content-Modell. Es<br />
folgt in der Modellierung dem Buchparadigma und besteht somit aus einer hierarchischen<br />
Struktur von Kapiteln und Seiten. <strong>Die</strong> tatsächliche Realisierung des WBTs und<br />
seine Navigation können von diesem Paradigma abweichen, beispielsweise durch von<br />
den Autoren definierbare Lernpfade. <strong>Die</strong> Gesamtheit der Kapitel und Seiten wird Inhaltspaket<br />
genannt. <strong>Die</strong> Kapitel bilden die logische Struktur des Inhaltspakets ab, während<br />
die Seiten die Inhalte der Kapitel darstellen. Den Seiten können binäre Materialien,<br />
wie beispielsweise Bilder, Animationen oder Videos, die für die spätere Produktion von<br />
Bedeutung sind, zugeordnet werden. So ist es möglich, bereits während der Konzeption<br />
fertig gestellte oder aus anderen Projekten wieder verwendete Materialien zu berücksichtigen.<br />
Kapitel, Seiten und Materialien besitzen jeweils neben den Standard-Metadaten<br />
wie Titel, Beschreibung, Stichworte etc. umfangreiche Attribute, in denen Informationen<br />
für das Projekt-Management, die spätere Produktion sowie didaktische Informationen<br />
enthalten sind [LA06]. Das Content-Modell eines Inhaltspakets kann also neben Materialien<br />
in allen Entwicklungsstufen auch umfangreiche Informationen über die Produktion,<br />
wie Design- oder Layout-Informationen, inhaltliche Informationen wie Sprecher-<br />
und Bildschirmtexte und didaktische Informationen wie Lernziele und Testfragen beinhalten.<br />
Es kann somit in Form eines angereicherten Content-Modells als vollwertiger<br />
Ersatz für das Drehbuch dienen [CLL07]. Darüber hinaus enthält das Content-Modell<br />
alle für das Projektmanagement relevanten Informationen.<br />
Im „Projektmanagement-Prozess“ werden alle Planungs- und Controlling-Aufgaben für<br />
ein Content-Projekt durchgeführt. <strong>Die</strong> Plattform dient in diesem Bereich als Produktionsleitstand,<br />
wo alle wichtigen Parameter eingesehen und beeinflusst werden können<br />
sowie die Qualitätssicherung geplant und durchgeführt wird. <strong>Die</strong> wichtigsten Teilprozesse<br />
stellen hier das Kosten- und Termin-Management sowie das Regeln der Verantwort-<br />
142
lichkeiten dar. Jedem Element des Content-Modells können Soll- und Istkosten, sowie<br />
Start- und Solltermine zugewiesen werden. Neben den Statusinformationen der Inhaltspakete<br />
eines Projektes müssen vom Projekt-Management auch die Projekte selbst, die<br />
Personen und Rollen sowie Aufgaben, die den Projekten und Inhaltspaketen zugeordnet<br />
werden können, verwaltet werden.<br />
Der „Content-Erstellungs-Prozess“ ist der eigentlich Kernprozess des Authoring Management<br />
Systems und dient der Planung, Konzeption und schließlich Produktion der Inhalte.<br />
Das Authoring Management System wurde so konzipiert, dass die Planung und<br />
Modellierung der Inhalte als integrativer Bestandteil der Plattform vorgesehen sind,<br />
während die eigentliche Produktion der Lernmaterialien auch mit Hilfe von externen,<br />
bereits vorhandenen Werkzeugen vorgenommen werden kann. Hierfür ist eine entsprechende<br />
Schnittstelle vorgesehen [ZF06].<br />
Der „Material-Management-Prozess“ ist für die Verwaltung der für die Produktion benötigten<br />
Inhalte zuständig. <strong>Die</strong>ser Prozess bildet auch gleichzeitig die Grundlage für den<br />
Produktionsleitstand, da alle Entscheidungen auf Grund von Statusveränderungen bei<br />
Materialien oder Elementen des Content-Modells getroffen werden.<br />
3.3 Mehrwertdienste<br />
Neben den drei Hauptprozessen umfasst das Konzept der Plattform noch verschieden<br />
unterstützende <strong>Die</strong>nste, über welche das Erfahrungswissen des Plattformbetreibers den<br />
verschiedenen Nutzern zur Verfügung gestellt wird. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nste werden in Abbildung 1<br />
jeweils in derselben Farbe dargestellt, wie der Prozess, dem sie zugeordnet sind.<br />
<strong>Die</strong> „Assistenten“ unterstützen die Projektgruppe bei verschiedenen Entscheidungen, die<br />
nicht unmittelbar in ihrem Kompetenzbereich liegen. So unterstützt der didaktische Assistent<br />
den Fachexperten bei didaktischen Entscheidungen, schlägt für unterschiedliche<br />
didaktische Parameter unterschiedliche Format- und Sequenzmuster [NN06]. Wenn eine<br />
Formatentscheidung getroffen wurde, unterstützt der Tool Assistent die Benutzer der<br />
Plattform bei der Auswahl eines passenden Werkzeugs. So kann ein bestimmtes Werkzeug<br />
beispielsweise zur Erstellung einer e-Lecture – also einer Präsentationsaufzeichnung<br />
– sehr gut geeignet sein, aber zur Produktion eines interaktiven WBTs ungeeignet.<br />
„Bibliotheken“ enthalten Ressourcen, Werkzeuge und Materialien, welche bei der Content-Produktion<br />
benötigt werden und die ein Mandant der Plattform lizenzieren kann.<br />
Hierzu zählen beispielsweise Sammlungen von Bildern oder Videoclips, die in Content-<br />
Produktionen häufig verwendete Themen zum Inhalt haben, oder Layout-Vorlagen für<br />
Lerninhalte.<br />
Bei den „Ressourcen Pools“ handelt es sich um umfangreiche Kontaktdatenbanken zu<br />
externen <strong>Die</strong>nstleistern, die im Inhaltserstellungsbereich tätig sind, da oftmals externe<br />
Agenturen für Übersetzungen, das Erstellen von Bildern oder Tonaufnahmen benötigt<br />
werden. <strong>Die</strong> „Kollaborationsdienste“ stellen Mittel für die Kommunikation unter den<br />
Projektbeteiligten eines Mandanten zur Verfügung.<br />
143
Prozesse<br />
<strong>Die</strong>nste<br />
Bibliotheken<br />
Ressourcen-<br />
Pools<br />
4 Implementierung<br />
Abbildung 1: Konzept der Authoring Management Plattform<br />
In Kapitel 3 wurde das Konzept eines Authoring Management Systems beschrieben.<br />
Realisiert wurde dieses System als Web-basierte Plattform, um (1) die Hemmschwelle<br />
der Nutzung durch die Verwendung des Browsers als Werkzeug zu verringern und (2)<br />
flexible, auf die Zielgruppe KMU angemessene Lizenzmodelle anbieten zu können. Im<br />
Rahmen des Forschungsprojektes war es nicht die Zielsetzung, ein neues System komplett<br />
zu entwickeln sondern die grundsätzliche Validität des Ansatzes anhand eines Prototypen<br />
nachzuweisen. Daher war es sinnvoll die Entwicklungsarbeiten auf bestehende<br />
Systeme aufzusetzen. Nach eingehender Untersuchung möglicher Basistechnologien<br />
wurde entschieden die Explain Plattform auf Basis von MS Sharepoint umzusetzen, da<br />
dieses neben den bereits vorhandenen Material-Management- und Kollaborationskomponenten<br />
mit .net eine solide Technologiebasis und, wie sich gezeigt hat, große Flexibilität<br />
hinsichtlich der Erweiterbarkeit und Anpassbarkeit mit so genannten „WebParts“<br />
bietet. Um aus den vorhandenen Funktionalitäten einen möglichst großen Nutzen zu<br />
ziehen, wurde die vorhandene Funktionalität sinnvoll mit eigenen Modulen erweitert.<br />
<strong>Die</strong> daraus resultierende Architektur wird im Folgenden beschrieben.<br />
4.1 Architektur<br />
Projekt-<br />
Management<br />
Content-<br />
Erstellung/<br />
Authoring<br />
Material-<br />
Management<br />
Projektbezogene<br />
Archive<br />
Planung Steuerung / Statusmanagement / Controlling<br />
Content-<br />
Pakete anlegen<br />
und Format<br />
planen<br />
Beispiel-<br />
Bibliothek<br />
Material-,<br />
Dokumenten- und<br />
Produktionsarchiv<br />
Vorlagenbibliothek<br />
Autoren Fotografen<br />
Kapitelkonzeption Seitenkonzeption<br />
Intro<br />
Layoutvorl.Grafik-&Fotobibliothekbibliothek<br />
Videoagenturen<br />
1.1<br />
1.1.1<br />
1.1.2<br />
1.2<br />
Clip-<br />
Bibliothek<br />
Tonstudios Sprecher<br />
Autorentoolbasierte<br />
Produktion<br />
Materialsammlung, -zuordnung<br />
und -management<br />
Leitfadenbibliothek<br />
Übers.agenturen<br />
Tool<br />
bibliothek<br />
Medienagenturen<br />
Abbildung 2 zeigt den schematischen Aufbau der Explain Plattform. Um die Erweiterbarkeit<br />
und Update-Fähigkeit von Sharepoint nicht zu beeinträchtigen, wurde das Sharepoint<br />
zu Grunde liegende Backend nicht verändert und somit das Backend der Plattform<br />
auf dem aus Listen und Bibliotheken bestehenden Backend von Sharepoint aufgesetzt.<br />
<strong>Die</strong>s hat den Vorteil, dass alle vorhandenen Funktionalitäten von Sharepoint weiterhin<br />
über das angebotene Frontend genutzt werden können. Das Materialmanagement, also<br />
144<br />
1<br />
Content-<br />
Modell /<br />
Stückliste<br />
Assistenten Didaktischer<br />
Tool<br />
Kalkulations-<br />
Kollaborations- Live Comm-<br />
Sprecher CommÜbersetzungs- Projekt-<br />
Assistent<br />
Assistent<br />
assistent<br />
<strong>Die</strong>nste<br />
Sprecher<br />
unication<br />
Blog/Wiki<br />
agenturen<br />
Medien-<br />
Kontakte Medienagenturen<br />
Kontakte<br />
agenturen
das Auf-, Herunterladen und Verwalten von für die Produktion der Inhalte benötigten<br />
Materialien, wurde mit Anpassungen von Sharepoint übernommen. <strong>Die</strong>ses ist dem vielen<br />
Benutzern bekannten Explorer-Schema des Betriebssystems Windows sehr ähnlich,<br />
dadurch entsteht keine Benutzbarkeitshürde. Zwischen dem Frontend und dem Sharepoint<br />
basierten Backend sitzt ein Controller, der die ausgeführten Aktionen verarbeitet<br />
und dementsprechend Daten aus dem Backend zurückliefert. Bei der Verwendung des<br />
nativen Sharepoint-Frontends geschieht dies in Form von Eventhandlern, die bestimmten<br />
Strukturen im Sharepoint Backend zugewiesen werden können. <strong>Die</strong> über die Standard-<br />
Funktionen von Sharepoint hinaus gehenden Funktionalitäten wurden mit Hilfe einer<br />
Ajax Middleware in das Sharepoint-Framework integriert. Dadurch wird hohe Flexibilität<br />
und größtmögliche Unabhängigkeit vom Backend gewährleistet.<br />
So können selbst komplexere Teilapplikationen, wie der ContentModeller problemlos in<br />
Sharepoint integriert werden. Eine dritte Zugriffsmöglichkeit auf die Explain Plattform<br />
besteht über eine integrierte Webservice Schnittstelle. <strong>Die</strong>se wird in [ZF06] detaillierter<br />
beschreiben.<br />
Webservices<br />
4.2 Bereiche der Explain Plattform<br />
Frontend<br />
(angepasst)<br />
AjaxPro Middleware<br />
Explain Controller<br />
SP<br />
Frontend<br />
erweitertes Sharepoint Backend (Listen, Bibliotheken)<br />
Abbildung 2: Architektur der EXPLAIN Plattform<br />
<strong>Die</strong> Explain Plattform ist Mandanten-basiert, das heißt, jeder Nutzergruppe wird ein<br />
eigener, auf diese Gruppe zugeschnittener Bereich der Plattform zugewiesen. Neben<br />
diesen Mandantenbereichen, die nur registrierten Benutzern der Plattform zugänglich<br />
sind, existiert ein offener Bereich, der die Funktionen eines Portals übernimmt. Hier gibt<br />
es Neuigkeiten, allgemeine Informationen über die Explain Plattform, Aufzeichnungen<br />
von Beispielsitzungen und die Möglichkeit sich zu registrieren und Mandant der Plattform<br />
zu werden. Der Mandantenbereich unterteilt sich in mehrere Module, die unterschiedlich<br />
stark voneinander abhängig sind.<br />
Der „Projekt-Management Bereich“ gliedert sich in drei Ebenen. Auf der obersten Ebene<br />
werden Projekte angelegt und verwaltet, Budgets und Kosten überwacht, sowie die Termine<br />
und Statusinformationen aller Projekte zusammengefasst. Hierfür werden die Kosten<br />
und Termindaten der Materialien, Seiten, Kapitel und Inhaltspakete der Projekte bis<br />
auf die Projektebene aufgerechnet und visuell in Form von Budget- und Gantt-<br />
Diagrammen aufbereitet (Abbildung 3). Pro Mandant können beliebig viele Content-<br />
Projekte verwaltet werden. Auf der zweiten Ebene werden die Eigenschaften und Attri-<br />
145
ute eines einzelnen Projektes verwaltet. Hierfür können die Metadaten bearbeitet, Projektmitglieder<br />
hinzugefügt und Aufgaben zugewiesen werden. Auf dieser Ebene werden<br />
zu einem Projekt Inhaltspakete hinzugefügt. Dabei kann ein Projekt mehrere Inhaltspakete<br />
enthalten, da in vielen Fällen für ein Projekt Inhalte unterschiedlicher Formate benötigt<br />
werden. Wie auch auf der obersten Ebene des Projekt-Managements werden hier<br />
Terminpläne und Budget-Übersichten auf Basis aller in dem Projekt vorhandenen Inhaltspakete<br />
generiert. Auf der untersten Ebene des Projekt-Management Bereichs<br />
schließlich, werden die Attribute eines Inhaltspakets definiert. Neben den Metadaten<br />
können hier Aufgaben und Phasen für das Inhaltpaket verwaltet werden, auf deren Basis<br />
wiederum Gantt-Diagramme generiert werden. Jedem Inhaltpaket ist ein Content-Modell<br />
zugeordnet.<br />
Abbildung 3: Projektübersicht<br />
Im „ContentModeller“ kann das Content-Modell eines Inhaltpakets erstellt und bearbeitet<br />
werden. <strong>Die</strong>ser Bereich wird immer aus dem Kontext eines bestimmten Inhaltpakets<br />
heraus aufgerufen, so dass er eng mit dem Projekt-Management Bereich zusammenhängt.<br />
<strong>Die</strong> Modellierung wird auf Basis eines intuitiven, Drag & Drop-fähigen Editors<br />
vorgenommen (Abbildung 4). Im linken Bereich, kann mit wenigen Klicks eine komplexe<br />
Baumstruktur erstellt werden, während im rechte Bereich wahlweise die Metadaten<br />
und Attribute des gewählten Elements bearbeitet werden können, oder Materialien gesucht<br />
und ebenso mit Hilfe von Drag & Drop den Seiten in der Struktur zugeordnet werden<br />
können. <strong>Die</strong> Materialsuche im ContentModeller ist nicht identisch mit der Benutzerschnittstelle<br />
der Material-Management Komponente. Während diese darauf ausgerichtet<br />
ist, möglichst einfach Materialien in die Pools zu übertragen und dort in Ordnern zu<br />
strukturieren, bietet die Materialsuche im ContentModeller eine unabhängige Sicht auf<br />
die Materialien im Backend. Es gibt verschiedene Sichten, die nach diversen Aspekten<br />
gefiltert und durchsucht werden können.<br />
146
Obwohl das Konzept der Plattform vorsieht, dass mittels einer generischen Schnittstelle<br />
diverse Autorenwerkzeuge für die Produktion der Inhaltpakete verwendet werden können,<br />
wurde ein einfaches Autorenwerkzeug in die Plattform integriert. Es wird aus dem<br />
ContentModeller heraus aufgerufen und dient auf Basis eines HTML-Editors dazu, die<br />
modellierten Seiten und zugeordneten Materialien direkt zu produzieren. Das fertige<br />
Inhaltspaket kann dann als HTML Paket vom ContentModeller aus exportiert werden.<br />
<strong>Die</strong> Integration eines eigenen Autorenwerkzeugs erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch<br />
der Projektpartner, da diese eine vollständige Wiederverwendung der bereits Erstellten<br />
Content-Modelle gewährleistet. <strong>Die</strong> Schnittstelle zu anderen Autorenwerkzeugen wurde<br />
auf Basis von Webservices (siehe Abbildung 2) umgesetzt und arbeitet bisher noch nicht<br />
vollkommen verlustfrei.<br />
Abbildung 4: ContentModeller<br />
Das „Material-Management“ umfasst das Verwalten der für die Inhaltsproduktion benötigten<br />
Materialien. An dieser Stelle wird die auf WebDav basierende Sharepoint Standard-Funktionalität<br />
verwendet. <strong>Die</strong>se gleicht von der Benutzbarkeit und dem Design her<br />
dem bekannten Explorer des Windows Betriebssystems. Materialien wie Bilder, Videos<br />
oder Animationen können einfach in die dafür vorgesehenen Dokument-Bibliotheken<br />
gezogen werden, während ein für diese Bibliotheken registrierter Eventhandler dafür<br />
sorgt, dass den Materialien alle benötigten Metadaten automatisch zugewiesen werden.<br />
Jedem Mandanten sind zwei Typen dieser Bibliotheken zugeordnet. Der Projektübergreifende<br />
Mandantenpool ist dafür vorgesehen Projekt-unabhängig benötigte Assets<br />
wie Firmenlogos, oder allgemein verwertbare Inhalte zu verwalten, während in den Projektpools<br />
Materialien für ein bestimmtes Content-Projekt gesammelt werden können.<br />
<strong>Die</strong> vorhandenen Pools können beliebig tief mit Unterordnern versehen und strukturiert<br />
werden. <strong>Die</strong> Attribute und Metadaten der Materialien können entweder mit dem Standard-Frontend<br />
von Sharepoint oder direkt mit Hilfe des Metadateneditors im Content-<br />
Modeller bearbeitet werden.<br />
147
Der „didaktische Assistent“ ist als Wizard implementiert, den ein Benutzer beim Anlegen<br />
eines neuen Inhaltpakets durchlaufen kann. Anhand der Antworten des Fachexperten<br />
auf verschiedene Fragen bezüglich des Lernziels, der Zielgruppe und des zu vermittelnden<br />
Wissens, die der Benutzer anhand von Checkboxen oder Drop-Down Menus beantworten<br />
kann, wird eine priorisierte Liste von Formatvorschlägen für das gewünschte<br />
Inhaltpaket ausgegeben [NN06]. Darüber hinaus stellt der Assistent eine didaktische<br />
Wissensbasis dar, die, unabhängig vom Content-Erstellungs-Prozess, vom Fachexperten<br />
genutzt werden kann. Neben den genannten Bereichen gibt es noch weitere Bereiche,<br />
welche die Mandanten bei der Erstellung der Inhalte unterstützen.<br />
Dazu zählen die Ressourcen Pools, wo Kontakt und Preisdaten verschiedener externer<br />
<strong>Die</strong>nstleister, wie Fotografen, Übersetzer, Grafikdesigner etc. hinterlegt sind und Arbeitsproben<br />
dieser begutachtet werden können, der Hilfe-Bereich mit FAQs, Tutorials<br />
und Aufzeichnungen sowie der Bereich Team Services, welcher den Mitgliedern eines<br />
Mandanten die Möglichkeit bietet, auf unterschiedliche Arten miteinander zu kommunizieren.<br />
Momentan enthält dieser Bereich ein Adressbuch, ein Forum, einen Chat zur<br />
Echtzeitkommunikation und ein Wiki.<br />
5 Evaluation<br />
Noch vor Beginn der Entwicklungsarbeiten wurden die, der Authoring Management<br />
Plattform zu Grunde liegenden, Konzepte in mehreren Anwendungs-Szenarien getestet<br />
und evaluiert. <strong>Die</strong>s geschah, indem für die einzelnen Basisprozesse jeweils den Anwendungspartnern<br />
bekannte und vertraute Tools zur Verwendung kamen. Dabei handelte es<br />
sich beispielsweise um MS Visio zur Modellierung der Inhalte, MS Project für das Projektmanagement,<br />
MS Sharepoint für die Materialverwaltung und Autorentools wie eXact<br />
Packager [EX07] oder EasyProf [EA07] für die endgültige Produktion der Lerninhalte.<br />
Es zeigte sich hierbei, dass schon die konsequente Anwendung der Konzepte eine Effizienzsteigerung<br />
des Entwicklungsprozesses der Inhalte zur Folge hatte, während die<br />
anderen Beurteilungsfaktoren, wie didaktische Qualität oder inhaltliche Flexibilität, laut<br />
der Anwendungspartner keine Änderung, respektive Verschlechterung, erfuhren. Das<br />
angereicherte Content-Modell konnte deutlich schneller zur Produktion freigegeben<br />
werden, und war für die Produktion selbst besser zu verwerten als ein umfangreiches<br />
Storyboard; demzufolge sank die Gesamtdauer des Erstellungsprozesses bei konstanten<br />
Kosten [CLL07]. Selbstverständlich ist bei den genannten Anwendungsfällen das vorhandene<br />
Verbesserungspotential enorm. So können beispielsweise weiterhin Medienbrüche<br />
verhindert und die Integration der einzelnen Teilaspekte verbessert werden. Daher ist<br />
für die Evaluation der gesamten Plattform eine weitere Effizientsteigerung zu erwarten,<br />
da hier Medienbrüche auf ein Minimum reduziert und die einzelnen Teilaspekte optimal<br />
integriert sind. Auch im Hinblick auf die weiteren Faktoren ist, hinsichtlich der <strong>Die</strong>nste<br />
der Plattform wie beispielsweise des didaktischen Assistenten, eine Verbesserung zu<br />
erwarten. <strong>Die</strong> Evaluation der entwickelten Plattform mit den drei Anwendungspartnern<br />
des Explain Projekts wird momentan durchgeführt.<br />
148
6 Verwandte Arbeiten<br />
Es gibt viele Arbeiten und implementierte oder in der Entwicklung befindliche Systeme,<br />
die Teilaspekte des hier vorgestellten AMS abdecken. Hierzu zählen bspw. Autorenwerkzeuge,<br />
mit denen Inhalte produziert werden können. <strong>Die</strong> meisten dieser Werkzeuge<br />
decken jedoch allein den Produktionsprozess der Inhalte ab. Dazu zählen neben Autorenwerkzeuge<br />
für WBTs wie easyProf [EA07] oder Macromedia Authorware, Aufzeichnungssoftware<br />
wie Lecturnity oder Captivate auch Werkzeuge wie Flash, Powerpoint,<br />
Dreamweaver oder Frontpage.<br />
Einige Autorenlösungen unterstützen zudem eine Modellierung der Inhalte. Dazu zählen<br />
das ResourceCenter [HHR06], wo die Inhalte auf Kapitelebene modelliert werden können,<br />
bevor diese mit Inhalt befüllt werden oder der eXact Packager [EX07], der die Modellierung<br />
einer Struktur erlaubt. Zum Modellierungsansatz selbst wurde in [LAR07]<br />
eine hinreichende Analyse bestehender Ansätze durchgeführt. <strong>Learning</strong> Content Management<br />
Systeme wie ILIAS [ILI07] oder Clix [IMC07] erlauben es häufig, neben einem<br />
auf Lernen ausgerichteten Materialmanagement, Kurse aus bestehenden Inhalten zu<br />
strukturieren. <strong>Die</strong>se Systeme unterstützen jedoch die eigentliche Produktion der Inhalte,<br />
sowie eine Koordination der Produktionsprozesse nicht. Projektmanagement-Systeme<br />
wie beispielsweise MS Project können zwar als Produktionsleitstand verwendet werden,<br />
jedoch ergibt sich hier die Integrationsproblematik mit anderen verwendeten Werkzeugen.<br />
Oft sind diese Projektmanagementsysteme auch sehr komplex und bieten weit mehr<br />
Funktionalitäten als benötigt werden, worunter wiederum die Benutzbarkeit leidet. Verschiedene<br />
Content Management und Versionierungs-Systeme wie Typo3 oder CVS<br />
decken den Materialmanagementprozess des AMS hinreichend ab, bieten jedoch keine<br />
Unterstützung für die restlichen Aspekte der Inhaltsproduktion oder eine hinreichende<br />
Integrationsmöglichkeit. Enterprise Content Management Systeme wie Sharepoint verbinden<br />
Content Management mit kollaborativen Elementen und Controlling-Funktionen<br />
und können als Grundlage für eine Implementierung in Betracht gezogen werden (siehe<br />
Kaptitel 4). Systeme, welche das komplette Spektrum einer Authoring Management<br />
Plattform abdecken, sind kaum vorhanden. Ein System, was diesem Konzept nahe<br />
kommt, aber dennoch einige wichtige Funktionalitäten vermissen lässt ist QMind<br />
[QM07]. Hierbei handelt es sich um eine webbasierte Plattform zur Konzeption, Produktion<br />
und Qualitätssicherung von Inhalten. <strong>Die</strong>se können jedoch einzig im Flash Format<br />
erstellt werden, was den Anwendungsbereich der Plattform sehr stark einschränkt. Des<br />
Weiteren wurde der Projektmanagement-Prozess nur in Bezug auf Review- und Qualitätssicherungsfunktionalitäten<br />
umgesetzt. Auch generische Schnittstellen zur Integration<br />
bereits vorhandener Lösungen lässt das System vermissen.<br />
7 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Mit dem Authoring Management System Explain wurde ein System konzipiert und umgesetzt,<br />
welches, besonders in Unternehmen, die Produktion von e-<strong>Learning</strong> Inhalten<br />
effizienter und einfacher macht. Auch im universitären Bereich kann eine Anwendung<br />
des Systems sinnvoll sein, jedoch nur, wenn der Content-Produktion ein kollaborativer<br />
149
Prozess mit mehreren unterschiedlichen Rollen zu Grunde liegt. Der hauptsächliche<br />
Einsatzbereich der Plattform ist in Unternehmen mittlerer Größe zu sehen, die durch inhouse<br />
Produktion von Inhalten den Zeit- und Kostenaufwand verringern wollen. <strong>Die</strong><br />
prototypische Implementierung kann als Proof of Concept dienen, setzt jedoch die konzipierte<br />
Plattform nicht in allen Details um. Hier können durch zukünftige Arbeiten,<br />
beispielsweise bei der Überführung in die Produktreife, noch an einigen Stellen Verbesserungen<br />
angebracht werden. So wäre eine Rollen-abhängige Sicht auf den Mandantenbereich<br />
sinnvoll.<br />
Des Weiteren könnte die automatisierte Unterstützung der Metadatenerstellung verbessert<br />
werden. Auch der Einbezug externer, in vielen Unternehmen bereits vorhandener<br />
Materialquellen, wie Datenbanken, Dateisysteme oder FTP-Server in das Materialmanagement<br />
der Explain Plattform, kann noch umgesetzt werden.<br />
Danksagung<br />
Das diesem Bericht zu Grunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Technologie unter dem Förderkennzeichen 01 MD 512 gefördert.<br />
<strong>Die</strong> Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.<br />
Literaturverzeichnis<br />
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[CLL07] Chikova, P.; Leyking, K.; Loss, P.; Bruch, E. & Lehmann, L. (2007), Reengineering der<br />
Content-Erstellungsprozesse in Industrieunternehmen durch Content-Modellierung:<br />
Fallbeispiel, in 'Proceedings of the 8. Intern. Tagung Wirtschaftsinformatik WI 2007'.<br />
[EA07] Daten + Dokumentation GmBH - easyProf, http://www.easyprof.de/, 2007<br />
[EX07] Giunti Labs Learnexact - eXact Packanger, http://www.giuntilabs.com/info.php?vvu=12<br />
[HHR05] Hoermann, S.; Hildebrandt, T.; Rensing, C. & Steinmetz, R. (2005), ResourceCenter - A<br />
Digital <strong>Learning</strong> Object Repository with an Integrated Authoring Tool, in 'Proceedings<br />
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[ILI07] ILIAS open source - ILIAS, http://www.ilias.de, 2007<br />
[IMC07] imc - Lernplattform Clix, http://www.im-c.de/138/Lernplattform-CLIX/, 2007<br />
[LAR06] Lehmann, L.; Aqqal, A.; Rensing, C.; Chikova, P.; Leyking, K. & Steinmetz, R. (2006),<br />
A Content Modeling Approach as Basis for the Support of the Overall Content Creation<br />
Process, in 'Proceedings of the IEEE ICALT 2006'.<br />
[NN06] Niegemann, H.M. & Niegemann, L. (2006), Ein „Didaktischer Assistent“ für die Entwicklung<br />
von e<strong>Learning</strong>-Angeboten, in 'Proceedings of 10. Workshop Multimedia in<br />
Bildung und Wirtschaft'.<br />
[QM07] QMind - QMind, http://www.qmind.com/, 2007<br />
[ZF06] Zimmermann, V. & Fredrich, H. (2006), Authoring Management Plattform "Explain"<br />
Effiziente Content Produktion durch Integration von Autorenlösungen über eine webbasierte<br />
Prozess- und Serviceplattform, in 'Proceedings of 10. Workshop Multimedia in<br />
Bildung und Wirtschaft'.<br />
150
Eine logfilebasierte Evaluation des Einsatzes von<br />
Vorlesungsaufzeichnungen<br />
Christoph Hermann 1 , Martina Welte 1 , Johann Latocha 2 ,<br />
Christoph Wolk 3 , Wolfgang Huerst 1<br />
Institut für <strong>Informatik</strong><br />
Albert-Ludwigs-<strong>Universität</strong> Freiburg<br />
Georges-Köhler-Allee, Gebäude 051<br />
79110 Freiburg im Breisgau<br />
{hermann, welte, huerst}@informatik.uni-freiburg.de 1<br />
johann@latocha.de 2 , christoph.wolk@googlemail.com 3<br />
Abstract: Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Ergebnisse einer vorangehenden,<br />
informellen Studie zur Nutzung von Vorlesungsaufzeichnungen durch ” harte Fakten“<br />
zu überprüfen und gegebenenfalls neue Erkenntnisse zu gewinnen. Es wird kurz ein<br />
Werkzeug vorgestellt, mit welchem wir die Zugriffe der Studierenden auf die Vorlesungsaufzeichnungen<br />
untersucht haben. <strong>Die</strong> aufschlussreichsten Analysen werden in<br />
diesem Beitrag vorgestellt. Es ergeben sich hierbei interessante Ergebnisse bezüglich<br />
der Verwendung der Materialien durch die Studierenden oder der Nachfrage nach verschiedenen<br />
Medienformaten. Auch das immer wieder kontrovers diskutierte Thema,<br />
ob Vorlesungsaufzeichnungen mit Dozentenvideo besser geeignet sind als Aufzeichnungen<br />
ohne das Video, wird von uns aufgegriffen und die Position unserer Studierenden<br />
zu dieser Thematik anhand der Logfileanalyse dargelegt. Des Weiteren diskutieren<br />
wir das Thema der Archivierung von Vorlesungsaufzeichnungen und untersuchen, zu<br />
welchen Zeitpunkten Studierende besonders auf Vorlesungsaufzeichnungen als Lernmaterial<br />
zurückgreifen.<br />
1 Motivation<br />
Vorlesungsaufzeichnungen [MO00] haben sich an Hochschulen in systematisch aufgebauten<br />
Fächern wie <strong>Informatik</strong> als eines der Hauptmaterialien in der Lehre sowohl in Präsenz<br />
als auch zur Unterstützung der Durchführung von Onlinekursen herausgestellt. An der<br />
<strong>Universität</strong> Freiburg werden alle Vorlesungsaufzeichnungen der Fakultät für Angewandte<br />
Wissenschaften (FAW) über das eLectures-Portal“ [HHW06] verteilt und archiviert. <strong>Die</strong><br />
”<br />
Zugriffe auf diese Materialien werden über den verteilenden Webserver (Apache) protokolliert<br />
und können somit von uns ausgewertet werden.<br />
In einer früheren Studie [HLT06] haben wir das Nutzungsverhalten, die Funktionalität und<br />
Usability von Vorlesungsaufzeichnungen aus der Sicht der Studierenden im Fach <strong>Informatik</strong><br />
untersucht. <strong>Die</strong>se Studie hat bisherige Vermutungen über den Mehrwert von Vorle-<br />
151
sungsaufzeichnungen bestätigt. Ferner hat sie aufgezeigt, welche Funktionalitäten, Medien<br />
und Formate von den Studierenden akzeptiert bzw. als wichtig angesehen werden.<br />
In dem vorliegenden Beitrag wollen wir die damals anhand von Fragebögen durchgeführte<br />
Evaluation, welche auf der subjektiven Sicht der Studierenden basiert, anhand vorliegender<br />
Fakten aus den Logfiles der Zugriffe auf die Materialien verifizieren. Uns interessieren<br />
hierbei Fragestellungen der Art: Welche Art von Dokumenten wird von den Studierenden<br />
”<br />
bevorzugt verwendet?“, Gibt es bestimmte Typen von Dokumenten, die besonders nach-<br />
”<br />
gefragt werden?“, Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Nachfrage nach bestimm-<br />
”<br />
ten Dokumenten und bestimmten Ereignissen wie Klausuren oder Übungsblattabgaben?“.<br />
Für Entscheider an Hochschulen, die über den Einsatz von Vorlesungsaufzeichnungen<br />
nachdenken, ist auch insbesondere interessant, wie lange die enormen Datenmengen in<br />
einem Archiv vorgehalten werden sollten. Für eine Veranstaltung der Länge von 45 Minuten<br />
(eine einstündige ex-cathedra-Vorlesung) fallen durchschnittlich etwa 25MB für eine<br />
Vorlesungsaufzeichnung ohne das Dozentenvideo und mehrere hunderte Megabyte für eine<br />
Vorlesungsaufzeichnung mit Dozentenvideo an. Insgesamt ist an unserer Fakultät fast<br />
ein halbes Terabyte an Vorlesungsaufzeichnungen vorhanden (fast das gesamte Curriculum<br />
der <strong>Informatik</strong> sowie das der Mikrosystemtechnik ist als Vorlesungsaufzeichnungen<br />
verfügbar), die täglich gesichert werden müssen.<br />
Ziel dieses Beitrags ist es, diese und andere Fragen anhand der ausgewerteten Daten der<br />
Logfiles unseres eLecture-Portals zu beantworten.<br />
2 Auswertung der Logfileanalyse<br />
2.1 Vorgehensweise<br />
Zur Analyse der Logfiles unseres Portals wurde ein Werkzeug entwickelt, das die vorliegenden<br />
Daten in einem ersten Schritt von überflüssigen Einträgen bereinigt, in einem zweiten<br />
Schritt die Metadaten des eLecture-Portals einbezieht und letztendlich die Möglichkeit<br />
bietet, grafische Reports der Daten zu liefern.<br />
Das Werkzeug bietet verschiedene standardisierte Abfragen, die auch in den gängigen<br />
Logfileanalysetools zu finden sind, etwa eine Aufschlüsselung nach verwendetem Internet-<br />
Browser, Betriebssystem oder angefragter Datei. Im Gegensatz zu Standard-Logfileanalysetools<br />
ist jedoch eine wesentlich detailliertere und damit aufschlussreichere Analyse der<br />
Daten möglich. <strong>Die</strong>s geschieht durch die Einbeziehung der Metadaten, die im eLecture-<br />
Portal (hier sind Vorlesungsaufzeichnungen mit Semester, Autor, Titel und einer Struktur<br />
versehen) gespeichert sind. Abbildung 1 zeigt einen Screenshot der grafischen Oberfläche.<br />
Über die Kommandozeilenversion des Werkzeugs sind noch weitere, deutlich detailliertere<br />
Analysen möglich.<br />
<strong>Die</strong> Logfiles, die zur Analyse der Daten herangezogen wurden, stammen aus dem Zeitraum<br />
Februar 2006 bis März 2007 und enthalten etwa 2,6 Millionen Zeilen an Logfileeinträgen.<br />
<strong>Die</strong> eLectures-Datenbank enthält Einträge über die Strukturen der gesamten Vorlesungen<br />
des <strong>Informatik</strong>-Curriculums. Zu jeder Vorlesungsaufzeichnung werden die Metadaten<br />
152
Abbildung 1: Tool zur Logfileanalyse<br />
Autor, Datum, Vorlesung und Titel erfasst. <strong>Die</strong> einzelnen Vorlesungsaufzeichnungen sind<br />
über die Struktur in Kapitel und Unterkapitel unterteilt, die es ermöglichen, den Zusammenhang<br />
zwischen einer Datei und der jeweiligen Veranstaltung (Titel, Semester sowie<br />
Dozent) herzustellen.<br />
Zur Bereinigung der Logfiles von Zugriffen von Robots und um ungewöhnliche Zugriffsspitzen1<br />
, die eine Auswertung verfälschen würden, zu entfernen, wurden die Logfiles wie<br />
folgt gefiltert: Es wurden pro Stunde jeweils die Zugriffe einer IP-Adresse nur einmal<br />
gezählt, so dass ein mehrfacher Download derselben Datei von einem Rechner (identifiziert<br />
durch die IP-Adresse) nicht mehrfach gezählt wurde. Bei Browsern und Betriebssystemen<br />
wurde in den jeweiligen Statistiken identisch vorgegangen. Zugriffe von Clients,<br />
deren Benutzeragentkennungen den Begriff Robot“ bzw. Bot“ enthielten, wurden<br />
” ”<br />
zusätzlich entfernt.<br />
2.2 Nutzergruppe<br />
Teilnehmer unserer ersten Umfrage (siehe [HLT06]) waren Studierende der Veranstaltungen<br />
<strong>Informatik</strong> II (Algorithmen und Datenstrukturen) im Sommersemester 2004 und<br />
Sommersemester 2005 sowie Algorithmentheorie im Wintersemester 2003/2004 und Studierende<br />
der Geometrischen Algorithmen im Wintersemester 2004/200<strong>5.</strong> Bei der Analyse<br />
der Logfiles kann die Zielgruppe nicht exakt eingegrenzt werden (da der Zugriff auf<br />
die Vorlesungsaufzeichnungen auch von außerhalb der <strong>Universität</strong> gestattet ist), jedoch ist<br />
davon auszugehen, dass zum größten Teil nur Studierende der entsprechenden Veranstaltungen<br />
auf die Aufzeichnungen auf dem Portal zugreifen 2 . Es ist jedoch klar, dass sich<br />
1 Als Zugriffsspitzen bezeichnen wir übermäßig starke Nachfragen zu einem bestimmten Zeitpunkt.<br />
2 Zumindest ist aufgrund der Analyse der Logfiles (IP Adressen, Herkunft etc.) davon auszugehen.<br />
153
diese Benutzergruppe von der Allgemeinheit der Internetnutzer deutlich unterscheidet, da<br />
es sich hauptsächlich um Studierende der <strong>Informatik</strong> und verwandter Fächer handelt. Ein<br />
Vergleich zwischen unserer Benutzergruppe und der Allgemeinheit zeigt deutliche Unterschiede<br />
in der Verwendung des Betriebssystems und auch beim verwendeten Browser.<br />
<strong>Die</strong>s bestätigt wiederum die Ergebnisse der Befragungen der letzten Studie. Allgemein 3<br />
wird zu 58,7% der Internet Explorer verwendet, zu 32,6% Mozilla Browser (Mozilla, Firefox)<br />
zu 1,7% Safari und zu 1,5% Opera. Unter den Studierenden wird zu 40,29% Internet<br />
Explorer verwendet, zu 42,37% Firefox. Der Rest der Zugriffe stammt von anderen Browsern<br />
oder Robots. Bei den Betriebssystemen zeigt sich eine ähnliche Abweichung: <strong>Die</strong><br />
Studierenden verwenden zu 70,45% Microsoft Windows XP (allgemein 76,1%), zu 9,1%<br />
Linux (allgemein 3,5%), zu 7,08% Windows 2000 (allgemein 7,4%) gefolgt von 5,82%<br />
Windows 98-Nutzern (allgemein lediglich 0,8%) und anderen. Man sieht, dass <strong>Informatik</strong>-<br />
Studierende sich zwar von der Allgemeinheit unterscheiden, jedoch nicht so stark wie man<br />
unter Umständen hätte vermuten können. <strong>Die</strong> tatsächlichen Angaben in den Logfiles unterscheiden<br />
sich auch leicht von den Angaben der Studierenden in der letzten Studie. <strong>Die</strong>se<br />
Abweichung ist vermutlich dadurch zu erklären, dass sich Studierende zunehmend im<br />
Hauptstudium mit alternativen Betriebssystemen beschäftigen (und dies auch in der Studie<br />
so angegeben haben), während ein Großteil der Studierenden im Grundstudium noch das<br />
Microsoft-Betriebssystem (stärker) bevorzugt. Eine alternative Erklärung könnte sein, dass<br />
das Microsoft-Betriebssystem unter den <strong>Informatik</strong>-Studierenden einen negativen Ruf hat<br />
und sie deshalb in der Umfrage vermehrt angegeben haben, alternative Betriebssysteme zu<br />
benutzen.<br />
2.3 Umgang der Studierenden mit Vorlesungsaufzeichnungen<br />
Aus den Top 15 (laut Zugriffszahlen) der uns vorliegenden Veranstaltungen haben wir zwei<br />
besonders nachgefragte und wichtige Veranstaltungen (<strong>Informatik</strong> II im Grundstudium<br />
und Algorithmentheorie im Hauptstudium) herausgesucht und diese im Detail analysiert.<br />
Wir haben untersucht, welche der angebotenen Formate von den Studierenden besonders<br />
häufig heruntergeladen bzw. aufgerufen werden, ob ältere Vorlesungsaufzeichnungen auch<br />
in den aktuellen Veranstaltungen nachgefragt werden und ob es in Zuge dessen sinnvoll<br />
ist, ein großes Archiv älterer Versionen der Vorlesungsaufzeichnungen vorrätig zu halten.<br />
Des Weiteren hat uns interessiert, ob es bestimmte Zeitpunkte gibt, zu denen die Medien<br />
besonders stark nachgefragt werden und inwiefern das mit bestimmten Terminen wie<br />
Übungsblattabgaben, Klausuren oder Ferien zusammenhängt.<br />
Bei den zwei im Detail analysierten Veranstaltungen <strong>Informatik</strong> II und Algorithmentheorie<br />
handelt es sich um Präsenzveranstaltungen, die im akademischen Zyklus (jährlich) angeboten<br />
werden. Der Vortrag des Dozenten wird live aufgezeichnet und wenige Stunden nach<br />
der Veranstaltung im Internet auf dem eLectures-Portal zur Verfügung gestellt.<br />
<strong>Die</strong> folgenden Auswertungen zeigen jeweils an den Achsen die absoluten Downloadzahlen<br />
(Y-Achse) relativ aufgetragen zur Zeitskala (X-Achse). <strong>Die</strong> Semesterzeiten werden<br />
durch senkrechte Linien begrenzt, in der vorlesungsfreien Zeit nach dem Semester fin-<br />
3 http://www.w3schools.com/browsers/browsers stats.asp<br />
154
den meist die Prüfungen statt. Entlang der X-Achse eingezeichnete Punkte kennzeichnen<br />
die Abgabetermine der Übungsblätter zur Vorlesung, im ein- bis zweiwöchentlichen<br />
Rhythmus). Einige der Grafiken zeigen eine ” geglättete“ Auswertung, hier haben wir eine<br />
Glättung über drei oder sieben Tage vorgenommen, um ein konsistenteres Erscheinungsbild<br />
zu bekommen. <strong>Die</strong>s wird in den einzelnen Grafiken jeweils durch die Zusätze ” 3-<br />
Tages-Durchschnitt“ oder ” Wöchentlicher Durchschnitt“ gekennzeichnet.<br />
Vergleich der verschiedenen Medienformate<br />
Bei der Auswertung der Logfiles haben wir untersucht, inwiefern verschiedene Dateiformate<br />
bzw. Medientypen von den Studierenden nachgefragt werden. <strong>Die</strong> auf dem eLectures-<br />
Portal verfügbaren Dateien wurden in die drei Kategorien ” Video“, ” Flash“ und ” Folien“<br />
unterteilt und analysiert. In die erste Kategorie fallen alle Arten von Vorlesungsaufzeichnungen,<br />
d.h. es spielt hierbei keine Rolle, mit welchem Werkzeug diese aufgezeichnet<br />
wurden (wir setzen Lecturnity und Camtasia ein), oder ob es sich um Aufzeichnungen<br />
mit oder ohne Dozentenvideo handelt. <strong>Die</strong>se Unterscheidung haben wir an dieser Stelle<br />
absichtlich nicht vorgenommen, da wir diese Analyse in einem eigenen Abschnitt behandeln.<br />
” Flash“ enthält alle Vorlesungsaufzeichnungen im Flash-Format, und unter Folien<br />
haben wir sowohl Powerpoint- als auch PDF-Präsentationen zusammengefasst. Wichtig<br />
ist hierbei anzumerken, dass wir bei ” Vorlesungsaufzeichnungen“ und ” Folien“ nicht im<br />
Detail feststellen können, wie oft diese Materialien tatsächlich verwendet wurden, da die<br />
entsprechenden Dateien in der Regel von den Studierenden heruntergeladen werden und<br />
im Anschluss oft nur noch von der lokalen Festplatte aus aufgerufen werden.<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
DOWNLOADS<br />
ALGORITHMENTHEORIE (3-TAGES-DURCHSCHNITT)<br />
VIDEOS FLASH FOLIEN<br />
WS 2006/07<br />
DATUM<br />
0<br />
24.10.06 13.11.06 03.12.06 23.12.06 12.01.07 01.02.07 21.02.07<br />
200<br />
160<br />
120<br />
80<br />
40<br />
DOWNLOADS<br />
INFORMATIK II (3-TAGES-DURCHSCHNITT)<br />
SS 2006<br />
VIDEO<br />
FLASH<br />
FOLIEN<br />
0<br />
DATUM<br />
3.4.06 28.4.06 23.<strong>5.</strong>06 17.6.06 12.7.06 6.8.06 31.8.06 2<strong>5.</strong>9.06<br />
Abbildung 2: Vergleich der Downloadhäufigkeit der verschiedenen Medientypen ” Video“, ” Folien“<br />
und ” Flash“; Links für die Veranstaltung Algorithmentheorie im WS2006/2007 und rechts für<br />
<strong>Informatik</strong> II über alle verfügbaren Semester<br />
Nichtsdestotrotz erkennt man in Abbildung 2 sehr deutlich eine klare Präferenz für die<br />
” Videos“, gefolgt von ” Folien“ und als letztes Flash“. <strong>Die</strong>s bestätigt wiederum unsere<br />
”<br />
Theorie des Leecher-Effekts“ der letzten Studie, d.h. die Studierenden präferieren ein<br />
”<br />
Format, das sie komplett herunterladen können.<br />
155
Vergleich der Nachfrage von Vorlesungsaufzeichnungen mit und ohne Video<br />
<strong>Die</strong> Relevanz des Videobildes des Dozenten als Einfluss auf den Lernprozess wird immer<br />
wieder kontrovers diskutiert. Krüger [Kr05] weist darauf hin, dass verschiedene Studien<br />
von Fey [Fe02], Glowalla [Gl04] und Moreno und Mayer [MM02] unterschiedliche Ergebnisse<br />
aufzeigen, ob das Videobild des Dozenten notwendig ist, oder ob es ausreicht, das<br />
Tonsignal zu übertragen. Krüger weist jedoch auch darauf hin, dass die Untersuchungen<br />
nur davon ausgehen, dass die durch das Betrachten des Videos erzielte höhere Motivation<br />
ein nachhaltigeres Lernen ermöglicht, dieses jedoch noch nicht in einer Langzeitstudie<br />
nachgewiesen wurde. Wir wollen hier weder die eine noch die andere These bestätigen<br />
oder widerlegen, sondern die entsprechenden Aussagen anhand der Fakten, die wir aus<br />
einer Logfileanalyse ziehen können, überprüfen. Abbildung 3 zeigt links eine Übersicht<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
DOWNLOADS<br />
ALLE VORLESUNGEN<br />
(WÖCHENTLICHER DURCHSCHNITT)<br />
LECTURNITY (MIT DOZENTENVIDEO)<br />
LECTURNITY (OHNE DOZENTENVIDEO)<br />
SS 2006 WS 2006/07<br />
ALGORITHMENTHEORIE (3-TAGES-DURCHSCHNITT)<br />
0<br />
DATUM 0<br />
6.2.06 6.4.06 6.6.06 6.8.06 6.10.06 6.12.06 6.2.07 2<strong>5.</strong>10.06 2<strong>5.</strong>11.06 2<strong>5.</strong>12.06 2<strong>5.</strong>1.07<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
DOWNLOADS<br />
LECTURNITY (MIT DOZENTENVIDEO)<br />
LECTURNITY (OHNE DOZENTENVIDEO)<br />
WS 2006/07<br />
Abbildung 3: Vergleich der Vorlesungsaufzeichnungen mit und ohne Dozentenvideo<br />
über alle vorhandenen Aufzeichnungen getrennt nach Downloads der Aufzeichnungen mit<br />
und ohne Video. <strong>Die</strong> rechte Grafik zeigt im Detail noch einmal die Nachfrage der Studierenden<br />
nach diesen beiden Aufzeichnungsarten bei der Veranstaltung Algorithmentheorie.<br />
Man sieht sehr deutlich, dass sowohl insgesamt als auch bei einzelnen Veranstaltungen<br />
die Vorlesungsaufzeichnungen ohne Video deutlich von den Studierenden präferiert werden.<br />
Interessant ist jedoch, dass zum Ende der Veranstaltung Algorithmentheorie die Vorlesungsaufzeichnungen<br />
mit Video noch einmal sehr stark heruntergeladen wurden. <strong>Die</strong>s<br />
ist eventuell damit zu begründen, dass sich Studierende zu Ende der Veranstaltungen die<br />
gesamten Materialien herunterladen, um sich damit dann auf die Prüfungen vorzubereiten<br />
oder um diese selbst zu archivieren. Ein anderes Argument wäre, dass zu diesem Zeitpunkt<br />
die Veranstaltung von einem anderen Dozenten gehalten wurde und deshalb die Studierenden<br />
das Bild des ” unbekannten“ Dozenten sehen wollten. Es gibt Vermutungen, die genau<br />
diese Argumentation unterstützen. Sie besagen, dass bei einem unbekannten Dozenten<br />
das Bild des Vortragenden für den Zuhörer wichtig ist, da er die Person ” kennenlernen“<br />
möchte.<br />
156<br />
DATUM
Notwendigkeit eines Archivs<br />
Aufgrund der immensen Datenmenge und den damit verbundenen Kosten für die Archivierung<br />
und Aufrechterhaltung kommt der Frage, ob sich die Nutzung der Daten zumeist<br />
auf das letzte Semester beschränkt und eine langfristige Archivierung damit gegebenenfalls<br />
gar nicht relevant ist, eine hohe Bedeutung zu. Es wäre z.B. möglich nach Ablauf<br />
des Semesters (dem Prüfungszeitraum) die Vorlesungsaufzeichnungen zu löschen. Bei unseren<br />
Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass die Studierenden nicht nur die aktuellen<br />
Materialien verwenden, sondern dass auch ältere Vorlesungsaufzeichnungen genutzt<br />
werden. Abbildung 4 zeigt auch sehr deutlich, dass vor allem vor Beginn des Semesters<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
DOWNLOADS<br />
ALGORITHMENTHEORIE (3-TAGES-DURCHSCHNITT)<br />
WS 2006/07<br />
ÄLTERE<br />
SEMESTER<br />
WS 2006/07<br />
0<br />
03.10.2006 03.11.2006 03.12.2006 03.01.2007 03.02.2007<br />
DATUM<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
DOWNL.<br />
INFORMATIK II (3-TAGES-DURCHSCHNITT)<br />
SS 2006<br />
ÄLTERE SEMESTER SS 2006<br />
0<br />
3.4.06 3.<strong>5.</strong>06 3.6.06 3.7.06 3.8.06 3.9.06 DATUM<br />
Abbildung 4: Links: Downloads von Vorlesungsaufzeichnungen aus verschiedenen Semestern der<br />
Veranstaltung Algorithmentheorie im WS2006/2007; Rechts der <strong>Informatik</strong> II über alle<br />
vorhandenen Semester<br />
verstärkt Zugriffe auf alte Vorlesungsaufzeichnungen stattfinden. <strong>Die</strong> erste vertikale Linie<br />
markiert den Beginn des aktuellen Semesters; man erkennt vor diesem Zeitpunkt einen<br />
starken Zugriff auf die Vorlesungsaufzeichnungen des vorhergehenden Semesters. Hierfür<br />
gibt es verschiedene denkbare Begründungen: Zum einen gibt es Studierende, die alte Vorlesungsaufzeichnungen<br />
als ” Orientierungshilfe“ benutzen, um sich über die Veranstaltung<br />
und deren Schwierigkeitsgrad zu informieren. Auch wird diese Möglichkeit von Studierenden<br />
genutzt, um auszuloten, ob sie diese Veranstaltung im kommenden Semester als<br />
eine ihrer Wahlpflichtveranstaltungen belegen. Zum anderen gibt es auch den einen oder<br />
anderen Studierenden, der diese Materialien bereits als Vorbereitung auf die kommenden<br />
Veranstaltungen nutzt, um deren Inhalte zu verinnerlichen bzw. vorzuarbeiten. Der Zugriff<br />
auf die alten Vorlesungsaufzeichnungen nimmt im Laufe des Semesters dann zwar ab,<br />
jedoch werden zu bestimmten Zeitpunkten weiterhin bestimmte (ältere) Aufzeichnungen<br />
stärker nachgefragt. Wir gehen davon aus, dass die Studierenden ausgesuchte alte Vorlesungsaufzeichnungen<br />
bevorzugen, weil dort der ein oder andere Sachverhalt besser oder<br />
ausführlicher erklärt wird als in den aktuellen Aufzeichnungen.<br />
157
Zugriffszeitpunkte<br />
Eine weitere wichtige Analyse, die wir anhand der Logdateien durchgeführt haben, war die<br />
Untersuchung, zu welchen Zeitpunkten die Studierenden besonders auf die Vorlesungsaufzeichnungen<br />
zugreifen.<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
DOWNLOADS<br />
ALGORITHMENTHEORIE (3-TAGES-DURCHSCHNITT)<br />
WS2003/04 WS2004/05<br />
WS2005/05 WS2006/07<br />
WS 2006/07<br />
0<br />
3.10.06 3.11.06 3.12.06 3.1.07 3.2.07<br />
DATUM<br />
120<br />
90<br />
60<br />
30<br />
DOWNLOADS<br />
SS2003 SS2004<br />
SS2005 SS2006<br />
SS 2006<br />
INFORMATIK II (3-TAGES-<br />
DURCHSCHNITT)<br />
0<br />
3.4.06 3.<strong>5.</strong>06 3.6.06 3.7.06 3.8.06 3.9.06<br />
Abbildung 5: Downloads von Vorlesungsaufzeichnungen zu verschiedenen Zeitpunkten (jeweils<br />
über alle verfügbaren Semester): Links die Zugriffe auf die Vorlesungsaufzeichnungen der<br />
Algorithmentheorie; rechts der <strong>Informatik</strong> II<br />
Abbildung 5 zeigt ein Diagramm der Zugriffe. Punkte entlang der X-Achse stehen für<br />
Abgabetermine der Übungsblätter. Besonders deutlich zeichnet sich bei der Algorithmentheorie<br />
das folgende Phänomen ab: Direkt vor der Abgabe der Übungsblätter werden die<br />
Aufzeichnungen vermehrt nachgefragt; man sieht sehr schön die wöchentlichen Spitzen in<br />
der Grafik direkt vor den Abgabezeitpunkten. Auch in der <strong>Informatik</strong> II ist der Rhythmus<br />
erkennbar, wenn auch nicht ganz so deutlich. Es ist allerdings erkennbar, dass in den zwei<br />
Wochen, in denen kein Übungsblatt abzugeben ist, auch keine Nachfragespitze entsteht.<br />
Bei <strong>Informatik</strong> II ist wiederum auch sehr gut erkennbar, dass vor dem aktuellen Semester<br />
die älteren Aufzeichnungen stark nachgefragt werden. <strong>Die</strong> erkennbare Zugriffsspitze in<br />
der Mitte der Grafik der Zugriffe auf die Algorithmentheorie stammt von einem Studierenden,<br />
der offenbar alle Vorlesungsaufzeichnungen auf einmal besitzen wollte und diese<br />
komplett heruntergeladen hat.<br />
Sehr deutlich ist in Abbildung 5 auch das Weihnachtsloch“ zu erkennen: Im Bereich der<br />
”<br />
Weihnachtsferien und Silvester werden fast überhaupt keine Vorlesungsaufzeichnungen<br />
heruntergeladen. Solch ein deutlicher Einbruch ist sonst kaum zu erkennen, was darauf<br />
schließen lässt, dass sich die Studierenden (von denen einige Weihnachten sicherlich zuhause<br />
verbringen) in diesem Zeitraum eine Lernpause gönnen.<br />
Abbildung 6 zeigt die Zugriffe der Studierenden auf die Vorlesungsaufzeichnungen direkt<br />
vor den Klausuren (Prüfungsterminen) und jeweiligen Wiederholungsterminen.<br />
Besonders deutlich ist der Anstieg vor den ersten Klausuren, bei den Wiederholungsprüfungen<br />
ist der Anstieg nicht so deutlich, was darauf zurückzuführen ist, dass deutlich<br />
weniger Studierende an der Wiederholungsklausur teilnehmen müssen.<br />
158<br />
DATUM
160<br />
120<br />
80<br />
40<br />
DOWNLOADS<br />
KLAUSUR<br />
WS05/06<br />
ALGORITHMENTHEORIE<br />
(WÖCHENTLICHER DURCHSCHNITT)<br />
SS 2006<br />
WS2003/04 WS2004/05<br />
WS2005/06 WS2006/07<br />
NACH-<br />
KLAUSUR<br />
WS 2006/07<br />
0<br />
6.2.06 6.4.06 6.6.06 6.8.06 6.10.06 6.12.06 6.2.07<br />
DATUM<br />
���<br />
��<br />
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���������<br />
�����<br />
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������ ������<br />
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�<br />
������ ������ ������ ������ ������� ������� ������<br />
�����<br />
Abbildung 6: Downloads von Vorlesungsaufzeichnungen vor den Prüfungsterminen: Links die<br />
Zugriffe auf die Vorlesungsaufzeichnungen der Algorithmentheorie; rechts der <strong>Informatik</strong> II<br />
Dass insgesamt viel mehr Zugriffe bei der Veranstaltung <strong>Informatik</strong> II zu verzeichnen sind,<br />
liegt unter Anderem an der Teilnehmerzahl bei den zwei untersuchten Veranstaltungen.<br />
<strong>Die</strong> Vorlesung <strong>Informatik</strong> II wurde als Grundstudiumsveranstaltung von deutlich mehr<br />
Studierenden besucht als die Vertiefungsveranstaltung Algorithmentheorie.<br />
3 Zusammenfassung und Ausblick<br />
In dem vorliegenden Beitrag haben wir anhand der Auswertung der Logfiles unseres eLecture-Portals<br />
die Ergebnisse einer vorhergehenden Studie überprüft und validiert, und einige<br />
interessante und für die Bereitstellung derartiger Lehrmaterialien wichtige Erkenntnisse<br />
gewonnen. Es zeigt sich, dass die Studierenden die Vielfalt der angebotenen Formate jeweils<br />
zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlicher Intensität nutzen, dass<br />
jedoch jedes der Formate (Vorlesungsaufzeichnungen, Folien und Flash) seine Berechtigung<br />
hat.<br />
Des Weiteren ist es durchaus sinnvoll, ein Archiv der verschiedenen Veranstaltungen aus<br />
verschiedenen Semestern vorzuhalten, da die Studierenden die älteren Aufzeichnungen<br />
sowohl vor Beginn eines neuen Semesters als auch während einer laufenden Veranstaltung<br />
nutzen. Wiederum hat sich auch bestätigt, dass unsere Studierenden die Vorlesungsaufzeichnungen<br />
mit Video des Dozenten deutlich weniger nachfragen als die Vorlesungsaufzeichnungen<br />
ohne Dozentenvideo. Als zusätzlicher Service dem Studierenden gegenüber<br />
ist es jedoch sicherlich vorteilhaft, auch eine Variante mit Video anzubieten, da es immer<br />
wieder eine (wenn auch geringe) Nachfrage nach diesen Dateien gibt.<br />
In Anschluss an die bisher durchgeführten Auswertungen der Logfiles wollen wir zukünftig<br />
durch eine genauere Zuordnung von aktuellen Vorlesungsaufzeichnungen zum Abgabezeitpunkt<br />
von Übungen das Lernverhalten von Studierenden überprüfen.<br />
159
Zusätzlich wollen wir einige der hier verwendeten intuitiven Argumente (vor allem in<br />
Hinblick auf die Nutzung der älteren Vorlesungsaufzeichnungen) durch eine genauere Befragung<br />
unter den Studierenden verifizieren.<br />
Interessant wäre auch ein direkter Vergleich von Vorlesungsaufzeichnungen, die mit Lecturnity<br />
(objektbasierte Aufzeichnung) angefertigt wurden, gegenüber reinen Screengrabbingaufzeichnungen,<br />
wie sie z.B. mit Camtasia erstellt werden können. Dafür müssten für<br />
eine Veranstaltung beide Dateiformate angeboten werden. Technisch ist angedacht, dies<br />
über einen automatischen Mitschnitt des Videosignals der Grafikkarte zusätzlich zur Aufzeichnung<br />
mit Lecturnity zu realisieren; dies verhindert eventuelle Komplikationen zwischen<br />
den verschiedenen Aufzeichnungstools. <strong>Die</strong>ser Mitschnitt kann dann nachträglich<br />
überarbeitet und in das typische AVI-Format konvertiert werden.<br />
Anhand der Zugriffe aus den Logfiles ist es möglich, ein best-of“ der entsprechenden<br />
”<br />
Lehrveranstaltungen zu erstellen, indem die Teile ausgesucht werden, die von den Studierenden<br />
jeweils am häufigsten nachgefragt werden. <strong>Die</strong>s ist insofern interessant, als dass<br />
jeder Dozent in seiner Veranstaltung die Schwerpunkte anders setzt und verschiedene Inhalte<br />
mehr oder minder detailliert erklärt. Mittels einer best-of“-Auswahl könnten auch<br />
”<br />
die Archivierungskosten gesenkt werden, indem lediglich die besten Vorlesungsaufzeich-<br />
”<br />
nungen“ archiviert werden.<br />
<strong>Die</strong>s kann dann noch erweitert werden, indem sich Studierende ihre Wunschvorlesun-<br />
”<br />
gen“ selbst zusammenstellen können. Im AOF-Player der <strong>Universität</strong> Freiburg ist es bereits<br />
vorgesehen, Teile einer Veranstaltung mit Metadaten auszuzeichnen [Tr06] und basierend<br />
darauf seine individuelle Vorlesungsaufzeichnung zu erstellen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Fe02] Anja Fey. Audio vs. Video: Hilft Sehen beim Lernen? Vergleich zwischen einer audiovisuellen<br />
und auditiven virtuellen Vorlesung. Unterrichtswissenschaften, Zeitschrift für<br />
Lernforschung, 30. Jhg(4):331–338, 2002.<br />
[Gl04] Ulrich Glowalla. Utility and Usability von E-<strong>Learning</strong> am Beispiel von Lecture-ondemand<br />
Anwendungen. In Entwerfen und Gestalten, 2004.<br />
[HHW06] Christoph Hermann, Wolfgang Hürst und Martina Welte. The eLecture-Portal: An Advanced<br />
Archive For Lecture Recordings. In Informatics Education Europe, Oct 2006.<br />
[HLT06] Christoph Hermann, Tobias Lauer und Stephan Trahasch. Eine lernerzentrierte Evaluation<br />
des Einsatzes von Vorlesungsaufzeichnungen zur Unterstützung der Präsenzlehre. In<br />
Tagungsband der 4. e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong> (DeLFI 2006), Sep 2006.<br />
[Kr05] Marc Krüger. Pädagogische Betrachtungen zu Vortragsaufzeichnungen (eLectures). icom,<br />
Zeitschrift für interaktive und kooperative Medien, 3:56–60, 200<strong>5.</strong><br />
[MM02] R. Moreno und R.-E. Mayer. A Learner-Centred Approach to Multimedia Explanations:<br />
Deriving Instructional Design principles from Cognitive Theory. In Interactive Multimedia<br />
Electronic Journal of Computer-Enhanced <strong>Learning</strong>, 2002.<br />
[MO00] Rainer Müller und Thomas Ottmann. The “Authoring on the Fly” system for automated<br />
recording and replay of (tele)presentations. Multimedia Systems, 8(3):158 – 176, 10 2000.<br />
[Tr06] Stephan Trahasch. Skriptgesteuerte Wissenskommunikation und personalisierte Vorlesungsaufzeichnungen.<br />
Wissensprozesse und digitale Medien. Logos Verlag, 2006.<br />
160
Anreizsysteme zur Intensivierung von E-Teaching<br />
an Hochschulen<br />
Klaus Wannemacher<br />
Abteilung 3, Hochschulentwicklung<br />
HIS Hochschul-Informations-System GmbH<br />
Goseriede 9<br />
30159 Hannover<br />
wannemacher@his.de<br />
Abstract: An den Hochschulen mangelt es an wirksamen Anreizen für Lehrende,<br />
sich in dem Bereich E-Teaching stärker zu engagieren. Mit welchen Mitteln können<br />
Hochschullehrende jedoch für die Nutzung mediengestützter Lehrformen interessiert<br />
werden? Anhand einer aktuellen Erhebung an deutschen Hochschulen stellt<br />
der Beitrag den gewachsenen strategischen Stellenwert von E-<strong>Learning</strong> an der<br />
Hochschule sowie die bevorzugten Maßnahmen zu einer Intensivierung der E-<br />
Teaching-Nutzung durch Dozierende dar. Gängige E-Teaching-Anreizsysteme an<br />
deutschen Hochschulen werden anhand erfolgreicher Referenzbeispiele vorgestellt<br />
und übergeordnete Entwicklungslinien nachvollzogen.<br />
1 Anreizdefizit trotz gewachsenem Stellenwert von E-Teaching<br />
Der strategischen Bedeutung eines ausgereiften E-<strong>Learning</strong>-Angebots an den Hochschulen<br />
und der Notwendigkeit einer Integration von E-<strong>Learning</strong> in die Hochschulstrategie<br />
wird von Hochschulleitungen zunehmende Bedeutung beigemessen, wie eine<br />
Untersuchung der HIS GmbH und des Multimedia Kontor Hamburg vom Sommer 2006<br />
zur „E-Readiness“ deutscher Hochschulen zeigt. In der „E-Readiness“-Studie, an der<br />
sich die Hochschulleitungen von 201 Hochschulen beteiligt haben, wurden diese befragt,<br />
welchen Stellenwert die mediengestützte Lehre konkret in Bezug auf „typische“ Hochschulziele<br />
hat? <strong>Die</strong> Resultate zeigen, dass die Hochschulen E-<strong>Learning</strong> insbesondere als<br />
ein Instrument sehen, um die Zufriedenheit der Studierenden (77 %) und die eigene<br />
Attraktivität für (neue) Studierende zu steigern (Reputationssteigerung: 63 %; Studienerfolgssteigerung:<br />
60 %; Erschließung neuer Zielgruppen: 56 %).<br />
Demgegenüber trägt der mediengestützte Unterricht nach Auffassung der Hochschulen<br />
deutlich weniger zur Erleichterung der Lehre (37 %) oder zur Behebung von Kapazitätsengpässen<br />
(36 %) bei. <strong>Die</strong> Lehre wird – so die Sicht der Hochschulen – folglich zwar<br />
attraktiver, aber nicht weniger aufwändig oder personalintensiv. Kurzum: Reputation<br />
statt Rendite, Qualität statt Rationalisierung – dies sind die vorherrschenden Motive für<br />
E-<strong>Learning</strong> an Hochschulen im Jahr 2006.<br />
161
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
77<br />
Erhöhung der<br />
Zufriedenheit der<br />
Studierenden<br />
durch bessere Services<br />
63<br />
Reputationssteigerung<br />
der<br />
Hochschulen<br />
60<br />
Steigerung des<br />
Studienerfolgs durch<br />
Qualitätsverbesserung<br />
der Lehre<br />
56<br />
Erschließung neuer<br />
Zielgruppen<br />
37 36<br />
Erleichterung der<br />
Lehre für die<br />
Dozenten<br />
31 30<br />
Behebung von Einnahmen durch Nutzung von<br />
Kapazitätsengpässen Online-Angebote Kursen/ Inhalten<br />
im Zuge der<br />
Umstellung auf<br />
Bachelorin<br />
der Weiterbildung anderer Anbieter<br />
/ Masterstudiengänge<br />
Abbildung 1: Welchen Stellenwert hat die mediengestützte Lehre konkret in Bezug auf<br />
„typische“ Hochschulziele (in Prozent)?<br />
<strong>Die</strong> hohe Wertschätzung der Hochschulen für den strategischen Nutzen neuer Medien in<br />
der Hochschullehre korreliert jedoch nicht durchgängig mit den aktuell gebräuchlichen<br />
Maßnahmen zur Förderung des E-<strong>Learning</strong>-Einsatzes. Bei diesen Anreizmechanismen<br />
handelt es sich um Maßnahmen, die den Fakultäten oder Lehrenden ein Motiv für die<br />
Nutzung von E-Teaching-Anwendungen bieten, um die E-Teaching- und E-<strong>Learning</strong>-<br />
Produktivität and -Effektivität der Lehrenden und Studierenden zu erhöhen. An vielen<br />
Hochschulen sind solche Anreizsysteme zur Gewinnung von Dozierenden für mediengestützte<br />
Lehrszenarien noch unterentwickelt. Akzeptanzdefizite für E-Teaching seitens<br />
der Lehrenden ebenso wie inadäquate Anreizstrukturen verhindern häufig eine Optimierung<br />
der Hochschullehre durch Entwicklung geeigneter Online-Lehrmaterialien.<br />
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der „E-Readiness“-Studie im Hinblick<br />
auf den Stellenwert mediengestützter Lehre dargestellt, um anschließend der Frage nach<br />
geeigneten Anreizstrukturen für eine Intensivierung von E-Teaching nachzugehen.<br />
<strong>Die</strong> Sicht der Hochschulleitungen auf die Bedeutung von E-<strong>Learning</strong> wird nicht von<br />
allen Hochschullehrenden geteilt. Viele Dozierende sehen sich erheblichen Schwierigkeiten<br />
bei der Nutzung mediengestützter Lehrszenarien gegenüber. Häufig schreckt die<br />
erforderliche Medienkompetenz für die Produktion von digitalem Content, die spezifisches<br />
Media-Authoring-Anwenderwissen voraussetzt, von der E-Teaching-Nutzung ab.<br />
<strong>Die</strong> untergeordnete Bedeutung der Lehre innerhalb akademischer Laufbahnen (im Gegensatz<br />
zu Publizieren, Drittmitteleinwerbung etc.), das hohe Arbeitsaufkommen und<br />
das Desinteresse der Lehrenden, die fehlende Vertrautheit mit den Mehrwerten von E-<br />
Teaching, aufwändige Reformprozesse an den Hochschulen, nicht ausreichend entwickelte<br />
Supportinfrastrukturen, inadäquate didaktische, technische und finanzielle Unterstützung,<br />
ein Mangel an Dialogpartnern innerhalb der Fakultät etc. tragen zu einer<br />
162
skeptischen Haltung gegenüber E-Teaching unter den Lehrenden bei. Da ein Anfangsinteresse<br />
an E-Teaching sich in der Regel nicht automatisch ergibt, ist der Rückgriff des<br />
Hochschul-Managements auf effektive Anreizstrukturen und -programme von zentraler<br />
Bedeutung, um die Nutzung von E-Teaching zu steigern (ohne dabei jedoch Druck auszuüben).<br />
In diesem Sinne wurden an den Hochschulen unterschiedliche Anreizsysteme<br />
ins Leben gerufen. Im Zentrum dieses Beitrags stehen hochschulinterne E-Teaching-<br />
Anreize. Externe Anreizmechanismen (z.B. Förderprogramme durch die Wissenschaftsministerien<br />
oder durch Stiftungen) werden in diesem Kontext außer Acht gelassen.<br />
Gebräuchliche Anreize bestanden in den vergangenen Jahren in der finanzellen Förderung<br />
von E-Teaching (d.h. der Bereitstellung von hochschulischen Fördermitteln für die<br />
Beschäftigung zusätzlicher Mitarbeiter, die Beschaffung spezifischer Soft- und Hardware,<br />
Bereitstellung des technischen Supports etc.), der Bereitstellung von Coaching-<br />
und Trainingsangeboten oder von Assistenten für die Entwicklung von E-<strong>Learning</strong>-<br />
Modulen. Gegenwärtig trägt die Nutzung mehrschichtiger zielgruppenorientierter Supportinfrastrukturen<br />
und Services vielfach bereits zu einem aktiveren Engagement im<br />
Bereich E-Teaching bei. Verschiedene Anreizmechanismen sollten dabei sinnvoll miteinander<br />
kombiniert werden, um deren Wirksamkeit zu steigern.<br />
2 E-Teaching-Strategien und der Einfluss der Hochschulleitung<br />
Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz von mediengestützter Lehre und wirksame<br />
Anreize für E-Teaching können von unterschiedlichen Statusgruppen an Hochschulen<br />
umgesetzt werden, insbesondere von der Hochschulleitung, von Entscheidern in den<br />
Fakultäten, E-<strong>Learning</strong>-Pionieren, weiteren Dozierende, den E-<strong>Learning</strong>-<strong>Die</strong>nstleistern<br />
sowie von Studierenden. Nicht alle beteiligten Personen können jedoch direkt Einfluss<br />
nehmen, und selbst die Hochschulleitung hat auf zahlreiche Anreizfaktoren (studentische<br />
Nachfrage nach E-Teaching, gute Kursevaluationen etc.) keinen Einfluss.<br />
Ungeachtet dessen übt die Hochschulleitung einen beträchtlichen Einfluss auf die Anreizgestaltung<br />
aus. Ohne einschlägige Entscheidungen der Hochschulleitung zugunsten<br />
von mediengestützter Lehre werden Planer und Entwickler von medienbasierter Lehre<br />
und E-Teaching-Pioniere Schwierigkeiten haben, die erforderliche Unterstützung in<br />
Entscheidungsgremien zu erhalten. Wenn die Hochschulleitung die strategische Bedeutung<br />
des Themas für das Hochschulmarketing nicht aufgreift, werden die erforderlichen<br />
Infrastrukturen und Ressourcen nicht bereitgestellt und dürfte manch ambitioniertes E-<br />
<strong>Learning</strong>-Projekt langfristig wirkungslos bleiben.<br />
<strong>Die</strong>s bestätigen die Ergebnisse einer Online-Befragung zum Thema „E-<strong>Learning</strong> aus<br />
Sicht der Studierenden“, die die HIS GmbH 2004 gemeinsam mit dem DLR Projektträger<br />
Neue Medien in der Bildung und Fachinformation im Rahmen des HISBUS-Projekts<br />
(Beteiligung von bundesweit 3.811 Studierenden) durchgeführt hat. In der Umfrage wurden<br />
Studierende nach geeigneten Maßnahmen für eine intensivere Nutzung von E-<strong>Learning</strong><br />
gefragt. Betrachtet man die Antworten, die den vorgeschlagenen Maßnahmen einen<br />
verstärkenden Einfluss zuerkennen („führt zu intensiverer E-<strong>Learning</strong>-Nutzung“ = Skalenwerte<br />
1 und 2), so sind Hinweise der Lehrenden und der Hochschule (81 bzw. 75 %<br />
163
der Antworten), die Verbesserung der inhaltlichen Qualität (74 %) sowie der Einsatz in<br />
Pflichtveranstaltungen (72 %) die wirksamsten Maßnahmen [KWW05].<br />
Bessere und mehr Kommunikation und Kooperation<br />
Abbildung 2: Maßnahmen für intensivere E-<strong>Learning</strong>-Nutzung durch Studierende (in Prozent)<br />
Mit Ausnahme des Einsatzes in Pflichtveranstaltungen sind diese Maßnahmen zugleich<br />
diejenigen, deren Wirksamkeit von den wenigsten Antwortenden bestritten wird. Damit<br />
zeigt sich erneut, dass die Nutzung von E-<strong>Learning</strong> stark durch die Lehrenden und das<br />
Hochschulumfeld motiviert ist – und durch die Erwartung guter Qualität von Seiten der<br />
Studierenden, d.h. durch Faktoren, die unmittelbar für das Studium und den Studienerfolg<br />
relevant sind. <strong>Die</strong> geringste Wirksamkeit hätten dagegen Schulungen und Trainings<br />
(34 % zustimmende, 47 % ablehnende Antworten), die von den Studierenden möglicherweise<br />
aufgrund des zusätzlichen Aufwands oder des mangelnden konkreten<br />
Problembezugs eher abgelehnt werden, gefolgt von Online-Prüfungen mit 38 % positiven<br />
und 43 % negativen Antworten.<br />
Angesichts der erheblichen Bedeutung, die die Studierenden des HISBUS-Panels den<br />
Vermittlungsleistungen durch das Hochschulumfeld beimaßen, könnten geeignete Maßnahmen<br />
der Hochschulleitung zur E-Teaching-Förderung etwa darin bestehen,<br />
164<br />
Hinweise der Lehrenden auf relevante Angebote<br />
Hinweise der Hochschule auf relevante Angebote<br />
Bessere inhaltliche Qualität<br />
Nutzung in Pflichtveranstaltungen<br />
Günstigere private Internetanbindung<br />
Günstiger Kauf/Miete von Notebook<br />
Bessere technische Qualität von Angeboten<br />
Integration in Studienplan<br />
Bessere Online-Betreuung<br />
Interaktion, Multimedia-Anteile<br />
bessere Hardwareausstattung der Hochschule<br />
bessere Softwareausstattung der Hochschule<br />
Prüfungen über das Internet<br />
Schulungen, Trainings<br />
� den Wandel der akademischen Lehrkultur aktiv zu unterstützen (d.h. die Bedeutung<br />
der Lehre im Hinblick auf das Selbstverständnis der Lehrenden stärken),<br />
� E-Teaching in Zielvereinbarungen mit den Fakultäten zu berücksichtigen (u.a. auch<br />
als Auswahlkriterium in Berufungsverhandlungen einzubeziehen),<br />
� die Medienentwicklungsstrategie der <strong>Universität</strong> bekanntzumachen,<br />
38<br />
34<br />
48<br />
47<br />
54<br />
62<br />
62<br />
62<br />
61<br />
70<br />
66<br />
75<br />
74<br />
72<br />
81<br />
führt zu intensiverer<br />
E-<strong>Learning</strong>-Nutzung<br />
(Skalenwerte 1 + 2)<br />
43<br />
47<br />
17<br />
27<br />
27<br />
15<br />
17<br />
24<br />
21<br />
10<br />
8<br />
9<br />
14<br />
22<br />
führt nicht zu intensiverer<br />
E-<strong>Learning</strong>-Nutzung<br />
(Skalenwerte 4 + 5)<br />
7
� Personal und technische Ressourcen für die Medienentwicklung sowie<br />
� Mittel für ein E-<strong>Learning</strong>-Kompetenzzentrum bereitzustellen.<br />
Im Allgemeinen sind zahlreiche innerhochschulische Anreizmechanismen (interne Programme<br />
zur E-Teaching-Förderung, Reduktionen der Lehrverpflichtung, Auszeichnungen<br />
für gute mediengestützte Lehre, Einrichtung von Hilfskraftpools für das Mediendesign,<br />
Vereinfachung des Prüfungswesens durch standardisierte Online-Prüfungs-Verfahren<br />
etc.) wesentlich von der Unterstützung des Hochschul-Managements abhängig.<br />
3 Geeignete Maßnahmen zur Intensivierung von E-Teaching<br />
Für einen Ausbau des E-<strong>Learning</strong>-Angebots an deutschen Hochschulen müssen vor<br />
allem die Lehrenden gewonnen werden. Daher wurde den Hochschulen im Rahmen der<br />
eingangs erwähnten E-Readiness-Erhebung 2006 die Frage vorgelegt, für wie geeignet<br />
sie (auf einer fünfstufigen Skala) bestimmte Maßnahmen halten, um die Nutzung von E-<br />
<strong>Learning</strong> durch die Lehrenden zu steigern:<br />
100<br />
95<br />
90<br />
85<br />
80<br />
75<br />
70<br />
65<br />
60<br />
76<br />
Verbesserung der IT-<br />
Infrastruktur<br />
Abbildung 3: Eignung von Maßnahmen zur Steigerung der Nutzung von E-<strong>Learning</strong> durch die<br />
Lehrenden (in Prozent)<br />
Bei den Ergebnissen (vgl. Abb. 3) 1 ist zu berücksichtigen, dass die Antworten Einschätzungen<br />
aus der Perspektive der Hochschulen bzw. der den Fragebogen bearbeitenden<br />
Hochschulvertreter sind und nicht von den Lehrenden selbst stammen.<br />
1 Für die Darstellung wurden die Merkmalsausprägungen „sehr geeignet“ und „geeignet“ herausgegriffen und<br />
zusammengefasst.<br />
94<br />
Bereitstellung einfach<br />
zu bedienender<br />
Software<br />
88<br />
Beratungs- und<br />
Trainingsangebote für<br />
Lehrende<br />
78<br />
Anrechnung von<br />
Multimediaproduktion/<br />
Online-Lehre auf das<br />
Lehrdeputat<br />
75<br />
Bereitstellung<br />
hochschuleigener<br />
Fördergelder<br />
77<br />
Förderprogramme<br />
Dritter<br />
82<br />
Aufnahme von E-<br />
<strong>Learning</strong> in die<br />
strategische Planung<br />
der Hochschule<br />
165
Als wichtigsten Anreiz für eine verstärkte Nutzung von E-<strong>Learning</strong> durch die Lehrenden<br />
sehen die Hochschulen die Bereitstellung einfach zu bedienender Software (Autorentools,<br />
Lernplattformen etc.). 94 % aller Einrichtungen sind dieser Auffassung. <strong>Die</strong> größte<br />
Hürde für den Einsatz von E-<strong>Learning</strong> wird daher im Bereich der Softwareanwendung<br />
gesehen. Offen bleibt dabei, ob die verfügbaren Systeme zu kompliziert sind oder ob die<br />
Lehrenden über eine zu geringe Medienkompetenz verfügen. Für letzteren Grund<br />
spricht, dass 88 % der Hochschulen der Auffassung sind, Trainings- und Beratungsangebote<br />
für Lehrende zu technischen und mediendidaktischen Fragen würden zu einem<br />
verstärkten E-<strong>Learning</strong>-Einsatz führen, und sich „nur“ 76 % der Hochschulen diese Wirkung<br />
von der generellen Verbesserung ihrer IT-Infrastruktur (Netzwerk, WLAN, Arbeitsplatzrechner,<br />
CIP-Pools etc.) erhoffen. Daraus lässt sich schließen, dass die Hochschulen<br />
der Personalentwicklung bei der Implementierung von E-<strong>Learning</strong> einen großen<br />
Stellenwert zuerkennen.<br />
In der Reihe der geeigneten Maßnahmen folgt auf dem nächsten Platz die Aufnahme von<br />
E-<strong>Learning</strong> in die strategische Planung der Hochschule – mit einer Zustimmungsrate von<br />
82 %. <strong>Die</strong>s verdeutlicht, dass E-<strong>Learning</strong> einerseits inzwischen als ein strategisches<br />
Instrument zur hochschulischen Aufgabenwahrnehmung gesehen wird, andererseits aber<br />
auch einer Integration in die strategische Planung bedarf, um sich erfolgreich etablieren<br />
zu können. Ein weiterer Faktor für eine Intensivierung mediengestützter Lehre ist die<br />
Anrechnung von Leistungen in Multimedia-Produktion und Online-Lehre auf die Lehrverpflichtung,<br />
die 78 % der Hochschulen als wirksamen Anreiz betrachten.<br />
Überraschen muss hingegen, dass Förderprogramme externer Geldgeber (Land, Bund,<br />
EU etc.) von „nur“ 77 % der Hochschulen als motivierend angesehen werden. Zumindest<br />
aufwändige E-<strong>Learning</strong>-Entwicklungen waren bislang ohne solche Drittmittel kaum<br />
möglich. <strong>Die</strong> Gründe für dieses Votum bleiben spekulativ: einer könnte die Antizipation<br />
des weiteren Rückgangs öffentlicher Fördermittel sein, ein anderer die Erfahrung, dass<br />
Fördermittel allein eine nachhaltige Nutzung von E-<strong>Learning</strong> nicht gewährleisten konnten.<br />
Ähnliches könnte auch auf die hochschuleigenen Fördergelder zutreffen, die nach<br />
Auskunft von „nur“ 75 % der Hochschulen zu mehr E-Teaching motivieren. <strong>Die</strong>s ist der<br />
niedrigste Wert unter allen Maßnahmen: Bekanntlich ist das Geld insgesamt knapp.<br />
Generell ist jedenfalls auffällig, dass nicht primär monetäre Anreize bei der Frage nach<br />
geeigneten Maßnahmen zur Steigerung von E-Teaching in den Vordergrund gestellt<br />
werden, sondern eher „weiche“ Faktoren wie Kompetenzentwicklung und strategische<br />
Einbettung.<br />
4 Anreizsysteme für E-Teaching in der Hochschulpraxis<br />
Anhand der Priorisierung unterschiedlicher Anreizmechanismen sollen im Folgenden<br />
unterschiedliche Maßnahmen skizziert werden, die in den vergangenen Jahren an den<br />
Hochschulen ergriffen wurden, um die Fakultäten und Hochschulangehörigen zu erkennbaren<br />
und nachdrücklichen Beiträgen für eine Integration von IKT in Forschung, Hochschullehre<br />
und -verwaltung anzuregen. <strong>Die</strong> Darstellung konzentriert sich dabei auf vier<br />
übergeordnete Bereiche von Anreizmechanismen: infrastrukturbezogene Anreize (einfach<br />
zu bedienende Software, Bereitstellung von Schulungsangeboten etc.), Aufnahme in<br />
166
die strategische Planung der Hochschule und Reputationseffekte, Anrechnung auf die<br />
Lehrverpflichtung und Reduktion von Workload sowie monetäre Anreize. Ausgewählte<br />
Good-Practice-Beispiele beleuchten verschiedene Formen der Umsetzung.<br />
4.1 Infrastrukturbezogene Anreize<br />
Als zentrale Anreize für eine erfolgreiche E-<strong>Learning</strong>-Nutzung an den Hochschulen wies<br />
die E-Readiness-Studie die „Bereitstellung einfach zu bedienender Software” (94 %)<br />
sowie von „Beratungs- und Trainingsangebote für Lehrende” (88 %) aus (s. Abb. 3).<br />
Ganz allgemein stellt die Verfügbarkeit von Infrastrukturen eine zentrale Voraussetzung<br />
für die Akzeptanz von Online-Lehre dar. Da in der unmittelbaren Arbeitsumgebung<br />
zahlreicher Dozierenden in der Regel nur begrenzte Kapazitäten und Fertigkeiten für die<br />
Contentproduktion verfügbar sind, sind Beratungsangebote von E-<strong>Learning</strong>-<br />
Kompetenzzentren oder Weiterbildungseinrichtungen maßgeblich für die erfolgreiche<br />
Medienkonzeption und -produktion. In Kooperation zwischen E-<strong>Learning</strong>-<br />
Kompetenzzentrum (falls vorhanden) und weiteren zentralen Einrichtungen oder aber<br />
durch einen aus studentischen Hilfskräften bestehenden Servicepool erhalten Dozierende<br />
individuelle Beratung bei der konzeptionellen, didaktischen und technischen Umsetzung<br />
von Lerneinheiten, können Qualifizierungsangebote und Multiplikatorentrainings nutzen<br />
oder sich bei der Öffentlichkeitsarbeit für Projekte unterstützen lassen etc. 2<br />
<strong>Die</strong> Koordinierungsstelle für Neue Medien der <strong>Universität</strong> Freiburg unterhält ein Medien-Team-Programm.<br />
Eine Gruppe von Studierenden wird am Rechenzentrum qualifiziert<br />
und mit spezieller Medienexpertise ausgestattet. Dozierende aller Fakultäten können<br />
diese Support- und Beratungsangebote in den Bereichen Autorentools, Contentproduktion,<br />
Bildbearbeitung, XML, Digitalisierung etc. anfordern. Da diese Medienproduktionsdienste<br />
durch Studierende auf der Basis von Arbeitsstunden abgerechnet<br />
werden, entrichten die Einrichtungen bei Nutzung der Medien-Team-<strong>Die</strong>nste die üblichen<br />
Sätze für studentische Hilfskräfte. Nachdem die Studierenden einen gewissen Umfang<br />
an Stunden abgeleistet haben, können sie ein Zertifikat über ihre spezifische Beratungsexpertise<br />
erwerben. <strong>Die</strong> <strong>Universität</strong> Frankfurt a.M. offeriert ein vergleichbares<br />
„Student Consulting”-Angebot. Auch die Studierenden des Frankfurter Supportpools<br />
werden in verschiedenen Schwerpunktfeldern ausgebildet und auf stündlicher Basis<br />
bezahlt (Stundensatz von etwa 15 Euro pro Assistent).<br />
4.2 Aufnahme in die strategische Hochschulplanung und Reputationseffekte<br />
82 % der Hochschulen sahen die „Aufnahme von E-<strong>Learning</strong> in die strategische Planung<br />
der Hochschule” als entscheidenden Anreizfaktor an (s. Abb. 3). Zahlreiche Hochschulen<br />
versprechen sich von der E-<strong>Learning</strong>-Nutzung eine Reputationssteigerung. <strong>Die</strong>se<br />
Reputationssteigerung von Hochschulen, Fakultäten und einzelnen Lehrenden kann auf<br />
2 Gerade der internen Öffentlichkeitsarbeit für E-Teaching kommt erhebliche Bedeutung für die Vermittlung<br />
der hochschulstrategischen Relevanz von E-<strong>Learning</strong> zu. <strong>Die</strong> Öffentlichkeitsarbeit sollte Meinungsführer an<br />
der jeweiligen Hochschule einbeziehen und umfasst im einzelnen Aktivitäten wie die Veranstaltung von E-<br />
Teaching-Informationstagen an den Fachbereichen, Multiplikatorenkursen und Tutorien, das Vorstellen von<br />
medienbasierten Kursen auf einschlägigen E-<strong>Learning</strong>-Webseiten etc.<br />
167
unterschiedlichen Wegen erfolgen, etwa durch die Einhaltung einschlägiger Zielvereinbarungen<br />
auf Fakultätsebene, durch Mindestanteile von E-<strong>Learning</strong>-Kursen im Curriculum,<br />
interne Benchmarkings zwischen Fakultäten, durch Medienberichterstattung über<br />
exemplarische E-Teaching-Angebote oder durch exzellente Evaluationsergebnisse. Drei<br />
reputationssteigernde Maßnahmen sollen exemplarisch dargestellt werden: Auszeichnungen<br />
und Qualitätssiegel für medienbasierte Lehre sowie E-<strong>Learning</strong>-Zertifikate.<br />
Hochwertige E-Teaching-Module können mittlerweile für eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Lehrpreise vorgeschlagen werden. Neben renommierten internationalen Auszeichnungen<br />
(World Summit Award, EureleA, MedidaPrix etc.) schreiben mehrere deutsche<br />
Institutionen 3 eigene Auszeichnungen für digitale Lehre aus. An der Technischen <strong>Universität</strong><br />
Darmstadt (TUD) existiert ein solcher Best E-Teaching Award seit dem Jahr<br />
2004. Mit diesem E-Teaching Award, der mit einem aus Stiftungsmitteln gespeisten<br />
jährlichen Preisgeld von 6.000 Euro dotiert ist, wird jährlich ein Hochschullehrer ausgezeichnet,<br />
der qualitativ hochwertiges E-<strong>Learning</strong> in der eigenen Lehre einsetzt. 4<br />
Während manche <strong>Universität</strong>en medienbasierte und -angereicherte Kurse in Vorlesungsverzeichnissen<br />
durch ein Symbol grafisch hervorheben, stellen Gütesiegel für medienbasierte<br />
Lehre E-<strong>Learning</strong>-Angebote vielfach wirksamer heraus. Ein solches „Gütesiegel<br />
für computergestützte Lernarrangements“ (GCL) wurde 2004 an der TUD entwickelt; es<br />
stellt zugleich die Auswahlkriterien für den Best E-Teaching Award der TUD bereit. Das<br />
GCL dient als Instrument der Qualitätssicherung und überprüft 130 Qualitätsskriterien<br />
im Hinblick auf den Lerngegenstand, die Nutzerorientierung, technische Rahmenbedingungen<br />
und Wirtschaftlichkeit. Eine weitere breitangelegte Initiative zur Festlegung von<br />
Qualitätsstandards für E-<strong>Learning</strong> geht von der <strong>Universität</strong> Duisburg-Essen aus („Qualitätsinitiative<br />
E-<strong>Learning</strong> in Deutschland“ QED). 5<br />
Ein hoher karrierebezogener Anreiz der Qualifizierung für Nachwuchs-Wissenschaftler<br />
stellt der Erwerb eines E-<strong>Learning</strong>-Zertifikats dar, das die Aneignung ausgiebiger Handlungskompetenzen<br />
im Umgang mit neuen Medien in der Lehre dokumentiert. Solche E-<br />
<strong>Learning</strong>-Zertifikate werden derzeit an den <strong>Universität</strong>en Braunschweig (richtet sich als<br />
Angebot des Kompetenzzentrums „Hochschuldidaktik für Niedersachsen“ an Lehrende<br />
aller niedersächsischer Hochschulen), Potsdam (Modellprojekt „Weiterbildung zur/m<br />
Online-Tutor/in“) und Frankfurt a.M. (steht Angehörigen hessischer Hochschulen und<br />
Lehrern sowie weiteren Interessenten offen) angeboten.<br />
3 Zu den deutschen E-Teaching Auszeichnungen zählen der Digita (TU Berlin, seit 1995), der Deutsche Multimedia<br />
Preis (DMMK, BVDW etc., seit 1996), der monatliche e<strong>Learning</strong>-Award (e<strong>Learning</strong>-Journal, seit<br />
2005) etc.<br />
4 Ähnliche Auszeichnungen existieren an der <strong>Universität</strong> Freiburg (Media Award, seit 2004), Charité Berlin<br />
(eTeaching-Award, seit 2005), <strong>Universität</strong> Frankfurt (seit 2005), <strong>Universität</strong> des Saarlandes (Förderpreis “Neue<br />
Medien in der Lehre”, seit 2004/05) und an der Technischen <strong>Universität</strong> München (TUM e<strong>Learning</strong>-Award,<br />
seit 2006).<br />
5 Eine ähnliche Initiative auf europäischer Ebene bildet die European Foundation for Quality in E-<strong>Learning</strong><br />
(EFQUEL) in Gestalt des Serviceportals www.qualityfoundation.org.<br />
168
4.3 Anrechnung auf die Lehrverpflichtung und Reduktion von Workload<br />
<strong>Die</strong> Anrechnung von Multimedia-Produktion und Online-Lehre auf das Lehrdeputat<br />
wurde von 78 % der Hochschulen als wirksame Maßnahme zur Steigerung der Nutzung<br />
von E-<strong>Learning</strong> durch die Lehrenden bezeichnet (s. Abb. 3). <strong>Die</strong> Reduktion der administrativen<br />
Aufgaben der akademischen Lehre (selbsttätige Kursregistrierung und Kurszulassung,<br />
Bewältigung einer gewachsenen Anzahl von Prüfungen, erleichterte Kursmodularisierung,<br />
Redundanz fester Sprechstundenzeiten, erleichterte Initiierung von<br />
Netzwerken für Forschung und Lehre etc.) durch Einsatz von E-<strong>Learning</strong>-Systemen ist<br />
selbst für E-<strong>Learning</strong>-skeptische Dozenten attraktiv. Solche Komfortaspekte überzeugen<br />
Dozenten (selbst wenn diese an den didaktischen Möglichkeiten von E-Teaching kein<br />
Interesse entwickeln) mitunter von einer Nutzung von E-Teaching-Systemen. Des Weiteren<br />
wird die Interoperabilität und sukzessive Integration von Hochschul-Management-<br />
Systemen und von Lernplattformen (Synchronisierung von Studierendenverwaltungssoftware<br />
und E-<strong>Learning</strong>-Systemen, Single Sign-on or Single Login für die <strong>Die</strong>nste<br />
von Rechenzentrum, Medienzentrum, Bibliothek etc.) einen positiven Einfluss auf die<br />
Akzeptanz dieser Systeme ausüben.<br />
Einige Länder wie Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt bieten Dozenten,<br />
die im Rahmen ihrer Lehre digitale Kursmodule erstellen, eine Reduktion der Lehrverpflichtung<br />
an. Eine 2001 veröffentlichte Änderung der bayerischen Lehrverpflichtungsverordnung<br />
sieht vor, dass Entwicklung und Betreuung digitaler Lernangebote mit bis zu<br />
maximal 25 % der Lehrverpflichtung auf das Deputat angerechnet werden können. Da<br />
jedoch im Falle der Inanspruchnahme dieser Regelung nicht automatisch Mittel für eine<br />
Vertretung bereitgestellt werden, sind die Effekte dieser Anreizstruktur begrenzt.<br />
4.4 Monetäre Anreize<br />
<strong>Die</strong> finanzielle Förderung von E-Teaching-Aktivitäten bildet einen starken Anreiz, der<br />
sich auf die an den Fakultäten vorhandenen Kenntnisse zur Integration von IKT in die<br />
Lehre und Wissenschaft unmittelbar auswirkt. <strong>Die</strong> Mehrzahl der Anreize für E-Teaching<br />
enthält monetäre Elemente in der einen oder anderen Form. Zwei Formen von monetären<br />
Anreizen werden im Folgenden ausgiebiger dargestellt: Projektförderung und Einnahmen<br />
aus der Contentvermarktung.<br />
Projektförderung<br />
Auch wenn „nur” 77 % der Hochschulen „Förderprogramme Dritter” und nur 75 % die<br />
„Bereitstellung hochschuleigener Fördergelder” als geeignete Maßnahmen zur Steigerung<br />
der Nutzung von E-<strong>Learning</strong> durch die Lehrenden betrachteten (s. Abb. 3), haben<br />
doch in vergangenen Jahren diverse Förderprogramme des Bundes und der Länder die E-<br />
<strong>Learning</strong>-Entwicklung bundesweit erheblich forciert. Durch diese Programme standen<br />
den Hochschulen mehrere hundert Millionen Euro für E-Teaching zur Verfügung. Einige<br />
Hochschulen boten oder bieten ergänzend interne Förderprogramme an (oder erweiterten<br />
bestehende Fonds zur Förderung der Qualität der Lehre). <strong>Die</strong> Freie <strong>Universität</strong> Berlin<br />
(FU) schreibt seit 2002 ein FU-internes Programm zur Förderung von E-<strong>Learning</strong>-<br />
Projekten aus, das der Stärkung der Nachhaltigkeit bereits existierender und erfolgrei-<br />
169
cher E-<strong>Learning</strong>-Initiativen durch ergänzende Unterstützung oder der Produktion neuen<br />
Contents dient. <strong>Die</strong> Förderung soll bis 2009 fortgeführt werden; die Fördermittel belaufen<br />
sich gegenwärtig auf jährlich 300.000 Euro.<br />
Weitere hochschulinterne Fördermaßnahmen – vielfach geringeren Umfangs – wurden<br />
unter anderem an der Humboldt-<strong>Universität</strong> zu Berlin (Multimedia-Förderprogramm),<br />
den <strong>Universität</strong>en Dortmund (e<strong>Learning</strong> plus 05-Programm), Frankfurt (e<strong>Learning</strong>-<br />
Fond-Ausschreibung), Kassel (Projektwettbewerb), Stuttgart (Campus-online education),<br />
an der <strong>Universität</strong> des Saarlandes (Anreizorientierung E-<strong>Learning</strong>) und an den Technischen<br />
<strong>Universität</strong>en Darmstadt (TUD-Online) und Dresden (Beteiligung an der SMWK-<br />
Ausschreibung „E-<strong>Learning</strong>”) aufgesetzt oder administriert.<br />
Einnahmen aus der Contentvermarktung<br />
<strong>Die</strong> hohen Erwartungen, die sich vor wenigen Jahren auf die Generierung von Einnahmen<br />
aus der Vermarktung von E-<strong>Learning</strong> Content richteten, sind mittlerweile abgeflacht.<br />
Nurmehr 31 % der Hochschulen rechnen künftig mit signifikanten „Einnahmen<br />
durch Online-Angebote in der Weiterbildung” (s. Abb. 1). Unter den verschiedenen<br />
Geschäftsmodellen für E-<strong>Learning</strong> (vgl. [BrHo05, KW05]) floriert gegenwärtig vor<br />
allem die Vermarktung von postgradualen internetbasierten Weiterbildungs-Studiengängen<br />
in beschränktem Umfang. Mehrere Online-Weiterbildungsstudiengänge vorrangig<br />
aus den Bereichen Informationssysteme (Master of Science in Information Systems,<br />
WinfoLine; International Master of Business Informatics, Virtual Global University;<br />
etc.), neue Medien (Master of Arts in Educational Media, <strong>Universität</strong> Duisburg-Essen;<br />
Master of Science in Multimedia and Computer Science, onCampus GmbH etc.) sowie<br />
eine wachsende Anzahl von MBA-Programmen und Studienangeboten in weiteren Bereichen<br />
sind derzeit bereits verfügbar.<br />
<strong>Die</strong> Vermarktung von Internet-basierten Wissensressourcen unterhalb der Studiengangsebene<br />
(Kurse mit ECTS-Kreditpunkten, Zertifikatskurse etc.) ist aufgrund des<br />
unterentwickelten Weiterbildungsbereichs an den Hochschulen, des starken Wettbewerbsdrucks<br />
durch kommerzielle Anbieter und der mangelnden Nachfrageorientierung<br />
in der Hochschullehre bislang weniger stark entwickelt. Auch Peer-to-peer Contenttransfer<br />
und -sharing innerhalb von Dozentennetzwerken ist noch kaum verbreitet.<br />
Häufig begegnen Hochschulen den grundlegenden Herausforderungen der Vermarktung<br />
von Online-Content, der an den Hochschulen entwickelt wurde, nicht angemessen und<br />
sind diese nicht auf nachfrageorientierte Vermarktungsprozesse ausgerichtet. Zudem<br />
wirkt sich der Mangel geeigneter Infrastrukturen wie Vermarktungs- und Transferagenturen<br />
oder von Vertriebsportalen für Marketing und Distribution von Online-Weiterbildungs-Angeboten<br />
nachteilig aus.<br />
5 Perspektiven<br />
<strong>Die</strong> exemplarisch aufgeführten Anreizstrukturen und -maßnahmen der Hochschulen<br />
unterlagen aufgrund der wechselnden Verfügbarkeit von Fördermitteln einem kontinuierlichen<br />
Wandel. Da der Zenit der öffentlichen Förderprogramme für die Unter-<br />
170
stützung von E-Teaching überschritten und die Haushaltslage der Hochschulen klamm<br />
ist, kommt gegenwärtig – gerade aus Sicht der Hochschulleitungen – nicht-monetären<br />
Anreizmechanismen maßgebliche Bedeutung zu. Während Förderprogramme die Verbreitung<br />
und Kompetenz im Hinblick auf E-<strong>Learning</strong> signifikant gesteigert haben, sind<br />
nunmehr komplementär ressourcenbasierte Anreize, Publizitäts- und Aufmerksamkeitsmechanismen<br />
sowie die Bekanntmachung von Möglichkeiten zur Workload-Reduktion<br />
wichtige Faktoren für die Akzeptanzsteigerung für E-<strong>Learning</strong>. Auch sind die Möglichkeiten<br />
der Unterstützung von Lehrenden durch E-<strong>Learning</strong>-Support-Teams und der Bereitstellung<br />
von Beratungs- und Trainingsangeboten für die Produktion von Lehrmedien<br />
bei Weitem nicht ausgeschöpft.<br />
Wenig bekannt ist bislang über die tatsächliche Wirkung der geschilderten Anreize. Um<br />
Anreize zielführend gestalten zu können, wären künftig daher Studien sinnvoll, die sowohl<br />
die Anreizwirkung einzelner Maßnahmen aus Sicht der Dozenten erheben als auch<br />
die Korrelationen zwischen einzelnen Maßnahmen und der Einstellung der Hochschulmitglieder<br />
zu E-<strong>Learning</strong> sowie zu der Entwicklung des E-<strong>Learning</strong>-Angebots selbst<br />
ermitteln müssten. Da den Ergebnissen der E-Readiness-Studie zufolge bevorzugt „weiche“<br />
Faktoren wie Kompetenzentwicklung und strategische Einbettung zur Steigerung<br />
von E-Teaching herangezogen werden, sind Hochschulleitungen grundsätzlich aber gut<br />
beraten, künftig erstens die Bedeutung von E-<strong>Learning</strong> im Rahmen der strategischen<br />
Hochschulplanung noch stärker als bislang bekannt zu machen und zweitens die E-<br />
Teaching-Rahmenbedingungen durch die Verknüpfung der Bereitstellung einfach zu bedienender<br />
Software mit ausgiebigen Beratungs- und Trainingsangeboten für Lehrende<br />
(bis hin zum Einsatz von Change Agents für die Lehre) so umzugestalten, dass demotivierende<br />
Faktoren, die von der E-Teaching-Nutzung abhalten, zumindest reduziert<br />
werden.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[BH05] Breitner, M.H.; Hoppe, G.: E-<strong>Learning</strong>. Einsatzkonzepte und Geschäftsmodelle. Physica,<br />
Heidelberg 200<strong>5.</strong><br />
[He06] Heesen, B.: Diffusion of Innovations. Factors Predicting the Use of E-<strong>Learning</strong> at Institutions<br />
of Higher Education in Germany. dissertation.de, Berlin 2006.<br />
[Je06] Jentzsch, D.: Anreizinstrumente der TU Dresden zur Nutzung von e<strong>Learning</strong>. In: Lattemann,<br />
C. & Köhler, T. (Hrsg.): Multimediale Bildungstechnologien. Multimediale Technologien.<br />
Multimedia im E-Business und in der Bildung. Frankfurt a. M. u. a. 2006.<br />
[Ke05] Kerres, K.; Euler, D.; Seufert, S.; Hasanbegovic, J. et.al.: Lehrkompetenz für e<strong>Learning</strong>-<br />
Innovationen in der Hochschule. Ergebnisse einer explorativen Studie zu Maßnahmen<br />
der Entwicklung von eLehrkompetenz. St. Gallen 200<strong>5.</strong><br />
[KW05] Kleimann, B.; Wannemacher, K.: Geschäftsmodelle für E-<strong>Learning</strong>. Konzepte und Beispiele<br />
aus der Hochschulpraxis. In: Tavangarian, D., Nölting, K. (Hrsg.): Auf zu neuen<br />
Ufern! E-<strong>Learning</strong> heute und morgen. Münster 200<strong>5.</strong> S. 187-196.<br />
[KWW05] Kleimann, B.; Weber, S.; Willige, J. (2005): E-<strong>Learning</strong> aus Sicht der Studierenden.<br />
HISBUS-Kurzbericht Nr. 10. HIS, Hannover 200<strong>5.</strong><br />
[Sa06] Sandrock, J.: System Dynamics in der strategischen Planung. Zur Gestaltung von Geschäftsmodellen<br />
im E-<strong>Learning</strong>. Deutscher <strong>Universität</strong>s-Verlag, Wiesbaden 2006.<br />
171
172
Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Provider –<br />
Ein Koordinationsansatz zur nachhaltigen Etablierung<br />
von E-<strong>Learning</strong> an einer Massenuniversität<br />
Harald Kolbe, Alexander Nikolopoulos<br />
Professur für Information Systems Engineering<br />
Johann Wolfgang Goethe <strong>Universität</strong> Frankfurt am Main<br />
Mertonstr. 17<br />
60325 Frankfurt<br />
{kolbe, nikolopo}@ wiwi.uni-frankfurt.de<br />
Abtract: <strong>Die</strong> nachhaltige Etablierung von Neuen Medien in der universitären<br />
Ausbildung gilt als ein vorrangiges Ziel in der gegenwärtigen E-<strong>Learning</strong>-<br />
Diskussion. Dem Aspekt der Nachhaltigkeit wird nun verstärkt Aufmerksamkeit<br />
geschenkt, weil E-<strong>Learning</strong>-Angebote häufig nicht weitergeführt werden, nachdem<br />
Fördergelder auslaufen oder Lehrende die Organisation verlassen. In der Literatur<br />
wurden verschiedene Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Etablierung identifiziert.<br />
Als besonders bedeutsam wird die Existenz einer so genannten „E-<strong>Learning</strong>-<br />
Koordinationsstelle“ angesehen, die sich vor allem organisatorischen Aufgaben<br />
widmet. <strong>Die</strong>se Erkenntnis steht im Widerspruch zu den Ergebnissen, die in Unternehmensstudien<br />
gewonnen wurden, in denen den organisatorischen Aspekten verhältnismäßig<br />
wenig Bedeutung zugemessen wird. In diesem Beitrag wird mithilfe<br />
eines organisationstheoretischen Modells anhand der Situation an einer deutschen<br />
Massenuniversität gezeigt, warum die Existenz von Koordinationsstellen in dezentralen<br />
Organisationen erforderlich ist. Das verwendete Viable System Model eignet<br />
sich insbesondere dazu, Organisationsstrukturen und Kommunikationsbeziehungen<br />
zu untersuchen. Basierend auf dieser Analyse wird ein dezentraler Koordinationsansatz<br />
motiviert und daraus die Aufgaben eines „Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-<br />
Providers“ abgeleitet.<br />
1 Einleitung<br />
Zur qualitativen Verbesserung der universitären Lehre insbesondere in Massenveranstaltungen<br />
eignen sich E-<strong>Learning</strong>-Angebote 1 in besonderem Maße [GNH06]. Allerdings<br />
fehlt häufig eine zentrale Strategie, so dass E-<strong>Learning</strong>-Angebote nur in Eigeninitiative<br />
einiger Lehrender eingesetzt werden. Somit kommt es zu keiner flächendeckenden Bereitstellung<br />
der Angebote. Darüber hinaus werden die Angebote häufig nicht weiterge-<br />
1 Der E-<strong>Learning</strong> Begriff ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. Zahlreiche unterschiedliche Lehrformen<br />
werden unter diesem „modernen“ Begriff zusammengefasst. In dieser Arbeit wird auf die sehr allgemeine<br />
Definition von Wesp zurückgegriffen, der unter dem Begriff E-<strong>Learning</strong> alle Lehr- und Lernformen versteht,<br />
bei denen ein Bildschirmarbeitsplatz benötigt wird [We03].<br />
173
führt, nachdem Lehrende die Organisation verlassen haben. <strong>Die</strong> Sicherung der Nachhaltigkeit<br />
der Angebote stellt daher eines der obersten Ziele bei der Implementierung neuer<br />
Angebote dar [SM03]. In aktuellen Förderprojekten und Förderausschreibungen wird<br />
deshalb besondere Aufmerksamkeit auf den Aspekt der Nachhaltigkeit gelegt.<br />
Zur Beurteilung der nachhaltigen Implementierung von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten schlagen<br />
Euler und Seufert [Se06, SE03] ein Dimensionssystem vor, das die unterschiedlichen<br />
Aspekte der Nachhaltigkeit abbildet. Sie vertreten die Ansicht, dass fünf Dimensionen<br />
(technische, didaktische, ökonomische, sozio-kulturelle und organisatorische Dimension)<br />
berücksichtigt werden müssen, um eine nachhaltige Verankerung der Angebote<br />
sicherstellen zu können. Eine Studie des Swiss Center for Innovations in <strong>Learning</strong> aus<br />
dem Jahr 2006 kommt zu dem Ergebnis, dass die organisatorische Dimension in zentral<br />
strukturierten Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle spielt [DSE06]. In dezentralen<br />
Organisationen wie einer <strong>Universität</strong> kommt diesem Aspekt allerdings eine große<br />
Bedeutung zu. Insbesondere die hohe organisatorische Komplexität an einer <strong>Universität</strong><br />
– hervorgerufen durch die Vielzahl der Dozenten sowie Lehrveranstaltungen und Studierenden<br />
– erfordert eine besondere Berücksichtigung der organisatorischen Dimension.<br />
Sowohl die nahezu autonomen Fachbereiche als auch die jeweiligen Professuren und<br />
schließlich eine Vielzahl an möglichen E-<strong>Learning</strong>-Initiativen führen zu einer Komplexität,<br />
die explizit adressiert werden muss.<br />
In unterschiedlichen Studien [SES04, We06] wurde die Existenz einer E-<strong>Learning</strong>-<br />
Koordinationsstelle als wichtiger Erfolgsfaktor der Nachhaltigkeit von E-<strong>Learning</strong>-<br />
Angeboten ermittelt. Eine Begründung, warum diese Koordinationsstelle notwendig ist,<br />
wird allerdings in der Regel nicht gegeben. Der vorliegende Beitrag beantwortet die<br />
Frage, wann und warum die Einrichtung einer E-<strong>Learning</strong>-Koordinationsstelle notwendig<br />
ist, um eine nachhaltige Implementierung von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten in der universitären<br />
Lehre sicher zu stellen.<br />
Hierzu werden zunächst die in der Literatur ermittelten und diskutierten Erfolgsfaktoren<br />
einer nachhaltigen E-<strong>Learning</strong>-Implementierung dargestellt, zu denen auch die Einrichtung<br />
einer Koordinationsstelle zählt. Anschließend werden mithilfe eines organisationstheoretischen<br />
Modells die universitären Organisationsstrukturen sowie die zwischen den<br />
einzelnen Organisationseinheiten bestehenden Informationsflüsse am Beispiel der Johann<br />
Wolfgang Goethe-<strong>Universität</strong> Frankfurt am Main (JWG-<strong>Universität</strong>) identifiziert,<br />
dokumentiert und analysiert. Im Anschluss lässt sich daraus ableiten, warum und in<br />
welcher Form die Einrichtung einer E-<strong>Learning</strong>-Koordinationsstelle sinnvoll ist.<br />
Schließlich wird ein innovativer Koordinationsansatz zur nachhaltigen Etablierung von<br />
E-<strong>Learning</strong>-Angeboten an einer Massenuniversität skizziert.<br />
2 Erfolgsfaktoren einer nachhaltigen E-<strong>Learning</strong>-Implementierung<br />
<strong>Die</strong> Frage nach den Faktoren einer nachhaltigen Verankerung der E-<strong>Learning</strong>-Angebote<br />
in der universitären Ausbildung nimmt in der gegenwärtigen Diskussion einen bedeutenden<br />
Rang ein [Eu06, Ow06, We06]. Bei der Implementierung von Informationssystemen<br />
allgemein, als welche sich E-<strong>Learning</strong>-Angebote ebenfalls auffassen lassen, ist die Un-<br />
174
terstützung durch das Top-Management einer der Haupt-Erfolgsfaktoren [JI91, KZ87,<br />
LD88, PSZ01, SY03]. Für die Implementierung von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten in der universitären<br />
Lehre bedeutet dies, dass die Hochschulleitung hinter den Angeboten stehen<br />
muss und die Implementierung aktiv unterstützen muss [Ow06]. Ein hochschulweiter<br />
Entwicklungsplan sowie verbindliche Zielvorgaben tragen dazu bei, den Einsatz Neuer<br />
Medien in der Lehre voran zu treiben [We06].<br />
Besonders während der initialen Implementierung erfordern Neue Medien in der Lehre<br />
einen beträchtlichen finanziellen und personellen Mehraufwand. Neben den Investitionen<br />
in die erforderliche Infrastruktur stellt vor allem der Aufwand für die Erstellung<br />
multimedialer Angebote einen beträchtlichen Kostenblock dar [EGS02]. Darüber hinaus<br />
verursacht die Betreuung der angebotenen Kurse auch während ihrer Laufzeit kontinuierlich<br />
Personalkosten. Somit stellen verfügbare finanzielle Mittel und personelle Ressourcen<br />
einen weiteren Erfolgsfaktor dar.<br />
Als Enabler des E-<strong>Learning</strong>s gilt eine absolut zuverlässige technische Infrastruktur. Des<br />
weiteren erfordern die eingesetzten Technologien eine stärkere Motivation der Studierenden,<br />
als dies bei konventionellen Medien notwendig ist [De02]. Zur Anregung der<br />
Motivation, die als wesentlicher Erfolgsfaktor des Lernens gilt, werden in der Literatur<br />
unterschiedliche Modelle (z. B. ARCS-Modell [Ke83], Time-Continuum-Ansatz [Wl78],<br />
Ansatz der Supermotivation [Spi96]) vorgeschlagen. Je nach berücksichtigtem Ansatz<br />
erfordert die Motivation der Studierenden unterschiedliche Maßnahmen.<br />
Als weiterer wichtiger Faktor, der den erfolgreichen Einsatz Neuer Medien in der Lehre<br />
determiniert, gilt die Motivation der Lehrenden [Ha00, Ow06, SBH01, We06]. Hagner<br />
und darauf aufbauend auch Seufert unterscheiden vier Typen von Lehrenden, die sich<br />
hinsichtlich ihrer Innovationsbereitschaft unterscheiden: Unternehmer, Risikovermeider,<br />
Karriereorientierte und Widerstrebende [Eu06, Ha01]. Entsprechend müssen die Dozenten<br />
unterschiedlich zum Einsatz der Neuen Medien motiviert werden. Während die Unternehmer<br />
hauptsächlich intrinsisch motiviert sind und die Angebote in Eigeninitiative<br />
einsetzen, benötigen die Vertreter der anderen Typen externe Motivatoren und in der<br />
Regel umfangreiche Beratungsleistungen.<br />
Eine zentrale E-<strong>Learning</strong>-Koordinationsstelle gilt ebenfalls als erfolgsentscheidend<br />
[SBH01, We06]. Je größer die betrachtete Hochschule bzw. der betrachtete Fachbereich<br />
ist, desto bedeutsamer ist die Existenz einer zentralen E-<strong>Learning</strong>-Koordinationsstelle<br />
[We06]. <strong>Die</strong>ses Ergebnis deckt sich mit der in diesem Beitrag vertretenen Annahme,<br />
dass insbesondere in großen und dezentralen Organisationen der organisatorische Aufwand<br />
bei der Implementierung von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten unverhältnismäßig hoch ist.<br />
<strong>Die</strong> von der Koordinationsstelle übernommenen Aufgaben können unterschiedlicher<br />
Natur sein: Sie reichen von der Vermittlung bereits bestehender Angebote bis hin zu<br />
kompletten Beratungsangeboten über den gesamten Zeitraum des E-<strong>Learning</strong>-Einsatzes.<br />
<strong>Die</strong> Unterstützung der Lehrenden wird ebenfalls als Aufgabe der Koordinationsstelle<br />
genannt [SES04].<br />
175
3 Das Viable System Model<br />
Um die universitäre Organisationsstruktur sowie die zwischen den einzelnen Organisationseinheiten<br />
bestehenden Informationsflüsse identifizieren, dokumentieren und analysieren<br />
zu können, wird in diesem Beitrag auf das von Beer entwickelte und auf der Systemtheorie<br />
basierende Modell des Lebensfähigen Systems, das Viable System Model<br />
(VSM), zurückgegriffen. Als Metamodell konzipiert, identifiziert das VSM die Lenkungsaufgaben<br />
und Informationsflüsse, die es einem System ermöglichen, in einer beliebig<br />
komplexen Umwelt einen gewünschten Zustand auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten<br />
und somit seine Lebensfähigkeit sichern zu können [Be79].<br />
Das VSM basiert auf der Kybernetik, einer Denkrichtung der Systemtheorie. <strong>Die</strong> Kybernetik<br />
versucht „Lösungen für die Probleme der Lenkung und Informationsverarbeitung<br />
von und in [...] dynamischen Systemen zu entwickeln“ [Ba83]. Ausgangspunkt der kybernetischen<br />
Bemühungen ist seit jeher die Komplexität von Systemen sowie die Möglichkeiten<br />
zu ihrer Beherrschung [Ho99]. Als Maß für die Komplexität eignet sich nach<br />
Ashby der Begriff der Varietät. <strong>Die</strong> Varietät eines dynamischen Systems bezeichnet die<br />
Anzahl der möglichen Zustände, die es annehmen kann [As64, Be85]. Als eine der wichtigsten<br />
Erkenntnisse der Kybernetik ist das von Ashby auf diesem Komplexitätsmaß<br />
formulierte Gesetz der erforderlichen Varietät zu sehen: „Only variety can destroy variety“<br />
[As64]. Es besagt, dass die Varietät eines Systems nur beherrscht werden kann, wenn<br />
es gelingt, zu seiner Beherrschung ebenso hohe Varietät zu erzeugen. Das durch das<br />
VSM abgebildete System ist über so genannte Varietätshemmer mit der umgebenden<br />
Umwelt verbunden. Hierdurch wird eine Informationsüberlastung des Systems verhindert.<br />
Zur Reaktion auf Änderungen der Umwelt existieren im Umkehrschluss Varietätsverstärker.<br />
<strong>Die</strong> Gestaltung der Varietätshemmer und -verstärker zählt zu den wichtigsten<br />
Aufgaben des Managements. Weiterhin liegt dem Modell das Prinzip der Rekursivität<br />
zugrunde. <strong>Die</strong>ses besagt, dass sich die Struktur des VSM in seinen Teilen wiederholt:<br />
Jede Stufe einer Organisation stellt eine Rekursionsstufe ihres Super-Systems dar<br />
[Be79].<br />
Das VSM besteht aus fünf miteinander agierenden Komponenten bzw. Sub-Systemen<br />
und Informationskanälen zwischen den Sub-Systemen:<br />
System 1: Auf jeder Rekursionsstufe des VSM stellen die Divisionen eine Gruppierung<br />
aller Operationen und Aktivitäten dar, die der Erbringung eines Leistungspakets dienen.<br />
Jede Division wird von einer Management-Einheit gelenkt und ist mit der divisionalen<br />
Umwelt verbunden. Alle Divisionen sowie alle den Divisionen assoziierten Management-Einheiten<br />
einer Rekursionsstufe formen System 1.<br />
System 2: Zur Koordination der Aktionen der einzelnen Divisionen des System 1 wird<br />
ein übergeordneter Mechanismus benötigt. <strong>Die</strong>ser wird durch das System 2 bereitgestellt,<br />
das aus diesem Grund auch als interdivisionales Management bezeichnet wird.<br />
Ohne System 2 käme es zu unkontrollierten Schwingungen bzw. Oszillationen im Verhalten<br />
der Divisionen, da jede einzelne ihre Aktionen immer nur ad hoc an die Aktionen<br />
der übrigen Divisionen anpassen würde. System 2 bietet eine Informationsplattform in<br />
Form eines Informationsnetzwerks und eines Divisionskoordinationszentrums. Allein<br />
176
durch die Abstimmung der einzelnen Divisionen über das System 2 kann ein Großteil<br />
der denkbaren Konflikte umgangen werden, ohne die Autonomie der Divisionen einzuschränken.<br />
Zusätzlich agiert das Divisionskoordinationszentrum als Informationsfilter<br />
für System 3.<br />
System 3: Zur Sicherstellung der Lebensfähigkeit des Gesamtsystems koordiniert System<br />
3 aktiv die Aktionen des System 1. Es sorgt für eine optimale Allokation der Ressourcen<br />
und überwacht den Ressourcenverbrauch der Divisionen. Hierzu existiert ein<br />
Kommunikationskanal zum Divisionskoordinationszentrum. Weiterhin besteht ein direkter<br />
Kanal zu den Management-Einheiten der System 1-Divisionen. <strong>Die</strong>se so genannte<br />
zentrale Befehlsachse stellt darüber hinaus eine Verbindung zu System 4 und 5 dar. Da<br />
das System 3 die Schnittstelle zwischen den operativen Systemen einer Organisation und<br />
dem Metasystem – bestehend aus den Systemen 3 bis 5 – bildet, stellt es gewissermaßen<br />
das Machtzentrum der jeweiligen Organisation dar.<br />
System 3*: Über den so genannten Audit-Kanal – das System 3* – besteht ein zusätzlicher<br />
Informationskanal direkt zwischen System 3 und den operationalen Einheiten der<br />
System 1 Divisionen. Es findet keine Informationsfilterung durch die Divisionsleitungen<br />
oder das System 2 statt.<br />
Systeme 4: Da das System 3 keine Informationsverbindung zur Umwelt hat, wird zusätzlich<br />
System 4 benötigt, das diese Verbindung herstellt. Hierdurch werden die Koordinationsaktivitäten<br />
auch auf Änderungen der Umwelt abgestimmt. Gleichzeitig plant das<br />
System 4 die zukünftige Entwicklung der Organisation, wofür ebenfalls ein Abgleich mit<br />
den Änderungen der Umwelt notwendig ist.<br />
System 5: Das normative Management schließlich, das die Normen und Werte der Organisation<br />
vorgibt, ist in System 5 zu finden. Es sorgt für eine kontinuierliche Entwicklung<br />
der Organisation, indem es die Koordinationsaktivitäten zwischen System 3 und System<br />
4 beeinflusst und so verhindert, dass es hier zu Oszillationen kommt.<br />
4 Modellierung der JWG-<strong>Universität</strong> mit Hilfe des VSM<br />
4.1 Überblick über die JWG-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Die</strong> 1914 gegründete JWG-<strong>Universität</strong> zählt mit ca. 3<strong>5.</strong>000 Studierenden zu den größten<br />
Hochschulen Deutschlands. <strong>Die</strong> in 16 Fachbereichen organisierten ca. 600 Professoren<br />
unterrichten an vier über das Stadtgebiet Frankfurt verteilten Standorten. Neben der<br />
Größe ist der hohe Anteil an internationalen Studierenden eine weitere Besonderheit, der<br />
in Frankfurt bei ca. 10% liegt. 2 Aus der großen Anzahl der Studierenden, sowie der<br />
räumlichen Verteilung der Standorte ergeben sich Probleme, die unter anderem durch<br />
den Einsatz Neuer Medien in der Lehre gemildert werden sollen [GNH06]. Zur Unterstützung<br />
des breiteren Einsatzes Neuer Medien wurde die E-<strong>Learning</strong>-Strategie der <strong>Universität</strong><br />
(studiumdigitale) formuliert, die im Rahmen des durch das Bundesministerium<br />
2 http://www.uni-frankfurt.de/ueber/fakten/index.html<br />
177
für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „megadigitale“ umgesetzt<br />
wird. Zentraler Bestandteil der Strategie ist ein top-down-/bottom-up-Vorgehen, das<br />
besagt, dass die jeweiligen Fachbereiche eigene spezifische Konzepte zur Etablierung<br />
der Neuen Medien erarbeiten, während sie gleichzeitig zentral beraten und durch ein<br />
zentrales mediendidaktisches Zentrum unterstützt werden [Br06].<br />
4.2 Erste Rekursionsstufe: <strong>Die</strong> JWG-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Die</strong> Organisation der <strong>Universität</strong> kann mithilfe des VSM dargestellt werden, um das<br />
Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure und die Informationsflüsse zwischen<br />
ihnen bei der Umsetzung der E-<strong>Learning</strong>-Strategie aufzuzeigen. Das betrachtete System<br />
(system in focus) repräsentiert hierbei die Gesamtuniversität und wird in Abbildung 1<br />
dargestellt. Es gilt zu beachten, dass die Organisation im Zusammenhang mit der Umsetzung<br />
der E-<strong>Learning</strong>-Strategie untersucht wird, wodurch die unterschiedlichen Rollen<br />
und Systeme determiniert werden. Alternative Zuordnungen sind in unterschiedlichen<br />
Zusammenhängen denkbar und wahrscheinlich.<br />
Als operative Einheiten, die sich mit der Umsetzung der E-<strong>Learning</strong>-Strategie befassen,<br />
lassen sich die einzelnen Fachbereiche (System EINS) identifizieren, die die Verbindung<br />
zu der umgebenden Umwelt herstellen, in diesem Fall hauptsächlich die Studierenden<br />
eines Fachbereichs. <strong>Die</strong> zentrale Befehlsachse ist nur rudimentär vorhanden, hierdurch<br />
drückt sich die Autonomie der Fachbereiche bei der Umsetzung der Strategie aus. Eine<br />
zentrale Weisungsinstanz, die die Strategie verbindlich vorgibt, existiert nicht. Lediglich<br />
über die Ausschreibung und Bewilligung von Fördermitteln besteht eine Möglichkeit,<br />
die Aktionen der Fachbereiche zentral zu steuern. Aus Gründen der Übersichtlichkeit<br />
werden in Abbildung 1 lediglich drei Fachbereiche berücksichtigt.<br />
Über ein Informationsnetzwerk (System ZWEI) kommunizieren die Fachbereiche sowohl<br />
untereinander als auch mit den steuernden Instanzen. Um diese Kommunikation zu<br />
unterstützen, die in erster Linie dem Erfahrungsaustausch dient, finden monatliche Jour<br />
Fixes statt. Hier werden neue Erkenntnisse und Ergebnisse berichtet sowie Probleme<br />
kommuniziert und diskutiert. Zusätzlich wurde ein Informationssystem (BSCW-Server)<br />
eingerichtet, das den Informationsaustausch ebenfalls unterstützt. Interessierte Dozenten<br />
werden darüber hinaus über einen regelmäßigen Newsletter auf dem Laufenden gehalten.<br />
Schließlich wurden Arbeitskreise gebildet, in denen Vertreter der verschiedenen<br />
Fachbereiche zusammen arbeiten und Erkenntnisse zum Einsatz Neuer Medien in der<br />
Lehre austauschen. Über dieses Informationsnetzwerk läuft der Hauptteil der Kommunikation<br />
ab, da weitere Informationskanäle, wie die zentrale Befehlsachse, nur unzureichend<br />
ausgeprägt sind. Das beschriebene Informationsnetzwerk wird insbesondere vom<br />
megadigitale-Kernteam betreut, das aus der Projektleitung sowie aus Mitarbeitern des<br />
Kompetenzzentrums Neue Medien in der Lehre besteht. Es ist insofern ebenfalls Teil des<br />
Systems ZWEI. Das Kompetenzzentrum wurde bereits vor dem Start des Projektes eingerichtet<br />
und soll den Einsatz Neuer Medien in der Lehre vorantreiben. Daher werden<br />
vor allem Schulungen und Beratungen zu technischen und pädagogischen Aspekten<br />
sowie zu allgemeinen Fragen zum Einsatz der Neuen Medien in der Lehre angeboten.<br />
178
Umwelt<br />
Studierende<br />
FB01<br />
Studierende<br />
FB02<br />
Studierende<br />
FB03<br />
UNTERSUCHTES SYSTEM :<br />
JWG <strong>Universität</strong> Frankfurt<br />
Systeme der ersten Rekursionsstufe :<br />
EINS, ZWEI , DREI , DREI *, VIER , FÜNF<br />
Systeme der zweiten Rekursionsstufe :<br />
1, 2, 3, 3*, 4, 5<br />
- Teilnahme an Tagungen<br />
- Akquise von Fördergeldern<br />
- Veröffentlichung der Projektergebnisse<br />
- Kommunikation mit Projektträger<br />
- Evaluation der<br />
Fachbereichsprojekte<br />
Umwelt und Zukunft<br />
DREI *<br />
Evaluation<br />
16 Fachbereiche<br />
O x<br />
O4 2<br />
...<br />
z. B. Fach bere ich süber<br />
greife nde<br />
Lehr veran staltung en<br />
Ox<br />
.. .<br />
.. .<br />
xxx<br />
O1<br />
x<br />
O 1<br />
42<br />
O1<br />
x<br />
...<br />
...<br />
3*<br />
3*<br />
...<br />
Zentrale Befehlsachse<br />
3*<br />
1<br />
1<br />
Pr o fess uren<br />
xxx<br />
1<br />
3<br />
3<br />
3<br />
FÜNF<br />
megadigitale<br />
Kernteam<br />
EIN S<br />
4<br />
EIN S<br />
4<br />
ON EI NS E<br />
4<br />
VIER<br />
Projektleitung<br />
DREI<br />
Collegium<br />
studiumdigitale<br />
5<br />
2<br />
5<br />
5<br />
2<br />
2<br />
FB0 1<br />
FB02<br />
FB03<br />
Projektmanagement<br />
ZWEI<br />
- E- <strong>Learning</strong> Förderfond<br />
- Anträge<br />
- Zuweisung Projektmittel<br />
Informationsnetzwerk<br />
- monatlicher Jour Fixe<br />
- halbjährliche Netzwerktage<br />
- BSCW -Server<br />
- monatlicher Newsletter<br />
- zentrale Projektdatenbank<br />
- Projektwebsite<br />
- Univis<br />
- Fachbereichsrat<br />
- Dekanat<br />
- Fachschaft<br />
- Mittelbau<br />
- Studiendekan<br />
- Dekanat<br />
- Fachbereichsrat<br />
Abbildung 1: Zwei Rekursionsstufen des VSM der JWG-<strong>Universität</strong><br />
Kompetenzzentrum für Neue Medien<br />
- E- <strong>Learning</strong> Koordinationsstelle<br />
- Informationsveranstaltungen<br />
- Newsletter<br />
- Mailings<br />
Operationale Einheit<br />
Management Einheit<br />
Das „collegium studiumdigitale“ plant, steuert und kontrolliert die Aktionen der einzelnen<br />
Fachbereiche (System DREI). Das „collegium studiumdigitale“ wurde vom Präsidium<br />
der <strong>Universität</strong> eingerichtet, um die Fachbereiche an der Strategieentwicklung und<br />
179
-umsetzung zu beteiligen [Br06]. Im „collegium studiumdigitale“, das in regelmäßigen<br />
Abständen tagt, befinden sich daher führende E-<strong>Learning</strong>-Akteure der beteiligten Fachbereiche.<br />
<strong>Die</strong> Entscheidungen werden hierbei hauptsächlich auf der Basis der Informationen<br />
getroffen, die durch das Informationsnetzwerk (System ZWEI) übermittelt werden.<br />
<strong>Die</strong> getroffenen Entscheidungen werden anschließend über das Informationsnetzwerk an<br />
die einzelnen Fachbereiche übermittelt.<br />
Sämtliche Fachbereichsprojekte werden durch Mitglieder des „collegium studiumdigitale“<br />
nach festen Kriterien evaluiert. <strong>Die</strong> Evaluationen finden in der Regel am Ende der<br />
Projektlaufzeit statt, in Ausnahmefällen auch während der Projektlaufzeit. <strong>Die</strong> übermittelte<br />
Informationsmenge ist jedoch aufgrund der recht seltenen Evaluationen begrenzt.<br />
Über dieses zusätzliche Informationsnetzwerk (System DREI*) wird das „collegium<br />
studiumdigitale“ über den Stand der Fachbereichsprojekte informiert.<br />
<strong>Die</strong> Anbindung des Projektmanagements an die umgebende Umwelt wird über die Projektleitung<br />
(System VIER) hergestellt. Sowohl die Kommunikation mit dem Projektträger,<br />
in diesem Fall das BMBF, als auch die Außendarstellung auf Messen und Kongressen<br />
werden von System VIER übernommen.<br />
<strong>Die</strong> normative Projektentwicklung wird von allen Mitgliedern des megadigitale-<br />
Kernteams wahrgenommen (System FÜNF). Sie achten auf die Einhaltung der langfristigen<br />
Projektentwicklung, die bereits im ursprünglichen Projektantrag skizziert wurde.<br />
Hierzu wird insbesondere in die Kommunikation zwischen System DREI und VIER<br />
eingegriffen, sollte die Entwicklung zu stark von den ursprünglichen Projektzielen abweichen.<br />
4.3 Zweite Rekursionsstufe: Der Fachbereich Wirtschaftwissenschaft<br />
Auf der zweiten Rekursionsstufe stehen die einzelnen Fachbereiche der JWG-<strong>Universität</strong><br />
im Vordergrund. Im Rahmen der folgenden Analyse wird exemplarisch der Fachbereich<br />
Wirtschaftswissenschaften (FB02) untersucht (fett markiert in Abbildung 1). Der FB02<br />
stellt einen der größten Fachbereiche der JWG-<strong>Universität</strong> dar und setzt sich aus über 42<br />
Professuren für Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre zusammen. <strong>Die</strong><br />
Professuren sind thematisch in verschiedenen Abteilungen organisiert und bilden insgesamt<br />
über 4200 Studierende aus. Jedes Semester immatrikulieren sich ca. 300 Studienanfänger<br />
in den im Wintersemester 05/06 gegründeten Bachelor-Studiengang (Bachelor of<br />
Science in Wirtschaftswissenschaften).<br />
Aus Sicht des VSM stellen die Professuren des FB02 die operativen Einheiten dar (System<br />
1). Neben dem Dekanat, das den Fachbereich leitet, werden die zentralen Entscheidungsprozesse<br />
im Fachbereich durch die Gremien Fachbereichsrat, Prüfungsausschuss<br />
und Promotionsausschuss getragen (System 3). Der Studiendekan (System 4) – als Bestandteil<br />
des Dekanats – erarbeitet u. a. Vorschläge für die Planung und Durchführung<br />
des Studienangebots und zur Wahrnehmung der Studienfachberatung. Er steht somit in<br />
enger Verbindung mit den Studierenden des FB02. Darüber hinaus wird System 4 vom<br />
Fachbereichsrat repräsentiert, der die strategische Entwicklung des Fachbereichs wahrnimmt.<br />
Durch ihn wurden bspw. die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge beschlos-<br />
180
sen. Als normatives Management (System 5) können sowohl die oben genannten Gremien<br />
als auch der Mittelbau sowie die Fachschaft angesehen werden. Sie formulieren die<br />
Vision des Fachbereichs und determinieren somit die langfristige Entwicklung des Fachbereichs.<br />
Ebenso wie auf Rekursionsstufe 1 kommt der zentralen Befehlsachse bezüglich der E-<br />
<strong>Learning</strong>-Implementierung nur ein geringer Stellenwert zu. <strong>Die</strong> Professuren handeln<br />
weitestgehend autonom und bestehen auf ihre Unabhängigkeit. Zur Koordination der E-<br />
<strong>Learning</strong>-Aktivitäten am FB02 wurde daher im Oktober 2006 eine E-<strong>Learning</strong>-<br />
Koordinationsstelle eingerichtet, die in engem Kontakt zum megadigitale-Kernteam<br />
sowie zu den Koordinationsstellen der anderen Fachbereiche steht. Über die E-<strong>Learning</strong>-<br />
Koordinationsstelle werden einerseits die Angebote des Kernteams durch Informationsveranstaltungen,<br />
Newsletter, Mailings und persönliche Gespräche an die Professuren<br />
kommuniziert (top-down). Andererseits werden individuelle E-<strong>Learning</strong>-Aktivitäten am<br />
FB02 an die Professuren, an die anderen Fachbereiche sowie an das Kernteam vermittelt<br />
(bottom-up). <strong>Die</strong>se Informationskanäle und die Koordinationsstelle bilden System 2.<br />
Ihnen kommt für eine nachhaltige Implementierung von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten eine<br />
große Bedeutung zu.<br />
4.4 <strong>Die</strong> Koordinationsstelle als Steuerungsinstrument für eine nachhaltige Implementierung<br />
von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten<br />
<strong>Die</strong> vorangegangene Analyse zeigt, dass der Koordinationsstelle als Steuerungsinstrument<br />
bei der Umsetzung einer universitätsweiten E-<strong>Learning</strong>-Strategie eine besondere<br />
Bedeutung zukommt. Insbesondere bei staatlichen Massenuniversitäten lässt sich eine<br />
dezentrale Organisationsstruktur – determiniert durch die Autonomie der Fachbereiche<br />
bzw. Professuren – feststellen. Aus Sicht des vorgestellten organisationstheoretischen<br />
Modells ist deshalb auf beiden Rekursionsstufen ein gut ausgeprägtes System 2 erforderlich.<br />
Darüber hinaus ist die enge Verknüpfung zwischen den fachbereichseigenen Koordinationsstellen<br />
und der zentralen universitätsweiten Koordinationsstelle von besonderer<br />
Wichtigkeit. Durch diesen Kommunikationskanal können die Schwächen der zentralen<br />
Befehlsachsen sowie der Audit-Kanäle (System 3*) ausgeglichen werden.<br />
Für eine nachhaltige Implementierung von E-<strong>Learning</strong>-Angeboten müssen auf <strong>Universität</strong>sebene<br />
(Rekursionsstufe 1) einerseits die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in<br />
den einzelnen Fachbereichen berücksichtigt werden und andererseits die Fachbereichsinitiativen<br />
effektiv aufeinander abgestimmt werden. <strong>Die</strong>se Aufgaben werden von dem<br />
beschriebenen Kompetenzzentrum, das als zentrale universitätsweite Koordinationsstelle<br />
fungiert, wahrgenommen. Auf Fachbereichsebene (Rekursionsstufe 2) wird eine Koordinationsstelle<br />
eingesetzt, die die Dozenten über andere Initiativen informiert und beim<br />
Einsatz Neuer Medien in der Lehre beratend zur Seite steht sowie technische Unterstützung<br />
anbietet. Darüber hinaus muss die Koordinationsstelle dafür sorgen, dass die Erkenntnisse<br />
der Einzelinitiativen nicht mit dem Ausscheiden der Mitarbeiter aus der Organisation<br />
verloren gehen.<br />
181
5 Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Provider<br />
Für das dezentrale Koordinationsproblem wird im Folgenden ein Lösungsansatz vorgeschlagen,<br />
der sich an das Konzept der Fourth Party Logistics anlehnt [NB02]. Hierbei<br />
handelt es sich um einen Ansatz aus dem Bereich der Logistik, bei dem ein <strong>Die</strong>nstleister<br />
Unternehmen bei der Planung und Koordination diverser Logistikprozesse unterstützt.<br />
Als eine Art Hub koordiniert er Zulieferer und Abnehmer sowie weitere notwendige<br />
<strong>Die</strong>nstleister. Hierzu setzt er neben dem notwendigen Know-how eigene Informationssysteme<br />
ein, mit dessen Hilfe die Prozesse unterstützt werden. Für den vorliegenden Fall<br />
der nachhaltigen E-<strong>Learning</strong>-Implementierung in Organisationen mit dezentralem Charakter<br />
wird in Analogie an die Logistik ein Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Provider vorgeschlagen<br />
und dessen Aufgaben und Funktionen skizziert. Er übernimmt sämtliche Koordinationsaufgaben<br />
sowie die Beratung und Motivation aller an der Etablierung Neuer<br />
Medien beteiligten Akteure.<br />
Im Fall der E-<strong>Learning</strong>-Koordinationsstelle gilt es vor allem die bereits erwähnten Erfolgsfaktoren<br />
einer nachhaltigen Implementierung zu unterstützen. In erster Linie richtet<br />
sich das Beratungsangebot daher an die Dozenten, die die Neuen Medien einsetzen wollen.<br />
<strong>Die</strong> Koordinationsstelle vermittelt – wie in Abbildung 2 dargestellt – zwischen den<br />
Anbietern technischer Infrastruktur, didaktischer und rechtlicher Beratung sowie potentieller<br />
Content- und Tool-Anbieter einerseits und den Dozenten andererseits. Für den<br />
einzelnen Dozenten ist es aufgrund des äußerst heterogenen Marktes für E-<strong>Learning</strong><br />
Anbieter häufig nicht möglich, eigenständig die geeigneten Anbieter auszuwählen. Der<br />
Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Provider kann und soll daher dem Dozenten basierend auf den<br />
bisher gesammelten Erfahrungen die entsprechenden Anbieter vermitteln. Weitere eigene<br />
Angebote wie beispielsweise organisatorische Beratung sowie Hilfestellungen bei<br />
technischen Angelegenheiten oder bei der Evaluation der Lehre werden ebenfalls durch<br />
den Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Provider bereitgestellt. Darüber hinaus kann der Fourth<br />
Party E-<strong>Learning</strong>-Provider dafür sorgen, dass die Erkenntnisse der Einzelinitiativen nicht<br />
mit dem Ausscheiden der Mitarbeiter aus der Organisation verloren gehen.<br />
182<br />
Didaktische<br />
Beratung<br />
Organisatorische<br />
Beratung<br />
Dozenten<br />
Infrastruktur<br />
Fourth Party E-<br />
<strong>Learning</strong> Provider<br />
Content - und Tool -<br />
Anbieter<br />
Rechtliche<br />
Beratung<br />
Evaluation<br />
Weitere<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen<br />
Dozenten Dozenten Dozenten<br />
Abbildung 2: Aufgaben eines Fourth Party E-<strong>Learning</strong>-Providers
6 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Auf der Suche nach den Erfolgsfaktoren der nachhaltigen Etablierung von E-<strong>Learning</strong> in<br />
der universitären Lehre zeichnet sich in der relevanten Literatur u. a. der Einsatz einer<br />
Koordinationsstelle ab. Eine Begründung, warum diese Koordinationsstelle notwendig<br />
ist, wird allerdings nicht gegeben. Der vorliegende Beitrag widmet sich dieser Fragestellung.<br />
Dafür wurden die Organisationsstrukturen sowie die Informationskanäle zwischen<br />
den einzelnen Organisationseinheiten einer Massenuniversität identifiziert, dokumentiert<br />
und analysiert. Am Beispiel der JWG-<strong>Universität</strong> konnte gezeigt werden, dass insbesondere<br />
an Massenuniversitäten die zentrale Befehlsachse schwach ausgeprägt ist, da Fachbereiche<br />
sowie die einzelnen Professuren autonom handeln. Mit Hilfe des Viable System<br />
Modell konnte gezeigt werden, wie durch den Einsatz von Koordinationsstellen sowohl<br />
auf <strong>Universität</strong>sebene als auch in den jeweiligen Fachbereichen der von der <strong>Universität</strong>sleitung<br />
entwickelte top-down-/bottom-up-Ansatz zur nachhaltigen Etablierung von Neuen<br />
Medien in der Lehre implementiert werden konnte. Schließlich wurde in Analogie zur<br />
Fourth Party Logistik ein Koordinationsansatz vorgestellt, durch den die Aufgaben der<br />
Koordinationsstellen konkretisiert werden.<br />
Weiterer Forschungsbedarf besteht für die Frage, ob der hier vorgestellte Fourth Party E-<br />
<strong>Learning</strong>-Provider sein <strong>Die</strong>nstleistungsangebot auch nach außen verkaufen kann. Hierzu<br />
ist die Entwicklung eines Geschäftsmodells notwendig.<br />
Danksagung<br />
Wir danken den Gutachtern für die wertvollen inhaltlichen Anregungen zu unserem<br />
Beitrag. <strong>Die</strong>se Arbeit entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung geförderten Projekts megadigitale (Förderkennzeichen: 01PI05017).<br />
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184
Interoperabilität von elektronischen Tests<br />
Michael Piotrowski, Wolfram Fenske<br />
Otto-von-Guericke-<strong>Universität</strong> Magdeburg<br />
Institut für Wissens- und Sprachverarbeitung<br />
Postfach 4120<br />
39016 Magdeburg<br />
mxp@iws.cs.uni-magdeburg.de<br />
Abstract: <strong>Die</strong> Erstellung qualitativ hochwertiger Tests ist aufwändig. Daher ist es<br />
wünschenswert, einmal erstellte Tests wieder- und weiterverwenden zu können. Um<br />
eine Abhängigkeit von einer einzelnen Testplattform zu vermeiden, werden standardisierte<br />
Austauschformate benötigt. In diesem Beitrag formulieren wir Desiderata für<br />
derartige Formate und untersuchen den derzeitigen De-Facto-Standard, die IMS Question<br />
& Test Interoperability Specification (QTI), auf seine Eignung. Das erklärte Ziel<br />
von QTI ist es, den Austausch von Tests zwischen verschiedenen Systemen zu ermöglichen.<br />
Nach der Analyse der Spezifikation und aufgrund unserer Erfahrungen bei der<br />
Implementierung von QTI im System „ECQuiz“ kommen wir zu dem Schluss, dass<br />
QTI jedoch als Austauschformat ungeeignet ist.<br />
1 Einleitung<br />
Formative Tests tragen entscheidend zur kontinuierlichen Verfolgung des Lernprozesses<br />
bei. Webbasierte objektive1 Tests (wie Multiple-Choice-Tests) sind in diesem Zusammenhang<br />
besonders nützlich, da sie schnell und häufig durchgeführt und zeitlich und räumlich<br />
flexibel eingesetzt werden können.<br />
<strong>Die</strong> Erstellung qualitativ hochwertiger Tests ist jedoch aufwändig. Schon alleine aufgrund<br />
des damit verbundenen zeitlichen und personellen Aufwands ist es wünschenswert, dass<br />
einmal erstellte Tests wieder- und weiterverwendbar bleiben. <strong>Die</strong>s gilt sowohl für den Fall,<br />
dass sich die verwendete Testplattform ändert als auch für den Austausch mit anderen<br />
Lehrenden.<br />
Um dies zu ermöglichen, wird ein Austauschformat benötigt, also eine Repräsentation<br />
von Tests, die von verschiedenen Systemen geschrieben und gelesen werden kann. Im<br />
Kontext von Tests handelt es sich bei den Systemen üblicherweise um Lernplattformen mit<br />
integrierten Testmöglichkeiten (z. B. Blackboard, ILIAS, Moodle, OLAT oder WebCT)<br />
oder um eigenständige Testsysteme (z. B. Hot Potatoes, Questionmark Perception oder<br />
Test Pilot).<br />
1 Im Sinne der Testtheorie, d. h., Antwortalternativen sind eindeutig richtig oder falsch (vgl. [LR98]) und somit<br />
automatisch überprüfbar.<br />
185
In diesem Beitrag gehen wir zunächst auf einige Aspekte ein, die unseres Erachtens für den<br />
Austausch von Tests relevant sind und definieren Anforderungen an Austauschformate für<br />
Tests. Wir berichten über unsere Erfahrungen mit der IMS Question & Test Interoperability<br />
Specification (QTI) in dem von uns entwickelten System „ECQuiz“. Es folgt eine kritische<br />
Betrachtung von QTI.<br />
2 Desiderata für Austauschformate<br />
Ob ein (direkter) Datenaustausch zwischen Systemen möglich ist, hängt zunächst davon<br />
ab, ob es ein gemeinsames Datenformat gibt. Das alleine ist aber in der Praxis leider noch<br />
keine Garantie für einen reibungslosen Datenaustausch. Vielmehr hängt die Zuverlässigkeit<br />
des Austauschs fast unmittelbar von der Spezifikation des Austauschformats ab. Ist<br />
das Austauschformat unzureichend spezifiziert, ist es möglich – und sogar wahrscheinlich<br />
–, dass es von verschiedenen Entwicklern auf verschiedene Weise interpretiert und implementiert<br />
wird; auch wenn alle Varianten dabei prinzipiell der Spezifikation entsprechen,<br />
kann ein Datenaustausch dennoch unmöglich sein.<br />
Weiterhin kann man davon ausgehen, dass mit der Komplexität der Spezifikation auch<br />
die Zahl der Fehler in den Implementierungen wächst. Schreibt oder liest ein System das<br />
Austauschformat nicht korrekt, ist es wiederum wahrscheinlich, dass der Datenaustausch<br />
gar nicht oder nur fehlerhaft funktioniert. Dabei ist die Situation, dass ein Datenaustausch<br />
zwar stattfindet, die Daten aber z. B. vom Zielsystem nicht richtig interpretiert werden,<br />
potentiell gefährlicher, als wenn der Datenaustausch von vornherein nicht möglich ist: <strong>Die</strong><br />
dabei entstehenden Fehler können lange unentdeckt bleiben und im Falle von Tests etwa<br />
zu einer falschen Bewertung der Kandidaten führen.<br />
Formale Definition<br />
Aus diesen Überlegungen ergeben sich eine Reihe von Anforderungen an Austauschformate<br />
für Tests. Zunächst sollten sich Standards – oder als solche intendierte Spezifikationen<br />
– soweit wie möglich auf bereits vorhandene Standards stützen. Im Bereich von<br />
Datenformaten bedeutet dies heutzutage die Verwendung von XML [Wo06]. Auf diese<br />
Weise kann die Spezifikation des eigentlichen Austauschformats kompakt gehalten werden<br />
und es kann bei der Implementierung auf bereits vorhandene und insbesondere bereits<br />
getestete Werkzeuge zurückgegriffen werden.<br />
<strong>Die</strong> Verwendung von XML in einer Spezfikation ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn auch<br />
eine formale Definition in einer Schemasprache (Relax NG [ISO03] oder W3C XML<br />
Schema [Wo04]) erfolgt. <strong>Die</strong> Möglichkeiten der Schemasprachen sollten dabei voll ausgeschöpft<br />
werden, um die Konformität möglichst weitgehend bereits durch einen XML-<br />
Parser sicherstellen zu können; natürlichsprachliche Einschränkungen und Anforderungen,<br />
sind dagegen weit schwerer automatisch zu überprüfen, somit fehlerträchtig und sollten<br />
daher vermieden werden. Durch ein Schema wird die Syntax beschrieben. Für eine<br />
Implementierung, die das Format schreiben oder lesen soll, muss darüberhinaus auch die<br />
186
Semantik, also die Bedeutung der einzelnen Elemente, genau spezifiziert sein, so dass<br />
Tests auch tatsächlich in der vom Ersteller intendierten Form übertragen werden.<br />
Trennung von Inhalt und Form<br />
Beim Austausch und bei der Wiederverwendung von Tests gibt es verschiedene Szenarien.<br />
In manchen Fällen sollen Tests vollständig übernommen werden, während in anderen Fällen<br />
z. B. nur einzelne Fragen aus einem Test oder einer Aufgabensammlung („item bank“)<br />
in einen anderen Test integriert werden sollen. Daher ist es wichtig, die verschiedenen<br />
Aspekte von Tests – insbesondere Inhalt, Erscheinungsbild und Verhalten – klar voneinander<br />
zu trennen, so dass etwa der Austausch von Inhalten nicht dadurch behindert wird,<br />
dass Inhalt und Erscheinungsbild miteinander vermischt sind.<br />
Umfang<br />
Um vollständige Tests mit allen ihren Eigenschaften austauschen zu können, erscheint<br />
es zunächst wünschenswert, dass ein Austauschformat die gesamte Funktionalität aller<br />
Systeme abbilden kann. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, dass diese Anforderung<br />
illusorisch ist: Zu vielfältig und zu verschieden sind die Möglichkeiten von Testsystemen,<br />
wobei kein System alle Testtypen und Auswertungsfunktionen unterstützt.<br />
Daher sollte sich ein Austauschformat zunächst auf einen relativ kleinen Kern von Testund<br />
Fragetypen beschränken; weitere Typen können in späteren Versionen standardisiert<br />
werden, wenn klar ist, welche Beschreibungsmöglichkeiten in der Praxis tatsächlich benötigt<br />
werden. <strong>Die</strong> Aufnahme von optional zu implementierenden Teilen oder mehrerer<br />
Alternativen für eine Funktion ist dagegen zu vermeiden, da sich gezeigt hat, dass dies die<br />
Entwicklung interoperabler Implementierungen stark behindert. 2<br />
Langlebigkeit<br />
Schließlich sollte ein Austauschformat langlebig sein, d. h., im Austauschformat beschriebene<br />
Tests sollten über einen möglichst langen Zeitraum verarbeitbar bleiben. Zur Korrektur<br />
von Fehlern und zur Erweiterung der Beschreibungsmöglichkeiten werden immer<br />
wieder neue Revisionen des Formats notwendig sein. Hierbei sollte jedoch soweit wie<br />
möglich vermieden werden, dass neue Revisionen zu Problemen beim Datenaustausch<br />
führen.<br />
2 Ein gutes Beispiel dafür sind SGML und XML. SGML enthält eine Vielzahl optionaler Teile: Trotz des nunmehr<br />
20jährigen Bestehens von SGML gibt es bisher keinen Parser, der den Standard vollständig implementiert.<br />
XML ist eine Untermenge von SGML, bei der auf alle optionalen Teile verzichtet wurde: In kürzester Zeit waren<br />
eine große Zahl von konformen und interoperablen Implementierungen verfügbar und XML fand eine praktisch<br />
universelle Verbreitung.<br />
187
3 IMS QTI: Überblick<br />
Für die Beschreibung von Multiple-Choice-Tests und verwandten Testtypen ist die IMS<br />
Question & Test Interoperability Specification (QTI) [IMS05] zur Zeit die einzige öffentliche,<br />
von einer Implementierung unabhängige Spezifikation. Darüberhinaus kann das<br />
IMS-Konsortium im E-<strong>Learning</strong>-Bereich als De-Facto-Standardisierungsinstanz betrachtet<br />
werden.<br />
QTI beschreibt ein Datenmodell und eine XML-Repräsentation für die Kodierung von<br />
Testfragen (sog. „assessment items“) bzw. Tests. Das erklärte Ziel der Spezifikation ist es,<br />
den Austausch dieser Daten zwischen Autorenwerkzeugen, Aufgabensammlungen, Lernplattformen<br />
und Testsystemen zu ermöglichen; QTI ist also als Austauschformat gedacht.<br />
QTI Version 1.0 wurde im Jahr 2000 veröffentlicht und mehrfach überarbeitet. Wenn bei<br />
Systemen „Unterstützung für QTI“ angegeben ist (beispielsweise bei Respondus, WebCT<br />
oder OLAT), ist in den meisten Fällen damit eine Version von QTI 1.x gemeint. Eine kurze<br />
Beschreibung von QTI 1.0 durch Mitglieder der QTI-Arbeitsgruppe bietet [SR00].<br />
Im Einsatz zeigten sich jedoch grundsätzliche Mängel in QTI 1.x, so dass die QTI-Arbeitsgruppe<br />
einen kompletten Neuentwurf für nötig erachtete. <strong>Die</strong>ser Neuentwurf ist die Version<br />
2.0, die 2005 veröffentlicht wurde. Entgegen den Zusagen weitgehender Kompatibilität<br />
durch IMS – „software that is compliant with the V1.0 DTD will be able to import V2.0<br />
Items providing it ignores the optional tags“ [SR00] – verwendet QTI 2.0 ein grundsätzlich<br />
anderes Modell und eine vollkommen andere XML-Struktur und ist mit QTI 1.x nicht<br />
kompatibel. Darüberhinaus deckt QTI 2.0 nicht alle Bereiche ab, die in QTI 1.x verfügbar<br />
waren; so können etwa mit QTI 2.0 nur einzelne Items, aber keine kompletten Tests<br />
beschrieben werden. Im Folgenden gehen wir auf QTI 2.0 ein; dies ist z. Z. die neueste<br />
offizielle Version der Spezifikation.<br />
<strong>Die</strong> QTI-Spezifikation besteht aus mehreren Teilen. Im Teil „Information Model“ wird<br />
zunächst ein abstraktes Datenmodell beschrieben. Hier wird beispielsweise behandelt,<br />
was eine Frage ist und über welche Attribute sie verfügt. Das „XML Binding“ definiert<br />
dann eine Abbildung dieses Modells in eine konkrete XML-Repräsentation. Für die XML-<br />
Repräsentation werden ein W3C XML Schema und eine DTD definiert. <strong>Die</strong> weiteren Teile<br />
der Spezifikation beschäftigen sich mit verschiedenen Teilaspekten und geben Hinweise<br />
zur Implementierung und Nutzung von QTI.<br />
Das grundlegende Element von QTI 2.0 ist das Item, also eine Frage mit den dazugehörigen<br />
Antwortmöglichkeiten. Für die Auszeichnung des Iteminhalts wird dabei eine Untermenge<br />
von XHTML verwendet, die um testspezifische Elemente ergänzt wird.<br />
Abbildung 1 zeigt ein einfaches Beispiel für ein in QTI 2.0 kodiertes Item, in dem eine<br />
Multiple-Choice-Frage mit Mehrfachwahl definiert wird. Das Element enthält<br />
dabei die eigentliche Frage (Element ) und die Antwortmöglichkeiten. Da<br />
der Kandidat mit den Antworten „interagieren“ kann, wird dieser Teil in QTI als „Interaction“<br />
bezeichnet. Im Beispiel soll eine Auswahl getroffen werden, daher wird das Element<br />
verwendet, das in den -Elementen die Antwortmöglichkeiten<br />
enthält. Welche der Antwortmöglichkeiten korrekt sind, wird im Element <br />
am Anfang der Datei festgelegt.<br />
188
Abbildung 1: Einfaches Beispiel für eine QTI-2.0-Datei<br />
4 Beispiel: QTI 2.0 in „ECQuiz“<br />
„ECQuiz“ 3 [PR05] ist ein Modul der von uns entwickelten eduComponents [RPA07], das<br />
die Integration von Multiple-Choice-Tests in das freie Content-Management-System Plone4<br />
ermöglicht. Für den Import und Export von Tests haben wir in „ECQuiz“ eine Untermenge<br />
von QTI 2.0 implementiert und dabei Erfahrungen mit diesem Standard gesammelt,<br />
die die Grundlage für diesen Artikel bilden. Wir beschreiben im Folgenden den konkreten<br />
Einsatz von QTI in „ECQuiz“ und unsere Erfahrungen bei der Implementierung.<br />
Da es zu Beginn der Entwicklung bereits konkrete Anforderungen gab, welche Funktionen<br />
„ECQuiz“ bereitstellen sollte, war unser Ansatz, zuerst die benötigte Funktionalität mittels<br />
eines geeigneten Modells zu implementieren und diese dann für den Import und Export auf<br />
QTI 2.0 abzubilden.<br />
Das kleinste Element im Modell von „ECQuiz“ ist eine Frage. „ECQuiz“ bietet z. Z. zwei<br />
grundsätzliche Fragetypen: Multiple-Choice-Fragen, bei denen die Kandidaten aus mehreren<br />
Antwortmöglichkeiten auswählen müssen, und Textfragen, bei denen eine freie Antwort<br />
formuliert werden muss. Mehrere Fragen, die sich z. B. auf dieselbe Textpassage<br />
oder dasselbe Bild beziehen oder anderweitig inhaltlich verwandt sind, können in einer<br />
Fragegruppe zusammengefasst werden. Der gemeinsame Inhalt wird in den sogenannten<br />
„Bearbeitungshinweisen“ der Fragegruppe abgelegt, vgl. Abb. 2. Mehrere Fragen und Fra-<br />
3 Frühere Versionen hießen „LlsMultipleChoice“.<br />
4<br />
189
Abbildung 2: Beispiel eines Tests (hier in der Ergebnisansicht) in „ECQuiz“ mit Fragegruppen (➊<br />
und ➋) und den dazugehörigen Bearbeitungshinweisen (➌ und ➍).<br />
gegruppen bilden schließlich einen Test. Analog zu den Fragegruppen können auch für den<br />
Test als ganzes Bearbeitungshinweise gegeben werden.<br />
Für „ECQuiz“ haben wir QTI zunächst soweit implementiert, dass ein „round trip“ möglich<br />
ist, d. h., dass von „ECQuiz“ exportierte Dateien ohne Informationsverlust wieder<br />
importiert werden können. Bei der Abbildung des Modells von „ECQuiz“ auf QTI traten<br />
mehrfach Probleme auf, die es erforderlich machten, „ECQuiz“-spezifische Erweiterungen<br />
vorzunehmen.<br />
Wie bereits oben erwähnt, deckt QTI 2.0 im Gegensatz zu QTI 1.x nur einzelne Fragen<br />
ab und lässt die Teile von QTI 1.x aus, die sich mit der Aggregation von Fragen in Abschnitte<br />
und Tests beschäftigten. Da „ECQuiz“ jedoch sowohl komplette Tests als auch<br />
Gruppen von zusammengehörigen Fragen unterstützt, musste ein Weg gefunden werden,<br />
diese Strukturen dennoch in einer möglichst portablen Weise zu beschreiben. <strong>Die</strong> Teile<br />
„Integration Guide“ und „Migration Guide“ der QTI-Spezifikation schneiden einige dieser<br />
Aspekte an, es bleiben jedoch viele Fragen bezüglich der konkreten Umsetzung offen:<br />
190<br />
As this version of the QTI specification does not define either an information<br />
model or a binding for section, assessment and objectbank objects<br />
no recommendations on how to interpret collections of packaged version 2
items are made. However, packaged items may be referred to individually in<br />
an associated learning design or set of sequencing rules. [IMS05, Integration<br />
Guide, S. 4]<br />
Sie machen auch deutlich, dass die Integration der verschiedenen IMS-Spezifikationen<br />
noch nicht optimal ist:<br />
IMS <strong>Learning</strong> Design and IMS QTI are natural partners in the learning<br />
process. [. . . ] However, the type systems used in IMS LD and IMS QTI differ:<br />
[. . . ] A final complicating factor is the presence of multi-valued variables in<br />
QTI which have no equivalent in IMS LD. [IMS05, Integration Guide, S. 7<br />
bzw. S. 9]<br />
Wir haben den im Folgenden beschriebenen Ansatz gewählt. Eine Frage mit ihren zugehörigen<br />
Antworten wird gemäß QTI 2.0 in ein „assessmentItem“ abgebildet. <strong>Die</strong> Zusammenstellung<br />
der Fragen zu einem Test erfolgt gemäß der IMS Content Packaging Specification<br />
(CP) [IMS04]. „Packaging“ bedeutet hier, dass alle Items zusammen mit einem<br />
sog. „Manifest“ in ein ZIP-Archiv gepackt werden. Das Manifest ist eine XML-Datei mit<br />
dem Namen „imsmanifest.xml“ im Wurzelverzeichnis des Archivs und beschreibt die im<br />
Archiv enthaltenen Ressourcen.<br />
<strong>Die</strong> von „ECQuiz“ vorgesehenen Bearbeitungshinweise für Test und Fragegruppen werden<br />
weder von QTI noch von CP explizit unterstützt. Wir behandeln diese Hinweise als „assessmentItem“<br />
ohne „Interaction“. Auf diese Weise lässt sich die Erweiterung syntaktisch<br />
konform modellieren, es ist allerdings nicht sicher, ob andere Systeme diese Verwendung<br />
des -Elements korrekt interpretieren können.<br />
<strong>Die</strong> Randomisierung der Antworten innerhalb einer Frage wird von QTI abgedeckt, „EC-<br />
Quiz“ unterstützt jedoch auch die Randomisierung von Fragen, einschließlich der zufälligen<br />
Auswahl einer Untermenge der vorhandenen Fragen. Das Verhalten kann für jede<br />
Fragegruppe separat eingestellt werden. Um diese Eigenschaften zu beschreiben, greifen<br />
wir auf die IMS Simple Sequencing Specification [IMS03] zurück. <strong>Die</strong>se Spezifikation definiert<br />
Elemente, mit denen die Abfolge von Lernobjekten beschrieben werden kann. <strong>Die</strong>se<br />
Elemente können im -Element des Manifests verwendet werden. Wir benutzen<br />
sie, um die Randomisierung von Elementen, die Anzahl erlaubter Versuche und die<br />
zeitliche Freigabe von Tests zu beschreiben.<br />
Der Implementierungsaufwand für die QTI-Unterstützung in „ECQuiz“ war sehr hoch,<br />
denn um einen Test ohne Informationsverlust exportieren zu können, mussten neben QTI<br />
auch IMS CP sowie Teile von IMS Simple Sequencing implementiert werden, die nicht<br />
immer perfekt aufeinander abgestimmt sind. Außerdem galt es, Lösungen für Eigenheiten<br />
und Einschränkungen von QTI zu finden. Das QTI-Modul macht in „ECQuiz“ fast<br />
50 % des gesamten Codes aus. Um den Aufwand in Grenzen zu halten, ist der QTI-Import<br />
primär darauf ausgerichtet, von „ECQuiz“ selbst exportierte Tests zu importieren. Experimente<br />
mit QTI-Dateien bzw. Content-Packages aus verschiedenen Quellen waren, außer<br />
bei sehr einfachen Items, unbefriedigend. Beispielsweise sind die von Moodle exportierten<br />
QTI-2.0-Items und Content-Packages nicht mit den Spezifikationen konform, so dass der<br />
Import in „ECQuiz“ fehlschlägt.<br />
191
5 IMS QTI: Probleme<br />
Beim Entwurf von QTI 2.0 sind Rückmeldungen von der Anwendergemeinde zu QTI 1.x<br />
eingeflossen. Trotzdem sind uns während der Implementierung in „ECQuiz“ (vgl. Abschnitt<br />
4) eine Vielzahl von Schwachstellen aufgefallen, von denen wir einige im Folgenden<br />
beschreiben. <strong>Die</strong> Probleme lassen sich dabei drei Bereichen zuordnen: „Problematische<br />
Designentscheidungen“, „formale Schwächen“ und „Schwächen in der technischen<br />
Umsetzung in XML“.<br />
Vorab ist anzumerken, dass QTI 2.0 keine existierende Praxis kodifiziert, sondern komplett<br />
neu geschrieben wurde. Im Gegensatz zum Standardisierungsverfahren für RFCs der<br />
IETF [Br96] verlangt IMS nicht mindestens zwei voneinander unabhängig entwickelte,<br />
interoperable Implementierungen; es gibt auch keine Referenzimplementierung von QTI<br />
2.0.<br />
<strong>5.</strong>1 Problematische Designentscheidungen<br />
QTI 2.0 ist eine überaus umfangreiche Spezifikation mit vielen optionalen Teilen. Um<br />
die Interoperabilität zwischen Systemen zu sichern, die nicht den gesamten Standard umsetzen,<br />
sieht die QTI-Spezifikation die Definition von Profilen vor. Sie erlauben es, die<br />
von einem System implementierte Untermenge von QTI zu beschreiben. Zwei Profile,<br />
„QTI-Lite“ und „QTI-All“, sind vordefiniert. Beide sind praktisch leider von geringem<br />
Nutzen. QTI-Lite beschreibt eine minimale Untermenge, die selbst für einfachste Tests zu<br />
beschränkt sein düfte: Beispielsweise dürfen in QTI-Lite-konformen Items keine Aufzählungen<br />
oder Tabellen und lediglich die Bildformate JPEG und GIF, nicht aber das vom<br />
W3C standardisierte PNG-Format benutzt werden. <strong>Die</strong>se Einschränkungen sind aus technischer<br />
Sicht nicht nachvollziehbar. QTI-All hingegen fordert die Implementierung der<br />
gesamten Spezifikation. Zur Zeit ist uns keine vollständige Implementierung von QTI 2.0<br />
bekannt; angesichts des Umfangs erscheint es uns fraglich, ob es eine solche jemals geben<br />
wird.<br />
<strong>Die</strong> QTI-Spezifikation ist in vielen Punkten recht liberal; innerhalb eines Items sind praktisch<br />
beliebige Strukturen zugelassen. So ist etwa ein komplett leeres Item vollkommen<br />
standardkonform, ebenso ein Item ohne (und damit ohne Fragetext) sowie ein<br />
Item mit mehreren „Interactions“, d. h. ein Item, das z. B. gleichzeitig Multiple-Choice-<br />
Frage als auch Lückentext ist. Ein Vorteil dieser Philosophie ist, dass prinzipiell viele<br />
Fragetypen auf QTI abgebildet werden können. Der Nachteil ist, dass der Import von<br />
QTI-Items aus unbekannten Quellen sehr komplex wird. Da der Standard zudem nicht<br />
klärt, welche Bedeutung etwa ein leeres Item oder eines mit mehreren „Interactions“ hat,<br />
kann kaum sichergestellt werden, dass ein Item genau so importiert wird, wie vom Autor<br />
ursprünglich vorgesehen. Somit wird der Hauptzweck eines Austauschformats nicht<br />
erreicht.<br />
Zusätzlich zur Beschreibung von Fragen und Tests spezifiziert QTI mit dem sogenannten<br />
„Response Processing“ eine Programmiersprache zur Auswertung von Tests. Da Beschreibung<br />
und Auswertung von Tests aber zwei vollkommen unterschiedliche Aspekte sind,<br />
192
hätte das „Response Processing“ unserer Meinung nach in eine separate Spezifikation ausgegliedert<br />
werden sollen. <strong>Die</strong>s hätte zur Vereinfachung des ohnehin sehr umfangreichen<br />
QTI-Standards beigetragen.<br />
<strong>Die</strong> oben genannte Trennung von Inhalt, Erscheinungsbild und Verhalten findet sich im<br />
Design von QTI praktisch nicht wieder. In den Definitionen vieler Elemente, die den Inhalt<br />
des Items beschreiben, z. B. , oder ,<br />
finden sich Abhängigkeiten zum per „Response Processing“ beschriebenen Verhalten<br />
des Items. Selbst wenn die Auswertung eines Tests nicht mit „Response Processing“<br />
erfolgt, müssen bestimmte Elemente und Attribute vorhanden sein, damit ein Item dem<br />
QTI-Standard entspricht.<br />
<strong>5.</strong>2 Formale Schwächen<br />
Da sie an vielen Stellen ungenau oder mehrdeutig ist, genügt die QTI-Spezifikation nicht<br />
unserer Forderung nach exakter Formulierung. Zahlreiche Fragen bleiben ungeklärt oder<br />
müssen vom Leser selbst erschlossen werden. Wir halten es daher für unwahrscheinlich,<br />
dass zwei Implementierungen von QTI in ihrer Interpretation des Standards genug übereinstimmen,<br />
dass ein reibungsoser Austausch zwischen ihnen möglich ist.<br />
Beispielsweise wird der Datentyp „language“ im [IMS05, XML Binding, S. 52] mit dem<br />
knappen Satz „A trivial restriction of xsd:string.“ definiert. Ob Sprachbezeichnungen z. B.<br />
nach RFC 3066 anzugeben sind, wird nicht näher festgelegt.<br />
<strong>Die</strong> Definition des Formats des Typs „identifier“ ist hingegen übermäßig lang ausgefallen.<br />
Üblicherweise werden für derartige Definitionen reguläre Ausdrücke oder kontextfreie<br />
Grammatiken in Backus-Naur-Form (BNF) verwendet. In der QTI-Spezifikation wird jedoch<br />
eine umständliche natürlichsprache Definition gegeben:<br />
An identifier is a string of characters that must start with a Letter or an underscore<br />
(’_’) and contain only Letters, underscores, hyphens (’-’), period (’.’,<br />
a.k.a. full-stop), Digits, CombiningChars and Extenders. Identifiers containing<br />
the period character are reserved for future use. The character classes<br />
Letter, Digit, CombiningChar and Extender are defined in the Extensible Markup<br />
Language (XML) 1.0 (Second Edition) [XML]. Note particularly that<br />
identifiers may not contain the colon (’:’) character. Identifiers should have<br />
no more than 32 characters. for compatibility with version 1 They are always<br />
compared case-sensitively.<br />
<strong>Die</strong> Interpunktionsfehler sind im Original enthalten; dadurch ist unklar, worauf sich die<br />
Kompatibilität mit Version 1 bezieht. Abweichend von der obigen Spezifikation ist im<br />
Schema der Typ „identifier“ als „NMTOKEN“ deklariert, das Schema erlaubt somit u. a.<br />
Punkt und Doppelpunkt, so dass die Anwendung die weiteren Restriktionen implementieren<br />
muss, obwohl dies bereits im Schema möglich gewesen wäre. Ebenso wird nicht<br />
verbindlich geregelt, ob Bezeichner mehr als 32 Zeichen lang sein dürfen und innerhalb<br />
welches Bereiches sie eindeutig sein müssen – tatsächlich macht die Spezifikation überhaupt<br />
keine Aussage zur Eindeutigkeit von Bezeichnern.<br />
193
Ein anderes Beispiel findet sich in der Definition des Elements <br />
für Freitextaufgaben. <strong>Die</strong>ses Element hat unter anderem die Attribute „expectedLines“ und<br />
„expectedLength“. Beide sind dafür vorgesehen, dem Kandidaten einen Anhaltspunkt zu<br />
geben, wie umfangreich seine Antwort ausfallen sollte (vgl. [IMS05, Information Model,<br />
S. 29]):<br />
Attribute: expectedLines [0..1]: integer<br />
The expectedLines attribute provides a hint to the candidate as to the expected<br />
number of lines of input required. A Delivery Engine should use the value of<br />
this attribute to set the size of the response box, where applicable.<br />
Attribute: expectedLength [0..1]: integer<br />
The expectedLength attribute provides a hint to the candidate as to the expected<br />
overall length of the desired response. A Delivery Engine should use the<br />
value of this attribute to set the size of the response box, where applicable.<br />
Aus den nahezu identischen Beschreibungen dieser beiden Attribute ist nicht ersichtlich,<br />
worin sie sich in ihrer Funktion unterscheiden. Ebensowenig wird erläutert, welcher Wert<br />
Vorrang hat, falls beide Attribute angegeben wurden. Zudem ist bei beiden unklar, worauf<br />
sich der anzugebende Wert bezieht. <strong>Die</strong> Vorgabe einer bestimmten Anzahl von Zeilen<br />
mittels „expectedLines“ ergibt nur dann einen Sinn, wenn auch festgelegt ist, wie lang die<br />
Zeilen sind. Der Wert von „expectedLength“ könnte z. B. die Anzahl an Wörtern meinen<br />
oder die Anzahl der Sätze oder die Breite in Zentimetern eines Eingabefeldes auf einer<br />
Webseite. Bei Items aus unbekannten Quellen ist es unmöglich festzustellen, was beabsichtigt<br />
war.<br />
<strong>5.</strong>3 Schwächen in der technischen Umsetzung in XML<br />
<strong>Die</strong> QTI-Spezifikation umfasst auch das „XML Binding“, in dem ein XML-Schema definiert<br />
wird, das vorgibt, wie die im „Information Model“ beschriebenen Items auf XML-<br />
Elemente abgebildet werden. Leider werden die Möglichkeiten von XML und XML-<br />
Schema nur ansatzweise ausgenutzt, so dass QTI-Dokumente mit Standard-XML-Werkzeugen<br />
nur zum Teil validiert werden können. Damit wird eine weitere unserer Anforderungen<br />
an Austauschformate nicht erfüllt. Einige Beispiele sollen dies illustrieren.<br />
An vielen Stellen in QTI wird für Querverweise auf andere Elemente ein Attribut verwendet,<br />
das den Bezeichner des Zielelements enthält. Teilweise werden Querverweise in<br />
QTI-Dokumenten aber auch anders realisiert. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, werden<br />
z. B. die richtigen Antwortmöglichkeiten auf eine Multiple-Choice-Frage mit Hilfe des<br />
-Elements angegeben, das wiederum ein oder mehrere Elemente vom<br />
Typ enhält. Der Inhalt jedes -Elements ist der Bezeichner einer korrekten<br />
.<br />
Problematisch ist an diesem Ansatz, dass bei konsequenter Nutzung der XML eine deutlich<br />
robustere und elegantere Lösung möglich gewesen wäre. Zur Realisierung von Querverweisen<br />
stellt XML eigens die Attributtypen „ID“, „IDREF“ und „IDREFS“ zur Verfügung.<br />
194
Werden Attribute dieses Typs verwendet, ist garantiert, dass alle Bezeichner vom Typ „ID“<br />
eindeutig sind und dass alle per „IDREF“ oder „IDREFS“ referenzierten Element auch tatsächlich<br />
existieren. Vermutlich ist diese Semantik auch in QTI intendiert; im QTI-Schema<br />
werden jedoch an keiner Stelle die Attributtypen „ID“, „IDREF“ oder „IDREFS“ verwendet.<br />
Stellvertretend für zahlreiche weitere Schwächen in der XML-Umsetzung sei noch das<br />
Element genannt. Im [IMS05, Information Model, S. 23] findet sich in<br />
der Definition dieses Elements der Hinweis „Although rubric blocks are defined as simpleBlocks<br />
they must not contain interactions.“ Im XML-Schema wird diese Einschränkung<br />
aber nicht umgesetzt, obwohl W3C XML Schema durchaus die dazu notwendigen<br />
Mittel bietet.<br />
6 Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />
Aufgrund unserer Erfahrungen bei der Implementierung einer Untermenge von QTI 2.0 in<br />
„ECQuiz“ und der Analyse der QTI-Spezifikation kommen wir zu dem Schluss, dass QTI<br />
2.0 als Standard für den Austausch von Tests nicht geeignet ist: Es erlaubt zwar prinzipiell<br />
die Beschreibung einer großen Zahl von Testtypen und Auswertungsverfahren, eine<br />
vollständige Implementierung ist aber nur mit extrem hohem Aufwand möglich – unvollständige<br />
Implementierungen erreichen jedoch nicht die angestrebte Interoperabilität.<br />
Zur Zeit (Juni 2007) ist QTI 2.1 in Vorbereitung; diese Version soll u. a. die bislang fehlende<br />
Möglichkeit zur Beschreibung vollständiger Tests nachliefern. In den aktuellen Entwürfen<br />
sind darüberhinaus keine grundsätzlichen Änderungen gegenüber Version 2.0 vorgenommen<br />
worden, so dass die o. g. Kritikpunkte weiterhin zutreffen. Es ist jedoch bereits<br />
absehbar, dass QTI 2.1 nicht vollständig abwärtskompatibel zu QTI 2.0 sein wird: Nach<br />
QTI 2.0 kodierte Tests werden also ohne Änderungen keine gültigen QTI-2.1-Tests sein.<br />
Gorissen hat 2003 und 2006 [Go03, Go06] bei einer Auswahl von Systemen5 die Unterstützung<br />
für QTI evaluiert. Seine Untersuchungen zeigen, dass alle Systeme nur sehr kleine<br />
Untermengen von QTI unterstützen; in den meisten Fällen gehen beim Import Informationen<br />
verloren. Er bemerkt, dass sich die Situation seit 2003 – trotz des offensichtlichen<br />
Bedarfs für Austauschmöglichkeiten von Tests – praktisch nicht verbessert hat.<br />
Angesichts dieser Situation und der Komplexität von QTI schlägt Gorissen die Entwicklung<br />
einer freien Referenzimplementierung durch die „educational community“ vor. Da<br />
die Probleme mit QTI letztendlich in der Designphilosophie begründet sind, lassen sie sich<br />
nicht dadurch beheben, dass lediglich die o. g. Schwächen ausgebessert werden. Vielmehr<br />
ist aus unserer Sicht ein grundsätzlich anderer Ansatz notwendig, um die in Abschnitt 2<br />
definierten Kriterien erfüllen zu können. Daher halten wir auch eine Beteiligung am QTI-<br />
Spezifikationsprozess nicht für Erfolg versprechend.<br />
5 2006: Respondus, QuestionMark Perception, N@tschool!, Blackboard, Learn eXact (QTI 1.2) und TOIA (QTI<br />
2.1)<br />
195
Viele der Probleme im Ansatz von QTI rühren auch daher, dass QTI nicht aus dem praktischen<br />
Einsatz heraus entwickelt wurde, sondern von einem Kommittee „am grünen Tisch“<br />
entworfen wurde (vgl. Abschnitt 5). Wir schlagen deshalb vor, dass die Anwendergemeinde<br />
(also die „educational community“) stattdessen auf der Basis ihrer praktischen Erfahrungen<br />
selbst ein Austauschformat für Tests entwickelt, das die o. g. Desiderata umsetzt<br />
und so die Implementierung tatsächlich interoperabler Testsysteme ermöglicht.<br />
Literaturverzeichnis<br />
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Engineering Task Force, 1996.<br />
[Go03] Pierre Gorissen. Quickscan QTI. Usability study of QTI for De Digitale Universiteit,<br />
2003.<br />
[Go06] Pierre Gorissen. Quickscan QTI – 2006. Usability study of QTI for De Digitale Universiteit,<br />
2006.<br />
[IMS03] IMS Global <strong>Learning</strong> Consortium. IMS Simple Sequencing Specification Version 1.0,<br />
2003.<br />
[IMS04] IMS Global <strong>Learning</strong> Consortium. IMS Content Packaging Specification Version 1.1.4,<br />
2004.<br />
[IMS05] IMS Global <strong>Learning</strong> Consortium. IMS Question and Test Interoperability Version 2.0<br />
Final Specification, 200<strong>5.</strong><br />
[ISO03] ISO (International Organization for Standardization). ISO/IEC 19757-2:2003. Information<br />
technology – Document Schema Definition Language (DSDL) – Part 2: Regulargrammar-based<br />
validation – RELAX NG, 2003.<br />
[LR98] Gustav A. Lienert und Ulrich Raatz. Testaufbau und Testanalyse. Psychologie Verlags<br />
Union, Weinheim, 6. Auflage, 1998.<br />
[PR05] Michael Piotrowski und <strong>Die</strong>tmar Rösner. Integration von E-Assessment und Content-<br />
Management. In Jörg M. Haake, Ulrike Lucke und Djamshid Tavangarian, Hrsg., DeL-<br />
FI2005: 3. Deutsche e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong> der Gesellschaft für <strong>Informatik</strong><br />
e.V., number P-66 in Lecture Notes in Informatics, Seiten 129–140, Bonn, 200<strong>5.</strong> GI-<br />
Verlag.<br />
[RPA07] <strong>Die</strong>tmar Rösner, Michael Piotrowski und Mario Amelung. A Sustainable <strong>Learning</strong> Environment<br />
based on an Open Source Content Management System. In Wilhelm Bühler,<br />
Hrsg., Proceedings of the German e-Science Conference (GES 2007). Max-Planck-<br />
Gesellschaft, 2007.<br />
[SR00] Colin Smythe und P. Roberts. An Overview of the IMS Question & Test Interoperability<br />
Specification. In Proceedings of the 4th CAA Conference, Loughborough, England, 2000.<br />
Loughborough University.<br />
[Wo04] World Wide Web Consortium. XML Schema, 2004.<br />
[Wo06] World Wide Web Consortium. Extensible Markup Language (XML) 1.0, 2006.<br />
196
Aktueller Stand und Perspektiven der<br />
e<strong>Learning</strong>-Infrastruktur an deutschen Hochschulen<br />
Ulrike Lucke, Djamshid Tavangarian<br />
<strong>Universität</strong> Rostock<br />
Institut für <strong>Informatik</strong>, Lehrstuhl für Rechnerarchitektur<br />
Albert-Einstein-Str. 21<br />
18059 Rostock<br />
{ulrike.lucke, djamshid.tavangarian}@uni-rostock.de<br />
Abstract: Neben organisatorischen und pädagogischen Rahmenbedingungen ist<br />
eine leistungsfähige IT-Infrastruktur eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiches<br />
e<strong>Learning</strong>. Eine Reihe von Forschungsaktivitäten und Strukturmaßnahmen hat in<br />
den vergangenen Jahren zur Weiterentwicklung und Verstetigung der an den<br />
Hochschulen verfügbaren Infrastrukturen beigetragen. Inwiefern damit die für aktuelle<br />
e<strong>Learning</strong>-Szenarien – insbesondere über die Grenzen einer Hochschule<br />
hinweg – benötigte Funktionalität gegeben ist, wird in diesem Beitrag untersucht.<br />
Basis der Aussagen ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen IT-Infrastrukturen,<br />
die aus dem Verbund „Virtuelle Hochschullandschaft Norddeutschland“ (VHN)<br />
entstanden ist. Es werden der erzielte Entwicklungsstand wie auch bestehende Defizite<br />
aufgezeigt und Empfehlungen für die richtungsweisende Gestaltung von e-<br />
<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen an unseren Hochschulen angegeben.<br />
1 Motivation<br />
Im Rahmen unterschiedlicher Förderprogramme vor allem des Bundes sowie auf Initiative<br />
einzelner Hochschulen wurden in den vergangenen Jahren vielfache Anstrengungen<br />
unternommen, um e<strong>Learning</strong> dauerhaft als integralen Bestandteil der Hochschulbildung<br />
zu etablieren. Einzelziele waren zum Beispiel, e<strong>Learning</strong>-Inhalte zu entwickeln [Bu00],<br />
Konzeptionen für das mobile Lernen zu entwerfen und im Studienbetrieb zu verankern<br />
[Bu01] oder nachhaltige Strukturveränderungen für e<strong>Learning</strong> an den Hochschulen herbeizuführen<br />
[Bu04]. Begleitet wird dies bereits seit langem durch Maßnahmen zum<br />
Ausbau der grundlegenden Infrastruktur [Bu69].<br />
Führten diese Aktivitäten zu substanziellen Veränderungen im Studium an deutschen<br />
Hochschulen? e<strong>Learning</strong> hält nur langsam, nur in ausgewählten Bereichen und vorwiegend<br />
in Ergänzung zur traditionellen Präsenzlehre Einzug. Noch 2002 wurde dem e-<br />
<strong>Learning</strong> in Deutschland ein vergleichsweise schlechter Entwicklungsstand im internationalen<br />
Vergleich bescheinigt: „On many variables for which substantial differences<br />
between countries could be determined, Germany demonstrates the lowest score, or is<br />
among the lowest. This refers first of all to the current use of ICT options and tools, the<br />
197
extent to which ICT influences the general teaching practice and the support that is<br />
available for instructors in doing so. Second, this applies to the flexibility that is currently<br />
offered to students” [CW02].<br />
Hat sich dieser Zustand in den vergangenen fünf Jahren verbessert? Bedingt sowohl<br />
durch Ergebnisse der o. g. Forschungsprogramme, aber auch generell durch den technologischen<br />
Fortschritt existiert heute eine Vielzahl von Geräten, Systemen, Prozessen und<br />
Anwendungsszenarien rund um das e<strong>Learning</strong>. Sie lassen sich oft nur schwer in ein<br />
gemeinsames Ganzes fügen. <strong>Die</strong> Infrastrukturen an den Hochschulen nehmen rasch an<br />
Umfang, Heterogenität und damit auch an Komplexität zu. Neben einer hochschulweiten<br />
Integration der Informations- und Kommunikationstechnologien [Te07] [Un07] oder<br />
Portalen zur Sammlung von e<strong>Learning</strong>-<strong>Die</strong>nsten [De07][Hi07] werden aber auch hochschulübergreifende<br />
Mechanismen [Fa07] sowie völlig neue organisatorische Rahmenbedingungen<br />
und pädagogische Konzepte benötigt. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise<br />
Kooperationsstudiengänge zwischen mehreren Hochschulen (mit Präsenz-<br />
und virtuellen Anteilen in einem durchgängigen Szenario) oder die flexible Anerkennung<br />
einzelner Prüfungsleistungen von fremden Einrichtungen (auch ohne die Einbettung<br />
der Lehrveranstaltungen in ein gemeinsam geplantes Curriculum) zu nennen. Hintergrund<br />
derartiger Arrangements sind nicht allein eine organisatorische<br />
Umstrukturierung zur Kostensenkung oder der Wunsch bzw. der Bedarf nach einer Einbeziehung<br />
von Fachexperten aus einem größeren Einzugsgebiet. Angesichts der demographischen<br />
Veränderungen, der zunehmenden Mobilität von Wissenschaftlern und<br />
Studierenden ist dies auch eine ernsthafte Herausforderung aus bildungspolitischer Sicht.<br />
Wie wird die vorhandene Infrastruktur an unseren Hochschulen diesen, auf sie zu kommenden<br />
Anforderungen gerecht?<br />
2 Bestehende Infrastruktur für e<strong>Learning</strong><br />
Angesichts der oben aufgeworfenen Fragen haben die Wissenschaftsminister der fünf<br />
norddeutschen Bundesländer im Oktober 2005 den Verbund „Virtuelle Hochschullandschaft<br />
Norddeutschland“ (VHN) ins Leben gerufen. Hier sollen neue Strategien für<br />
das e<strong>Learning</strong> erarbeitet werden, um so die Wettbewerbsfähigkeit der norddeutschen<br />
Hochschulen national und international zu stärken – auch angesichts der aktuellen Exzellenzdiskussionen.<br />
Einer der sechs eingesetzten Arbeitskreise beschäftigt sich mit<br />
Aspekten der IT-Infrastruktur. In diesem Zusammenhang wurde durch den Arbeitskreis<br />
eine Analyse der e<strong>Learning</strong>-Infrastruktur an den norddeutschen Hochschulen erarbeitet.<br />
Deren Ergebnisse – die teilweise zwar nicht überraschend, doch in der Fachliteratur<br />
vorwiegend als generelle Empfehlungen [DI05][Re05] ohne hochschulübergreifende<br />
Datenbasis zusammengefasst sind – bilden den Gegenstand dieses Beitrags.<br />
Es wurden im August 2006 alle damals 68 Hochschulen in den fünf norddeutschen Bundesländern<br />
angeschrieben. Davon sendeten 26 den Fragebogen ausgefüllt zurück, und<br />
weitere 3 entschuldigten sich als in Auflösung oder Umwandlung begriffen. Da sich alle<br />
großen <strong>Universität</strong>en aktiv in die Bestandsaufnahme eingebracht haben und damit ein<br />
Großteil der Studierenden in Norddeutschland von der Analyse erfasst ist, sind die Ergebnisse<br />
als repräsentativ zu bewerten. <strong>Die</strong> Verteilung der beteiligten Hochschulen auf<br />
198
öffentliche und private Einrichtungen sowie auf <strong>Universität</strong>en und Fachhochschulen ist<br />
in Abbildung 1 dargestellt.<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
priv.<br />
öfftl.<br />
öffentlich / privat<br />
Abbildung 1: Zusammensetzung der in die Bestandsaufnahme eingegangenen Hochschulen<br />
Bei der Konzeption der Fragebögen wurden die folgenden Hypothesen zugrunde gelegt:<br />
! <strong>Die</strong> strategische Ausrichtung der Hochschulen beinhaltet e<strong>Learning</strong> als einen integralen<br />
Bestandteil.<br />
! Der Anteil elektronisch gestützter Lehr- und Lernszenarien ist derzeit noch gering,<br />
wird jedoch künftig zunehmen.<br />
! <strong>Die</strong> Organisationsstrukturen für e<strong>Learning</strong> resultieren vermutlich aus Forschungsprojekten<br />
und sind daher gering entwickelt, dezentral und temporär.<br />
! <strong>Die</strong> vorhandenen IT-Infrastrukturen für e<strong>Learning</strong> – als Schwerpunkt der Untersuchung<br />
– werden in den Bereichen Erstellung und Nutzung von e<strong>Learning</strong>-Inhalten<br />
als gut entwickelt angenommen. Dagegen sind Mechanismen zur gezielten Wiederverwendung<br />
von Inhalten sowie hochschulübergreifende Szenarien vermutlich<br />
nur gering entwickelt. Von den IT-Basisdiensten werden die Kommunikationsstrukturen<br />
als sehr gut eingestuft, aber Sicherheitsdienste (v. a. hochschulübergreifend)<br />
als noch ungenügend.<br />
<strong>Die</strong>se vier Bereiche bilden zugleich die Struktur der nachfolgenden Auswertung.<br />
2.1 Strategische Ausrichtung hinsichtlich des e<strong>Learning</strong><br />
Erst sehr wenige Hochschulen (etwa 20%) verfügen über eine klar definierte Strategie<br />
(im Sinne eines Strategiepapiers, Hochschulentwicklungsplans o. ä.) für den Umgang<br />
mit neuen Medien, wie Abbildung 2 zeigt.<br />
Bei der Ermittlung der strategischen Ziele für den Einsatz von e<strong>Learning</strong> wurde auf eine<br />
geschlossene Frage verzichtet und den Teilnehmern somit hinreichend individueller<br />
Spielraum bei der Beantwortung eingeräumt. (Das machte die nachträgliche Zusammenfassung<br />
zu Kategorien nötig, die jedoch ohne Informationsverlust möglich war.) Von der<br />
überwiegenden Mehrheit der Hochschulen wurde die Ergänzung der Präsenzlehre als<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
FH<br />
Uni<br />
<strong>Universität</strong> / Fachhochschule<br />
199
Ziel für e<strong>Learning</strong> benannt; auch die Erweiterung des Lehrangebots sowie die steigende<br />
Qualität und Attraktivität des Studiums spielen bei etwa der Hälfte der Hochschulen eine<br />
wichtige Rolle. Dagegen erfolgt selten eine kommerzielle Ausrichtung der e<strong>Learning</strong>-<br />
Angebote. Eine Hochschule äußerte die Hoffnung auf eine Kostensenkung, wie in Abbildung<br />
3 dargestellt ist.<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Ergänzung der Präsenzlehre<br />
Erw eiterung des Lehrangebots<br />
kommerzielle Ausrichtung<br />
Kostensenkung<br />
Qualitätssteigerung<br />
Abbildung 3: Welche strategischen Ziele verbinden Sie mit dem Einsatz von e<strong>Learning</strong>?<br />
Offenbar erwarten die Hochschulen vom e<strong>Learning</strong> zwar eine Verbesserung des bestehenden<br />
Lehrangebots (qualitativ wie quantitativ), jedoch keine gravierenden Veränderungen<br />
in den internen Prozessen, in ihrem Profil oder ihrer Marktposition.<br />
2.2 Eingesetzte Lehr- und Lernszenarien<br />
in Arbeit<br />
vorhanden<br />
<strong>Die</strong> Hochschulen nutzen nach eigener Schätzung zu etwa 30% elektronisch unterstützte<br />
Präsenzlehre sowie bereits zu etwa 10% neue Lehr- und Lernformen (v. a. Videoaufzeichnung,<br />
aber auch Selbstlernen oder Blended <strong>Learning</strong> – mit verschwimmenden<br />
Abgrenzungen) und wollen diesen Anteil in den kommenden Jahren deutlich steigern.<br />
Hochschulübergreifende Szenarien spielen mit unter 2% derzeit nur eine marginale Rolle,<br />
werden aber künftig an Bedeutung gewinnen. <strong>Die</strong>s ist dargestellt in Abbildung 4.<br />
<strong>Die</strong> möglichen Antwortkategorien waren bei dieser Frage vorgegeben. Dabei ist anzumerken,<br />
dass einerseits die Bereiche nicht vollständig disjunkt sind (Wie viel Blended<br />
200<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Abbildung 2: Gibt es eine definierte Strategie für e<strong>Learning</strong> an Ihrer Hochschule?<br />
ohne
heute in 5 Jahren<br />
<strong>Learning</strong> steckt im Selbstlernen?), andererseits die Interpretation der Begriffe variierte<br />
(Gehören PowerPoint-Folien inzwischen zur klassischen Präsenzlehre?). Trotz dieser<br />
Unschärfe lässt sich dennoch ein allgemeiner Trend der Antworten ableiten.<br />
2.3 Organisationsstrukturen für e<strong>Learning</strong><br />
hochschulübergreifend<br />
Videoaufzeichnungen<br />
Blended <strong>Learning</strong><br />
Selbstlernen<br />
elektronisch unterstützt<br />
klassische Präsenzlehre<br />
Abbildung 4: Welche Lehr-/Lernszenarien setzen Sie heute ein, und welche in etwa 5 Jahren?<br />
An vielen Hochschulen gibt es bereits lokale Organisationsstrukturen zur Koordination<br />
von e<strong>Learning</strong>-Aktivitäten sowie zentrale Maßnahmen bzw. Anlaufstellen für Support<br />
und Training der Anwender (jeweils an etwa drei Viertel der Hochschulen). Es handelt<br />
sich nur noch teilweise um projektbezogene, temporäre Einrichtungen. Oft wird die<br />
Funktion des Koordinators durch einen Prorektor wahrgenommen bzw. in existierende<br />
Einrichtungen mit anderem Arbeitsschwerpunkt (Rechenzentrum, Bibliothek) integriert;<br />
selten besteht eine eigenständige Einheit. Dagegen sind Organisationsstrukturen zur<br />
Qualitätssicherung – wenn überhaupt vorhanden – erst im Aufbau begriffen. Teilweise<br />
werden Evaluationen durchgeführt.<br />
Hochschulübergreifende Strukturen für e<strong>Learning</strong> sind oft bereits vorhanden bzw. werden<br />
verstärkt gefordert, wie Abbildung 5 zeigt. <strong>Die</strong> Frage war hier offen formuliert, um<br />
28<br />
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12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
übergreifende Strukturen<br />
vorhanden<br />
w ünschensw ert<br />
keine w eiteren gew ünscht<br />
Abbildung 5: Sind hochschulübergreifende Organisationsstrukturen für e<strong>Learning</strong> vorhanden?<br />
Welche halten Sie für wünschenswert?<br />
201
verschiedenartige Organisationsformen erfassen zu können. Teilweise handelt es sich bei<br />
den angegebenen Strukturen um bilaterale Kooperationen, z. T. auch um regionale oder<br />
landesweite Netzwerke. Eine Verstärkung der Kooperation wird v. a. für die überregionale,<br />
koordinierte Entwicklung und den Austausch von e<strong>Learning</strong>-Inhalten sowie für die<br />
wechselseitige Anerkennung (elektronischer) Prüfungen gewünscht. Auffallend ist, dass<br />
sich einige Hochschulen explizit keine weiteren übergreifenden Strukturen wünschen,<br />
selbst wenn sie bereits auf solche zugreifen können. (<strong>Die</strong> Formulierung im Fragebogen<br />
lautete: „Welche halten Sie für wünschenswert?“ und suggerierte somit keine ablehnende<br />
Antwort.) In individuellen Nachfragen haben sich die Einstellungen zu diesen Institutionen<br />
als ambivalent herausgestellt, da in deren Folge Abhängigkeit oder Mittelabzug<br />
befürchtet werden.<br />
2.4 IT-Infrastrukturen für e<strong>Learning</strong><br />
Auch bei der Ermittlung der bestehenden IT-Infrastruktur für e<strong>Learning</strong> wurden alle<br />
Fragen offen formuliert. Teilweise wurden stichpunkthafte Beispiele ergänzt, um die<br />
Fragestellung zu verdeutlichen. Das Antwortspektrum zeigt bei vielen Fragen eine große<br />
Varianz. So waren etwa an einigen großen <strong>Universität</strong>en viele Ausstattungsmerkmale<br />
offenbar selbstverständlich (und daher nur auf Nachfrage feststellbar), die von anderen<br />
Hochschulen im Detail dargelegt wurden.<br />
<strong>Die</strong> Multimedia-Ausstattung der Hochschulen kann insbesondere an den <strong>Universität</strong>en<br />
als gut bis sehr gut charakterisiert werden. Für die Erstellung von e<strong>Learning</strong>-Inhalten<br />
sind durchgängig Multimedia-Arbeitsplätze mit Internet-Anbindung vorhanden, die<br />
sowohl dezentral in den Einrichtungen als auch hochschulweit zentral durch spezielle<br />
Labore oder Arbeitsplätze ergänzt werden. Auch für die Nutzung von e<strong>Learning</strong> sind<br />
eine fast durchgängige Multimedia-Ausstattung (vor allem in Hörsälen, oft auch in Seminarräumen)<br />
sowie zahlreiche Speziallabore oder Pools verfügbar. Zugangseinrichtungen<br />
für die Nutzer sind zahlreich und vielfältig vorhanden. Neben einer (abhängig<br />
von der Größe und Art der Hochschule) breiten Zahl von Plätzen in PC- oder<br />
Workstation-Pools steht insbesondere an den großen <strong>Universität</strong>en eine Reihe von Notebook-Arbeitsplätzen<br />
zur Verfügung.<br />
Es gibt bislang kaum dedizierte Mechanismen zur hochschulweiten Wiederverwendung<br />
von Lehr- und Lerninhalten. Teilweise wird dies in lokaler Eigenregie durch die Lehrenden<br />
ersatzhalber mit Hilfe von Authoring-Werkzeugen oder Lernplattformen realisiert;<br />
es gibt kaum zentrale Repositorien. Im hochschulübergreifenden Bereich bestehen einige<br />
gemeinsame Nutzungen von Lernplattformen; erste gemeinsame Portale befinden sich<br />
im Aufbau – beides lässt sich jedoch nicht als wirkliche Wiederverwendung von Inhalten<br />
bezeichnen. Dabei existiert eine Vielzahl von unterschiedlichen Lernplattformen, wie in<br />
den Abbildungen 5 und 6 dargestellt ist.<br />
<strong>Die</strong> Integration der Lernplattformen mit anderen universitären <strong>Die</strong>nsten (Hochschulinformationssystem<br />
oder Bibliothek) ist erst vereinzelt realisiert, und zwar vorwiegend<br />
für Stud.IP. <strong>Die</strong> Schnittstellen der eingesetzten Systemen werden mit schwankender<br />
Aussagekraft benannt; positiv fallen hier v. a. Stud.IP und Ilias durch ihre APIs sowie<br />
den Import/Export etwa über SCORM auf.<br />
202
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16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
Wiederverwendung (lokal)<br />
Authoringwerkzeuge<br />
Lehr-/Lernplattform<br />
zentrale Repositorie<br />
Abbildung 5: Welche Werkzeuge setzen Sie zur gezielten Wiederverwendung von Inhalten ein?<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Lernplattform (dezentral) Lernplattform (zentral) Lernplattform<br />
(übergreifend)<br />
Stud.IP<br />
Als hochschulübergreifende Infrastrukturen für das e<strong>Learning</strong> werden nur einzelne Initiativen<br />
(Virtuelle Fachhochschule [Fa07], Telekolloquium [EL07]) aufgeführt. Grundsätzlich<br />
sind die Hochschulen aber zumindest im öffentlichen Bereich für die Fernkooperation<br />
gut bis sehr gut mit Videokonferenz-Systemen (zentral und/oder dezentral)<br />
ausgestattet. Lediglich kleinere private Hochschulen verfügen noch nicht über eine solche<br />
Ausrüstung.<br />
Zentrale Infrastrukturen zum Identity Management sind, wenn überhaupt, erst innerhalb<br />
einer Hochschule vorhanden. Hier wird vorwiegend LDAP eingesetzt, teilweise existieren<br />
auch proprietäre Lösungen. Hochschulübergreifende Mechanismen befinden sich<br />
erst in Planung, wie Bild 7 zeigt.<br />
<strong>Die</strong> Vernetzung an den norddeutschen Hochschulen kann inzwischen als fast vollständig<br />
angesehen werden. Bis auf einzelne kleinere, private Hochschulen haben alle Einrichtungen<br />
Netz am Arbeitsplatz und im Wohnheim sowie flächendeckend WLAN, zum<br />
Ilias<br />
WebCT<br />
Blackboard<br />
Eigenentw icklung<br />
andere<br />
Abbildung 6: Welche Lehr-/Lernplattformen sind bei Ihnen im Einsatz?<br />
203
großen Teil auch in Verkehrsflächen. <strong>Die</strong> öffentlichen Hochschulen bieten einen gesicherten<br />
VPN-Zugang von außen an und sind mit Bandbreiten von deutlich über 10<br />
MBit/s an das Wissenschaftsnetz angebunden. Dagegen haben die privaten Hochschulen<br />
i. Allg. nur einen schmalbandigen Anschluss und selten einen VPN-Zugang. <strong>Die</strong>s ist in<br />
den Bildern 8 und 9 dargestellt.<br />
2.5 Fazit<br />
Mit Bezug auf die eingangs formulierten Thesen der Untersuchung lassen sich folgende<br />
Kernergebnisse der Analyse ableiten:<br />
204<br />
Abbildung 7: Über welche Mechanismen zum Identity Management verfügen Sie?<br />
1. <strong>Die</strong> strategische Ausrichtung der Hochschulen hinsichtlich des e<strong>Learning</strong> umfasst<br />
v. a. die Ergänzung und Verbesserung der bestehenden Präsenzlehre und kann daher<br />
als konservativ bezeichnet werden. Eine klare Strategie ist leider noch kaum<br />
definiert.<br />
2. Lehren und Lernen ohne Rechnerunterstützung nehmen derzeit noch knapp zwei<br />
Drittel der Szenarien im Alltag der Hochschulen ein, werden jedoch in den kommenden<br />
fünf Jahren auf etwa ein Drittel zurückgehen. Besonders steigen wird nach<br />
Selbsteinschätzung der Hochschulen der Anteil von elektronisch gestützter Präsenzlehre<br />
und Blended <strong>Learning</strong>.<br />
3. <strong>Die</strong> vorhandenen Organisationsstrukturen für e<strong>Learning</strong> sind dauerhafter als vermutet,<br />
jedoch kaum eigenständig realisiert. Während Verantwortliche zur Koordination<br />
von und zum Support für e<strong>Learning</strong> bereits häufig definiert sind, befinden<br />
sich Strukturen zur e<strong>Learning</strong>-Qualitätssicherung erst im Aufbau. Hochschulübergreifende<br />
Strukturen sind regional teilweise verfügbar, werden jedoch vermehrt<br />
auch überregional gefordert.<br />
4. <strong>Die</strong> technische Infrastruktur für e<strong>Learning</strong> ist an den untersuchten Hochschulen in<br />
großen Teilen vorhanden, vor allem in den Bereichen Erstellung und Nutzung von<br />
e<strong>Learning</strong>-Inhalten. Sie ist jedoch hochgradig heterogen und nicht einheitlich organisiert.<br />
<strong>Die</strong> Komplexität und Dynamik der Systeme lassen in vielen Fällen keine
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12<br />
10<br />
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2<br />
0<br />
8<br />
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4<br />
2<br />
0<br />
Netz im Wohnheim WLAN<br />
hochschulw eit<br />
Netz in<br />
Verkehrsflächen<br />
VPN von außen<br />
Abbildung 8: Über welche Kommunikationsinfrastruktur verfügen Sie?<br />
Bandbreite zum WIN<br />
statische Konfiguration und manuelle Steuerung zu. <strong>Die</strong>s verhindert die nötige Interoperabilität<br />
der Systeme. Zudem fehlen grundlegende Infrastruktur-<strong>Die</strong>nste (wie<br />
ein zentrales Identity Management) und dedizierte e<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen (z. B.<br />
Plattformen zur gezielten Wiederverwendung von Inhalten – lokal ebenso wie<br />
hochschulübergreifend).<br />
<strong>Die</strong> anhand der Bestandsaufnahme in Norddeutschland gewonnenen Aussagen lassen<br />
sich unter Beachtung lokaler Spitzen, wie sie im Zuge der Exzellenzinitiative diskutiert<br />
wurden [Wi07], mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf den Rest des Bundesgebiets<br />
ausdehnen.<br />
3 Entwicklungsperspektiven und Empfehlungen<br />
Besonders stark wirkt sich die bestehende Diversität der e<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen und<br />
Organisationsstrukturen in institutionsübergreifenden Szenarien aus, die aufgrund der<br />
nein<br />
teilw eise<br />
ja<br />
kein<br />
5MBit/s<br />
10MBit/s<br />
34MBit/s<br />
50MBit/s<br />
100MBit/s<br />
300MBit/s<br />
600MBit/s<br />
Abbildung 9: Mit welcher Bandbreite sind Sie an das wissenschaftliche Netz angeschlossen?<br />
205
demographischen und bildungspolitischen Entwicklungen zunehmend an Bedeutung<br />
gewinnen werden. Bei der Kooperation über die Grenzen einer Hochschule bzw. sogar<br />
eines Bundeslandes hinweg sind Interoperabilität, Standards und Schnittstellen sowie<br />
lokale Autonomie für den reibungslosen Betrieb unverzichtbar.<br />
Als grundlegende organisatorische Maßnahme erscheint daher die durchgängige Realisierung<br />
von eigenständigen e<strong>Learning</strong>-Einrichtungen mit klaren Kompetenzen und Befugnissen<br />
für Koordination, Support&Training sowie Qualitätssicherung – auf Basis<br />
einer klar definierten e<strong>Learning</strong>-Strategie – sowohl hochschulintern als auch hochschulübergreifend<br />
als wichtig. Solche Strukturen sind wichtige Instrumente für Kontinuität<br />
und Kompetenzbildung. Überregionale Netzwerke und Ansprechpartner haben hier bereits<br />
vielfach positive Entwicklungen hervorgerufen.<br />
Auf technischer Ebene kann eine signifikante Verbesserung der IT-Infrastruktur an den<br />
Hochschulen (nicht nur für das e<strong>Learning</strong>) durch den Paradigmenwechsel zu einer<br />
dienstbasierten Architektur erzielt werden. Dadurch könnten bestehende Werkzeuge,<br />
Plattformen und Prozesse in aller nötigen Heterogenität und Dezentralität aufrechterhalten<br />
und dennoch zu einem durchgängigen System zusammengefasst werden [Kr06].<br />
Durch das Nebeneinander und Miteinander verschiedener Angebote, die einander ersetzen<br />
oder ergänzen, wird der Übergang zwischen individuellen Prozessen und <strong>Die</strong>nstvarianten<br />
an verschiedenen Hochschulen nahtlos ermöglicht. In einer hochgradig heterogenen<br />
und verteilten <strong>Universität</strong>slandschaft können dafür keine streng hierarchischen,<br />
zentralisierten Strukturen mehr zum Einsatz kommen. Im Hochschulalltag werden durch<br />
eine Service-Orientierte Architektur (SOA) Transparenz und Komfort für den Nutzer<br />
erhöht sowie der administrative Aufwand verringert. Somit ergeben sich Verbesserungen<br />
in alltäglichen Anwendungsszenarien, wie z. B.:<br />
206<br />
! Kopplung von Studenten- & Personalverwaltung mit dem Nutzermanagement, direkte<br />
Übernahme von Stammdaten beim Hochschulwechsel<br />
! institutionsübergreifendes Identity Management mit Single-SignOn<br />
! automatische Erfassung von Prüfungsergebnissen (auch von anderen Hochschulen<br />
bei Auslandssemestern oder Kooperationsstudiengängen) als Basis für Prüfungszulassungen<br />
oder individuelle Studienpläne<br />
! Weiterleitung von Netzwerkverbindungen, persönlichen Einstellungen und Daten<br />
des Nutzers auf Basis seines aktuellen Umfelds<br />
! personalisierte Bibliothekssuche in Abhängigkeit vom Studienfortschritt sowie<br />
Rechnerunterstützung beim Ausleihvorgang<br />
! proaktive Distribution von Lehr- und Lerninhalten auf der Basis von aktueller Position<br />
und Zeit sowie dem geltenden Veranstaltungsplan<br />
! automatische Lokalisierung geeigneter Drucker und Authentifizierung des Anwenders<br />
beim Drucken in einer unbekannten Umgebung
! automatische Erfassung von Raumauslastungen u. ä. zur Optimierung von Belegungsplänen<br />
oder anderen logistischen Parametern<br />
Vergleichbare Anwendungen existieren bereits in Form von mobilen Informationssystemen,<br />
wie z. B. an Flughäfen oder für das Sight Seeing. <strong>Die</strong> Herausforderung besteht in<br />
der Übertragung dieser Technologien und Konzepte auf das komplexe Geflecht aus<br />
Infrastrukturen und <strong>Die</strong>nsten an einer Hochschule, ohne deren laufenden Betrieb zu<br />
beeinträchtigen. Hier sind umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte nötig.<br />
Langfristig wird es eine weiterführende Entwicklung hinsichtlich der Kopplung von<br />
dienstorientierten Architekturen (als infrastrukturelle Grundlage) und der aktuellen Forschung<br />
zu selbstorganisierenden Systemen, zu Peer-to-Peer-Architekturen und zum<br />
Pervasive Computing geben. <strong>Die</strong> bereitgestellten <strong>Die</strong>nste einer solchen Pervasive University<br />
werden ergänzt durch kaum wahrnehmbare Sensoren, Prozessoren und Aktoren,<br />
die den Anwender vorausschauend und allgegenwärtig bei seinen täglichen Aktivitäten<br />
unterstützen und dabei physische Umgebung und Informationstechnik nahtlos ineinander<br />
verweben. Hier ist eine Reihe von kontextsensitiven, proaktiven <strong>Die</strong>nsten in Lehre, Forschung<br />
und Verwaltung der Hochschulen denkbar [TL06].<br />
Grundlegendes Ziel sollte es dabei sein, die mit moderner IT-Technologie verfügbaren<br />
Optionen gezielt und umfassend einzusetzen, um das e<strong>Learning</strong> (in Ergänzung und Erweiterung<br />
der bestehenden Präsenzlehre) zur Steigerung von Qualität und Flexibilität im<br />
Studium einzusetzen. <strong>Die</strong>s würde zu einer nachhaltigen Stärkung der Position unserer<br />
Hochschulen im internationalen Wettbewerb führen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Bu69] Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe<br />
‚Ausbau und Neubau von Hochschulen’ (Hochschulbauförderungsgesetz, HBFG)“, September<br />
1969. http://www.bmbf.de/pub/HBFG_1.pdf<br />
[Bu00] Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Bekanntmachung von Richtlinien über<br />
die Förderung von Vorhaben zur Förderung des Einsatzes Neuer Medien in der Hochschullehre<br />
im Förderprogramm ‚Neue Medien in der Bildung’“, März 2000.<br />
http://www.dlr.de/pt_nmb/Foerderung/Bekanntmachungen/bekanntmachung_hochschule<br />
n.html<br />
[Bu01] Bundesministeriums für Bildung und Forschung: „Richtlinien über die Förderung von<br />
Projekten zur Unterstützung von E-<strong>Learning</strong> an Hochschulen durch mobilen Rechnereinsatz<br />
(‚Notebook- University’) im Förderprogramm ‚Neue Medien in der Bildung’“, Oktober<br />
2001.<br />
http://www.dlr.de/pt_nmb/Foerderung/Bekanntmachungen/bekanntmachung_notebook_<br />
university.html<br />
[Bu04] Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Richtlinien über die Förderung der<br />
Entwicklung und Erprobung von Maßnahmen der Strukturentwicklung zur Etablierung<br />
von e<strong>Learning</strong> in der Hochschullehre im Rahmen des Förderschwerpunkts ‚Neue Medien<br />
in der Bildung’“, Juni 2004.<br />
http://www.dlr.de/pt_nmb/Foerderung/Bekanntmachungen/e<strong>Learning</strong>.pdf<br />
207
[CW02] Betty Collis, Marijk van der Wende (Eds.): „Models of Technology and Change In<br />
Higher Education: An international comparative survey on the current and future use of<br />
ICT in Higher Education”, Center for Higher Education Policiy Studies, Niederlande,<br />
Dezember 2002. http://www.utwente.nl/cheps/documenten/ictrapport.pdf<br />
[De07] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt: „Portal zur BMBF-Förderung Neue Medien<br />
in der Bildung“ http://www.medien-bildung.net/<br />
[DI05] DINI: „Technische und organisatorische Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche<br />
Einführung und nachhaltige Nutzung von E-<strong>Learning</strong> an Hochschulen“, DINI-Schriften<br />
5-de, Oktober 200<strong>5.</strong><br />
[EL07] E-<strong>Learning</strong> Academic Network Niedersachsen (ELAN): „Niedersächsisches Telekolloquium”<br />
http://www.telekolloquium.de/<br />
[Fa07] Fachhochschule Lübeck: „oncampus” htttp://www.oncampus.de/<br />
[Hi07] Higher Education Funding Council for England: „Joint Information Systems Committee:<br />
supporting education and research“ http://www.jisc.ac.uk/<br />
[Kr06] Reinhold Kröger, Ulrike Lucke, Markus Schmid, Djamshid Tavangarian: "Web Services<br />
for the Integration of XML-based Content into <strong>Learning</strong> Platforms: a Three-level<br />
Model", erscheint in: Proceedings of 2nd International Symposium on Leveraging Applications<br />
of Formal Methods, Verification and Validation (ISoLA 2006), IEEE Press.<br />
[Re04] Thomas Reglin: “Welche Infrastruktur benötigt e<strong>Learning</strong>?”, in: „E-<strong>Learning</strong> – Virtuelle<br />
Kompetenzzentren und Online-Communities zur Unterstützung arbeitsplatznahen Lernens“,<br />
Bertelsmann-Verlag, 2004.<br />
[Te07] Technische <strong>Universität</strong> München: „TUM Projektübersicht – Integratum“<br />
http://portal.mytum.de/iuk/integratum/<br />
[TL06] Djamshid Tavangarian, Ulrike Lucke: „Pervasive University: Implementierung und<br />
Einsatz des Pervasive Computing in der Hochschule“, Proc. <strong>Informatik</strong>, LNI, Vol. P-93,<br />
S. 45-49, Köllen Verlag, 2006.<br />
[Un07] <strong>Universität</strong> Münster: „E-<strong>Learning</strong>-Kompetenzzentrum“<br />
http://e-learning.uni-muenster.de/<br />
[Wi07] Wissenschaftsrat: „Exzellenzinitiative“<br />
http://www.wissenschaftsrat.de/exini_start.html<br />
208
...unser Admin installiert da mal was! – Zur Nachhaltigkeit<br />
von E-<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen – Eine Taxonomie<br />
Thorsten Hampel, Marc Steinbring<br />
<strong>Universität</strong> Wien<br />
Fakultät für <strong>Informatik</strong> - Betriebliche Informationssysteme<br />
Dr.-Karl-Lueger-Ring 1<br />
A - 1010 Wien<br />
thorsten.hampel@univie.ac.at, steinb@zitmail.uni-paderborn.de<br />
Abstract: Ziel des Beitrags ist die Analyse von Faktoren der inhaltlichen und organisatorisch-infrastrukturellen<br />
Nachhaltigkeit von E-<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen. In<br />
Form einer Taxonomie werden die zentralen Aspekte und Einflussfaktoren eines<br />
nachhaltigen Einsatzes von E-<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen herausgearbeitet, systematisiert<br />
und an Beispielen illustriert.<br />
1 Einleitung<br />
Etymologisch betrachtet geht der Begriff der Nachhaltigkeit auf den Forstwirt Hans Carl<br />
von Carlowitz zurück, der in seiner Sylvicultura oeconomica von 1713 das erste Mal der<br />
Idee einer nachhaltigen Pflege des Baumbestandes nachging. „Wird der halben die größte<br />
Kunst, Wissenschaft, Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine<br />
sothane Conservation und Anbau des Holzes anzustellen, dass es eine kontinuierliche<br />
beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weil es eine unentbehrliche Sache ist, ohne<br />
welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag.“ 1 Fielen einst zahlreiche Flächen an<br />
forstwirtschaftlichen Kulturen dem mit der Rodung einhergehenden Profitdenken zum<br />
Opfer, sind nach Einführung einer nachhaltigen Nutzung deren Vorteile heutzutage offensichtlich<br />
und allgemein anerkannt. <strong>Die</strong> Idee der Nachhaltigkeit aus der forstwirtschaftlichen<br />
Definition heraus kann auch für E-<strong>Learning</strong>-Systeme übertragen und für<br />
Handlungsanweisungen einer positiven Entwicklung entliehen werden. In beiden Fällen<br />
hat die Definition eine dauerhafte und kontinuierliche Nutzung und Pflege einmal aufgebauter<br />
Strukturen zum Inhalt. <strong>Die</strong> Unterstützung menschlichen Lernens mit Hilfe von<br />
Computern ist von Multimedia über Hypermedia und E-<strong>Learning</strong> in stetiger Entwicklung.<br />
Aktuell trifft vielleicht der Begriff der Wissensorganisation die vielfältigen Ansätze<br />
am treffendsten. Analog zur stetigen Entwicklung der Terminologien der Wissensorganisation<br />
werden fortlaufend neue Systeme geschaffen und bestehende Ansätze<br />
erweitert.<br />
1 Hans Carl von Carlowitz, Sylvicultura Oeconomica, 1713<br />
209
Als sicherlich richtungweisende Erkenntnis steht dabei nicht länger die Frage nach der<br />
(einen) richtigen Plattform im Vordergrund. Es geht vielmehr um die Voraussetzungen<br />
einer auf Nachhaltigkeit aufbauenden Einbettung unterschiedlicher, miteinander vereinbarer,<br />
koexistierender Systeme in eine kooperative <strong>Die</strong>nsteinfrastruktur. Sind die Gründe<br />
für die Fülle an genutzten Systemen und Ansätzen sehr vielfältig, so gilt dem Augenmerk<br />
die Entwicklung eines geeigneten Konzepts der Nachhaltigkeit. Der vorliegende<br />
Beitrag wird ausgehend von der Fähigkeit zur Interoperabilität verschiedener E-<br />
<strong>Learning</strong>-Systeme eine Nachhaltigkeitstaxonomie vorstellen.<br />
2 Von funktional ausgerichteter Softwareentwicklung zur nachhaltigen<br />
Interoperabilität<br />
Prägender Gegenstand der allgemeinen E-<strong>Learning</strong>-Diskussion der letzten Jahre war der<br />
funktionale Vergleich der verschiedenen auf dem Markt verfügbaren E-<strong>Learning</strong>-<br />
Plattformen und Systeme. E-<strong>Learning</strong>-Plattformen oder auch Lernmanagementsysteme<br />
werden hierbei primär nach funktionalen Eigenschaften und Merkmalen (ihren Features)<br />
miteinander verglichen und voneinander differenziert. Treibende Kriterien eines derartigen<br />
Vergleichs sind die bereitgestellten didaktischen Lernformen, Kommunikationsmöglichkeiten,<br />
aber auch technische Eigenschaften, wie bereitgestellte Schnittstellen oder<br />
unterstützte Formate. In diesem Prozess des Benchmarking orientiert sich die Bewertung<br />
von Lernplattformen oder auch allgemein eine Bewertung wissensverarbeitender Systeme<br />
primär an Eigenschaften des jeweils betrachteten Werkzeugs. Im Zuge dieses Vorgehens<br />
sind eine ganze Reihe von teils umfangreichen Vergleichsstudien zu den Eigenschaften<br />
verschiedener E-<strong>Learning</strong>-Plattformen und Lernmanagementsystemen<br />
entstanden (vgl. [BHM02] und [Sc03]). Derartige Studien leisten die wichtige Aufgabe,<br />
Plattformen zunächst anhand verschiedener Kriterien, wie der unterstützten Lernformen,<br />
Übungstypen oder auch Mechanismen der Lernfortschrittskontrolle, also die primär<br />
funktionalen Eigenschaften, zu klassifizieren.<br />
Zurzeit sind zwei wesentliche neue Phänomene in der Bewertung verschiedener Lernplattformen<br />
und Lernmanagementsysteme zu beobachten. Hierbei ist zum einen eine<br />
funktionale Konvergenz der auf dem Markt verfügbaren Produkte zu nennen, zum anderen<br />
finden zunehmend Interoperabilitäts- und Architekturmerkmale (Standarisierungsaspekte)<br />
von Lernplattformen eine Berücksichtigung. 2 Mit der funktionalen Konvergenz<br />
verschiedener Lernplattformen ist zunächst eine zunehmende funktionale Ähnlichkeit<br />
typischer Lernplattformen gemeint. Viele Systeme gleichen sich in Art und Umfang der<br />
angebotenen Lernformen und Kommunikationswerkzeuge. Lassen sich eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher Ausprägungen und Unterschiede zwischen den Plattformen beobachten,<br />
so sind jedoch grundlegende Merkmale und Funktionen ähnlich bzw. vielfach aufeinander<br />
abbildbar. <strong>Die</strong>s erkennt man beispielsweise an ähnlicher Terminologie (Kurs,<br />
Übung bzw. angebotene Übungsformen) aber auch an einem sich ausbildenden gewissen<br />
Konsens der Gestaltung einer Lernplattform.<br />
2 vgl. hierzu auch die Open Knowledge Initiative (O.K.I), http://okicommunity.mit.edu/<br />
210
Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich Open-Source-<br />
Systeme in den letzten Jahren den großen kommerziellen Systemen angenähert haben,<br />
bzw. diese in einigen Bereichen übertreffen. Insofern bilden Open-Source-Systeme –<br />
nicht zuletzt aufgrund des Geschäftsmodells des Verkaufs von Service und <strong>Die</strong>nstleistung<br />
rund um Open-Source – eine ernst zu nehmende Alternative zu verbreiteten kommerziellen<br />
Lösungen. Funktionale Konvergenz bedeutet entsprechend auch eine sich<br />
ausbildende Vielfalt an möglichen Lizenz- und Kostenstrukturen bei ähnlichem funktionalem<br />
Angebot (vgl. [SH06a]).<br />
Gängige Lernplattformen werden sich entsprechend rein funktional betrachtet ähnlicher,<br />
wenn auch zum Teil die Fundamente ihrer Architektur erheblich differieren. So führen<br />
unterschiedliche architektonische Konstrukte der jeweiligen Plattformen zu sehr differenzierten<br />
Möglichkeiten der Verzahnung der angebotenen Werkzeuge/<strong>Die</strong>nste. 3 Eine<br />
wesentliche Auswirkung hat die gewählte architektonische Grundlage eines Systems<br />
jedoch insbesondere auf dessen Fähigkeit mit anderen Systemklassen zusammenzuarbeiten.<br />
Neben der funktionalen Konvergenz von Wissensorganisations- und Lernmanagementplattformen<br />
sind als deren besondere Qualitätskriterien die Standardisierung und<br />
Interoperabilität, also die Konvergenz auf Interoperabilitätsebene, zu nennen. Der vorliegende<br />
Beitrag begreift die Fähigkeit zur Interoperabilität, also die Systemkonvergenz<br />
verschiedener Systemklassen des E-<strong>Learning</strong> als wesentliches Merkmal der Nachhaltigkeit<br />
einer aufzubauenden Infrastruktur. <strong>Die</strong> Fähigkeit mit anderen Systemklassen zusammenzuarbeiten<br />
erstreckt sich dabei auf die Dimension des<br />
! standardisierten Austauschs von Daten und Materialien der Lernplattform, also die<br />
Nutzung von Standards zur Kodierung der Inhalte und Strukturen,<br />
! auf die funktionale Verzahnbarkeit verschiedener Systemklassen, also die Möglichkeit<br />
einzelne Funktionseinheiten und <strong>Die</strong>nste in verschiedenen Nutzungskonstellationen<br />
zusammenführen zu können,<br />
! und schließlich auf den Aufbau von sicheren Authentifizierungs- und Autorisierungsinfrastrukturen,<br />
also die Fähigkeit Nutzer- und Gruppenverwaltungen organisatorisch<br />
wie technisch zusammenführen zu können.<br />
Alle drei genannten Dimensionen einer Systemkonvergenz sind entsprechend wichtige<br />
Aspekte der Nachhaltigkeit einer gewählten Lösung. War noch vor wenigen Jahren das<br />
Argument der Wahl einer entsprechenden Plattform aus funktionaler Sicht wesentlich<br />
und vorrangig, so verschiebt sich zusehends der Fokus auf die Nachhaltigkeit der zu<br />
entwerfenden Gesamtlösung. Vereinfacht ausgedrückt lassen sich verschiedene Systeme<br />
weniger durch die besondere eine oder andere Funktion unterscheiden, als durch ihre<br />
Fähigkeiten zur Integration in eine Gesamtinfrastruktur.<br />
3 Auf die Aspekte der Integration von medialen Beschreibungsformen, beispielsweise verwirklicht im Konzept<br />
der Wissensräume, sei an dieser Stelle nicht genauer eingegangen und auf [Ha02] verwiesen.<br />
211
3 Taxonomische Darstellung für Dimensionen der Nachhaltigkeit<br />
<strong>Die</strong> Nachhaltigkeit einer E-<strong>Learning</strong>-Umgebung bzw. eines Lernmanagement-Systems<br />
ist von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst. Auf dem Weg hin zu einer Taxonomie<br />
der Nachhaltigkeit von E-<strong>Learning</strong>-Systemen lässt sich zunächst die Dimension<br />
einer inhaltlichen Betreuung von der Dimension einer organisatorischen Einbettung des<br />
genutzten Produkts mit ihren verschiedenen Faktoren differenzieren. <strong>Die</strong>se Bestandteile<br />
führen zu einer klassifizierenden Gliederung der Nachhaltigkeit von E-<strong>Learning</strong>-<br />
Landschaften und können in Form einer Taxonomie dargestellt werden (vgl. Abbildung<br />
1). <strong>Die</strong> mit der Nachhaltigkeit einhergehenden Umsetzungskonflikte sind in Abbildung 2<br />
tabellarisch aufgeführt.<br />
Dimension 1: Inhaltliche Betreuung<br />
<strong>Die</strong> inhaltliche Betreuung bezieht sich auf die Art und Weise der Pflege der wesentlichen<br />
Bestandteile einer E-<strong>Learning</strong>-Umgebung. So können einerseits die Verwaltung der<br />
Lerner und Lehrende (Faktor 1.1), die Aktualität der Inhalte (Faktor 1.2) und die Betreuung<br />
der Nutzer (Faktor 1.3) als Nachhaltigkeitskriterium aus inhaltlicher Sicht ausgemacht<br />
werden. Zwischen inhaltlicher und organisatorisch-infrastruktureller Nachhaltigkeit<br />
bestehen diverse Abhängigkeiten und ein enger Bezug.<br />
Faktor 1.1: Verwaltung von Lerner und Lehrende<br />
Für jede auf Nachhaltigkeit ausgelegte Nutzung eines E-<strong>Learning</strong>-Systems gilt es die<br />
Nutzer und Lehrenden der Lernumgebung zu verwalten und geeignete Gruppenstrukturen<br />
zu pflegen. Nur wenn Lerner und Lehrende eine strukturierte Lernumgebung vorfinden,<br />
ist eine sinnvolle Nutzung überhaupt erst möglich. Eine einfache Verwaltung liefert<br />
die Grundvoraussetzung für eine Effizienz und Effektivität des Lernsystems.<br />
Faktor 1.2: Aktualität der Lerninhalte<br />
Inhaltskomponenten (Content), wie Materialien, Multiple-Choice-Tests oder Prüfungen,<br />
bedürfen natürlicherweise einer stetigen Aktualisierung und Pflege. Inhalte in Kursen<br />
oder Übungen müssen den wechselnden Rahmenbedingungen der Lehre stets überarbeitet<br />
und die Aufarbeitung und Darstellungsform neuen Strukturen angepasst werden.<br />
Hierzu ist ein organisatorischer wie personell-fachlicher Aufwand zu kalkulieren. Nachhaltige<br />
Pflege bezieht sich auf die Umsetzung dieser Anforderung.<br />
Faktor 1.3: Betreuung der Nutzer<br />
Ähnlich komplex wie die Verwaltung und Aktualisierung eines E-<strong>Learning</strong>-Angebots ist<br />
die Sicherstellung der Betreuung und tutoriellen Begleitung der Nutzer während des<br />
gesamten Lernprozesses. Nicht nur im Umfeld des Blended-<strong>Learning</strong>s bedarf es personellem<br />
Aufwand, inhaltliche Strukturen aufzubauen und den Lernern anzubieten. Für die<br />
Beantwortung von Fachfragen und als Lernbegleiter müssen Tutoren mit unterschiedlichem<br />
Fachwissen zur Verfügung stehen, Teilnehmer motivierend unterstützen sowie<br />
Gruppenprozesse steuern und begleiten.<br />
212
Dimension 2: Organisatorisch-infrastrukturelle Nachhaltigkeit<br />
Infrastrukturelle Nachhaltigkeit bezieht sich auf sämtliche Aspekte des Betriebs der<br />
notwendigen Infrastruktur, insbesondere auf ihrer Einbettung in eine übergreifende Gesamtinfrastruktur.<br />
E-<strong>Learning</strong> ist integraler Bestandteil von Systemen der Organisation<br />
der Lehre, der Prüfungsverwaltung, Kursorganisation, aber auch vielfältiger Formen der<br />
Bereitstellung und Recherche von Lernmaterialien, z.B. als Teil digitaler Bibliotheken.<br />
Verschiedene E-<strong>Learning</strong>-<strong>Die</strong>nste werden Teil einer teils komplexen Infrastruktur, welche<br />
vielfältige Aspekte der Wissensorganisation und des Lernens umspannt. Zu einem<br />
detaillierten Verständnis der infrastrukturellen Nachhaltigkeit muss einer ganzen Reihe<br />
von Fragestellungen nachgegangen werden.<br />
Abbildung 1: Taxonomie einer Nachhaltigkeit von E-<strong>Learning</strong>-Plattformen<br />
Faktor 2.1: Nachhaltigkeit im Betrieb der Plattform<br />
<strong>Die</strong> unterschiedlichen Möglichkeiten, wie E-<strong>Learning</strong>-Systeme grundsätzlich betrieben<br />
werden, sind in genauer zu spezifizieren und unterschiedlichen Betriebsmodellen zuzuordnen<br />
(Faktor 2.1.1). Eng verknüpft mit der Art der nachhaltigen Nutzungsmöglichkeit<br />
einer Plattform sind die jeweiligen, mit den Betriebsmodellen einhergehenden Geschäftsmodelle<br />
der Anbieter verbunden (Faktor 2.1.2). Wird von Nachhaltigkeit eines E-<br />
<strong>Learning</strong>-Systems gesprochen, so sind beide Faktoren als Nachhaltigkeitskriterium zu<br />
berücksichtigen.<br />
Faktor 2.1.1: Entscheidung des Betriebsmodells<br />
Betriebsmodelle im E-<strong>Learning</strong> können unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Beispielsweise<br />
können eine Betreuung, Wartung und Hosting vor Ort (Inhouse-Betrieb einer<br />
eigenen Plattform) in der jeweiligen Institution erfolgen oder ein Outsourcing von Bestandteilen<br />
der Plattform vorgenommen werden. Ein Outsourcing kann über Strategien<br />
des vollständigen externen Hostings einer Lernplattform mit Inanspruchnahme der<br />
<strong>Die</strong>nste eines (Full) Application Service Providers bis hin zu Varianten reichen, die nur<br />
einzelne Bestandteile auskoppeln.<br />
213
Hierzu zählt beispielsweise das Server-Housing, bei dem lediglich Rechenleistung und<br />
Infrastruktur (wie Hardware und Netzwerkinfrastruktur) eines <strong>Die</strong>nstleisters in Anspruch<br />
genommen werden, um auf die eigene Anschaffung und Betreuung notwendiger (kostenintensiver)<br />
Hardware zu verzichten; eine Betreuung der E-<strong>Learning</strong>-Plattform findet<br />
seitens des <strong>Die</strong>nstleisters nicht statt. Vor- und Nachteile gilt es in allen Lösungen gegeneinander<br />
abzuwägen. So erlaubt ein Betrieb vor Ort natürlicherweise eine intensive Anpassung<br />
und ein Zuschnitt der jeweiligen <strong>Die</strong>nste auf den Kontext des Anwendungsfalls.<br />
Auch ist die Kostenstruktur durch vor Ort anfallende Kosten, wie Hardware und Infrastruktur,<br />
geprägt. Notwendig ist entsprechendes Know-How für den Betrieb und die<br />
Pflege der notwendigen Infrastrukturen aufzubringen. Externes Hosting (auch von Teilen<br />
der jeweiligen Infrastruktur) entbindet genau von diesem notwendigen Wissen bzw.<br />
Hardwarekosten. Auch sind Kostenstrukturen zum Teil transparenter abschätzbar, da sie<br />
in Vertragsverhandlungen mit dem <strong>Die</strong>nstleister offengelegt werden. Externes Hosting<br />
geht oftmals einher mit der Nutzung von Standard-Lösungen, welche durch die jeweiligen<br />
Provider vorgegeben sind, allerdings in zunehmendem Maße auch mit Individualanpassungen<br />
angereichert werden. Somit bestimmt die Entscheidung für oder gegen ein<br />
bestimmtes Betriebsmodell auch die Nachhaltigkeit des eingesetzten E-<strong>Learning</strong>-<br />
Systems. Denn nicht zuletzt erweist sich eine zu ungenau durchgeführte Kostenkalkulation<br />
oftmals als Ursache des nicht reibungslosen Funktionierens, wenn nicht sogar der<br />
Einstellung von E-<strong>Learning</strong>-Aktivitäten.<br />
Faktor 2.1.2: Geschäftsmodell der Anbieter<br />
<strong>Die</strong> richtige Wahl des angebotenen Geschäftsmodells beeinflusst in erheblichem Maße<br />
die weitere Zukunftsfähigkeit eines E-<strong>Learning</strong>-Systems. Nachhaltigkeit aus Sicht der<br />
Provider besteht in dem Anbieten geeigneter lizenzorientierter Vertragsbedingungen, da<br />
schlussendlich die Kunden über Akzeptanz oder Ablehnung eines <strong>Die</strong>nstes entscheiden<br />
und direkten Einfluss auf den finanziellen Erfolg eines Produktes haben. Um dieses Ziel<br />
zu erreichen, müssen Lizenzmodelle gleichwohl als Bestandteil eines erfolgreichen Geschäftsmodells<br />
so ausgerichtet werden, dass sie auf Akzeptanz seitens der Nachfrager<br />
stoßen und zu Vertragsabschlüssen führen. Seitens der Nachhaltigkeit aus Nachfragersicht<br />
gilt es zunächst zu unterscheiden, inwieweit Anpassungen, z.B. lediglich durch<br />
einen Anbieter (Closed Source) oder im Idealfall einer Gruppe möglicher Anbieter (Open-Source),<br />
möglich sind. E-<strong>Learning</strong>-Infrastrukturen auf Open-Source-Basis nehmen<br />
in dieser Form eine besondere Stellung in einer Diskussion um die Nachhaltigkeit eines<br />
Produkts ein. Eine Nachhaltigkeit bezogen auf das vorliegende Geschäftsmodell von<br />
Anbieter und Nachfrager erstreckt sich entsprechend über die Dimensionen:<br />
214<br />
! Open-Source – kommerzielles Produkt<br />
! Freie Verfügbarkeit – Lizenzierung<br />
! Verfügbarkeit von Support – Kosten von Supportleistungen<br />
! Aktive Entwicklergemeinde – nachhaltige Betreuung/Support durch Anbieter<br />
! Diversifikation der <strong>Die</strong>nstleister und <strong>Die</strong>nstleistungen – Herstellersupport
Immer wieder werden Studien zum Kostenvergleich von Open-Source-Plattformen mit<br />
kommerziellen Plattformen durchgeführt, deren Ergebnisse zu unterschiedlichen Aussagen<br />
führen. Daher wird auf das Pro und Contra von Open-Source an dieser Stelle nicht<br />
weiter eingegangen. Vielmehr gilt es für den Anwender verschiedene, auf das einzusetzende<br />
Produkt bezogene Faktoren gegeneinander abzuwägen. Für viele auf dem Markt<br />
verfügbare nicht-kommerzielle E-<strong>Learning</strong>-Plattformen existieren durchaus kommerzielle<br />
Anbieter, welche kostenpflichtig Support leisten und Erweiterungen an den jeweiligen<br />
Produkten vornehmen. Das verbreitete Argument Open-Source-Software wäre einerseits<br />
umsonst, würde andererseits aber wenig professionellen Support bieten können, ist nicht<br />
mehr in dem Maße gültig. Vielen Orts kehrt sich das genannte Argument um, indem<br />
Software, welche vom Quelltext offen liegt, eine breitere Vielfalt an möglichen Anbietern<br />
von <strong>Die</strong>nstleistungen und Erweiterungen nach sich zieht. Der Kunde ist in diesem<br />
Fall nicht vom Geschäftsmodell eines einzelnen Herstellers abhängig. Kriterien für gute<br />
Open-Source-Software im Sinne der Nachhaltigkeitsdiskussion orientieren sich an dem<br />
Vorhandensein einer aktiven Entwicklergemeinde. 4 Letztere ist gleichzeitig auch der<br />
Garant für das Vorhandensein einer ausreichenden Zahl kommerzieller Anbieter rund<br />
um ein Open-Source-Produkt (vgl. [SH06b]). Hieraus ergibt sich eine Kosten-Nutzen-<br />
Relation aus eingesparten Lizenzkosten eines kommerziellen Produktes zu eingekauftem<br />
Support und Entwicklung durch einen externen <strong>Die</strong>nstleister für eine Open-Source-<br />
Lösung. Es gilt ebenso abzuwägen wie viel Know-How zur Nutzung und Erweiterung/Entwicklung<br />
an einer Open-Source-Plattform aufzubauen ist.<br />
Anpassbarkeit und Zukunftsfähigkeit von Lernplattformen werden in den nächsten Jahren<br />
wesentlich durch serviceorientierte Architekturen an Flexibilität gewinnen. Schon<br />
jetzt sind mit Hilfe verschiedener architektonischer Konzepte, wie beispielsweise Webservices,<br />
Architekturmodelle erkennbar, in denen sich <strong>Die</strong>nste von verschiedenen Anbietern,<br />
also auch Open-Source-Anbietern, in Lern- und Arbeitsumgebungen zusammen<br />
führen lassen. Möglichst offene Schnittstellen führen hierbei zu neuartigen Systemarchitekturen<br />
in denen verschiedene <strong>Die</strong>nsteanbieter ihre spezifischen Services erbringen.<br />
Gleichzeitig ergeben sich neue Geschäftsmodelle, als Teil derer sich <strong>Die</strong>nste beispielsweise<br />
mieten lassen.<br />
Faktor 2.2: Nachhaltige Instanziierung einer Lernumgebung<br />
Eine nachhaltige Instanziierung ist wesentlich mit der Betreuung der Nutzer und Gruppenstruktur<br />
(Dimension 1) verknüpft. Das Einrichten neuer Nutzer und Gruppen und die<br />
Pflege und Aktualisierung der bestehenden Gruppenstruktur sind wichtige Bestandteile<br />
eines Nachhaltigkeitskonzepts einer E-<strong>Learning</strong>-Infrastruktur. Auch wenn seit einigen<br />
Jahren Ansätze der dezentralen Administration 5 existieren und verschiedene Verfahren<br />
der automatischen oder halbautomatischen Anmeldung zu E-<strong>Learning</strong>-Umgebungen<br />
Anwendung finden, verbleibt ein nicht unerheblicher Aufwand an notwendiger Betreuung<br />
und Pflege der Nutzerstruktur.<br />
4 vgl. die weltumspannende Entwicklergemeinschaft der Plattform Moodle (www.moodle.org)<br />
5 Als Teil einer dezentralen Administration werden Nutzer- und Gruppenstruktur durch eine größere Gruppe<br />
von Administratoren gepflegt – nicht wie sonst üblich durch einen oder wenige Administratoren.<br />
215
Bereits heute wird in diesem Zusammenhang die Einbindung eines E-<strong>Learning</strong>-Systems<br />
in einen zentralen Verzeichnisdienst angewendet, wie beispielsweise über eine LDAP-<br />
Schnittstelle 6 . Autorisierungs- und Authentifizierungsinfrastrukturen führen letztlich zu<br />
einer Zentralisierung von Aufgaben, Pflege und Verwaltung von Nutzerinformationen.<br />
Der enge Zusammenhang von Nachhaltigkeit und entsprechender Interoperabilität der<br />
genutzten Werkzeuge zeigt sich am Beispiel der Integration verschiedener Angebote des<br />
SprachChancen-Verbunds 7 in die der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb). <strong>Die</strong> vhb stellt<br />
ein zentrales Portal zur Belegung verschiedener Kursangebote bereit. <strong>Die</strong> eigentlichen<br />
Kursmaterialien verbleiben in den Lernumgebungen der jeweiligen Kursanbieter. <strong>Die</strong>ses<br />
Vorgehen macht entsprechend Schnittstellen zur automatischen Kursregistrierung auf<br />
Seiten der Kursanbieterplattformen notwendig. Im Idealfall wäre der Aufbau einer zentralen<br />
Authentifizierungs- und Autorisierungsinfrastruktur (AAI) beispielsweise auf Basis<br />
der Shibboleth-Software 8 wünschenswert, die es den Lernenden erlaubt sich transparent<br />
zwischen Lernplattformen und dem vhb-Studierendenportal mit einem Single-Sign-On<br />
zu bewegen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang auch Szenarien des Outsourcings<br />
von Betreuungsleistungen der Nutzer- und Gruppenstruktur (vgl. Faktor 2.1). Teil der<br />
Nachhaltigkeitsanalyse einer Lernumgebung ist die Prüfung des Vorhandenseins flexibler<br />
Schnittstellen zur Nutzerverwaltung (Verwendbarkeit externer Werkzeuge bzw. Einbettung<br />
in Autorisierungs- und Authentifizierungsinfrastrukturen). Gleichzeitig sind die<br />
innerhalb des Systems angebotenen Werkzeuge zur Administration von Nutzer- und<br />
Gruppenstrukturen bezogen auf die Größe und Struktur, sowie Komplexität des geplanten<br />
Einsatzes und der damit erforderlichen Gruppenstruktur in die Betrachtung einzubeziehen.<br />
Faktor 2.3: Innovationsgrad einer Plattform<br />
Als weitere Bestandteile einer Nachhaltigkeitsanalyse sind Aspekte des Innovationsgrades<br />
der gewählten Plattform zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit definiert sich zu einem<br />
guten Teil über die Dynamik an Innovationen, d.h. die kontinuierliche Weiterentwicklung<br />
und Anpassung der gewählten Plattform. Wachsende Bedürfnisse der Nutzer, aber<br />
auch sich ändernde Vorstellungen der Ausgestaltung von E-<strong>Learning</strong>-Systemen definieren<br />
eine kontinuierliche Notwendigkeit zur Innovation der verwendeten Werkzeuge.<br />
Aber auch sich laufend ändernde Rahmenbedingungen, wie beispielsweise sich wandelnde<br />
Arbeitsumgebungen der Nutzer (Betriebssysteme, verwendete Werkzeuge) und<br />
sich ändernde Rahmenbedingungen zum Betrieb der jeweiligen Plattformen (Serverumgebungen,<br />
Schnittstellen etc.) machen die kontinuierliche Anpassung der verwendeten<br />
Systeme notwendig.<br />
Nachhaltigkeit bedeutet beiden Gegebenheiten in flexibler Weise Rechnung tragen zu<br />
können. Beeinflusst wird die Möglichkeit hierzu zu einem guten Stück von der Zukunftsfähigkeit<br />
einer Plattform, welche sich zum einen von dem Innovationspotenzial<br />
der realisierten Systemarchitektur (Faktor 2.3.1) und zum anderen der Nutzung zukunftsweisender<br />
Standards (Faktor 2.3.2) ableitet.<br />
6<br />
vgl. Verzeichnisdienste wie das Lightweight Directory Access Protocol.<br />
7<br />
vgl. www.sprachchancen.de<br />
8<br />
vgl. http://shibboleth.internet2.edu/<br />
216
Faktor 2.3.1: Innovationspotential der Architektur<br />
<strong>Die</strong> realisierte Systemarchitektur beeinflusst entsprechend unmittelbar die Art und Weise,<br />
wie sich eine E-<strong>Learning</strong>-Umgebung auf sich ändernde Ansprüche anpassen lässt.<br />
Handelt es sich beispielsweise um eine Architektur, welche auf ein eher starres Datenbankschemata<br />
zurückgreift, lassen sich nur schwer weitere Attribute in ein System einfügen<br />
oder strukturelle Änderungen an der Systemarchitektur vornehmen. Flexible und<br />
vor allem moderne erweiterungsfähige Architekturansätze bieten hier erheblich mehr<br />
Spielraum. Beispiele sind so genannte serviceorientierte Architekturmodelle (SOA),<br />
welche sich aus Sicht der Systemarchitektur durch besonders flexibel kombinierbare und<br />
damit erweiterbare Teilkomponenten auszeichnen. Problematisch ist im Zusammenhang<br />
mit der Einschätzung eines realisierten Architekturmodells, dass es auf die meisten verfügbaren<br />
Systeme bezogen äußerst schwer fällt, die Systemarchitektur eines Werkzeugs<br />
im Detail zu ermitteln. Ein kritischer Blick auf die realisierte Architektur lässt sich entsprechend<br />
meist nur in engem gedanklichen Austausch mit den Entwicklern/Softwarearchitekten<br />
des jeweiligen E-<strong>Learning</strong>-Systems erzielen.<br />
Faktor 2.3.2: Nutzung zukunftsweisender Standards<br />
Standards definieren einen plattform- und herstellerübergreifenden Weg der Speicherung<br />
und des Austauschs von Materialien. Standards beziehen sich auch auf die Integrierbarkeit<br />
der jeweiligen Plattform in umfassendere Infrastrukturen. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit<br />
einmal entwickelter Materialien spielt ihre Übertragbarkeit und Wiederverwendbarkeit<br />
mit Hilfe verschiedener Standards eine ausgezeichnete Rolle. So gelingt es,<br />
Materialien, wie Kurse oder auch einzelne Aufgaben von einem E-<strong>Learning</strong>-System in<br />
ein weiteres System zu überführen und dort zu nutzen. E-<strong>Learning</strong>-Standards sind entsprechend<br />
kein theoretisches Qualitätskriterium, sondern ein wirkliches Kriterium der<br />
Nachhaltigkeit einer genutzten Umgebung. Standards, wie SCORM 9 , LOM 10 , QTI 11 oder<br />
IMS <strong>Learning</strong> Design 12 bieten sehr unterschiedliche Möglichkeiten und bedürfen einer<br />
ganzen Reihe von Voraussetzungen. Allerdings gelingt es in der Praxis nur sehr bedingt,<br />
in einem der genannten Standards abgelegte Materialien ohne größeren Aufwand oder<br />
Anpassung von einer E-<strong>Learning</strong>-Umgebung in eine weitere Umgebung zu überführen.<br />
<strong>Die</strong>s zeigt sich z.B. daran, dass Export-Funktionen von Materialien in verschiedenen<br />
Standards oftmals ausgeprägter ausgestaltet sind als notwendige Import-Funktionen.<br />
Entsprechend sollte im Rahmen einer Nachhaltigkeitsdiskussion auch kritisch hinterfragt<br />
werden, wie konkret der jeweilig unterstützte Standard ausgestaltet ist. In vielen Fällen<br />
werden lediglich Subsets des genormten Standards unterstützt; auch werden Standards in<br />
vielen Fällen durch proprietäre Erweiterungen ergänzt. Beides macht das ursprüngliche<br />
Ziel einer Übertragbarkeit von Materialien schwierig und in der Praxis teils unmöglich.<br />
Leider befinden sich E-<strong>Learning</strong>-Standards, wie beispielsweise IMS <strong>Learning</strong> Design in<br />
vielen Bereichen noch im Entwicklungsstadium und eignen sich zum Teil nur bedingt<br />
zur Codierung von Lernmaterialien in einer alltagstauglichen Art und Weise. Auf der<br />
9 SCORM, Sharable Content Object Reference Model<br />
10 LOM, <strong>Learning</strong> Object Metadata<br />
11 IMS Question & Test Interoperability Specification, http://www.imsproject.org/question/<br />
12 IMS <strong>Learning</strong> Design Specification, http://www.imsglobal.org/learningdesign/)<br />
217
anderen Seite zeugen vorhandene Standards gegenüber rein proprietären Lösungen von<br />
einem hohen technischen Niveau und einer gewissen Innovationskraft der jeweiligen<br />
Plattform. Ist die praktische Nutzbarkeit vieler Standards, speziell im Übergang zwischen<br />
verschiedenen Plattformen oftmals ernüchternd, tragen sie doch entscheidend zur<br />
Zukunftsfähigkeit der jeweiligen Lösung bei. Zu hoffen gilt in Bezug auf den letztgenannten<br />
Punkt, dass sowohl genutzte Standards, aber auch deren Umsetzung und Ausgestaltung<br />
kontinuierlich verbessert werden.<br />
Faktor 2.4: Verzahnung auf organisatorisch-infrastruktureller Ebene<br />
Infrastrukturelle Nachhaltigkeit erstreckt sich auch auf die organisatorischinfrastrukturelle<br />
Verzahnung des E-<strong>Learning</strong>-Produkts mit seinen ihn umgebenden Systemen.<br />
Wie schon im Bereich der Nutzerverwaltung angedeutet, können E-<strong>Learning</strong>-<br />
Systeme nicht länger als isolierte Einheiten verstanden werden, vielmehr sind sie Bestandteil<br />
einer offenen <strong>Die</strong>nsteinfrastruktur. Als Teil dieser offenen und flexiblen<br />
<strong>Die</strong>nsteinfrastruktur werden Schnittstellen wichtige Grundvoraussetzung der Integrierbarkeit<br />
des jeweiligen Systems. Zu unterscheiden gilt es zunächst inwieweit eine Verzahnung<br />
auf enger technischer Kopplungsebene (Faktor 2.4.1) oder eine voneinander<br />
unabhängige, lose gekoppelte <strong>Die</strong>nste Verzahnung erfolgt (Faktor 2.4.2).<br />
Faktor 2.4.1: Verzahnung auf enger technischer Kopplungsebene<br />
Eine Verzahnung auf enger technischer Kopplungsebene bildet die klassische Form der<br />
Verknüpfung verschiedener E-<strong>Learning</strong>-Systeme, z.B. auf Basis verschiedener Programmierschnittstellen.<br />
Gängige E-<strong>Learning</strong>-Systeme zeichnen sich durch verschiedene<br />
Schnittstellen zum Datenaustausch, z.B. zur externen Anbindung einer Nutzerverwaltung<br />
aus. Zum Teil existieren Programmierschnittstellen (oftmals ausgelegt als APIs für<br />
typische Scripting-Sprachen), bei denen der Austausch innerhalb der jeweiligen Institution<br />
erfolgt. Hierbei werden Systeme z.B. auf Ebene der Nutzerverwaltung sehr direkt<br />
miteinander verbunden (z.B. Anbindung an einen zentralen Verzeichnisdienst/LDAP-<br />
Server). Zu einer Kopplung verschiedener Systeme und Systemklassen ist ein sehr spezifisches<br />
Wissen um die Strukturen und das Verhalten des jeweiligen Systems notwendig.<br />
E-<strong>Learning</strong>-Standards sind ein erster wichtiger Schritt um Datenformate und Metadaten<br />
zwischen verschiedenen Systemen zu normieren. <strong>Die</strong>se Normierung findet in der Regel<br />
auf Basis verschiedener XML-Beschreibungen statt. Als oftmals problematisch erweist<br />
sich in diesem Zusammenhang die fehlende technische und strukturelle Anbindungsmöglichkeit<br />
einiger E-<strong>Learning</strong>-Lösungen an die Verzeichnisdienste einer Nutzerdaten<br />
verwaltenden Institution (z.B. Rechenzentrum).<br />
Faktor 2.4.2: Verzahnung auf loser technischer <strong>Die</strong>nste-Ebene<br />
Eine nächste wichtige Stufe der Koppelbarkeit von E-<strong>Learning</strong>-Systemen bilden offene<br />
Interoperabilitätsschnittstellen. Ziel ist hier auch die institutionsübergreifende Kopplung<br />
von Systemen zu ermöglichen. E-<strong>Learning</strong>-Systeme treten als <strong>Die</strong>nstnehmer und <strong>Die</strong>nstgeber<br />
auf.<br />
Merkmale sind zum einen die Selbstbeschreibungsfähigkeit der bereitgestellten <strong>Die</strong>nste<br />
zu fördern. <strong>Die</strong> konkrete Realisierung (Implementierung) des jeweiligen Systems tritt<br />
zugunsten einer Datenkapselung in den Hintergrund. Zum anderen führen dienstorien-<br />
218
tierte Ansätze zu einer gewissen Austauschbarkeit der jeweiligen <strong>Die</strong>nste. Wichtige<br />
architektonische und technische Grundlagen bilden die so genannten Webservices. Webservices<br />
im E-<strong>Learning</strong>-Umfeld erlauben es beispielsweise auch sehr heterogene Systemklassen<br />
funktional zu koppeln. Beispielsweise lässt sich eine Suche aus einem E-<br />
<strong>Learning</strong>-System in einer digitalen Bibliothek vornehmen oder Lernmanagement-<br />
Systeme werden funktional an E-<strong>Learning</strong>-Systeme angebunden (Belegung eines Kurses<br />
o.ä.) (vgl. [Bo06]). Unter dem Gesichtspunkt einer Bewertung der Nachhaltigkeit bilden<br />
offene und flexible Interoperabilitätsschnittstellen die wesentlichen Grundlagen zur<br />
Realisierung erfolgreicher Systemkonvergenzen. Im letzteren Bereich findet sich sicherlich<br />
das größte Innovationspotenzial von E-<strong>Learning</strong>- und Lernmanagement-Systemen,<br />
wenngleich auch von Kommunikationssystemen und Plattformen für Zusammenarbeit.<br />
<strong>Die</strong> Grenzen eines einzelnen Produktes werden zu Gunsten einer durch offene Schnittstellen<br />
ermöglichte <strong>Die</strong>nsteintegration zu einem Konstrukt aufgehoben, das auf Individualität<br />
und Flexibilität ausgerichtet ist.<br />
Abbildung 2: Konfliktpotential bei angewendeter Nachhaltigkeit<br />
4 Ausblick: Nachhaltigkeit auf Handlungsebene<br />
Der Entwurf einer Taxonomie verschiedener Faktoren der Nachhaltigkeit hat deutlich<br />
gemacht, wie wichtig sich Nachhaltigkeit für die aktuelle Landschaft der Wissensorganisation<br />
und des klassischen E-<strong>Learning</strong> darstellt. E-<strong>Learning</strong>-Systeme fungieren nicht<br />
länger als weitgehend isolierte Einheiten; sie nehmen ihren Platz in einem komplexen<br />
Geflecht aus miteinander interagierenden <strong>Die</strong>nsten ein und bilden entsprechend im Idealfall<br />
eine durchgängige Infrastruktur. Zum Aufbau einer derartigen Infrastruktur sind eine<br />
ganze Reihe technischer, aber auch organisatorischer Voraussetzungen zu erfüllen.<br />
<strong>Die</strong>se reichen von der Wahl und Architektur der jeweiligen Plattform der Pflege und<br />
Erweiterbarkeit bis zu Fragen ihres Betriebs als Bestandteil einer <strong>Die</strong>nstinfrastruktur.<br />
Aktuell viel diskutierte Fragen betreffen insbesondere die Integration einer plattform-<br />
219
übergreifenden Nutzer- und Gruppenstruktur. <strong>Die</strong> nächste Stufe einer Interoperabilität<br />
und Systemkonvergenz betrifft sicherlich plattformübergreifende Interaktionen der Lernenden<br />
und Lehrenden. Erst wenn es gelingt Lernmaterialien unabhängig der Grenzen<br />
der beteiligten Lern- und Arbeitsplattformen zu verwalten und für die Lernenden manipulierbar<br />
machen zu können, kann von wirklichen virtuellen Wissensräumen (vgl.<br />
[Ha02] und [KHE05]) gesprochen werden. Ziel sollte sein, die Limitierungen medialer<br />
Handlungsmöglichkeiten bedingt durch die beteiligten Systeme auf ein Minimum zu<br />
reduzieren. <strong>Die</strong> Reduzierung von Medienbrüchen ist hierzu ein wesentliches Kriterium.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[BHM02] Baumgartner, P., Häfele, H. & Maier-Häfele, K.: E-<strong>Learning</strong> Praxishandbuch, Studien<br />
Verlag, Innsbruck, 2002.<br />
[Bo06] Bopp, T., Hampel, T., Hinn, R., Lützenkirchen, F., Prpitsch, C. & Richter, H.: Alltagstaugliche<br />
Mediennutzung erfordert Systemkonvergenz in Aus- und Weiterbildung. In:<br />
Seiler Schiedt, E., Kälin, S. & Sengstag, Ch. (Hrsg.), E-<strong>Learning</strong> – alltagstaugliche Innovation?.<br />
Waxmann, Münster, 2006, Bd. 38, S. 87-96.<br />
[Ha02] Hampel, T.: Virtuelle Wissensräume. – Ein Ansatz für die kooperative Wissensorganisation,<br />
<strong>Universität</strong> Paderborn, <strong>Informatik</strong>, Dissertation, 2002.<br />
[KHE05] Keil-Slawik, R., Hampel, T., Eßmann, B.: Re-Conceptualizing <strong>Learning</strong> Environments:<br />
A Framework for Pervasive e<strong>Learning</strong>. In: Proceedings of the Third IEEE International<br />
Conference on Pervasive Computing and Communications Workshops, IEEE Press,<br />
2005, S. 322-326.<br />
[Sc03] Schulmeister, R.: Lernplattformen für das virtuelle Lernen: Evaluation und Didaktik.<br />
Oldenbourg Verlag, München, 2003.<br />
[SH06a] Steinbring, M. & Hampel, T.: Nachfragerorientierte Lizenzierung in e-<strong>Learning</strong>-<br />
Umgebungen – Eine Klassifikation typischer Lizenzmodelle. In: Mühlhäuser, M., Rößling,<br />
G., Steinmetz, R. (Hrsg): DeLFI 2006, Darmstadt, 2006, Lect. Notes Inform., Proc.<br />
(Vol. 87), S. 363-374.<br />
[SH06b] Steinbring, M & Hampel, T.: Finanzierungsalternativen und <strong>Die</strong>nstleistungsmodelle von<br />
Open-Source-Software in webbasierten Umgebungen. In: Christian Hochberger, Rüdiger<br />
Liskowsky (Hrsg): <strong>Informatik</strong> 2006, <strong>Informatik</strong> für Menschen, Dresden, 2006, Lect. Notes<br />
Inform., Proc. (Vol. 94), S. 71-76.<br />
220
koaLA – Integrierte Lern- und Arbeitswelten für die<br />
<strong>Universität</strong> 2.0<br />
Alexander Roth, René Sprotte, Daniel Büse, Thorsten Hampel<br />
<strong>Universität</strong> Paderborn<br />
{roth, renspr, dbuese, hampel}@uni-paderborn.de<br />
Abstract: Geleitet von der Fragestellung, wie sich die aktuellen inhaltlichen und technologischen<br />
Konzepte des sog. Web2.0 auf universitäre Infrastrukturen übertragen und<br />
dabei neue Potenziale sowohl für traditionelle als auch informelle Lernkontexte umsetzen<br />
lassen, wurde an der <strong>Universität</strong> Paderborn die ko-aktive Lern- und Arbeitsumgebung<br />
koaLA entwickelt. In diesem Papier beschreiben wir, welche Überlegungen<br />
und Architekturkonzepte dazu beigetragen haben, Medienbrüche in den Prozessen der<br />
Wissenstransformation aufzuheben, Partizipationsbarrieren herabzusetzen und koaLA<br />
Hochschulweit als Lernplattform einzuführen.<br />
1 Einleitung<br />
<strong>Die</strong> Vision des kooperativen Lernens mit neuen Medien ist so alt wie die Diskussion<br />
um kooperationsunterstützende Werkzeuge und Systeme. Spätestens seit dem Entstehen<br />
des Fachgebiets der Computer-gestützten kooperativen Zusammenarbeit (CSCW) (vgl.<br />
[Gr88]) existiert die Vorstellung mehr oder weniger konstruktivistische Formen des Lernens<br />
durch digitale Medien geeignet unterstützen zu wollen. Einer Phase der Entwicklung<br />
von so genannten CSCW-Werkzeugen (kooperative Editoren, Shared Whiteboards<br />
etc.) folgte eine Phase des Entwurfs zumeist geschlossener Groupware Systeme mit ihren<br />
spezifischen Ausprägungen als kooperative Lernsysteme. In dieser ersten Phase waren<br />
meist spezielle Zugangswerkzeuge (Clients) des jeweiligen Herstellers notwendig um<br />
die Lernumgebung den Lernenden zugänglich zu machen. In der zweiten Phase erlauben<br />
WWW-Schnittstellen den Nutzern einen einheitlichen browsergestützten Zugang zu<br />
den genannten Systemen. Letztgenannte Systeme weisen in Bezug auf ihre Funktionalität<br />
oftmals große Ähnlichkeiten auf. Es existieren Mechanismen zur Kommunikation und Koordination<br />
der Lernenden sowie Möglichkeiten der kooperativen Ablage von Materialien.<br />
Unterschiede finden sich in den genutzten Metaphern (Lernräume, Schreibtisch, Kurs)<br />
und den unterstützten Fähigkeiten der Abgrenzung von Zuständigkeiten durch Rollen und<br />
Rechte. Auch differieren kooperative Lernumgebungen in den zum Teil integrierten didaktischen<br />
Modellen. Trotzdem kann für die Klasse der kooperativen Lernumgebungen von<br />
einer Konvergenz der angebotenen Funktionalität gesprochen werden.<br />
Neue Impulse erhalten kooperative Systeme und Lernumgebungen durch die Diskussion<br />
um das Web 2.0 oder auch E-<strong>Learning</strong> 2.0 (bspw. [Al06], [Ba06]). Neben dem breiten<br />
221
Einsatz inzwischen gereifter Technologien wie RSS, Web Services und Asynchronous JavaScript<br />
and XML (AJAX) zur Implementierung offener Umgebungen und benutzungsfreundlicheren<br />
Oberflächen haben auch die Möglichkeiten zur Kooperation zugenommen:<br />
Werkzeuge wie Wikis, Weblogs und Podcasts stellen in Verbindung mit sozialen Netzwerken<br />
den Benutzer als Produzent von Inhalten respektive seine kooperativen Aktivitäten<br />
deutlich in den Mittelpunkt (vgl. [BD05]). Ein Einfluss, der nicht nur beim Arbeiten, sondern<br />
auch beim Lernen weg von vollständig vorgegeben Strukturen und geschlossenen<br />
Systemen hin zu wissens- und individuumzentrierten, offenen Umgebungen führt (vgl.<br />
[Ro06], [NMC06], [KS03]).<br />
Im Rahmen des Paderborner Projekts Locomotion1 wurde die ko-aktive Lern- und Arbeitsplattform<br />
koaLA2 geschaffen, die diesen Fokus auf Individuen und indivuelle Kooperationskontexte<br />
aufgreift und mit den herkömmlichen Funktionen des klassischen Kursmanagements<br />
kombiniert. Über virtuelle, je nach Kontext selbst organisierbare Lern- und<br />
Arbeitsräume werden die wichtigsten Elemente und Notwendigkeiten des Lernens, der Organisation<br />
des Studiums und des Aufbaus sozialer Strukturen integriert. Grundlegend ist<br />
dabei die konsequente Orientierung an den individuellen Anforderungen der Studierenden.<br />
Unsere Erfahrungen im ersten Semester Testbetrieb haben gezeigt, dass die Umsetzung<br />
von koaLA als offenes System und der Fokus auf individuell gestaltbare Lern- und Arbeitskontexte<br />
von Studierenden sehr gut angenommen wird3 . Aber auch von Dozierende,<br />
die das System dazu nutzen, neue didaktische Konzepte auszuprobieren und eine stärkere<br />
Mischung von vorstrukturierten und von Studierenden selbst organisierten Szenarien in<br />
verschiedenste Veranstaltungsformen einzubinden.<br />
Auf den folgenden Seiten möchten wir zunächst die Konzepte und Funktionen erklären,<br />
die es ermöglichen, sowohl formale als auch informelle Kontexte auszugestalten und zu<br />
kombinieren und dabei die sozialen Strukturen der Lernenden zu fördern. Danach veranschaulichen<br />
wir die technische Umsetzung anhand einer typischen Web2.0-Architektur<br />
und zeigen auf, wie durch Integration auf verschiedenen Ebenen mediale Brüche in der<br />
universitären Informationsarchitektur aufgehoben werden. Unsere ersten Erfahrungen in<br />
einem Semester Testbetrieb sowie die Überführung der Plattform in die etablierten hochschuleigenen<br />
Supportstrukturen für einen nachhaltigen Einsatz beschreiben wir im vierten<br />
Abschnitt. Das Papier endet mit einem Ausblick auf die anstehende Pilotierungsphase und<br />
die Ausweitung auf den universitätsweiten Betrieb.<br />
1 Low Cost Multimedia Organisation and Production, siehe http://locomotion.uni-paderborn.de.<br />
2 koaLA: ko-aktive Lern- und Arbeitsumgebung“ der <strong>Universität</strong> Paderborn, siehe http://koala.<br />
”<br />
uni-paderborn.de.<br />
3 Pro Tag wurden durchschnittlich 1700 Besucher mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 9 Minuten<br />
verzeichnet.<br />
222
2 <strong>Die</strong> Unterstützung formaler und informeller Lernkontexte in der<br />
Praxis<br />
In der Wissenschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man beim Lernen – wenn<br />
möglich – verschiedene Sozialformen und Methoden abwechseln sollte (vgl. [We05]). Individuelle<br />
Phasen sollten mit kooperativen Phasen kombiniert werden, strukturierte Settings<br />
(z. B. Kurse und Seminare) mit selbstorganisierten (bspw. Lerngruppen, Arbeitsgruppen,<br />
Projektgruppen).<br />
Lernende bewegen sich entsprechend ihrer jeweiligen Lebens- und Lernphase, z. B. als<br />
Studierende der <strong>Universität</strong>, in einem komplexen Geflecht aus sozialen und organisatorischen<br />
Beziehungen. Soziale Beziehungen sind in kooperativen Lernumgebungen meist<br />
durch starre Lerngruppen repräsentiert, welche sich an der Veranstaltungsform/Organisationsform<br />
der Lehrveranstaltung orientieren. In vielen Fällen repräsentiert diese Organisationsform<br />
jedoch nicht die von den Lernenden selbst gewählten Gruppenstrukturen wie<br />
Lerngruppen und Lerngemeinschaften. Soll der Lernende im Zentrum einer Lern- und Arbeitsumgebung<br />
stehen, muss dieser seine eigenen Prozesse der Wissensschaffung koordinieren<br />
und leicht zwischen verschiedenen individuellen, kooperativen sowie strukturierten<br />
und selbstorganisierten Kontexten wechseln können.<br />
Hierzu wird ein physikalischer, virtueller oder mentaler Kontext benötigt, in dem neues<br />
Wissen geschaffen werden kann (vgl. [NTK01], S. 11). Das Konzept virtueller Wissensräume4<br />
beschreibt dabei die Anreicherung von Orten durch virtuelle Kontakte und Kommunikation<br />
sowie die Ergänzung derer gemeinsamen Erfahrungen und Ideen auf mentaler<br />
Ebene. Weiterhin vereinen virtuelle Wissensräum synchrone und asynchrone Formen der<br />
Zusammenarbeit mit der Verwaltung hypermedialer Dokumente. Dem Ort wird zudem ein<br />
Ad-hoc-Charakter zugeschrieben: Er ist immer offen und kann durch die Beteiligten nach<br />
Belieben betreten und verlassen werden (vgl. [Ke07] und [Ha02]).<br />
koaLA wurde grundlegend auf dem Konzept des virtuellen Wissensraums entwickelt und<br />
integriert über dieses Modell Funktionen des klassischen Kursmanagements sowie – je<br />
nach Kontext – selbst organisierbare Lern- und Arbeitsräume für Gruppen und Individuen.<br />
2.1 Gruppen sind Kurse sind Gruppen<br />
Sämtliche Arbeitsbereiche (individuelle Arbeitsräume, kooperative Arbeitsräume und Kursräume)<br />
werden in koaLA über das Konzept einer Gruppe realisiert. Eine Gruppe bildet<br />
die Umgebung in der Kommunikationsobjekte, Materialien, soziale Strukturen und<br />
zusätzliche Funktionen dargestellt und organisiert werden. Kurse bzw. Kursräume sind in<br />
diesem System nur eine besonders ausgezeichnete Form einer Gruppe, erben jedoch deren<br />
Funktionen. Dadurch kann leicht von einem individuellen Arbeitsraum einer privaten<br />
Gruppe in den kooperativen Arbeitsraum eines Kurses gewechselt werden. Insbesondere<br />
für den Wechsel zwischen informellen und formalen Lernkontexten bietet dieses Kon-<br />
4 In der Literatur finden sich verschiedene Bezeichnungen für dieses Konzept: Streitz et al. nannten es ” Activity<br />
Spaces“ (vgl. [SHT89]), Nonaka et al. nennen es ” ba“ aus dem Japanischen für ” Ort“ (vgl. [NTK01]), Wessner<br />
nennt es einfach ” kooperativer Kontext“ (vgl. [We05]).<br />
223
strukt Lernenden die Möglichkeit, Dokumente und andere Materialien ohne Medienbrüche<br />
innerhalb von koaLA zu transportieren.<br />
Abbildung 1: koaLA zeigt die Startseite einens Gruppen- / Kursraums<br />
Gruppen (und damit Kurse) sind immer gleich aufgebaut. Abbildung 1 zeigt den Aufbau<br />
eines typischen Gruppenraums. Jeder Gruppenraum besteht aus einer Startseite mit<br />
einer Beschreibung der Gruppe und einer Liste von Personen, die diese Gruppe betreuen.<br />
Im Fall von Kursen sind dies Dozierende und/oder Mitarbeitende der Dozierenden.<br />
Unter dem Punkt ” Kommunikation“ stehen unterschiedliche Kommunikationsfunktionen<br />
zur Verfügung. koaLA stellt derzeit Foren, Blogs (inkl. Podcasts) und Wikis bereit. <strong>Die</strong>se<br />
Werkzeuge sind direkt im Gruppenkontext eingebettet. <strong>Die</strong> Zugriffsrechte zu diesen<br />
Werkzeugen können von den Betreuern einer Gruppe beliebig gesteuert werden. So lassen<br />
sich öffentliche Foren, Wikis und Blogs betreiben, in denen jeder Nutzer in koaLA lesen,<br />
schreiben und kommentieren kann. Andere Nutzungsformen erlauben nur das Lesen und<br />
Kommentieren oder den vollen Zugriff, jedoch beschränkt auf die Teilnehmer der Gruppe.<br />
Der Punkt ” Lektionen“ stellt zur Zeit eine klassische Materialverwaltung bereit. Zukünftig<br />
sollen unter diesem Punkt auch Funktionen für spezielle didaktische Szenarien zu finden<br />
sein (vgl. Abschnitt 5). <strong>Die</strong> Materialverwaltung bietet jedoch neben den klassischen Funktionen<br />
zur Organisation von Dokumenten erweiterte Funktionen der Bearbeitung und Erschließung<br />
von Dokumenten über die Strukturierung von Diskursen oder das Bewerten<br />
und Ordnen von Materialien bis zur Koordinierung von räumlich und zeitlich verteilten<br />
Aktivitäten. Insbesondere können sich die Lernenden in Kleingruppen selbst organisieren<br />
und ihre eigenen Dokumente untereinander austauschen und mit den veranstaltungsbezogenen<br />
Materialien verknüpfen.<br />
224
koaLA erlaubt es jedem Nutzer eigene Gruppen anzulegen. Dabei werden drei Ausprägungen<br />
von Gruppen unterschieden. <strong>Die</strong>se unterscheiden sich jedoch nicht in den Funktionen,<br />
sondern nur in der Sichtbarkeit anderen Nutzern gegenüber. Öffentliche Gruppen sind<br />
für jeden Nutzer im Gruppenverzeichnis sichtbar. Der Zugang zu öffentlichen Gruppen<br />
kann dabei völlig offen sein oder ein gesondertes Passwort erfordern. Öffentliche Gruppen<br />
mit Einladung sind ebenfalls für jeden Nutzer sichtbar, jedoch erfolgt die Teilnahme ausschließlich<br />
über die Einladung eines Gruppenbetreuers. <strong>Die</strong> dritte Form einer Gruppe ist<br />
die private Gruppe. Private Gruppen sind nicht öffentlich sichtbar und eigenen sich sowohl<br />
als individueller Arbeitsraum als auch für private Übungsgruppen. <strong>Die</strong> Mitgliedschaft anderer<br />
Nutzer erfolgt hier ausschließlich über die Einladung eines Gruppenbetreuers. Unabhängig<br />
von der Form einer Gruppe haben Gruppenbetreuer erweiterte Möglichkeiten der<br />
Rechtesteuerung innerhalb der Gruppe. Z. B. können in der Materialverwaltung Bereiche<br />
eingerichtet werden, die für andere Nutzer nicht bzw. explizit schreibbar sind.<br />
Kurse werden in koaLA manuell durch Semesterbetreuer oder halb-automatisch durch den<br />
Abgleich mit dem Prüfungsverwaltungssystem5 angelegt. Wie oben bereits erwähnt sind<br />
Kurse nur eine besondere Form einer Gruppe (vgl. öffentliche Gruppen, private Gruppen),<br />
die an einer gesonderten Stelle im System ausgewiesen werden. Der Mechanismus der<br />
Rechtesteuerung verhält sich daher analog zu Gruppen. Durch diese Flexibilität können<br />
unterschiedlichste Veranstaltungsformen abgebildet werden: Große Veranstaltungen mit<br />
hunderten von Teilnehmern bedingen oft durch die didaktische Vorgehensweisen andere<br />
Rechtekonfigurationen als kleine Projektseminare mit 10-20 Teilnehmern (vgl. Abschnitt<br />
4).<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmer einer Gruppe bzw. eines Kurses haben über die Funktion Teilnehmer“<br />
”<br />
(vgl. Abbildung 1) Zugriff auf eine Teilnehmerliste. <strong>Die</strong>se Liste sowie die mit Nutzern<br />
verknüpften Aktionen (Foreneinträge, Kommentaren an Materialien, etc.) bilden die Basis<br />
für die Wahrnehmung der anderen Teilnehmer und damit für die virtuelle Zusammenarbeit.<br />
2.2 Soziale Netzwerke<br />
Nutzerprofile bilden die Basis für den Aufbau sozialer Netzwerke innerhalb von koaLA<br />
und stellen damit eine Form der Awarness innerhalb des virtuellen Systems sicher (s.<br />
Abb. 2). <strong>Die</strong> Profile können von den Nutzern mit Informationen über sich selbst gefüllt<br />
werden, wobei die Angabe der Daten keinesfalls verpflichtend ist. Das Profil erlaubt die<br />
Eingabe von Informationen zum Studium, dem Studienschwerpunkt, dem Fachbereich etc.<br />
Darüber hinaus können Kontaktdaten wie E-Mail Adressen, Telefonnummern und IM-<br />
Daten anderen Nutzern zugänglich gemacht werden. Der Netzwerkgedanke wird durch<br />
das Profil über Kontakte und Gruppen realisiert. Zu jedem Profil ist sichtbar welche Kontakte<br />
dieser Nutzer hat und in welchen öffentlichen Gruppen dieser teilnimmt. Über die<br />
Funktion ” als Kontakt hinzufügen“ kann jeder Nutzer eine Beziehung ersten Grades zu<br />
jedem anderen Benutzer aufbauen und so sein Kontaktnetzwerk kontinuierlich ausbauen.<br />
5 In diesem Fall wird die SOAP-Schnittstelle der HIS genutzt (vgl. [GR07]). Eine flexiblere Nachrichten-basierte<br />
(echtzeit) Kopplung ist über die derzeit verfügbaren HIS-Schnittstellen nicht möglich.<br />
225
Abbildung 2: koaLA zeigt die typische Profilseite eines Nutzers<br />
Sämtliche Aktionen eines Nutzers, z.B. Einträge in Foren, Blogs, Wikis, Kommentare an<br />
Dokumenten, E-Mails etc. werden mit dem Profil des entsprechenden Autors verknüpft.<br />
Das Ziel ist es, hierbei eine möglichst hohe Transparenz der Informationen bezogen auf<br />
den Urheber zu gewährleisten.<br />
Durch die Verknüpfung der Nutzerprofile mit Aktionen bzw. mit den Gruppen und Kursen<br />
ergeben sich im Umkehrschluss interessante Funktionen bezogen auf die Kommunikation<br />
via E-Mail. So können E-Mails innerhalb von koaLA an eine Gruppe (bzw. auch an Kurse)<br />
gesendet werden, die dann automatisch alle Teilnehmer der Gruppe erreichen.<br />
3 Ein Web2.0-Rahmenwerk als Baukasten für koaLA<br />
Neben den eingangs erwähnten inhaltlichen Trends zu mehr Selbstorganisation seiner Nutzer<br />
bringt das Web 2.0 auch gereifte Technologien, die diesen Trends durch offenere und<br />
benutzerfreundlichere Systemen Rechnung tragen. Im Hinblick auf entsprechende Softwarearchitekturen<br />
sind die aktuellen Anforderungen nach Weiterverwendbarkeit von Inhalten<br />
(remixability), Medienunabhängigkeit (convergence), und stärke Einbindung der Be-<br />
226
nutzer (participation) in den unterschiedlichsten Schichten zu berücksichtigen. In diesem<br />
Abschnitt wollen wir die Architektur skizzieren, mit der wir in koaLA eine Reihe neuer<br />
<strong>Die</strong>nste wie RSS und Podcasts, Blogs, soziale Netze und Awareness mit den Funktionalitäten<br />
klassischer Lernmanagementsysteme kombiniert und Verwaltungs-, Bibliotheksund<br />
Contentsysteme angebunden haben.<br />
3.1 <strong>Die</strong> Softwarearchitektur<br />
<strong>Die</strong> ko-aktive Lern- und Arbeitsplattform koaLA basiert als Anwendungsschicht auf dem<br />
CSCL-Server open-sTeam6 , welcher grundlegende Funktionen kooperativen Arbeitens und<br />
Lernens über Programmierschnittstellen bereitstellt. In seinem Kern implementiert der<br />
Server ein Objektmodell virtueller Wissensräume. Darauf aufbauende Anwendungen basieren<br />
also auf persistent verknüpfte Raumstrukturen. Hier können verschiedene Dokumente<br />
und Kontexte verwaltet werden, in denen sich Nutzer aufhalten und bewegen können.<br />
Damit dieses Konzept als grundlegend in einer heterogenen Umgebung dienen kann,<br />
bezieht der Server einige gängige Kommunikations- und Infrastrukturprotokolle des Internets<br />
mit Hilfe von Protokolladaptern auf die Elemente der Wissensraummetapher und bettet<br />
somit sowohl synchrone als auch asynchrone Kommunikationswerkzeuge wie Instant<br />
Messaging, Whiteboarding, eMail und Shared Annotations in Wissensräume ein (vgl. Abb.<br />
3). Der Server stellte in der Vergangenheit bereits mehrfach die Basisdienste für verschiedene<br />
Lern- und Community-Plattformen. Neu in koaLA ist jedoch der zentrale Fokus auf<br />
soziale Netzwerkfunktionen und die Einbettung neuer kooperativer Werkzeuge wie Weblogs<br />
und Podcasts neben Wikis und Foren.<br />
In der Anwendungsschicht werden mit Hilfe dieser funktionalen Komponenten dynamische<br />
Lern- und Arbeitskontexte ausgebaut, die zwar oftmals die gleichen fachlichen Funktionen<br />
benötigen, sich aber letztendlich durch den Freiheitsgrad der Selbstorganisation<br />
voneinander unterscheiden (vgl. [RH05]). Ebenfalls in der Anwendungsschicht erfolgt die<br />
Integration von zentralen Basis- und Komplexdiensten der universitären Informationsarchitektur<br />
über offene Service-Schnittstellen.<br />
<strong>Die</strong> Präsentationsschicht von koaLA wurde mit Hilfe von AJAX-Funktionen derart ausgestaltet,<br />
dass eine einheitliche und einfache Bedienung in Verbindung mit einer visuell<br />
ansprechenden Oberfläche gewährleistet ist. <strong>Die</strong>s soll Nutzungsbarrieren senken und Nutzerakzeptanz<br />
erhöhen. So kann zum Beispiel die Reihenfolge von Lektionen durch das<br />
Verschieben (Drag & Drop) einzelner geändert werden, ohne dass die Seite gespeichert<br />
und neu geladen werden muss.<br />
6 Weitere Informationen zum sTeam-Server unter http://www.open-steam.org.<br />
227
Bibliothekssysteme<br />
Verwaltungssysteme<br />
Content<br />
Repositories<br />
Erweiterte Benutzerschnittstellen<br />
Virtuelle Wissenräume<br />
AJAX / Rich Client Applikation<br />
Web Services Identitätsmanagement Lernszenarien<br />
Instant Messaging<br />
Web-Konferenzen<br />
Voice Over IP<br />
Whiteboarding<br />
User Awareness<br />
eMail<br />
SMS<br />
Groupware<br />
ToDo-Lists<br />
Kalender<br />
Foren<br />
Shared Annotations<br />
Unified<br />
Messaging<br />
Web 2.0 Technologien sTeam Applikationen Client Technologien<br />
Kursverwaltung<br />
Social Software<br />
RSS and Podcasts<br />
Weblogs<br />
Wikis<br />
Tagging<br />
Communities<br />
Dateiaustausch<br />
Anwendungsschicht<br />
Infrastrukturkomponenten<br />
Abbildung 3: Das Web 2.0-Framework der ko-aktiven Lern- und Arbeitsumgebung koaLA<br />
3.2 Medienbruchfreies Arbeiten mit digitalen Informationsträgern<br />
Der CSCW-Server open sTeam verwaltet neben den Wissensräumen beliebige Informationsobjekte7<br />
über einem Objektmodell, sowie die Rechte von Benutzern und Gruppen an<br />
diesen Objekten und Räumen. Somit stellt diese Persistenzschicht eine Art Metaebene dar,<br />
in der Informationsobjekte verschiedenster Art und Herkunft generalisiert und gleichbehandelt<br />
werden können.<br />
Durch diese technische Umsetzung sind alle Informationsobjekte in koaLA grundsätzlich<br />
mit den gleichen Berechtigungskonzepten und Medienfunktionen ausgestattet. Auf dieser<br />
Ebene können alle Objekte z.B. Foreneinträge, Dateien oder Internetverweise gleichbehandelt<br />
werden. Auch Objekte externer Systeme – entsprechende Schnittstelle vorausgesetzt<br />
– können auf dieser Ebene integriert werden. Als Beispiel lassen sich hier der elektronische<br />
Seminarapparat der Bibliothek, anderer Lernplattformen oder Content-Repositories<br />
(vgl. Abschnitt 3.3) aufführen.<br />
Sie können also von Benutzern oder Benutzergruppen – entsprechende Berechtigung vorausgesetzt<br />
– zwischen vorstrukturierten Kursräumen und selbstorganisierten Arbeitsräumen<br />
hin- und herbewegt, kopiert, neu arrangiert, untereinander referenziert, annotiert und<br />
ausgezeichnet werden. Informationen können also aus ihren ursprünglichen semantischen<br />
Strukturen herausgelöst und mit diesen neue Wissensstrukturen in anderen Lern- und Arbeitskontexten<br />
geschaffen werden8 (vgl. hierzu [RHS05] und [Bo06]).<br />
7 Zack definiert in [Za99], S. 48, diese Objekte ”as formally defined, atomic packet of knowledge that can be<br />
labeled, indexed, stored, retrieved, and manipulated. The format, size, and content of knowledge units may vary,<br />
depending on the type of explicit knowledge being stored and the context of its use” .<br />
8 Das eingesetzte Objektmodell der Wissensraummetapher sieht dafür das Rucksackkonzept als temporäre Ablage<br />
für digitale Objekte vor, die der Benutzer hierüber von einem Wissensraum in einen anderen bewegen kann.<br />
228
Hierdurch wird sowohl eine Weiterverwendung aller Inhalte der Umgebung erleichtert,<br />
aber auch eine Unabhängigkeit vom Träger der Information, dem Medium. Darüber hinaus<br />
bietet der sTeam-Server den koaLA-Benutzern eine Protokoll-Abstraktion auf Wissensraumstrukturen<br />
und Werkzeuge: Alle Wissensräume in koaLA können über das WebDAV-<br />
Protokoll als virtuelles Laufwerk in das lokale Dateisystem des Benutzers eingehängt werden.<br />
<strong>Die</strong> Behandlung von Inhalten kann also bequem lokal erfolgen, wobei bei Bedarf<br />
selbst Foren oder Wikis als Dateiordner eingebunden werden können. <strong>Die</strong> einzelnen Beiträge<br />
sind dann als Textdatei verfügbar.<br />
Alle in koaLA eingesetzten kooperativen Werkzeuge wie Foren, Wikis und Weblogs besitzen<br />
einen XML-Nachrichtenkanal (sog. RSS-Feed), die der Benutzer bei Interesse abonnieren<br />
kann. Auf seiner persönlichen Startseite werden die abonnierten Nachrichten aggregiert<br />
und kontextübergreifend chronologisch sortiert, so dass der Benutzer sich nach dem<br />
Anmelden am System sofort ein genaues Bild davon machen kann, welche Aktivitäten in<br />
den für ihn wichtigen Kontexten während seiner Abwesenheit passiert sind: Seine Frage<br />
im Kursforum wurde beantwortet, das Tutorium morgen fällt aus, der Wiki-Eintrag von<br />
letzter Woche wurde geändert, die Ergebnisse der Klausur sind endlich online, im Weblog<br />
seiner Lerngruppe stellt sich ein neues Gruppenmitglied vor... Über einen direkten Link<br />
ist der betroffene Kontext sofort erreichbar. <strong>Die</strong>se Nachrichten können selbstverständlich<br />
auch von außerhalb des Systems mit entsprechenden RSS-Readern heruntergeladen und<br />
offline verfügbar gemacht werden.<br />
3.3 Integration mit Verwaltung, Bibliothek und externen Content-Providern<br />
Defizitär erweist sich in der heutigen Praxis oftmals das Grundmerkmal kooperativer Lernumgebungen<br />
als in sich abgeschlossenes System mit nur geringen Anknüpfungspunkten<br />
zum Organisationskontext des Lernenden. Mit Kontext der Lernenden sind in diesem Zusammenhang<br />
weitere Systeme zur Studienorganisation und Verwaltung gemeint. Z.B. Systeme<br />
zur Anmeldung und Durchführung von Prüfungen und Veranstaltungen, elektronische<br />
Seminarapparate oder die (digitale) Bibliothek. Lernende bewegen sich notwendigerweise<br />
zwischen diesen verschiedenen Systemen.<br />
In koaLA wurden Service-orientierte Ansätze genutzt, um an bestimmten Stellen diese<br />
Systemgrenzen aufzuweichen und Funktionen oder Informationsobjekte anderer Systeme<br />
in einer kooperativen Lern- und Arbeitsumgebung zu integrieren. Zunächst einmal wurde<br />
ein einheitlicher Zugang zu den beteiligten Systemklassen über den universitätsweiten<br />
Authentifizierungsdienst hergestellt. Durch diese Anbindung ist sichergestellt, dass allen<br />
Hochschulangehörigen der Zugang ohne unnötige Barrieren wie das Anlegen eines separaten<br />
Zugangs zur Verfügung steht. Darauf aufbauend wurde der im Locomotion-Projekt<br />
ebenfalls eingeführte elektronische Seminarapparat der hiesigen Bibliothek angebunden.<br />
Damit sind die Informationen zu Büchern und digitalen Objekten des elektronischen Seminarapparates<br />
direkt in den jeweiligen Kursräumen verfügbar. Ein Systemwechsel ist für<br />
die Teilnehmer dieser Kurse nicht mehr erforderlich. <strong>Die</strong> können die digitalen Ausgaben<br />
z.B. direkt herunterladen oder die Verfügbarkeit der in der Bibliothek stehenden Exemplare<br />
prüfen. Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben werden diese Informationsobjekte<br />
229
über das persitente sTeam-Objektmodell um Medienfunktionen erweitert, so dass sie in<br />
koaLA in den verschiedensten Kontexten weiterverwendet werden können.<br />
Als drittes System wurde das Paderborner HIS-LSF-Portal9 angebunden, um eine doppelte<br />
Datenerfassung bei dem Anlegen von Kursen zu vermeiden und angemeldete Teilnehmer<br />
zu Veranstaltungen mit den Daten in der Lern- und Arbeitsplattform zu synchronisieren<br />
(vgl. [GR07]). An weiteren integrierten Szenarien mit Verwaltungssystemen wird derzeit<br />
noch gearbeitet (vgl. Abschnitt 5).<br />
Mit dem europäischen ARIADNE-Knowledge-Pool10 wurde bereits für den Testbetrieb<br />
ein externes Nachweissystem für e<strong>Learning</strong>-Inhalte angebunden, dessen Inhalte über standardisierte<br />
Metadaten abgerufen werden können. In diesem Fall wurde die Schnittstellendefinition<br />
SQI (Simple Query Interface, vgl. [Si05]) genutzt. Über Web-Services kann mit<br />
dem Repository kommuniziert und können Lerninhalte gesucht werden. <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />
können als Informationsobjekte in der sTeam-Persistenzschicht abgelegt und mit den bereits<br />
erwähnten Medienfunktionen angereichert werden11 .<br />
4 Erfahrungen aus einem Semester Testbetrieb<br />
<strong>Die</strong> hochschulweite Einführung der koaLA-Umgebung im Rahmen des Locomotion-Projektes<br />
ist über drei Stufen geplant – Testbetrieb, Pilotphase und hochschulweite Einführung<br />
– von denen die erste bereits abgeschlossen ist.<br />
Zunächst wurde koaLA zum Start des Wintersemesters 06/07 für interessierte Studierende<br />
und Dozierende im Rahmen eines Testbetriebs eingeführt und in 20 Veranstaltungen<br />
als Lernmanagementsystem, Kommunikationsplattform und Gruppenarbeitsplatz genutzt.<br />
<strong>Die</strong> Dozierenden migrierten zumeist von eigenverantwortlich betriebenen oder eigens entwickelten<br />
Plattformen zu diesem zentralen Angebot. Da die Zahl der Veranstaltungen ausreichend<br />
für einen Testbetrieb waren, wurde die neue Plattform innerhalb der <strong>Universität</strong><br />
zunächst nicht aktiv beworben. Trotzdem wurde festgestellt, dass nach nur zwei Monaten<br />
ca. 200 der zu diesem Zeitraum 2000 Studierenden keine Kurse belegt hatten. Sie nutzten<br />
jedoch die Social Networking-Funktionen und das Angebot, sich in eigenen Arbeitsgruppen<br />
selbst organisieren zu können.<br />
<strong>Die</strong> Bandbreite der Nutzung im Rahmen der Lehre reichte von kleinen Projektseminaren<br />
mit ca. 20 Teilnehmern bis zu Massenveranstaltungen mit über 800 Teilnehmern. Hier<br />
wurden unterschiedliche didaktische Szenarien realisiert. <strong>Die</strong> kleineren Seminare stellten<br />
kooperative Funktionen wie eine gemeinsame Materialsammlung und Diskussionen<br />
an Dokumenten bereit, wobei die großen Veranstaltungen eher auf die reine Materialbereitstellung<br />
(Download) fokussiert waren und Foren eher zur Klärung organisatorischer<br />
Fragen einsetzten.<br />
9 Informationen zur HIS-Software unter http://www.his.de/.<br />
10 Informationen zum ARIADNE-Projekt unter http://www.ariadne-eu.org.<br />
11 Derzeit wird daran gearbeitet, virtuelle Wissensräume in der koaLA-Umgebung als Inhaltelieferant an das<br />
Netzwerk anzubinden, also Kontexte wie Kursräume oder Arbeitsräume von Projektgruppen auch für externe<br />
Systeme durchsuchbar zu gestalten.<br />
230
Einige wenige Dozierende nutzten in der Testphase bereits Weblogs um Informationen<br />
zur Veranstaltung zu veröffentlichen und zu diskutieren. <strong>Die</strong>se Funktion wurde sowohl<br />
von Dozierenden als auch von Studierenden als geeignete Darstellungsform für organisatorische<br />
Informationen, Hilfestellungen bei Übungsaufgaben und Motivation beschrieben.<br />
Im Pilotbetrieb, der derzeit im Sommersemester 2007 läuft, wurde die Nutzung auf 70<br />
Veranstaltungen und über 5000 Nutzer ausgebaut. Als Referenzstudiengänge sind dabei<br />
insbesondere der Zwei-Fach-Bachelor“ in den Kulturwissenschaften und die <strong>Informatik</strong><br />
”<br />
angesprochen. Punktuell haben die Systeme aber bereits auch in anderen Bereichen Nutzer<br />
gewonnen. Neben Betrieb und Weiterentwicklung der Systeme werden in der Pilotphase<br />
Schulungs- und Beratungsangebote bereitgestellt. Für die Studierende sind diese im etablierten<br />
Notebook-Cafe und bei der Schulungsinitiative doIT angesiedelt. Für die Lehrenden<br />
und Verwaltungsmitarbeiter wurde ein Schulungskonzept erarbeitet, das zusammen<br />
mit der Hochschuldidaktik umgesetzt werden soll. Im Anschluss daran soll im folgenden<br />
Wintersemester der hochschulweite Einsatz erfolgen.<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
koaLA setzt neben der klassischen Funktionalität eines Lernmanagementsystems Ideen<br />
des Web 2.0 und stellt die Bedürfnisse der Lernenden nach mehr Selbstorganisation in den<br />
Vordergrund. Das System basiert dabei auf der Open-Source-Umgebung open sTeam, die<br />
den Aufbau und die Pflege virtueller Wissensräume unterstützt. In koaLA lassen sich unterschiedlichste<br />
e<strong>Learning</strong>-Szenarien in einfacher Weise realisieren. <strong>Die</strong>se reichen von der<br />
Bearbeitung und Erschließung von Dokumenten über die Strukturierung von Diskursen<br />
oder das Bewerten und Ordnen von Materialien bis zur Koordinierung von räumlich und<br />
zeitlich verteilten Aktivitäten. Insbesondere können sich die Lernenden in Kleingruppen<br />
– unabhängig von Kurs oder Studiengang – selbst organisieren, ihre eigenen Dokumente<br />
untereinander austauschen und mit den veranstaltungsbezogenen Materialien verknüpfen.<br />
Der Pilotbetrieb soll quer zum Austesten der Systeme in der Praxis auch dazu dienen<br />
den Unterstützungsbedarf quantitativ zu erheben. Im Anschluss soll ein hochschulweiter<br />
Einsatz der <strong>Die</strong>nste- und Kooperationsinfrastruktur erfolgen, wobei gemäß der prozessorientierten<br />
Vorgehensweise im Projekt Locomotion <strong>Die</strong>nstleistungen kundenorientiert<br />
in so genannten Service Units“ zusammengefasst werden sollen. <strong>Die</strong>se stellen für die<br />
”<br />
jeweiligen Interessenten eine einheitliche Ansprechstelle dar und bieten die entsprechenden<br />
Unterstützungsfunktionen integriert an. Dadurch sollen flächendeckend die verstärkte<br />
Nutzung von e<strong>Learning</strong>, eTeaching und eCollaboration erreicht, die Qualität von Lehren,<br />
Lernen und Prüfen nachhaltig gesteigert und die damit verbundenen Prozesse optimiert<br />
werden.<br />
231
Literaturverzeichnis<br />
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[RH05] A. Roth und T. Hampel. Konfigurierbare Softwarekomponenten zur Unterstützung dynamischer<br />
Lern- und Arbeitsumgebungen für virtuelle Gemeinschaften. In Tagungsband<br />
zum Workshop GeNeMe 2005: Gemeinschaften in Neuen Medien, Seiten 373–384, 200<strong>5.</strong><br />
[RHS05] A. Roth, T. Hampel und L. Suhl. Von serverzentrierten Lernobjekten zu kooperativen<br />
Wissensobjekten – Ein wissensbasierter Integrationsansatz verteilter Lernplattformen. In<br />
K. Fellbaum, Hrsg., Tagungsband des 3. Workshops Grundfragen multimedialen Lehrens<br />
und Lernens, Seiten 177–186. Shaker Verlag, 200<strong>5.</strong><br />
[Ro06] M. J. Rosenberg. What Lies Beyond E-<strong>Learning</strong>? Pfeiffer, 2006.<br />
[SHT89] N.A. Streitz, J. Hannemann und M. Thüring. From Ideas and Arguments to Hyperdocuments:<br />
Travelling through Activity Spaces. In Conference on Hypertext and Hypermedia,<br />
Proceedings of the second annual ACM conference on Hypertext, Pittsburgh, Pennsylvania,<br />
1989. ACM.<br />
[Si05] B. Simon, D. Massart, F. van Assche, S. Ternier und E. Duval. A Simple Query Interface<br />
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200<strong>5.</strong><br />
[We05] M. Wessner. Kontextuelle Kooperation – Unterstützung kooperativen Lernens auf Basis<br />
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Deutsche e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong>, Lecture Notes in Informatics, Seiten 57–68,<br />
Bonn, 200<strong>5.</strong> Gesellschaft für <strong>Informatik</strong>.<br />
[Za99] M.H. Zack. Managing Codified Knowledge. In Sloan Management Review, Jgg. 40,<br />
Seiten 44–58, Cambridge, 1999.<br />
232
Gibt es mobiles Lernen mit Podcasts? – Wie Vorlesungsaufzeichnungen<br />
genutzt werden<br />
Leonore Schulze, Markus Ketterl, Clemens Gruber, Kai-Christoph Hamborg<br />
Zentrum für Informationsmanagement und virtuelle Lehre<br />
<strong>Universität</strong> Osnabrück<br />
Schloßstraße 9<br />
49069 Osnabrück<br />
{leonore.schulze, markus.ketterl, clemens.gruber, kai-christoph.hamborg}<br />
@uni-osnabrueck.de<br />
Abstract: Podcasts sind eine vieldiskutierte Möglichkeit kostengünstig Veranstaltungsaufzeichnungen<br />
zu erstellen und zu publizieren, und bieten somit potentiell<br />
vielen Personen die Möglichkeit zum mobilen Lernen. Im vorliegenden Artikel<br />
werden die bisherigen Erfahrungen zweier deutscher Hochschulen mit Veranstaltungspodcasts<br />
sowie die Ergebnisse von Befragungen studentischer (N=58) und<br />
hochschulexterner Nutzer/-innen (N=368) dargestellt. Es zeigt sich, dass die Podcasts<br />
vor allem extern auf breites Interesse stoßen, dass das Angebot aber meist zu<br />
Hause auf dem PC oder Laptop genutzt wird. <strong>Die</strong> Potenziale zum mobilen Lernen<br />
werden also aktuell noch nicht ausgeschöpft. Es ist zu erforschen, ob durch die erwartete<br />
Kostensenkung für mobile Geräte und mobilen Internetzugang die Potentiale<br />
mobilen Lernens durch die Nutzer/-innen verstärkt wahrgenommen werden.<br />
1 Auf dem Weg zum mobilen Lernen<br />
Mobiles Lernen (M-<strong>Learning</strong>), nicht zuletzt vorangetrieben durch die stetig steigende<br />
Verbreitung von leistungsfähigen Mobilgeräten wie PDAs, Handys oder tragbaren Video/Audio-Abspielgeräten,<br />
wird auch an <strong>Universität</strong>en und Fachhochschulen immer<br />
wichtiger. Neben den Vorteilen, die sich durch orts- und zeitunabhängiges Lernen mittels<br />
mobiler Endgeräte ergeben, gibt es viele Hürden für die Erstellung von M-<strong>Learning</strong><br />
Inhalten zu beachten [TR03]. Typischerweise müssen Inhalte gerätespezifisch formatiert<br />
und konvertiert werden, um für verschieden Endgeräte angeboten werden zu können.<br />
Daher ist es in der Regel zu kostspielig für <strong>Universität</strong>en, Lerninhalte speziell für mobile<br />
Endgeräte zu erstellen. In einem idealen Szenario sollten erstellte Lehr-/Lerninhalte<br />
sowohl für klassisches E-<strong>Learning</strong> als auch für M-<strong>Learning</strong> verwendet werden können.<br />
Ein anderer wichtiger Aspekt ist mit der Frage verbunden, wie potentielle Nutzer/-innen<br />
Zugang zu den Lernangeboten erhalten können. <strong>Die</strong> hohen Verbindungskosten, die entstehen,<br />
um beispielsweise mit einem Handy größere Daten von einem Internetportal zu<br />
übertragen, schrecken viele Anwender immer noch ab, obwohl die technischen Voraussetzungen<br />
und Rahmenbedingungen gegeben sind.<br />
233
Eine vielversprechende Möglichkeit, universitäre Lerninhalte ohne größeren zusätzlichen<br />
Aufwand auch für mobile Endgeräte anzubieten, bietet die Podcasttechnologie.<br />
Podcasts sind eine neue Nutzungsform, die im Rahmen der so genannten „Social Software“<br />
und des Schlagwortes Web 2.0 diskutiert werden. Gemeinsam ist diesen Entwicklungen,<br />
dass sie nicht die technischen Innovationen fokussieren, sondern die aktive Beteiligung<br />
der Benutzer in den Vordergrund stellen.<br />
Technisch gesehen sind Podcasts zunächst Mediendateien (Video und Audio), die über<br />
einen RSS-Feed leicht automatisch bezogen (abonniert) werden können. Ein einzelner<br />
Podcast ist eine Serie von Medienbeiträgen (Episoden), der sich am leichtesten mit dem<br />
Programm eines Radio bzw. Fernsehsenders vergleichen lässt. Der Hauptunterschied ist,<br />
dass die Sendungen nicht zu einem bestimmten Termin oder zu einer bestimmten Uhrzeit<br />
konsumiert werden müssen. Durch ein einmaliges Abonnieren des Programms (also<br />
des Podcasts) werden dem Anwender die jeweils neuesten Episoden bequem über einen<br />
Podcasts-Client (auch Podcatcher genannt) auf den eigenen PC übertragen. Der Podcatcher<br />
ermöglicht es dem Anwender, nicht nur bestimmte Sendungen zu abonnieren, sondern<br />
erledigt auch das automatisierte Herunterladen der neuesten Episoden auf die Endgeräte.<br />
Grundsätzlich gibt es derzeit aus technischer Sicht drei Hauptarten von Podcasts,<br />
die sich durch die verwendeten Dateiinhalte in den Episoden unterscheiden (s. Tabelle<br />
1).<br />
Name Dateiinhalte Format Beispiele für Abspielgeräte<br />
Audio Podcast Ton MP3,AAC alle MP3-fähigen Geräte:<br />
PC, Handys, MP3-Player<br />
Enhanced Podcast Ton + Bilder (z.B. MPEG-4 PC, Apple-Geräte (iPod),<br />
Folien) + Links Container+<br />
AAC Datei<br />
einige Mobiltelefone 1<br />
Video Podcast Ton + Video .MP4, PC, tragbare Audio-/ Vide-<br />
.M4V, oplayer wie PDA, Handys<br />
.MOV etc.<br />
Tabelle 1: Übersicht über die Hauptarten von Podcasts<br />
Systematisch wird der Einsatz und der Nutzen von Podcasts in Lern- und Bildungsprozessen<br />
in einer Kooperation zwischen <strong>Universität</strong> und Fachhochschule Osnabrück seit<br />
Januar 2006 erprobt. Dabei werden verschieden Podcastarten in unterschiedlichen Veranstaltungsszenarien<br />
eingesetzt. Teile des Osnabrücker Angebotes stehen dabei nicht nur<br />
den Studierenden der beiden Hochschulen zur Verfügung, sondern Interessierte konnten<br />
auch von außerhalb der Hochschulen leicht Zugang zu den Inhalten erhalten. Testweise<br />
wurden drei unterschiedliche Veranstaltungen hochschulintern über Veranstaltungswebseiten<br />
und auch extern über den Apple Musicstore iTunes zur Verfügung gestellt.<br />
Im zweiten Abschnitt dieses Beitrags werden die Podcastproduktion und die Verteilungsmöglichkeiten<br />
von Podcasts in der universitären Lehre ausgehend von den Osnabrücker<br />
Erfahrungen beschrieben. In den weiteren Abschnitten wird gefragt, ob und wie<br />
1 Mobiltelefone müssen Java unterstützen; erfordert technisches Verständnis<br />
234
Podcasts, auch im Vergleich zu herkömmlichen Vorlesungsmitschnitten, von Nutzern<br />
und Nutzerinnen wahrgenommen und genutzt werden. <strong>Die</strong> berichteten Befunde zum<br />
ersten Osnabrücker „Podcastjahr“ beruhen auf insgesamt drei Evaluationsuntersuchungen.<br />
2 Podcastproduktion und Einsatzmöglichkeiten innerhalb der universitären<br />
Lehre<br />
An vielen <strong>Universität</strong>en werden Vorlesungen, Seminare etc. über Videosysteme aufgezeichnet<br />
und über Webseiten zur Verfügung gestellt. In Osnabrück wird dafür ein System<br />
mit dem Namen „virtPresenter“ eingesetzt [MKV06]. Motivation zur Entwicklung<br />
dieser Systeme war es, auf einfache Weise E-<strong>Learning</strong> Inhalte zu erstellen und auf PC<br />
Systemen über ein Webinterface (meist Webbrowser) zu betrachten. <strong>Die</strong> mit diesen<br />
Werkzeugen aufgenommenen Videodateien bzw. daraus extrahierte Audiodateien lassen<br />
sich auch über den Podcast-Mechanismus verteilen. Für die Studierenden wird es dadurch<br />
leichter, den Überblick zu behalten, da der Podcast-Client immer alle Episoden<br />
anzeigt und herunter lädt. Quasi als Nebeneffekt können diese Dateien nicht nur auf dem<br />
PC, sondern auch auf mobilen Geräten benutzt werden. In Osnabrück ist dieser Prozess<br />
mittlerweile weitgehend automatisiert. Dabei startet die Produktionskette beim Power-<br />
Point-Vortrag der Dozent/-innen und endet mit einer Verlinkung auf den zugehörigen<br />
Veranstaltungswebseiten. Ein Konzept, das die Podcasttechnologie in diese Produktionskette<br />
integriert, ist in [Ke06a] beschrieben. Am Ende der Kette steht neben einem<br />
Webinterface, das eine fein granulierte Folien- und Videonavigation ermöglicht, auch<br />
eine Vorlesungsaufzeichnung für mobile Endgeräte in Form von Enhanced Podcasts<br />
bereit.<br />
Neben Podcasts in Form von Veranstaltungsaufzeichnungen wurden an den Osnabrücker<br />
Hochschulen (Fachhochschule und <strong>Universität</strong>) auch andere Podcasts in anderen Szenarien<br />
erzeugt. So wurden z.B. in Übungen und Seminaren von Studierenden eigens Podcasts<br />
zu bestimmten Themengebieten erstellt und für andere Studierende angeboten.<br />
Generell könnte eine Typologie des Podcast-Einsatzes an <strong>Universität</strong>en folgende Punkte<br />
enthalten: Vorlesungsmitschnitte, Vorträge, Hörfunkbeiträge, Experimentelle Podcasts<br />
und Archivmaterial [Sc06].<br />
Einige der Osnabrücker Hochschulpodcasts waren nicht nur internen Studierenden über<br />
das vorhandene Lern-Management-System Stud.IP vorbehalten, sondern es wurden auch<br />
Episoden über den sehr populären Musicstore von Apple („iTunes Musicstore“) einer<br />
breiten Masse von unterschiedlichen Personen öffentlich angeboten. <strong>Die</strong>ser Musicstore<br />
integriert sich nahtlos in die von Apple kostenlos vertriebene Musiksoftware iTunes.<br />
Innerhalb des Musicstores können Kunden einen großen Katalog von Musiktiteln, Fernsehserien<br />
und Filmen durchsuchen und Titel erwerben. Neben den kommerziell angebotenen<br />
Titeln können aber auch kostenlose Podcasts zu den verschiedensten Themen<br />
eingestellt, gefunden und abonniert werden.<br />
Technisch ist es relativ einfach, einen eigenen Podcast in dem umfangreichen Angebot<br />
im Musicstore zu platzieren. Es reicht, den eigenen Podcast über ein Webinterface an<br />
235
Apple zu melden, und einige Tage später (nach einer redaktionellen Prüfung der Inhalte)<br />
finden sich die eigenen Sendungen schließlich auch im Musicstore Angebot. Für uns war<br />
hier die Frage interessant, wie sehr sich eine breite Öffentlichkeit für die Lehrangebote<br />
von Hochschulen interessieren und auch begeistern kann. Wie diese Angebote von den<br />
Abonnenten bewertet wurden und mit welchen Geräten Anwender die Angebote genutzt<br />
haben, wird in den folgenden Kapiteln näher untersucht.<br />
3 Fragestellung<br />
Mit dem Angebot von Podcasts an den Hochschulen sowie über die Grenzen der Hochschulen<br />
hinaus waren verschiedene Forschungsfragen verbunden. In drei Befragungen<br />
wurden die Fragen zur Podcast-Nutzung untersucht und die Bewertung durch Studierende<br />
und durch externe Hörer/-innen evaluiert.<br />
Erstens ist die Frage der Nutzungshäufigkeit zu beantworten, d.h. ob das Angebot von<br />
Vorlesungsaufzeichnung überhaupt genutzt wird, und wenn, von wem es genutzt wird.<br />
Auf Seiten der Studierenden kann man einerseits von einer hohen Akzeptanz des Angebots<br />
ausgehen. So ergab eine Befragung an der <strong>Universität</strong>, dass sich 92% der befragten<br />
Studierenden zumindest vorstellen können, Veranstaltungsaufzeichnung in Form von<br />
Podcasts zu nutzen [Ke06b]. Andererseits werden von einem Pilotprojekt der ETH Zürich<br />
tatsächlich geringe Nutzerzahlen berichtet, wenn in einer Veranstaltung verschiedene<br />
Formen von Veranstaltungsaufzeichnungen angeboten werden [Af06]. Über die Nutzung<br />
von Veranstaltungsmitschnitten durch externe Hörer/-innen liegen unseres Wissens<br />
noch keine Daten vor. Das mag daran liegen, dass das Angebot von Veranstaltungspodcasts<br />
aktuell noch sehr gering ist. Interessant ist hier weiterhin die Frage nach der Zusammensetzung<br />
und den Motiven etwaiger Nutzer/-innen.<br />
Zweitens sollte die Art der Nutzung weiter untersucht werden, insbesondere wie Podcastaufzeichnungen<br />
von Vorlesungen durch Studierende und externe Hörer/-innen genutzt<br />
werden. <strong>Die</strong> folgenden drei Fragen standen hierbei im Vordergrund:<br />
236<br />
� Welche Abspielgeräte werden genutzt? Es wird untersucht, welche Geräte beim<br />
Ansehen von Veranstaltungsaufzeichnungen präferiert werden. Wie im ersten Kapitel<br />
dargestellt gibt es für die verschiedenen Podcast-Formen unterschiedliche<br />
Abspielgeräte, die auch unterschiedlich verbreitet sind. So kann man zumindest<br />
bei Studierenden von einer breiten Ausstattung von mobilen, mp3-fähigen Audioplayern<br />
ausgehen, jedoch wenigen Playern, die auch Video- oder Enhanced Podcasts<br />
mobil abspielen können [KSMM 06]. Über die Ausstattung mit mobilen Abspielgeräten<br />
in der Gesamtbevölkerung liegen unseres Wissens keine Daten vor.<br />
� Werden Podcasts mobil genutzt? Obwohl Podcasts allgemein mit mobilem Lernen<br />
gleichgesetzt werden, ist die mobile Nutzung nicht selbstverständlich. <strong>Die</strong> Podcast-Formate<br />
können mit verschiedenen Geräten sowohl mobil als auch nicht mobil<br />
genutzt werden. Somit ist für die mobile Nutzung neben dem Vorhandensein<br />
von Abspielgeräten weiterhin nötig, dass die Potentiale von Podcasts zum M-<br />
<strong>Learning</strong> erstens wahrgenommen und zweitens auch genutzt werden.
� Werden Podcasts vollständig genutzt oder werden hauptsächlich gezielt einzelne<br />
Bereiche und Themen angesehen oder –gehört? Im Kontext der Präsentation von<br />
Veranstaltungsaufzeichnungen über Webinterfaces wurde besonders dem Aspekt<br />
der Navigierbarkeit der Aufzeichnungen große Bedeutung beigemessen. Auch für<br />
Podcasts gibt es inzwischen in Form der Enhanced Podcasts erweiterte Navigationsmöglichkeiten.<br />
Es erscheint daher sinnvoll, die die aktuell präferierten Nutzungsstile<br />
zu betrachten, um die Notwendigkeit weitergehender Navigationsmöglichkeiten<br />
einschätzen zu können.<br />
In einem dritten großen Bereich stellt sich zuletzt die Frage nach der Bewertung der<br />
Veranstaltungsaufzeichnungen per Podcast durch die unterschiedlichen Zielgruppen.<br />
Dabei ist die Einschätzung verschiedener Aspekte interessant: Voraussetzung für eine<br />
effektive Nutzung ist die wahrgenommene technische Qualität in Zusammenhang mit<br />
der technischen Zugänglichkeit des Angebots (Downloadzeiten). Weiterhin stellt sich<br />
auch die Frage nach der Beurteilung der Akzeptanz des Podcast-Angebots (neben veranstaltungsspezifischen<br />
Aspekten). Als ein Aspekt der Effektivität wird schließlich auch<br />
der selbst berichtete Lernerfolg betrachtet. Bisher liegen zur Lernwirksamkeit von Podcasts<br />
unseres Wissens nach noch keine Ergebnisse vor. Aufgrund der Erfahrungen mit<br />
anderen Formen der Veranstaltungsaufzeichnung kann allerdings, zumindest für veranstaltungsergänzende<br />
Angebote, ein positiver Effekt vermutet werden.<br />
4 Methode<br />
Zu drei Veranstaltungen, die an der <strong>Universität</strong> und der Fachhochschule Osnabrück<br />
durchgeführt wurden, sind Podcast-Aufzeichnungen der einzelnen Termine erzeugt und<br />
den Studierenden sowie - über iTunes – auch externen Nutzer/-innen zur Verfügung<br />
gestellt worden. Dabei wurden teilweise parallel verschiedene Podcast-Arten erzeugt<br />
(vgl. Tabelle 1). Es handelt sich um eine Grundstudiumsveranstaltung der <strong>Informatik</strong><br />
(Veranstaltung A, Video Podcast), eine Veranstaltung der Medieninformatik (Veranstaltung<br />
B, parallel als Video und Enhanced Podcast) sowie eine Veranstaltung der Erziehungswissenschaft<br />
(Veranstaltung C, parallel als Audio, Video und Enhanced Podcast).<br />
Im Folgenden werden die Auswertung der Serverstatistiken sowie drei Evaluationsuntersuchungen<br />
beschrieben.<br />
4.1 Auswertung von Serverstatistiken<br />
Für diese Podcast-Angebote wurden die Serverstatistiken ausgewertet, d.h. die Anzahl<br />
der Downloads der einzelnen Episoden in den unterschiedlichen Formaten. Dabei überschätzt<br />
die Anzahl der Downloads möglicherweise die Zahl der tatsächlichen Hörer/-innen,<br />
da nicht geprüft werden kann, ob die einzelnen Episoden tatsächlich gesehen wurden.<br />
Dennoch kann man vermuten, dass die Mehrzahl der Abonnent/-innen die Angebote<br />
tatsächlich genutzt hat.<br />
237
4.2 Befragung von Studierenden einer Veranstaltung<br />
In einer Vorlesung im Bereich Erziehungswissenschaften mit 94 Studierenden wurden<br />
neben der üblichen Vorlesungsaufzeichnung, die man über ein Webinterface (siehe Kapitel<br />
2) betrachten kann, ergänzend auch Podcasts eingesetzt. Zum Ende des Semesters<br />
wurde die Veranstaltung mit Hilfe des Lern-Management-System Stud.IP evaluiert. An<br />
der Befragung nahmen 58 Studierende teil, das entspricht einer Rücklaufquote von 62<br />
Prozent.<br />
Dabei wurden neben dem standardisierten „Fragebogen zur Evaluation von Vorlesungen“<br />
(St00) einige Module des „Fragebogens zur Evaluation virtueller Lehrveranstaltungen“<br />
(Sc07) eingesetzt sowie zusätzliche Fragen speziell zu Podcasts. Insgesamt umfasste<br />
die Befragung damit 32 Fragen der allgemeinen Lehrevaluation, 8 Fragen zu<br />
technischen Voraussetzungen, 13 Fragen zur Gesamtkonzeption der Veranstaltung<br />
(Kombination einzelner Veranstaltungselemente), 21 Fragen zur allgemeinen Veranstaltungsaufzeichnung<br />
und 24 Fragen zur Podcast-Nutzung.<br />
<strong>Die</strong> Fragen zur Podcast-Nutzung deckten allgemein die Bereiche Umfang und Art der<br />
Nutzung sowie die Bewertung des Angebots in Bezug auf die Technik, die Akzeptanz<br />
sowie die Effizienz hinsichtlich des eigenen Lernerfolgs ab. <strong>Die</strong>se Fragen wurden nur<br />
von dem Teil der Stichprobe beantwortet, die mindestens einen Podcast angesehen hatten.<br />
<strong>Die</strong> Fragen waren als Aussagen formuliert, die auf einer vierstufigen Likert-Skala<br />
(von „trifft nicht zu“ bis „trifft zu“) beantwortet wurden.<br />
4.3 Befragungen externer Hörer/-innen<br />
Darüber hinaus wurden mit zwei Online-Erhebungen zusätzlich die externen Nutzer/-innen<br />
der beiden <strong>Informatik</strong>-Veranstaltungen befragt. <strong>Die</strong> Abonnent/-innen des Podcasts<br />
wurden einmal über die Beschreibung des Angebots in iTunes, zweitens jeweils im<br />
Rahmen einer eigenen Podcast-Episode, in der die Befragung vorgestellt wurde, um ihre<br />
Teilnahme gebeten. Dabei wurde in beiden Befragungen der gleiche Fragebogen in<br />
leicht abgewandelter Version mit 19 bzw. 20 geschlossenen und zwei offenen Fragen<br />
verwendet. Dabei wurde, im Gegensatz zur Studierendenbefragung, ein fünfstufiges<br />
Antwortformat mit einer Mittelkategorie verwendet. Inhaltlich wurden demographische<br />
Variablen erhoben sowie Fragen zu Häufigkeit und Art der Nutzung und zur Bewertung<br />
der Podcasts in Bezug auf die Technik, sowie zur Akzeptanz und zum wahrgenommenen<br />
Lernerfolg.<br />
Es nahmen insgesamt 310 Personen (Veranstaltung A) und 58 Personen (Veranstaltung<br />
B) an den Befragungen teil, das entspricht etwa 10 Prozent der geschätzten Nutzer/-innen.<br />
Da es bezüglich der nicht-veranstaltungsbezogenen Fragen keine signifikanten<br />
Unterschiede zwischen den Stichproben gibt, wurden die Daten der beiden Veranstaltungen<br />
zu einem Datensatz zusammengefasst (im Folgenden als Stichprobe externer<br />
Hörer/-innen bezeichnet) und werden gemeinsam berichtet.<br />
238
5 Ergebnisse<br />
Im Folgenden werden, bezogen auf die in Kapitel 3 angesprochenen Fragestellungen,<br />
ausgewählte Ergebnisse berichtet. Dabei wird in Bezug auf jede Fragstellung zuerst auf<br />
die Studierenden und als zweites auf die externen Hörer/-innen eingegangen.<br />
<strong>5.</strong>1 Nutzungshäufigkeit<br />
In der Studierendenstichprobe wurde das Angebot der Podcasts nicht sehr intensiv genutzt.<br />
75% der Befragten hatten das Podcastangebot gar nicht in Anspruch genommen,<br />
und nur 6% der Befragten hatten mehr als 50% der Episoden gehört. Podcasts wurden<br />
somit seltener genutzt als die übliche Veranstaltungsaufzeichnung mit dem Webinterface<br />
virtPresenter (T=4,501, p
mit einem Alter zwischen 15 und 74 Jahren (M=32,4, Sd=12,7). <strong>Die</strong> meisten Befragten<br />
waren berufstätig (56%), es gab weiter auch größere Anteile an Studierenden (30%) und<br />
Schüler/-innen (13%) sowie einige wenige Rentner/-innen (1%). Als Motive für die<br />
Podcast-Nutzung gaben die meisten Befragten ein allgemeines Interesse am Thema an<br />
(56,8%), andere benötigten das Wissen aber auch für die Schule, Ausbildung oder ein<br />
Studium (18,8%) oder für den Beruf (22,4%).<br />
<strong>5.</strong>2 Art der Nutzung<br />
Bezüglich der Art der Nutzung wurde zunächst gefragt, welche Abspielgeräte genutzt<br />
wurden. Hier zeigt sich, dass PCs bzw. Laptops am häufigsten genutzt wurden (Studierende:<br />
85%; externe Hörer/-innen: 82 %). iPods und andere mobil nutzbare Geräte spielten<br />
eine vergleichsweise geringe Rolle (Studierende: 15%; externe Hörer/-innen: 18%).<br />
Abbildung 2 stellt die Antworthäufigkeiten zu diesen Fragen bezüglich der beiden Stichproben<br />
gegenüber.<br />
Analog zeigt sich, dass Podcasts sowohl von Studierenden als auch externen Hörer/-innen<br />
vorwiegend zu Hause genutzt wurden (Studierende: 75%; externe Hörer/-innen:<br />
88%). <strong>Die</strong>sen Aspekt gibt Abbildung 3 einmal für die Studierenden und für die externen<br />
Hörer/-innen graphisch wieder.<br />
(a) Studierende (b) externe Hörer/-innen<br />
Nennungen<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
11<br />
��������������<br />
0<br />
����<br />
2<br />
�����������<br />
Nennungen<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
270<br />
��������������<br />
57<br />
����<br />
4<br />
������������<br />
Abbildung 2: Abspielgeräte (a) in der Studierendenstichprobe und<br />
(b) in der Stichprobe externer Hörer/-innen<br />
Drittens wurde gefragt, ob die Podcasts vollständig rezipiert werden oder ob einzelne<br />
Bereiche und Themen gezielt angesehen bzw. –gehört werden. Hier zeigt sich, dass sich<br />
die Mehrzahl der Befragten der Studierendenstichprobe nicht ganze Folgen ansieht<br />
(13%). 35% der Studierendenstichprobe gaben an, dass sie gezielt nach einzelnen Themen<br />
suchen. Im Gegensatz dazu gaben 84% der externen Hörer/-innen an, dass sie die<br />
gesamten Folgen anschauen. Entsprechend gaben lediglich 16% der externen Hörer/-innen<br />
an, sie sähen sich eher einzelne Teile einer Folge an.<br />
240
(a) Studierende (b) externe Hörer/-innen<br />
Nennungen<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
�������<br />
2<br />
���������<br />
Nennungen<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
304<br />
�������<br />
40<br />
���������<br />
Abbildung 3: Podcast-Nutzung zuhause oder unterwegs (a) in der Studierendenstichprobe und (b)<br />
in der Stichprobe externer Hörer/-innen<br />
<strong>5.</strong>3 Technische Bewertung, Akzeptanz und Effektivität<br />
In Bezug auf die technischen Aspekte der Podcasts schätzten 57% der Studierendenstichprobe<br />
und 79% der externen Hörer/-innen die Bildqualität mindestens mit „eher<br />
gut“ ein. <strong>Die</strong> Tonqualität wurde von 77% der Studierendenstichprobe und 78% der externen<br />
Hörer/-innen als „eher gut“ bewertet. <strong>Die</strong> Downloadzeiten beurteilten entsprechend<br />
79% der Studierenden als akzeptabel. 72% der externen Nutzer/-innen beurteilten<br />
die Downloadzeiten positiv, weitere 20% beurteilen sie als „mittelmäßig“.<br />
Bezüglich der Akzeptanz von Podcasts stimmten der Aussage „Allgemein halte ich das<br />
Angebot von Podcasts für sinnvoll.“ 76% der studentischen Nutzer/-innen zu bzw. eher<br />
zu, bei den externen Hörer/-innen betrug der Anteil zustimmender und ziemlich zustimmender<br />
Antworten 99%. Ähnlich stimmten 50% der Studierendenstichprobe der Aussage<br />
„Mit Hilfe der Podcasts habe ich viel gelernt.“ zu bzw. eher zu. Bei den externen<br />
Hörer/-innen betrug der Anteil mindestens ziemlich zustimmender Antworten 84%.<br />
Abbildung 4 verdeutlicht diese Ergebnisse noch einmal für die beiden Stichproben.<br />
6 Diskussion<br />
Ein zentrales Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen ist, dass Veranstaltungsaufzeichnungen<br />
in Form von Podcasts auch außerhalb der Hochschulen auf großes Interesse<br />
stoßen und auch neben technisch weit aufwändiger produzierten und inhaltlich massentauglicheren<br />
Angeboten wie den Podcasts der „Tageschau“ oder der „Sendung mit der<br />
Maus“ in den Top10 der beliebtesten Podcasts Deutschlands zu finden waren. Selbst ein<br />
eher randständiges Thema wie die „Theorie der Schule“ hat Downloadzahlen von mehreren<br />
hundert pro Episode erreichen können. Auch wenn die Downloadzahlen die tatsächlichen<br />
Hörer/-innenzahlen überschätzen, kann man allein aufgrund der regen Beteiligung<br />
an den Befragungen von beträchtlichen tatsächlichen Nutzer/-innen-Zahlen<br />
ausgehen.<br />
241
(a) Studierende (b) externe Hörer/-innen<br />
Nennungen<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
3<br />
������������<br />
5<br />
����������<br />
6<br />
����<br />
2<br />
������<br />
Nennungen<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
1 4 49<br />
������������<br />
�����<br />
�����������<br />
174<br />
��������<br />
111<br />
�����������<br />
Abbildung 4: Zustimmumg zur Aussage „Mit Hilfe der Podcasts habe ich viel gelernt.“ (a) in der<br />
Studierendenstichprobe und (b) in der Stichprobe der externen Hörer/-innen<br />
Zweitens wurden in den Veranstaltungen, wo verschiedene Podcast-Formate angeboten<br />
wurden, die Enhanced Podcasts den Video Podcasts vorgezogen. In Veranstaltungen, in<br />
denen mit PowerPoint-Folien gearbeitet wird, erscheinen diese den Nutzer/-innen offensichtlich<br />
informativer als das Bild des Dozenten. <strong>Die</strong> Frage, wie notwendig Videos für<br />
Veranstaltungsaufzeichnungen sind, ist in der Literatur umstritten. Bestehende Untersuchungen<br />
richten das Augenmerk auf Vor- und Nachteile der gleichzeitigen Präsentation<br />
von Folien bzw. Videos (z.B. [MM00], [BL01]), ein möglicher Unterschied in der<br />
Lernwirksamkeit von Videos und PowerPoint-Folien speziell auf mobilen Abspielgeräten<br />
ist dabei jedoch noch zu prüfen.<br />
Studierende präferierten die klassischen Veranstaltungsaufzeichnungen, in denen gleichzeitig<br />
das Video der Dozent/-innen als auch die PowerPoint-Folien gezeigt werden, und<br />
nutzten Podcasts eher wenig, was die Ergebnisse von [Af06] repliziert. Ob auch die<br />
externen Hörer/-innen die Veranstaltungsaufzeichnungen lieber mit dem Webinterface<br />
„virtpresenter“ angesehen hätten, das neben der erhöhten Media Richness auch bessere<br />
Navigationsmöglichkeiten bietet, ist eine offene Frage. Möglicherweise beruht die Beliebtheit<br />
der Podcasts bei den externen Hörer/-innen eher auf der guten Zugänglichkeit<br />
des Podcast-Angebots über den iTunes Musicstore.<br />
Der Vorteil von Podcasts gegenüber der virtPresenter-Nutzung liegt vor allem in der<br />
Möglichkeit zum mobilen Lernen, wobei diese Möglichkeit aktuell selten genutzt wird.<br />
Das könnte daran liegen, dass die Gelegenheit zum mobilen Lernen bei vielen eher selten<br />
gegeben ist (z.B. wenig lange Fahrtstrecken). Es könnte jedoch auch sein, dass die<br />
Befragten das mobile Lernen von komplexen Inhalten nicht für sinnvoll halten oder die<br />
Potentiale nicht wahrnehmen. Für letzteres spricht, dass als häufigste Antworten auf die<br />
Frage, was die Besonderheit von Podcasts als Lernmedium sei, die zeitliche Flexibilität<br />
(30,0%) und das Ansehen in eigenem Tempo (22,4%) genannt wurden. <strong>Die</strong> räumliche<br />
Flexibilität (9,2%) und speziell die Möglichkeit zum mobilen Lernen (5,0%) wurden,<br />
wie auch die Zugänglichkeit zu universitärem Wissen allgemein, seltener genannt. Eine<br />
dritte Erklärung für die geringe mobile Nutzung von Podcasts liegt in der nicht flächendeckenden<br />
Verbreitung von iPods oder vergleichbaren Geräten sowie in den bislang<br />
noch recht hohen Kosten für Internetverbindungen ausgehend von mobilen Abspielgeräten.<br />
Welche der drei Hypothesen möglicherweise zutreffend ist, sollte in Folgeuntersu-<br />
242
chungen geklärt werden. <strong>Die</strong> große Beliebtheit von Podcatchern wie iTunes sowie die<br />
allgemeine Diskussion in der Fachliteratur aber auch in Funk, Fernsehen und Presse<br />
deuten darauf hin, dass eine positive Grundhaltung gegenüber mobilem Lernen besteht<br />
bzw. dass aktuell ein Einstellungswandel stattfindet. Gemeinsam mit dem Preisverfall<br />
mobiler Geräte sowie Handy-Flatrates ist dem mobilen Lernen durchaus ein Zukunftspotential<br />
einzuräumen.<br />
<strong>Die</strong> Technik, das Angebot an sich und der eigene Lernerfolg werden durch die Befragten<br />
allgemein positiv bewertet. Nichtsdestotrotz zeigt sich hier ein deutlicher Forschungsbedarf.<br />
So ist das Medium Podcast an der <strong>Universität</strong> Osnabrück derzeit Gegenstand mehrerer<br />
experimenteller Untersuchungen, die der Frage nach den technischen, pädagogischen<br />
und didaktischen Potenzialen des Mediums nachgehen. Ein interessanter<br />
technischer Ansatz zur Lernerfolgskontrolle ist dabei die geplante Verknüpfung der<br />
Podcasts mit Online-Assignments [Ke07].<br />
Schließlich bedeutet die hohe Zahl an externen Nutzer/-innen für die <strong>Universität</strong> Osnabrück<br />
einen nicht unerheblichen Werbeeffekt, da sich die <strong>Universität</strong> erstens auch uniextern<br />
mit guter Lehre zu positionieren kann, zweitens herausragende Beispiele interessanter<br />
Veranstaltungen präsentiert werden und drittens besonders Schüler/-innen und<br />
Studierenden anderer <strong>Universität</strong>en vermittelt werden kann, dass die <strong>Universität</strong> auch<br />
auf dem Gebiet innovativer Technologien eine Vorreiterrolle einnimmt. Viertens eröffnen<br />
Podcasts der <strong>Universität</strong> neue Zielgruppen auf dem Weiterbildungsmarkt.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Af06] Affolter, B.; Wilding, B.; Korner, M.; Lautenschlager, P.: Video-Streaming und –<br />
Podcasting – universitäre Bildung für unterwegs? In E. Seiler, S. Kälin, C. Sengstag<br />
(Hrsg.). E-<strong>Learning</strong> – alltagstaugliche Innovation? Münster: Waxmann, 2006, S. 276-<br />
286.<br />
[BL01] Brünken R.; Leutner D.: Aufmerksamkeitsverteilung oder Aufmerksamkeitsforschung?<br />
In Unterrichtswissenschaften. Zeitschrift für Lernforschung, 4, 2001.<br />
[HWW06] Hürst,W.; Welte, M.; Waizenegger, W.: Podcasting von Vorlesungen in der universitären<br />
Lehre. Workshop Audio<strong>Learning</strong> 2006 im Rahmen der 4. e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> der<br />
GI (DeLFI), September 2006. S. 91-98.<br />
[Ke07] Ketterl, M.; Heinrich, T.; Mertens, R.; Morisse, K.: Enhanced content utilisation: Combined<br />
re-use of multi-type e-learning content on mobile devices. IMCL International<br />
Conference on Interactive Mobile and Computer Aided <strong>Learning</strong> 2007, Amman, Jordan,<br />
18.-20. April 2007.<br />
[Ke06a] Ketterl, M.; Mertens, R., Morisse, K.; Vornberger, O.: Studying with Mobile Devices:<br />
Workflow and Tools for Automatic Content Distribution. World Conference on Educational<br />
Multimedia, Hypermedia & Telecommunications (ED-Media 2006), Orlando, FL,<br />
USA, June 2006, S. 2082-2088.<br />
[Ke06b] Ketterl, M.; Schmidt, T.; Mertens, R.; Morisse, K.: Techniken und Einsatzszenarien für<br />
Podcasts in der universitären Lehre. Workshop Audio<strong>Learning</strong> 2006 im Rahmen der 4.<br />
e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> der GI (DeLFI), September 2006. S. 81-90.<br />
[MM00] Moreno R.; Mayer R.: A Learner-Centred Approach to Multimedia. Explanations: Deriving<br />
Instructional Design Princilpes from Cognitive Theory. In Interactive Multimedia<br />
Electronic Journal of Computer-Enhanced <strong>Learning</strong>. 2(5), 2000. S. 1-7.<br />
243
[MKV06] Mertens, R.; Ketterl, M.; Vornberger, O.: Interactive Content Overviews for Lecture<br />
Recordings. IEEE International Symposium on Multimedia 2006 Workshop on Multimedia<br />
Technologies for E-<strong>Learning</strong> (MTEL), San <strong>Die</strong>go, CA, USA, 11-13 Dezember<br />
2006. pp. 933-937<br />
[Sc07] Schulze, L.; Klostermeier, F.; Gruber, C.; Hamborg, K.-C.: If you can’t measure it, you<br />
can’t manage it! Evaluation elektronisch gestützter Lehre mit einem modularen Screening-Fragebogen.<br />
<strong>Universität</strong> Osnabrück: unveröff. Manuskript.<br />
[Sc06] Schmidt, T.: Typologie des Podcast-Einsatzes. learnmedia@uos, 2, 2006, S.12.<br />
http://www.virtuos.uni-osnabrueck.de/Content/LearnMedia.<br />
[St00] Staufenbiel, T.: Fragebogen zur Evaluation von universitären Lehrveranstaltungen durch<br />
Studierende und Lehrende. Diagnostica, 46, 2000, S. 169-181.<br />
[TR03] Trifonova, A.; Ronchetti, M.: Where is Mobile <strong>Learning</strong> Going?. In G. Richards (Ed.),<br />
Proceedings of World Conference on E-<strong>Learning</strong> in Corporate, Government, Healthcare,<br />
and Higher Education, 2003, pp. 1794-1801.<br />
244
Ein Framework für die kooperative Wissensorganisation –<br />
Informelles semantisches Strukturieren und<br />
Einsatz in der Praxis<br />
Dominik Niehus, Patrik Erren, Thorsten Hampel<br />
<strong>Universität</strong> Paderborn<br />
niehus@hni.uni-paderborn.de<br />
erren@campus.uni-paderborn.de<br />
hampel@uni-paderborn.de<br />
Abstract: Das grafisch-semantische Arrangieren von Medien ist zentral für modernes<br />
E-<strong>Learning</strong> und Wissenskonstruktion in Gruppen. Aufbauend auf der Grundlage<br />
so genannter virtueller Wissensräume erlaubt der ” Medi@rena Composer “ das<br />
kooperative Positionieren und Strukturieren von vielfältigen Formen von Wissensobjekten.<br />
Ein konsequent objektorientiertes Arrangieren von Wissenselementen in einer<br />
Medienarena benötigt spezifische architektonische Grundlagen. Der vorliegende Beitrag<br />
stellt aufbauend auf diesen Grundlagen unser Eclipse-Rich-Client-basiertes Basis-<br />
Framework ” mediarena“ vor. Anhand einer Reihe von Einsatzerfahrungen in der universitären<br />
Lehre werden die Kernmerkmale semantischen Positionierens gegenüber<br />
klassischen Shared Whiteboard-Ansätzen herausgearbeitet.<br />
1 Einleitung<br />
Moderne Ansätze der Erwachsenenbildung sehen die Lernenden im Zentrum eines aktiven<br />
Prozesses der Wissensorganisation. Wissensorganisation meint hierbei den selbstorganisierten<br />
Prozess der Strukturierung vielfältiger Wissensquellen und Lernmaterialien.<br />
Unabhängig von verschiedenen didaktischen Methoden und Herangehensweisen helfen<br />
digitale Medien und Werkzeuge diese Prozesse zu vereinfachen und zum Teil erst zu<br />
ermöglichen. Unter den Stichworten des Findens neuer Qualitäten von Mobilität oder auch<br />
neuer Interaktionsformen steht letztlich die schon seit den Anfängen der Forschung zum<br />
computergestützten kooperativen Lernen stehende Anspruch der zeit- und ortsübergreifenden<br />
Integration aller Orte und Situationen in denen Wissen verarbeitet wird.<br />
<strong>Die</strong> klassische Unterscheidung nach einem synchronen oder asynchronen Charakter dieser<br />
<strong>Die</strong>nste tritt unter dem Anspruch in verschiedensten Konstellationen zeit- und ortsübergreifend<br />
zusammenarbeiten und lernen zu wollen mehr und mehr in den Hintergrund.<br />
Um so spannender und dringlicher stellt sich die Frage nach der Integration geeigneter<br />
Werkzeuge zur Unterstützung einer lernzentrierten Wissensstrukturierung, welche der<br />
Vielfalt von Lernorten und Lernkontexten von individuell bis kooperativ gerecht wird.<br />
Speziell im Hinblick auf das Finden geeigneter Strukturierungsmittel zum Aufbau von<br />
245
Erschließungsstrukturen, die den Lernfortschritt reflektieren und Wissensstrukturierungsprozesse<br />
geeignet unterstützen, scheint dieser Anspruch bislang nur in Ansätzen realisiert.<br />
Im Zentrum dieser Prozesse steht letztlich eine Zusammenfährung aus grafischsemantischen<br />
Visualisierungs- und Strukturierungstechniken mit klassischen Formen des<br />
Hypertext. Neue Qualitäten ergeben sich zum einen unter dem Stichwort social Software“<br />
”<br />
bzw Web 2.0“ in einer Generation neuer sozialer“ Formen der netzgestützten Kommu-<br />
” ”<br />
nikation und Kooperation, wie Wikis und Weblogs, zum anderen in neuen technischen<br />
Möglichkeiten der Bereitstellung und Entwicklung netzgestützter interaktiver Werkzeuge,<br />
wie z.B. Rich Client Architekturen.<br />
Im vorliegenden Beitrag werden wir aufbauend auf den Paderborner Erfahrungen im Aufbau<br />
von Methoden der semantischen Strukturierung von Wissen [GHK04] und ihrer Einbettung<br />
in zukunftsweisende Lehr-/ Lernkonzepte unsere aktuelle Forschung und Praxis in<br />
der Schaffung einer neuer Generation semantischer Visualisierungs- und Strukturierungstechniken<br />
vorstellen. Das Synonym Medi@rena steht hierbei für ein Theatrum, eine Arena<br />
medialer Strukturierungsvielfalt in der Wissenskonstruktion.<br />
Der Medi@rena Composer schafft eine synchron wie asynchron nutzbare räumliche Sicht<br />
auf Wissensräume [Ha01]. In ihren technischen Grundlagen wie ihrer praktischen Einbettung<br />
in vielfältige Lehr/Lernprozesse markiert sie für uns den Übergang von der bislang<br />
praktizierten Wissenspräsentation zur kooperativ-visuellen Wissensstrukturierung. Eine<br />
neue Generation von Mechanismen der semantischen Wissensstrukturierung (Positionierung)<br />
steht für einen längerfristigen Prozess, bei dem Objekte, Dokumente und grafische<br />
Elemente so räumlich miteinander in Beziehung gesetzt werden, dass sich durch<br />
die räumliche Anordnung der Wissenselemente und die Visualisierung von semantischen<br />
Zusammen- hängen die unterliegende Wissensstruktur erschließen lässt. <strong>Die</strong>s schließt die<br />
Nutzung von hypertextuellen Wissenselementen (Wikis) als Teil der arrangierten und verknüpften<br />
Wissensstrukturen ein. Neu ist in diesem Zusammenhang eine Form des objektorientierten<br />
Umgangs mit Wissensobjekten auszugestalten. Wissensobjekte können in<br />
vielfältiger Art und Weise verknüpft und attributiert. An Wissensobjekten können sich<br />
Kommunikationskanäle bilden oder vielfältige weitere Werkzeuge festmachen. Wissensobjekte<br />
benötigen besonders in ihrer technischen Umsetzung hierzu spezifische architektonische<br />
Vorbedingungen.<br />
In den folgenden Abschnitten werden wir zunächst die technischen Grundlagen einer derartigen<br />
Infrastruktur zur Wissensstrukturierung basierend auf der Eclipse Plattform in Verbindung<br />
mit der Open Source Infrastruktur sTeam [Os07] vorstellen. <strong>Die</strong>se technischen<br />
Entwicklungen werden von der Open Source Community unter dem Stichwort Flywheel<br />
vorangetrieben. In einem zweiten Schritt werden wir kurz von unseren Erfahrungen aus<br />
der praktischen Einbettung derartiger Mechanismen der Praxis der Wissensstruklturierung<br />
in der Lehre berichten.<br />
246
2 Technische Plattform<br />
open-sTeam (sTeam) wird als serverbasierte Plattform für kooperatives Arbeiten im Umfeld<br />
der Forschung und Lehre an der <strong>Universität</strong> Paderborn eingesetzt. Im Rahmen eines<br />
Projektes des Deutschen Forschungsnetz (DFN) am Heinz Nixdorf Institut entworfen,<br />
steht das Konzept des virtuellen Wissensraums zum objektgestützten Strukturieren im Mittelpunkt.<br />
Ein Wissensraum oder Areal nimmt sowohl Dokumente und Verzeichnisse, als<br />
auch komplexe Objekte wie Foren, Kalender, Chat, Gruppen und Benutzer auf. Flexible<br />
und gleichberechtigte Verwaltung von Objekten und Attributen ermöglicht die leichte Erweiterung<br />
und damit ständig neue Einsatzszenarien und <strong>Die</strong>nste von sTeam.<br />
Angepasste Benutzeroberflächen und Sichten auf Wissensräume in sTeam stehen zur Nutzung<br />
des CSCW/L Systems zu Verfügung. Neben einer umfangreichen Weboberfläche<br />
unterstützt sTeam gängige Protokolle wie FTP, IRC und Webdav. Abbildung 1 zeigt schematisch<br />
das Zusammenspiel der Protokolle und wie sie auf den virtuellen Wissensraum<br />
abgebildet werden.<br />
Als universelles Protokoll für verschiedene Client Anwendungen ist das COAL-Protokoll<br />
entwickelt worden. Es ermöglicht eine event-basierte, synchrone Kommunikation zwischen<br />
der Anwendung und sTeam. Für das COAL-Protokoll existieren unter anderem API<br />
Implementierungen für PHP und Java. <strong>Die</strong> Java API, JavaSteam, bildet die Netzwerkschnittstelle<br />
zum Medi@rena Composer .<br />
2.1 Rich Client<br />
object<br />
repository<br />
database<br />
Client<br />
WEBDAV E-MAIL Browser<br />
(synchron) FTP NEWS Browser<br />
COAL<br />
Internet<br />
FTP<br />
COAL HTTP IMAP ....<br />
WEBDAV<br />
sTeam-Server<br />
Abbildung 1: open-sTeam Protokolle<br />
...<br />
Webserver<br />
Das Ziel unserers Basis Frameworks ” flywheel“ ist es gleichermaßen eine flexibel erweiterbare<br />
wie modulare, aber auch schnelle und Betriebsystem unabhängige Plattform<br />
LDAP<br />
247
für Client-Anwendungen zu schaffen. Webtechnologien wie Ajax würden sich für die Umsetzung<br />
anbieten. Sie scheiden jedoch wegen ihrer asynchronen Arbeitsweise aus. Wir setzen<br />
auf eine Rich-Client-Architektur, die wir nach unseren Ansprüchen flexibel anpassen<br />
können. Das Eclipse-Projekt ist durch das Eclipse SDK, eine Java Entwicklungsumgebung<br />
(IDE), weit verbreitet. Neben dieser IDE ist Eclipse eine generische Entwicklungsplattform<br />
in die sich leicht Editoren und Werkzeuge für weitere Programmiersprachen<br />
und Systeme integrieren lassen. Grundlage dieser Entwicklungsumbegung ist die Eclipse<br />
Rich Client Plattform (RCP) [RCP07]. <strong>Die</strong> RCP ist ein universelles Framework für<br />
Komponeten-basiete Client-Anwendungen mit einer Vielzahl grundlegender Komponeten.<br />
Rich Client<br />
Plattform<br />
Help<br />
(optional)<br />
Rich Client Anwendung<br />
Update<br />
(optional)<br />
Eclipse Plattform<br />
Text<br />
(optional)<br />
Generic Workbench (UI)<br />
JFace<br />
Java VM<br />
andere Tools<br />
(CDT etc.)<br />
(optional)<br />
IDE<br />
Text<br />
PDE<br />
(optional)<br />
Compare Debug Search<br />
IDE<br />
Workspace<br />
(optional)<br />
SWT Plattform Runtime (OSGI)<br />
JDT<br />
(optional)<br />
Abbildung 2: Eclipse Rich Client Plattform in Komponeten<br />
Der Eclipse Rich Client ist seit Version 3.0 Teil der Eclipse Plattform. <strong>Die</strong> Struktur der<br />
Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Komponenten in der Java-basierten Anwendungsplattform<br />
zeigt Abbildung 2. Eine Eclipse Anwendung wird durch den Zusammenschluss<br />
verschiedener Komponenten gebildet. <strong>Die</strong>se heißen im Eclipse Sprachgebrauch Plug-ins<br />
[Bi05].<br />
Das Standard Widget Toolkit (SWT) [SWT07] gehört zu den Plug-ins, die fester Bestandteil<br />
des RCP Paketes sind. SWT bietet Java Bibliotheken für grafische Benutzeroberflächen.<br />
Im Gegensatz zu den Swing“ Paketen, bietet SWT Zugriff auf native UI<br />
”<br />
Widgets (z.B. Fenster und Buttons) des umgebenen Betriebsystems. Das Ergebnis sind<br />
schnellere Reaktionszeiten der Anwendung und nahtlose Einbettung in das Look & Feel<br />
der Umgebung. Während SWT low-level Zugriff auf die einzelnen Widgets des Fenstersystem<br />
ermöglicht, bieten die JFace Pakete, welche als separates Plug-in vorliegen, highlevel<br />
Klassen für häufige Aufgaben in der GUI-Programmierung. Durch das UI Workbench<br />
Plug-in werden Schnittstellen und Klassen hinzugefügt, die für die grafische Repräsentation<br />
der Benutzeroberfläche verantwortlich sind. Entwurfsmuster für views, editors,<br />
perspectives und actions sind bereits vorbereitet und lassen sich einfach in die eigene<br />
Anwendung integrieren. Ein wichtiger Teil des Komponenten-Konzeptes von Eclipse sind<br />
die Erweiterungspunkte (extension points), die andere Plug-ins nutzen können, um ihrer-<br />
248<br />
Team/<br />
CVS<br />
Eclipse SDK<br />
Java IDE
Rich Client<br />
Plattform<br />
Help<br />
(optional)<br />
Rich Client Application<br />
Update<br />
(optional)<br />
Generic Workbench (UI)<br />
JFace<br />
Eclipse Plattform<br />
Text<br />
(optional)<br />
SWT Plattform Runtime (OSGI)<br />
Java VM<br />
Mediarena<br />
Editor<br />
Model<br />
Chat<br />
sTeam<br />
Copy<br />
flywheel<br />
Developer<br />
Tools<br />
Workspace<br />
(optional)<br />
Abbildung 3: Der Medi@rena Composer in Komponeten<br />
seits bestehenden Plug-ins mit Funktionalität zu erweitern. Das Plug-in, das einen Erweiterungspunkt<br />
zur Verfügung stellt, definiert durch Java-Schnittstellen und ein XML-Schema<br />
eindeutig diesen Erweiterungspunkt. <strong>Die</strong>ses führt zu einem sehr flexiblen Komponenten-<br />
Modell, in dem Funktionalität in Plug-ins gekapselt wird.<br />
Durch diese Konzepte in Verbindung mit den Plug-ins SWT, JFace und UI Workbench ist<br />
die Eclipse Rich Client Plattform ein sehr leistungsstarkes Framework, welches wir für die<br />
Umsetzung einer interaktiven kollaborativen Wissensraum-Anwendung benötigen. Trotz<br />
einer aufwendigen Konfiguration ergibt sich ein sehr gut skalierendes Komponentensystem,<br />
das in der Basisversion aus etwa 60 Plug-ins besteht.<br />
<strong>Die</strong> Struktur von Medi@rena zeichnet sich besonders durch die Zergliederung in unterschiedliche<br />
Komponenten aus. Beim Softwareentwurf wurde besonders darauf geachtet,<br />
dass die Komponenten geeignete Funktionseinheiten bilden, um sich der Anforderung<br />
nach flexibler Austauschbarkeit und Erweiterbarkeit anzunähern [Ga94]. Zusammengefasste<br />
Komponenten bilden Funktionseinheiten und werden im Eclipse Sprachgebrauch als<br />
” Features“ bezeichnet. Der Medi@rena Composer selbst besteht aus zwei Features, dem<br />
flywheel und mediarena Feature. Zur Ausführung werden allerdings noch weitere Features<br />
benötig, das Eclipse RCP Feature und einige weitere Infrastruktur Komponenten wie<br />
GEF und EMF. <strong>Die</strong> gemeinsame Schnittstelle zwischen den beiden Komponentengruppen<br />
flywheel und mediarena bildet die Model-Komponente, die Bestandteil von flywheel ist.<br />
Das Komponentenschema von Medi@rena (Abbildung 3) veranschaulicht, den Zusammenhang<br />
zwischen der Eclipse Rich Client Plattform und den mediarena Komponenten.<br />
Der in blau dargestellte RCP Unterbau umfasst alle zur Laufzeit notwendigen Komponenten.<br />
Grün gefärbt sind die Komponenten von mediarena. Sie betten sich genau wie die<br />
Eclipse IDE ein. Sehr deutlich wird an dieser Stelle die Regel der Gleichberechtigung von<br />
Komponenten in der Eclipse Hausordnung, da einer verhältnismäßig kleinen Anwendung<br />
wie der Medi@rena Composer die selben Schnittstellen zu Verfügung sehen, wie der sehr<br />
umfangreichen Eclipse Java IDE.<br />
Admin<br />
Tools<br />
Mediarena<br />
249
3 Medi@rena Composer<br />
Entsprechend unserer Anforderungen an Anwendungen im CSCW/L Bereich, haben wir<br />
mit flywheel ein flexibles und modulares Framework auf Basis der Eclipse Rich Client<br />
Plattform geschaffen. mediarena ist eine Anwendung, die auf flywheel aufsetzt.<br />
Unser Framework ist wiederum in verschiedene Plug-ins unterteilt. Sie übernehmen zum<br />
einen die Kommunikation mit dem sTeam Server und zum anderen bilden sie das Objektmodell<br />
ab und verwalten dieses. Zusammen mit der Eclipse Rich Plattform sind sie die<br />
Basis für Anwendungen, wie der Medi@rena Composer .<br />
open-sTeam<br />
Server<br />
Internet<br />
Erweiterung<br />
Erweiterung<br />
SteamConnection<br />
Flywheel<br />
Model<br />
... Erweiterung<br />
ModelManager<br />
...<br />
IServerConnection<br />
Erweiterung<br />
Erweiterung<br />
Chat<br />
BaseEditParts<br />
Erweiterung<br />
Mediarena<br />
Abbildung 4: Medi@rena im Zusammenspiel mit open-sTeam<br />
Beim Design von flywheel verwendeten wir ein gängiges Entwurfsmuster, die Model-<br />
View-Controller Sturktur (MVC) [KP88]. sTeam organisiert Wissensobjekte in virtuellen<br />
Räu- men. Auch Benutzer werden durch ein Objekte repärsentiert und befinden sich in dem<br />
Raum der aktuell betrachtet wird. Für die Repräsentation von Räumen auf der Seite unserer<br />
Rich Client Anwendung ist die Modell-Komponente zuständig ( flywheel.model“).<br />
”<br />
Der Controller in flywheel.core“ hält das Modell synchron mit den Server. Für die Kom-<br />
”<br />
munikation bindet er das Event-basierte COAL-Protokoll mit der Java API JavaSteam ein.<br />
Abbildung 4 illustriert darüber hinaus die definierten Erweiterungspunkte z.B. im fly-<br />
”<br />
wheel.editor“. Anwendungen wie mediarena setzten auf die durch das flywhheel Framework<br />
geschaffene Model-Controller-Basis auf und fügen die für ihre Einsatzzwecke notwendigen<br />
Views und Editoren hinzu.<br />
Im Zentrum der grafischen Benutzeroberfläche des Medi@rena Composer steht der grafische<br />
Editor, der den Inhalt des aktuellen Raumes zeigt. Er ermöglicht das Arrangieren und<br />
Verknüpfen von Wissensobjekten über die Drag&Drop Funktionalität. <strong>Die</strong> Palette bietet<br />
die Möglichkeit neue grafische Objekte zu erzeugen. <strong>Die</strong> Objekt Outline listet alle Wissensobjekte<br />
im aktuellen Raum auf. Ebenen lassen sich durch Drag&Drop Operationen manipulieren.<br />
Der Navigator zeigt einen Gesamtüberblick über den aktuellen Wissensraum und<br />
ist eine Orientierungshilfe in großen Zoomstufen. <strong>Die</strong> Benutzerliste stellt eine Awareness-<br />
250
grafischer Editor<br />
Chat und Benutzerliste<br />
Abbildung 5: Medi@rena Benutzeroberfläche<br />
Objekt-Übersicht<br />
Navigator<br />
Rucksack<br />
Komponente dar und zeigt alle Benutzer, die sich aktuell im aktiven Raum befinden. über<br />
das Chat-Fenster besteht die Möglichkeit Nachrichten mit einzelnen Benutzern oder allen<br />
Anwesenden im Raum auszutauschen.<br />
In seiner Grundkonstruktion bezieht sich der Medi@rena Composer sowohl aus Sicht der<br />
medialen Nutzungskonzeption als auch aus Sicht der gewählten Softwarearchitektur auf<br />
einen konsequenten Objektansatz. Sämtliche arrangierbaren Wissenselemente werden als<br />
identische Objekte behandelt, welche sich lediglich durch eine angepasste Attributierung<br />
(Metadaten) unterscheiden. Auf diese Weise lassen sich auch komplexe Elemente, beispielsweise<br />
ganze Wiki-Hypertexte, in identischer Weise behandeln wie einfache grafische<br />
Elemente (Linienelemente, Kreissegmente etc.). Bei einem Objekt kann es sich genauso<br />
um ein Office-Dokument handeln wie um eine einfache Grafik. Auf ihrer technischen<br />
Grundlage heraus erlaubt der Composer die Strukturierung beliebiger Objekte und ist daher<br />
für die gesamte Breite möglicher Medienformen geeignet. Ziel der Basisarchitektur ist<br />
es auf diese Weise eine Grundlage für das Strukturieren von Objekten zu schaffen, in der<br />
sich auch komplexe Elemente grafisch positionieren, in Unterstrukturen (Ordnern) strukturieren<br />
lassen und damit in verschiedene Kontexte setzten lassen. Der Rich Client mediarena<br />
verwaltet dahingehend eine echte, persistente Objektstruktur und Sicht auf einen<br />
virtuellen Wissensraum. Er unterscheidet sich in dieser Weise grundlegend von bekannten<br />
Shared Whiteboard-Systemen, die vereinfacht ausgedrückt eine synchrone Zeichenfläche<br />
mit verschiedenen Medienelementen bereitstellen.<br />
Ein Mechanismus zur Erweiterung des grafischen Editor ermöglicht es den Medi@rena<br />
Composer um neue Objekttypen zu erweitern oder bestehende Darstellungen auf einfache<br />
Weise auszutauschen.<br />
251
Abbildung 6: Arbeiten mit dem Medi@rena Composer<br />
Insbesondere im Zusammenspiel mit klassischen grafischen Elementen eines Whiteboards<br />
lassen sich auf diese Weise echte Mehrwerte von Wissensräumen ausgestalten. - <strong>Die</strong> Grenze<br />
zwischen klassischem Hypertext und grafisch-semantsicher Wissensstrukturierung verschwimmt<br />
im virtuellen Wissensraum.<br />
4 Komplexe Aussagen durch semantisches Positionieren<br />
Während im letzten Kapitel vornehmlich der technische Aufbau unseres Konzeptes beschrieben<br />
wurde soll der theoretische Rahmen und der Praxisbezug deutlich werden. Als<br />
semantisches Positionieren [EK06] bezeichnen wir eine grafische Strukturierungstechnik<br />
bei der Wissensobjekte wie z.B. Dokumente allein aufgrund ihrer Position in einem visuellen<br />
Arrangement bereits eine semantisch interpretierbare Bedeutung erlangen. Dabei<br />
nutzen wir ein grundsätzliches Framework das auf vier Methoden der Anordnung sowie<br />
Kombinationen derselben aufbaut. Es gibt Topologien welche eine Anordnung von Elementen<br />
in n-Dimensionen erlauben, üblicherweise in Form von benannten Achsen realisiert.<br />
<strong>Die</strong> zweite Kategorie sind Prädikatenlogische Mengenkonstrukte bei denen Enthaltensein<br />
die zentrale Objektbeziehung darstellt. Drittens gibt es Relationskonstrukte in<br />
Form von Graphen mit üblicherweise benannten Kanten, die unterschiedliche Beziehungen<br />
zwischen Objekten konkretisieren. Der letzte Arrangementtyp sind Kombinatoriken<br />
die sich als Matrizen darstellen und jedem Objekt eine Kombination von Eigenschaften<br />
252
aus dem zugehörigen Zeilen- und Spaltenvektor zuordnen. Durch Nutzung dieses Konzeptes<br />
lassen sich visuelle Wissenstrukturierungen erstellen, die durch Kombination der<br />
Arrangementtypen erlauben komplexe Aussagen zu treffen. Solche Konstrukte bezeichnen<br />
wir als Overlays.<br />
Wir nutzen dieses Konzept im Zusammenhang mit verschiedenen weiteren Technologien<br />
aus dem Bereich des Web 2.0 um verschiedenste Lern- und Lehrszenarios an einer <strong>Universität</strong><br />
zu kreieren. Das Szenario welches derzeit im Zusammenhang mit dem Konzept des<br />
semantischen Positionierens am stärksten von den grafischen Fähigkeiten der medi@rena<br />
Gebrauch macht ist das medi@thing (’thing’ bezieht sich dabei auf die altgermanischen<br />
Versammlungen bezüglich von Rechtsdingen). <strong>Die</strong>ses ist eine auf Erfahrungsbasis verbesserte<br />
Variante des ursprünglichen Jour Fixe Konzeptes [KH03] [EK06] für vorlesungsbegleitende<br />
Übungen welches in seiner Struktur eher Seminaren als klassischen Übungen<br />
mit Aufgabenblattabgaben entspricht. <strong>Die</strong> Studierenden erarbeiten sich dazu ein komplexes<br />
Themengebiet welches sie in Form einer visuellen Wissensstrukturierung basierend<br />
auf virtuellen Wissensräumen aufbereiten. <strong>Die</strong>ses präsentieren sie zu drei Zeitpunkten in<br />
der Entstehungsphase vor dem versammelten Kurs und stellen sich Diskussion und eventueller<br />
Kritik, die bei der Verbesserung der Struktur helfen soll.<br />
Das es tatsächlich möglich ist auf diese Weise durch semantisches Positionieren komplexe<br />
Aussagen zu treffen, soll in folgendem Beispiel gezeigt werden.<br />
<strong>Die</strong>se von Studenten erstellte Visualisierung zum Thema Atomkrieg aus Versehen nutzt<br />
eine neue Overlaystruktur aus Zeitstrahl und Mengenstruktur (letzteres aber nur inkonsequent),<br />
den Zeittunnel. Der Tunnel wurde als Mittel gewählt um problematische Phasen in<br />
der Geschichte als Verengungen des Tunnels zu visualisieren. Erklärende Dokumente zu<br />
relevanten Phasen wurden wie aus Abbildung 7 ersichtlich nur über und unter dem Tunnel<br />
angeordnet, wobei auch eine Anordnung innerhalb möglich wäre. Drei Einflussfaktoren<br />
nämlich Politik“, Mensch“ und Technik“ wurden bezüglich der Thematik identifiziert<br />
” ” ”<br />
und durch wirr verwobene Bänder innerhalb des Tunnels dargestellt. <strong>Die</strong> Ersteller wollen<br />
damit nach eigener Aussage eine quantitative Gewichtung der einzelnen Faktoren als<br />
Grund einer Krise ausschließen.<br />
Allein schon diese Aufstellung erlaubt es Wissensobjekten in der Struktur Bedeutung zuzuweisen.<br />
<strong>Die</strong> wirkliche Komplexität der gemachten Aussagen zeigt sich aber oft erst in<br />
der Diskussion. Dabei ergaben sich hier die Kritikpunkte, dass durchaus Gewichtungen<br />
der Einflussfaktoren (meist versagende Technik als potentieller Auslöser eines versehentlichen<br />
Atomkrieges und menschliche Intervention um dies zu verhindern) möglich waren.<br />
Auf den dann geordneten Linien für Politik, Mensch und Technik könnten dann auch direkt<br />
innerhalb des Tunnels die erklärenden Dokumente angebracht werden um die Aussagekraft<br />
noch zu erhöhen.<br />
Der Vorteil einer solchen Wissensstrukturierung liegt aber auch darin, dass jemand der<br />
einen Wissensraum mit Dokumenten zu einem komplexen Thema betritt, rein aus der grafischen<br />
Aufbereitung heraus sehr schnell Einschätzungen darüber machen kann, was für<br />
einen Inhalt die enthaltenen Dokumente jeweils behandeln. <strong>Die</strong> Vermutung ist, dass dadurch<br />
die nicht-sequentielle Erarbeitung des Themas unterstützt wird. <strong>Die</strong>s muss aber noch<br />
empirisch belegt werden. Zumindest wurde aber bereits demonstriert, dass das semanti-<br />
253
Abbildung 7: Wissensstrukturierung als Zeittunnel zum Thema ” Atomkrieg aus Versehen“<br />
sche Positionieren mit Hilfe des Medi@rena Composer in ersten Ansätzen zur Prozessunterstützung<br />
von lebenslangem Lernen und der dafür nötigen Erweiterbarkeit geeignet<br />
ist.<br />
Weitere Lern- und Lehrszenarien die eine grafische Representation auf Basis von virtuellen<br />
Wissensräumen haben sich im Zusammenhang mit Web 2.0 Technologien wie Blogs und<br />
Wikis ergeben. Letztere können z.B. ebenfalls schon als Dokumente im Medi@rena Composer<br />
verwendet werden. Auch Bewertungs- und Verbesserungsverfahren, speziell Pyramidendiskussionen<br />
und Thesen-Replik-Verfahren [BS05], wie sie beispielsweise in der<br />
Diskursstrukturierung verwendet werden wurden auf Basis von virtuellen Wissensräumen<br />
schon realisiert. Eine Einbindung in den Medi@rena Composer steht hierbei allerdings<br />
noch aus und wird weiteren Implementierungsaufwand erfordern.<br />
5 Verwandte Arbeiten<br />
Verschiedene andere Projekt setzen auf unterschiedlichen Umgang mit Wissenssturkturen.<br />
Einige davon stellen wir im folgenden kurz vor.<br />
254
Groove Virtual Office [Gr07] ist ein Anwendung zur kooperativen Dokumentenverwaltung,<br />
die sich in die Windows Plattform integriert. Neben Chat und Voice Nachrichten zur<br />
Kommunikation bietet Groove kooperative Möglichkeiten wie z.B. gemeinsames Navigieren.<br />
Außerdem hat man hier die Möglichkeit zusätzliche Programmfunktionen über Erweiterungen<br />
zu ergänzen. Groove besitzt auch ein kooperatives Whiteboard, wobei dieses<br />
hier aber eher einer simplen Zeichen- und Skizzenfläche entspricht und nicht zur Dateiverwaltung<br />
dient. <strong>Die</strong> vornehmbaren Annotationen stehen demnach auch nur auf der jeweils<br />
angelegten Whiteboard-Seite zur Verfügung. Komplexe Arrangements und eine persistente<br />
Datenhaltung sind nicht vorgesehen, es geht vielmehr darum einen verteilten Kommunikationsprozess<br />
durch grafische Skizzen oder Highlights von Bildern zu unterstützen.<br />
Habanero [Ha07] ist ein Framework zur Konstruktion verteilter kollaborativer Anwendungen<br />
auf Basis von Java. Habanero bietet Werkzeuge für Chat, Whiteboard und Viewer für<br />
unterschiedliche Dateiformate. Eigene Erweiterungen können durch so genannte Hablets<br />
hinzugefügt werden. Auch hier entspricht das Whiteboard als eine grafische Aufbereitungsfläche<br />
aber eher einer Fläche für kurze Skizzen als einem Tool für aufwendige und<br />
persistente Wissensstrukturierung mit visuellen Arrangements.<br />
6 Ausblick<br />
<strong>Die</strong> generelle Offenheit des Ansatzes und die Breite an Möglichkeiten zur Definition neuer<br />
Lernszenarien macht semantisches Positionieren im Zusammenhang mit virtuellen Wissensräumen<br />
und Web 2.0 Technologien zu einem Schwerpunkt der weiteren Entwicklung<br />
des Medi@rena Composer . So sollen weitere Lern- und Lehrszenarien innerhalb der grafischen<br />
Oberfläche ermöglicht werden. Einige Umsetzungen wie Pyramidensidkussionen<br />
und Wikis existieren bereits auf Basis virtueller Wissensräume und werden nun sukzessive<br />
in den Medi@rena Composer integriert.<br />
Eine weitere Perspektive sind sogenannte responsive Szenarien, bei denen Prozesse aufgrund<br />
der Platzierung von Objekten angestoßen werden. <strong>Die</strong>s könnte beispielsweise zur<br />
Entwicklung neuer Wissensabfragekonzepte ähnlich wie Multiple-Choice auf grafischer<br />
Ebene genutzt werden, wenn Auswertungen über das semantische Arrangement laufen,<br />
das ein Student zu einer Aufgabe vornimmt.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[EK06] Erren, P., Keil, R. (2006): Semantic Positioning as a Means for Visual Knowledge Structuring.<br />
In: Nejdl, W.; Tochtermann, K. (Hrsg.): EC-TEL 2006, LNCS, Band 4227, S. 591-<br />
596, Berlin, Heidelberg, Springer-Verlag.<br />
[GHK04] Geißler, S., Hampel, T., Keil-Slawik, R.: Vom virtuellen Wissensraum zur Lernumgebung<br />
- Kooperatives Lernen als intergrativer Ansatz für eine mediengestütze Bildung. i-com,<br />
3.Jahrg., Heft 2<br />
[Ha01] Hampel, T.: Virtuelle Wissensräume - Ein Ansatz für die kooperative Wissensorganisation,<br />
<strong>Universität</strong> Paderborn, Paderborn 2001<br />
255
[Os07] open-sTeam Projektseite,<br />
http://www.open-steam.org [Juni 2007].<br />
[Bi05] Birsan, D.: On plug-ins and extensible architectures, New York, USA, 2005, 40–46,<br />
ACM Press<br />
[Ga94] Gamma E., Helm R., Johnson R., M. Vlissides J.: Design Patterns: Elements of Reusable<br />
Object-Oriented Software, 1994, Addison-Wesley Professional.<br />
[RCP07] RCP (Eclipse Rich Client Plattform) Projektseite,<br />
http://www.eclipse.org/rcp [Juni 2007].<br />
[SWT07] SWT (Standard Widget Toolkit) Projektseite,<br />
http://www.eclipse.org/swt [Juni 2007].<br />
[KP88] G. E. Krasner and S. T. Pope. A cookbook for using the model-view controller user interface<br />
paradigm in Smalltalk-80. Journal of Object-Oriented Programming, pages 26-49,<br />
August/September 1988.<br />
[Gr07] Microsoft Office Groove 2007 Projektseite. http://www.groove.net/, [Juni 2007].<br />
[Ha07] NCSA Habanero Projektseite. http://www.isrl.uiuc.edu/isaac/Habanero/, [Juni 2007].<br />
[BS05] Blanck, B., Schmidt, C.: Erwägungsorientierte Pyramidendiskussion im virtuellen Wissensraum<br />
open sTeam. in: Djamshid Tavangarian, Kristin Nölting (Hrsg.): Auf zu neuen<br />
Ufern! E-<strong>Learning</strong> heute und morgen. Münster: Waxmann. 2005, S. 67-76.<br />
[KH03] Keil-Slawik, R., Hampel, T.: Neue Wege kooperativen Lernens - Das Paderborner Jour-<br />
Fixe-Konzept. In: DFN Mitteilungen 63. Jahrg, Heft 11, 2003, S.16-20.<br />
256
Zur Gestaltung der Aushandlungsunterstützung in<br />
CSCL-Systemen<br />
Andrea Kienle<br />
Fraunhofer IPSI<br />
Dolivostraße 15<br />
64293 Darmstadt<br />
andrea.kienle@ipsi.fraunhofer.de<br />
Abstract: In vielen Prozessen computergestützten kollaborativen Lernens wird die<br />
Erarbeitung eines gemeinsamen Ergebnisses als Ziel genannt. Dazu werden in<br />
CSCL-Systemen Aushandlungsfunktionalitäten benötigt, die jedoch bislang nur<br />
selten realisiert wurden. Der vorliegende Artikel leistet einen Beitrag zu diesem<br />
Thema, indem er zum ersten Mal die Ergebnisse dreier Studien zusammenfasst, in<br />
denen verschiedene Aushandlungsunterstützungen in CSCL-Systemen evaluiert<br />
wurden. Ziel dieser Betrachtung ist die Ableitung allgemeiner Designprinzipien,<br />
die für die Gestaltung zukünftiger Systeme handlungsanleitend sind. Zunächst<br />
werden dazu Merkmale von Aushandlungsunterstützungen für CSCL-Systeme erarbeitet,<br />
an Hand derer die Aushandlungsfunktionalitäten von KOLUMBUS,<br />
BSCL und nBSCW vorgestellt werden. Anschließend werden zentrale Ergebnisse<br />
aus den Erprobungen dieser Systeme präsentiert und gegenübergestellt. Aus diesem<br />
Vergleich werden dann die Designprinzipien abgeleitet.<br />
1 Einleitung<br />
In der Forschung zur elektronischen Unterstützung von Lernprozessen setzt sich zunehmend<br />
die Einsicht durch, dass Lernen gemeinsam durch das Zusammenwirken mehrerer<br />
Akteure erfolgt. Dementsprechend stellt der Ansatz des Computer Support for Collaborative<br />
<strong>Learning</strong> (CSCL) die Aktivität der Lernenden und das selbstorganisierte Lernen in<br />
den Vordergrund [Ko96]. In der Vergangenheit wurden unterschiedliche kollaborative<br />
Lernprozesse entworfen (für einen Überblick siehe [KH04]), die zu sehr ähnlichen Ergebnissen<br />
bzgl. der Aktivitäten der Lernenden kommen: dies sind Aktivitäten, die sich<br />
auf die Beschäftigung mit (gemeinsam erarbeitetem) Material, der Diskussion unter den<br />
Lernenden und auf die Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis beziehen.<br />
Soll das kollaborative Lernen computergestützt erfolgen, sind für diese Aktivitäten entsprechende<br />
Funktionalitäten in CSCL-Systemen bereitzustellen. Insbesondere die gezielte<br />
Unterstützung der Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis, oft als das Ziel kollaborativen<br />
Lernens genannt (siehe z.B. [SH99], [Di02]), fand in den letzten Jahren für die<br />
Gestaltung von CSCL-Systemen noch wenig Beachtung (vereinzelte Ausnahmen finden<br />
sich in [DB96], [Di02]). Stahl und Herrmann sehen hier insbesondere das Problem, dass<br />
257
eine fehlende Systemunterstützung zu fehlenden Gruppenergebnissen führt und damit<br />
das Ziel kollaborativen Lernens nicht erreicht wird [SH99]. Um der Relevanz der Aushandlungsunterstützung<br />
Rechnung zu tragen, wurden aufbauend auf den Erfahrungen<br />
mit bestehenden Anwendungen drei prototypische Aushandlungsfunktionalitäten in<br />
CSCL-Systemen umgesetzt und evaluiert.<br />
In diesem Beitrag werden nun erstmals die Ergebnisse aus diesen Studien zusammengefasst<br />
und vergleichend gegenübergestellt. Ziel dieser Betrachtung ist es, aus diesem<br />
Vergleich allgemeine Designprinzipien für die Aushandlungsunterstützung in CSCL-<br />
Systemen abzuleiten, die für die Gestaltung zukünftiger Systeme handlungsanleitenden<br />
Charakter haben. Dazu werden im folgenden Abschnitt 2 zunächst aufbauend auf verwandten<br />
Arbeiten zentrale Merkmale von Aushandlungsunterstützungen für CSCL-<br />
Systeme erarbeitet. In Kapitel 3 werden konkreter die Ausprägungen dieser Merkmale in<br />
den drei Systemen KOLUMBUS [Ki06], [PR06], BSCL [St03] und nBSCW [Po02]<br />
vorgestellt. Kapitel 4 widmet sich den Evaluationsergebnissen aus realen Anwendungen<br />
dieser Systeme und stellt diese vergleichend gegenüber. In Kapitel 5 werden aus diesem<br />
Vergleich allgemeine Designprinzipien abgeleitet. Zusammenfassung und Ausblick in<br />
Kapitel 6 runden den Beitrag ab.<br />
2 Merkmale von Aushandlungsunterstützungen für CSCL-Systeme<br />
Im Zusammenhang computergestützter kooperativer Arbeit (CSCW) hat die Unterstützung<br />
der Aushandlung bereits eine längere Tradition (vgl. z.B. [DS83], [DG87]) und<br />
wird zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Das Spektrum reicht dabei von der Aushandlung<br />
von Zugriffsrechten [SW98] über das Finden gemeinsamer Termine in Gruppenkalendern<br />
[EZR94] bis hin zu gemeinsamer Problemlösung [DS83]. Systeme, die zur<br />
Aushandlungsunterstützung eingesetzt werden, unterscheiden sich zunächst darin, ob sie<br />
sich ausschließlich auf die Aushandlung beziehen oder in einen größeren Zusammenhang<br />
eingebettet sind. Systeme der ersten Kategorie sind etwa Gruppenkalender<br />
[EZR94] zum Finden eines gemeinsamen Termins und Group Decision Support Systems<br />
[DG87] oder Negotiation Support Systems [BKM02] zur gemeinsamen Problemlösung.<br />
Der zweiten Kategorie sind zum Beispiel Funktionalitäten zur Aushandlungen von<br />
Zugriffsrechten wie im Projekt PoliTeam [SW98] zuzuordnen; die Aushandlung ist hier<br />
als Abstimmung (engl. Voting) realisiert.<br />
Bestehende Anwendungen im Bereich computergestützten kollaborativen Lernens beziehen<br />
sich auf die Lösung von Konflikten [DB96], das Aushandeln einer gemeinsamen<br />
Perspektive auf den Lerngegenstand [SH99], [Di02] und eines gemeinsamen Ergebnisses<br />
mittels Ko-Autorenschaft [PR06]. <strong>Die</strong> für computergestütztes kollaboratives Lernen<br />
eingesetzten Systeme lassen sich der zweiten Kategorie (Integration der Aushandlung in<br />
größerem Zusammenhang) zuordnen, da CSCL-Systeme idealerweise komplette Lernprozesse<br />
unterstützen, von denen ein Teil gerade die Einigung auf ein gemeinsames<br />
Ergebnisses ist (vgl. vorangegangenen Abschnitt). Merkmale für die Aushandlungsunterstützungen<br />
in CSCL-Systemen beziehen sich also einerseits auf eigens für die Aushandlung<br />
konzipierte Funktionalitäten und andererseits auf die Integration mit anderen<br />
Funktionalitäten des CSCL-Systems. Im Groben sind Bestandteile einer Aushandlung<br />
258
das Einbringen von Vorschlägen (z.B. bzgl. Meinungen, Ideen, Lösungen), die von<br />
Gruppenmitgliedern kommentiert und diskutiert werden und über die die Gruppe<br />
schließlich abstimmt. Das Einbringen von Vorschlägen und die Abstimmung sind eigens<br />
zu konzipierende Funktionalitäten, während die Kommentierung und Diskussion Funktionalitäten<br />
darstellen, die auch für andere Aktivitäten des Lernprozesses genutzt werden.<br />
Basierend auf der Analyse der bestehenden Ansätze können für Aktivitäten im Rahmen<br />
einer Aushandlung detaillierter Merkmale genannt werden, nach denen die verschiedenen<br />
Unterstützungen konzipiert und unterschieden werden können:<br />
! Ziel der Aushandlung: <strong>Die</strong> einleitenden Beispiele zeigen unterschiedliche Ziele der<br />
Aushandlung wie Finden gemeinsamer Termine, Problemlösung, die Einigung auf<br />
Zugriffsrechte etc. Mit Blick auf kollaborative Lernprozesse zielt die Aushandlung<br />
auf ein gemeinsames Ergebnis.<br />
! Anzahl der Beteiligten: Angebotene Funktionalitäten können mitunter abhängig<br />
von der zu erwartenden Gruppengröße sein; so ist z.B. der Prozentsatz, bei dem<br />
ein Vorschlag als angenommen gilt, bei einer Gruppe von 3 Personen anders einzustellen<br />
als bei 100. In kollaborativen Lernprozessen, in denen in Kleingruppen<br />
gemeinsam Ergebnisse erarbeitet werden sollen, handelt es sich meist um Gruppen<br />
mit drei bis zehn Teilnehmern.<br />
! Einbringen von Vorschlägen: Hier kann unterschieden werden, wer Vorschläge,<br />
über die abgestimmt werden soll, einbringt. In kollaborativen Lernsituationen, in<br />
denen eine Gruppe selbst gemeinsame Ergebnisse erarbeiten soll, sollten die Vorschläge<br />
entsprechend auch von den Gruppenmitgliedern eingebracht werden können.<br />
! Auswahlmöglichkeiten für Stimmen (Voten): In [He95] werden folgende Auswahlmöglichkeiten<br />
vorgeschlagen: Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung,<br />
Gegenvorschlag oder Ausweichen auf andere Kommunikationswege. Das<br />
Ausweichen auf andere Kommunikationswege ist immer dann notwendig, wenn<br />
Gruppenmitglieder z.B. ein Gespräch initiieren möchten, da sich für sie der<br />
betreffende Vorschlag noch nicht in dem Zustand befindet, so dass formal<br />
abgestimmt werden kann.<br />
! Transparenz über Voten anderer: Hier ist zu unterscheiden, ob es sich um eine geheime<br />
Wahl handeln soll oder ob die Voten anderer für die Nutzer angezeigt werden.<br />
Bei Transparenz über die Voten besteht für kollaborative Lernsituationen die<br />
Befürchtung, dass sich Gruppenmitglieder an den vermeintlich Besten in der<br />
Gruppe halten. Bei geheimer Wahl fehlt den Teilnehmern die Transparenz bzgl.<br />
der Beteiligung an dem Abstimmungsprozess.<br />
! Modus der Abstimmung (Voting): Je nachdem, ob das Abstimmen (Voting) als<br />
Zwischenschritt oder Abschluss eines kollaborativen Lernprozesses angesehen<br />
wird, kann man Voten zurücknehmen bzw. ändern oder nicht.<br />
! Integration von Aushandlung und Diskussion bzw. Kommentaren: Wie oben argumentiert,<br />
ist die Aushandlung ein Teil des Lernprozesses, der komplett vom<br />
259
CSCL-System zu unterstützen ist. Deshalb wird dafür plädiert, dass eine enge Verknüpfung<br />
zwischen der Aushandlung und der Unterstützung von Diskussionen<br />
bzw. Kommentaren für kollaborative Lernsituationen sinnvoll sein kann [KH04].<br />
3 Aushandlungsfunktionalitäten in CSCL-Systemen<br />
In diesem Abschnitt werden drei Umsetzungen vorgestellt, die in eigenen Studien evaluiert<br />
wurden (siehe folgenden Abschnitt 4). Dabei wird zunächst jeweils überblicksartig<br />
der Aushandlungsablauf beschrieben und an Hand eines Screenshots verdeutlicht, bevor<br />
im zusammenfassenden Unterabschnitt die jeweiligen Ausprägungen der Merkmale<br />
gegenübergestellt werden. Dabei können aus Platzgründen nicht alle Details beschrieben<br />
werden. Hier sei auf die jeweiligen Primärquellen verwiesen.<br />
3.1 KOLUMBUS<br />
In KOLUMBUS [Ki06] werden Gruppenergebnisse erzielt, indem gemeinsam Verantwortung<br />
für eine oder mehrere kleine Einheiten (Items) wie Materialsabschnitte etc.<br />
übernommen wird. KOLUMBUS stellt hier eine Aushandlungsfunktion zur Verfügung,<br />
bei der ein Urheber einem oder mehreren Teilnehmern die Mit-Urheberschaft vorschlägt.<br />
Alle vorgeschlagenen und auch die bereits festgelegten Mit-Urheber werden zu dem<br />
Aushandlungsprozess per E-Mail eingeladen. Sie können für oder gegen den Vorschlag<br />
stimmen, sich enthalten und weitere Diskussionen fordern (vgl. Abbildung 1 linke Seite).<br />
Abbildung 1: Abstimmung in KOLUMBUS (links) und Ergebnis (rechts)<br />
Dabei wird aus Gründen der Vereinfachung das Prinzip einer geheimen Wahl umgesetzt,<br />
d.h. Voten sind weder begründbar noch zurücknehmbar und Voten anderer können vor<br />
Ablauf der Aushandlung nicht eingesehen werden.<br />
Ein Grund für diese Entscheidung war die Überlegung, dass eine Diskussion mittels<br />
Annotationen dem Aushandlungsschritt vorangeht, so dass während der abschließenden<br />
Aushandlung Diskussionen nicht weiter zu unterstützen seien. Wenn ein bestimmter<br />
Prozentsatz, der vom Administrator eingestellt wird, dem Vorschlag zustimmt, wird die<br />
260
Gruppe der Autoren erweitert (vgl. Abbildung 1, rechte Seite). Auf diesem Weg erreicht<br />
eine Gruppe Konvergenz hinsichtlich einer bestimmten Menge von Materialbausteinen.<br />
3.2 BSCL<br />
BSCL, Basic Support for Collaborative <strong>Learning</strong> [St03], verfolgt den Ansatz, dass Artefakte<br />
von allen Nutzern so lange geändert werden können, bis eine Mehrheit oder alle<br />
Teilnehmer das Artefakt als gemeinsames Ergebnis akzeptieren. Einwände oder Diskussionen<br />
zu dem jeweiligen Stand des Artefakts werden in einem Diskussionsforum unterstützt.<br />
<strong>Die</strong> eigentliche Aushandlung findet also in der Diskussion des Artefaktes und<br />
nicht in der Abstimmung statt: „the real negotiation action is in the evolution of the<br />
knowledge artefact proposed for agreement, and not in the voting process itself” [St03].<br />
Abbildung 2 zeigt auf der linken Seite die Aushandlung während der Diskussion, in der<br />
die Diskussionsbeiträge mittels sogenannter „Thinking Types“ (z.B. Vorschlag, Zustimmung,<br />
Ablehnung) klassifiziert werden können. In diesem Ansatz ist das eigentliche<br />
Voting Interface da sehr einfach (als Auswahl stehen nur Zustimmung oder Ablehnung<br />
zur Verfügung), da damit nur die schlussendliche Zustimmung realisiert wird (vgl. Abbildung<br />
2, rechte Seite). Zudem ist hier eine Begründung zur Zustimmung verpflichtend<br />
und es werden die Voten der anderen Teammitglieder angezeigt.<br />
3.3 nBSCW<br />
Abbildung 2: Abstimmung in BSCL aus [Mö03]<br />
nBSCW [Po02] basiert auf BSCW [AM99], einem Groupwaresystem, das Dokumente in<br />
einer Ordnerstruktur bereithält. <strong>Die</strong> Aushandlung eines gemeinsamen Ergebnisses stellt<br />
sich dementsprechend auch als ein Ordner dar: jedes Teammitglied hat die Möglichkeit,<br />
ein Artefakt zur Aushandlung vorzuschlagen. Dazu wird ein Negotation-Ordner angelegt,<br />
in dem sich neben dem auszuhandelnden Artefakt auch Informationen über die<br />
Aushandlung (inkl. Transparenz über die Voten anderer) und im Informationsthread die<br />
abgegebenen Kommentare befinden (siehe Abbildung 3, rechte Seite). Jedes Teammitglied<br />
kann über Zustimmung, Ablehnung oder Medienwechsel entscheiden oder einen<br />
Gegenvorschlag einstellen. Wird das Artefakt als gemeinsames Ergebnis bestätigt (d.h.<br />
261
der Vorschlag angenommen), wird das Dokument aus dem Negotiation-Ordner in den<br />
übergeordneten Ordner kopiert. Kommentare können sowohl beim Starten der Aushandlung<br />
als auch beim Abstimmen (vgl. Abbildung 3, linke Seite) abgegeben werden.<br />
Abbildung 3: Abstimmung in nBSCW (links) und Informationen über die laufende<br />
Aushandlung (rechts), aus [Mö03]<br />
3.4 Gegenüberstellung der Merkmale<br />
Tabelle 1 vergleicht die drei beschriebenen Umsetzungen an Hand der Merkmale aus<br />
Abschnitt 2. Aufgrund des identischen Einsatzes, nämlich die Einigung auf ein gemeinsames<br />
Ergebnis im Rahmen eines computergestützten kollaborativen Lernprozesses, in<br />
dem in einer Kleingruppe ein gemeinsames Ergebnis gefunden werden soll, haben die<br />
ersten drei Merkmale identische Ausprägungen. <strong>Die</strong> Gestaltung der Stimmenauswahl,<br />
ihre Transparenz sowie die Integration mit Kommentaren und Diskussionen sind hingegen<br />
unterschiedliche gestaltet.<br />
Merkmale KOLUMBUS BSCL nBSCW<br />
Ziel der Aushandlung Gemeinsames Ergebnis<br />
in Form eines Dokuments<br />
mit Besitzergruppe<br />
Gemeinsames Ergebnis<br />
in Form eines Artefakts<br />
Gemeinsames Ergebnis<br />
in Form eines (gekennzeichneten)<br />
Artefakts<br />
Anzahl der Beteiligten 3-20 3-20 3-20<br />
Einbringen von Vorschlägen<br />
Jeder Jeder Jeder<br />
Auswahlmöglichkeiten Zustimmung, Ableh- Zustimmung, Ableh- Zustimmung, Ableh-<br />
für Voten<br />
nung, Enthaltung, nungnung,<br />
Enthaltung,<br />
Diskussion<br />
Medienwechsel, Gegenvorschlag,<br />
Transparenz<br />
Voten anderer<br />
über nein ja ja<br />
Modus der Abstim- Ein Votum pro Person, Ein Votum pro Person, Ein Votum pro Person,<br />
mung<br />
keine Zurücknahme keine Zurücknahme keine Zurücknahme<br />
Integration von Kom- Nein, Diskussionen (Pflicht-)Kommentare, Kommentare, keine<br />
mentaren/Diskussion getrennt<br />
Diskussionen getrennt Diskussion<br />
Tabelle 1: Vergleich der drei Umsetzungsbeispiele<br />
262
4 Erfahrungen mit den bestehenden Aushandlungsfunktionalitäten<br />
In diesem Abschnitt werden die Erprobungsfelder der verschiedenen Aushandlungsunterstützungen<br />
sowie Methoden und wesentliche Ergebnisse aus den Evaluationen beschrieben<br />
und diskutiert. <strong>Die</strong> Erprobungsfelder ähneln sich in der Größe der evaluierten<br />
Gruppen, den Laufzeiten der Aushandlungen und ihrem Ziel, das in der Einigung auf ein<br />
gemeinsames Gruppenergebnis lag. Zusätzlich waren alle als Feldexperiment konzipiert.<br />
Durch diese Ähnlichkeiten ist eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse möglich.<br />
4.1 Erfahrungen mit KOLUMBUS<br />
<strong>Die</strong> Aushandlungsunterstützung von KOLUMBUS wurde im Rahmen eines Feldexperimentes<br />
in vier Forscherteams mit jeweils drei bis fünf Teilnehmern erprobt. <strong>Die</strong> Teams<br />
hatten die Aufgabe, sich aufbauend auf ihren Projektarbeiten auf fünf Zukunftsthemen<br />
zu einigen, die dann im Rahmen einer zweitägigen Klausurtagung vertieft werden sollten.<br />
Zur Erreichung dieses Ziels wurden von den Teilnehmern in KOLUMBUS Vorschläge<br />
eingebracht, diskutiert und anschließend ausgehandelt.<br />
Für die Evaluation wurden Logfiles herangezogen, um Aufschluss über die prinzipielle<br />
Nutzung der jeweiligen Funktionalitäten zu erhalten. <strong>Die</strong> Inhaltsanalyse der entstandenen<br />
Bereiche mit vorgeschlagenen Themen, Diskussionen und Aushandlung zeigten die<br />
Struktur der Diskussions- und Aushandlungsprozesse. Zusätzlich wurden Interviews mit<br />
den Teilnehmern geführt und die Teilnehmer während ihrer Nutzung des Systems beobachtet,<br />
um subjektive Rückmeldung über die Eignung des Systems zur Aushandlungsunterstützung<br />
zu erhalten.<br />
<strong>Die</strong> Evaluation zeigte, dass die Teilnehmer keine Probleme hatten, Vorschläge einzustellen<br />
und diese zu diskutieren. Der eigentliche Aushandlungsschritt indes wies Unzulänglichkeiten<br />
auf. So wurde zunächst bemängelt, dass es keine Übersicht über laufende<br />
Aushandlungen gab. Da die Aushandlungen eng mit vorgeschlagenen Themen und Diskussionen<br />
verwoben sind, waren diese an unterschiedlichen Stellen innerhalb der Inhaltsstruktur<br />
platziert und konnten nicht immer gefunden werden. Zudem wurde deutlich<br />
gemacht, dass die fehlende Transparenz über die Voten Unsicherheit mit sich brachte, ob<br />
überhaupt andere Teilnehmer abgestimmt haben. <strong>Die</strong>s wurde erst transparent, wenn die<br />
Aushandlung abgeschlossen war (d.h. alle eingeladenen Teilnehmer abgestimmt haben)<br />
und die Liste der Urheber erweitert wurde.<br />
<strong>Die</strong> Optionen, die für ein Votum abgegeben werden konnten, wurden von den Teilnehmern<br />
positiv bewertet. Es wurde jedoch bemängelt, dass die Voten weder zurückgenommen<br />
noch kommentiert werden konnten. <strong>Die</strong> Teilnehmer behalfen sich schließlich<br />
damit, dass sie einen Diskussionsbeitrag an die Aushandlung hängten, in dem sie einerseits<br />
erwähnten, wie sie abgestimmt haben (und damit Transparenz über ihr Votum gaben)<br />
und schließlich begründeten, warum sie sich für dieses Votum entschieden haben.<br />
263
4.2 Erfahrungen mit BSCL<br />
<strong>Die</strong> Aushandlungsunterstützung von BSCL wurde im Rahmen eines 10-wöchigen Kurses<br />
Human-Computer Interaction (HCI) an der Drexel University in Philadelphia (USA)<br />
evaluiert (vgl. [Mö03]). Es wurden vier Studierendengruppen mit drei bis fünf Mitgliedern<br />
mit insgesamt 15 Probanden evaluiert. <strong>Die</strong> Aufgabe war er, unter Mensch-<br />
Computer Gesichtspunkten einen Prototypen zu entwerfen, umzusetzen und anschließend<br />
unter Usabilitykriterien zu evaluieren. <strong>Die</strong> Nutzung der Aushandlung wurde insbesondere<br />
für den Schritt der Zusammenstellung eines Evaluationsplans gefordert. Hier<br />
wurden von den Teammitgliedern Vorschläge gesammelt, die zu einem gemeinsamen<br />
Artefakt zusammengestellt und ausgehandelt werden sollten. In der abschließenden<br />
Woche wurde BSCL als Plattform genutzt, um BSCL zur Unterstützung von Aushandlungen<br />
zu bewerten.<br />
<strong>Die</strong> Evaluation erfolgte mittels Logfileanalyse und einer Inhaltsanalyse der im System<br />
entstandenen Diskussionen und initiierten Aushandlungen samt ihrer Voten und dazugehörigen<br />
Kommentare. Darüber hinaus flossen auch die Aussagen der in der abschließenden<br />
Woche geführten Diskussion und Aushandlung der Eignung von BSCL in die Evaluation<br />
ein.<br />
Bezüglich des Diskussionsprozesses zeigte die Evaluation, dass an sehr unterschiedlichen<br />
Stellen im System (z. T. auch Diskussionen in den Kommentaren zu den Artefakten)<br />
und auch über andere Kommunikationswege (E-Mail, ICQ) diskutiert wurde. <strong>Die</strong><br />
Teilnehmer kritisierten anschließend, dass sie durch diese Nutzung die Übersicht verloren,<br />
einige Diskussionen verpassten und ihnen so ein vollständiger Überblick fehlte.<br />
Gefordert wurde hier die explizite Nennung eines Diskussionskanals, der sowohl synchrone<br />
als auch asynchrone Kommunikation unterstützt.<br />
Bezüglich der eigentlichen Aushandlung zeigten die Logfiles, dass im Vergleich zu den<br />
anderen Studien sehr wenige Aushandlungen initiiert wurden, die dann alle zu einer<br />
Annahme des Vorschlages führten. <strong>Die</strong> Teilnehmer gaben während der Evaluationsphase<br />
an, dass ihnen der Sinn der expliziten Aushandlung zum Ende nicht deutlich war, da<br />
durch die Verwendung der Kategorien in Form von „Thinking Types“ (Vorschlag, Annahme,<br />
Ablehnung, vgl. Abb. 2, linke Seite) während der Diskussion die Meinungen<br />
aller ersichtlich waren. <strong>Die</strong>se Kategorisierung lässt in der Sicht der Teilnehmer mehr<br />
Raum zur Meinungsäußerung als die Aushandlung, da die Thinking Types vielfältiger<br />
waren als die Vote-Möglichkeiten (Zustimmung und Ablehnung) während der abschließenden<br />
expliziten Aushandlung. Zudem wären durch die Einstellung mehrerer Kommentare<br />
das Überdenken bzw. die Zurücknahme eine Meinung möglich.<br />
Um der expliziten Aushandlung einen höheren Stellenwert zu geben, wurden deshalb<br />
eine Reduzierung oder Ausschaltung der Thinking-Types und eine Erweiterung der<br />
Vote-Möglichkeiten vorgeschlagen. Schließlich wurde von einer Mehrheit der Teilnehmer<br />
eine Übersicht über laufende Aushandlungen gefordert und gewünscht, dass die<br />
Kommentierung des Votums optional und nicht verpflichtend sei.<br />
264
4.3 Erfahrungen mit nBSCW<br />
nBSCW wurde von einer Forschergruppe aus einem Dozenten und acht Doktoranden<br />
und Diplomanden genutzt, um einen gemeinsamen Methodenfundus in Form von 20<br />
Artikeln auszuhandeln. Der Aushandlungsprozess dauerte drei Wochen, die Gruppe<br />
vereinbarte, dass sich jeder mindestens alle zwei Tage beteiligte. Für die Aushandlung<br />
wurde ein eigener Experimentordner angelegt. In diesem Ordner initiierten die Teilnehmer<br />
ihre Aushandlungen durch Anlegen von Negotiation-Ordnern, (vgl. Abschnitt 3.3),<br />
in denen dann die Aushandlungen und Diskussionen stattfanden.<br />
<strong>Die</strong> Evaluation verlief ähnlich wie im Fall von KOLUMBUS (vgl. [Mö03]): es wurden<br />
Logfiles verwendet, eine Inhaltsanalyse der verschiedenen Ordner samt der darin enthaltenen<br />
Kommentare und Voten durchgeführt sowie die Teilnehmer interviewt und während<br />
ihrer Nutzung des Systems beobachtet.<br />
<strong>Die</strong> Evaluation zeigte, dass der Experimentsordner zunächst das Auffinden von Aushandlungen<br />
erleichterte. Bereits nach einigen Tagen führte die Vermischung von noch<br />
laufenden und bereits abgeschlossenen Aushandlungen jedoch zu einer von den Teilnehmern<br />
bemängelten Unübersichtlichkeit. So wurde im Verlauf der dreiwöchigen Nutzung<br />
eine Unterstruktur eingeführt, die laufende und bereits abgeschlossene Aushandlungen<br />
in verschiedenen Ordnern vorhält.<br />
Bezüglich der Aushandlungen innerhalb der Negotiation-Ordner wurden die vorhandenen<br />
Optionen für das Votum und die Transparenz über die Voten der anderen positiv<br />
bewertet. Gewünscht wurde hier die Abgabe vorläufiger Voten.<br />
Auch die Möglichkeit zur Kommentierung von Voten fand prinzipiell Anklang. Es wurde<br />
jedoch bemängelt, dass diese zum einen redundant zu den im BSCW sowieso schon<br />
vorhandenen Kommentarfunktionalitäten seien, so dass auch hier – ähnlich wie bei<br />
BSCL – zu viele unterschiedliche Kommentierungsmöglichkeiten vorhanden waren, die<br />
zu Kommentaren an unterschiedlichen Stellen innerhalb der Inhaltsstruktur führten. Zum<br />
anderen wurde kritisiert, dass die Kommentare von den eigentlichen Voten getrennt<br />
angezeigt werden, obwohl sie zusammen eingegeben wurden. Der Nachvollzug der<br />
Kommentare wurde dadurch erschwert. Zusätzlich wurde bemängelt, dass es keine Möglichkeit<br />
zu Diskussionssträngen gab.<br />
4.4 Diskussion der Ergebnisse<br />
Vergleicht man nun die verschiedenen Anwendungen, so wird zunächst deutlich, dass<br />
der eigentliche Aushandlungsschritt nur dann als relevant eingestuft wird, wenn er mehr<br />
ist als nur ein simpler Votemechanismus wie im Fall von BSCL. <strong>Die</strong>s wird zum einen<br />
dadurch erreicht, dass mehr Auswahlmöglichkeiten für die eigentlichen Voten angeboten<br />
werden wie im Fall von KOLUMBUS und nBSCW, da dadurch mehr Meinungen zum<br />
Ausdruck gebracht werden können.<br />
Zum anderen dürfte eine Möglichkeit zur Zurücknahme von Voten dem Aushandlungsprozess<br />
einen noch höheren Stellenwert geben, da dadurch die Aushandlungsfunktionali-<br />
265
täten schon zu einem früheren Zeitpunkt und häufiger (Votum setzen, ggf. revidieren<br />
statt einmal Votum setzen) genutzt wird. Aus allen hier beschriebenen Studien lässt sich<br />
aber nur der Wunsch nach einer solchen Funktionalität ableiten. Zum jetzigen Zeitpunkt<br />
liegen mit zurücknehmbaren Voten keine Erfahrungen vor, da keines der eingesetzten<br />
Systeme eine solche Möglichkeit bot.<br />
Zusätzlich ist eine enge Verzahnung mit einer optionalen Kommentarmöglichkeit sinnvoll.<br />
Ein Fehlen kann, wie im Fall von KOLUMBUS, zu alternativen Begründungswegen<br />
führen. Ein Zwang zur Kommentierung wie bei BSCL führt auf der anderen Seite<br />
zur Ablehnung. Um die Chance zu erhöhen, dass alle Kommentare wahrgenommen<br />
werden, sollte es nur eine Kommentierungsfunktionalität geben, auf die sich die Teilnehmer<br />
konzentrieren können. <strong>Die</strong> Konzentration auf eine Funktionalität gilt auch für<br />
eine zu fordernde Kommunikationsmöglichkeit, die eng mit der Aushandlung integriert<br />
werden sollte. <strong>Die</strong> Beispiele KOLUMBUS und BSCL zeigen, dass es eine Bereitschaft<br />
zur Diskussion gibt, die fehlende Integration zum Aushandlungsschritt aber bemängelt<br />
wird. Fehlt eine Möglichkeit zur Bildung von Diskussionen in Diskussionssträngen wie<br />
bei nBSCW, wird diese gewünscht.<br />
Schließlich zeigen die verschiedenen Studien, dass, wie bei vielen Gruppenanwendungen,<br />
der Transparenz ein hoher Stellenwert beigemessen wird. <strong>Die</strong>s betrifft zum einen<br />
die Übersicht über Aushandlungen, die dem nBSCW-Beispiel folgend in laufende und<br />
bereits abgeschlossene Aushandlungen unterteilen lassen sollten. Fehlende Transparenz<br />
führte bei KOLUMBUS und BSCL zu Problemen bei den Nutzern. Für CSCL-<br />
Anwendungen kann zusätzlich festgehalten werden, dass eine Transparenz über die<br />
Voten wie in den Fällen BSCL und nBSCW sinnvoll ist, eine geheime Wahl wie im Fall<br />
KOLUMBUS hingegen zu Unsicherheit und der Transparenzschaffung auf anderen<br />
Wegen führt. Sofern Kommentare (und Diskussionen) möglich sind, sollten diese zum<br />
Nachvollzug auch mit dem jeweiligen Votum verknüpft sein.<br />
5 Designprinzipien für Aushandlungsunterstützungen<br />
Aufbauend auf den zuvor beschriebenen Ergebnissen und der Diskussion lassen sich<br />
bezogen auf die Merkmale von Aushandlungsunterstützungen in CSCL-Systemen nun<br />
allgemeine Designprinzipien zusammenstellen. <strong>Die</strong>se beziehen auf die Merkmale bezüglich<br />
der Gestaltung der Aushandlungsunterstützung. Auf Ziele einer Aushandlung und<br />
die Anzahl der Beteiligten wird hier deshalb nicht mehr eingegangen:<br />
266<br />
! Einbringen von Vorschlägen: Wie bereits eingangs deutlich gemacht und auch in<br />
den Studien realisiert, können Vorschläge von allen eingebracht werden. Es sollte<br />
eine Übersicht über laufende und abgeschlossene Aushandlungen dieser Vorschläge<br />
geben.<br />
! Auswahlmöglichkeiten für Stimmen (Voten): Es empfiehlt sich eine breite Palette<br />
an Auswahlmöglichkeiten, die über die Optionen Zustimmung und Ablehnung hinausgeht.<br />
Zusätzlich sind die Enthaltung sowie eine Ausweichmöglichkeit wie
Gegenvorschlag, Diskussion oder Medienwechsel anzubieten. Eine breite Auswahlmöglichkeit<br />
gibt dem Aushandlungsschritt einen höheren Stellenwert.<br />
! Transparenz über Voten anderer: Für CSCL-Systeme unbedingt zu realisieren.<br />
! Modus der Abstimmung (Voting): <strong>Die</strong> Studien zeigen Hinweise, dass Voten zurücknehmbar<br />
sein sollten. <strong>Die</strong>s würde den Stellenwert des Aushandlungsschrittes<br />
erhöhen, da Voten schon früher gesetzt und häufiger genutzt (setzen, zurücknehmen,<br />
ändern) werden.<br />
! Integration von Aushandlung und Diskussion bzw. Kommentaren: <strong>Die</strong>s ist ein entscheidendes<br />
Merkmal für den Erfolg einer Aushandlungsunterstützung in CSCL-<br />
Systemen. <strong>Die</strong> Studien zeigen, dass Diskussionen notwendig sind, eine fehlende<br />
Integration oft bemängelt wird. Kommentare sollten optional sein und eng mit dem<br />
Votum verknüpft werden.<br />
6 Zusammenfassung und Ausblick<br />
<strong>Die</strong>ser Artikel leistet einen Beitrag zur Gestaltung der Aushandlungsfunktionalität in<br />
CSCL-Systemen. Nach der Motivation zu diesem Thema wurden aufbauend auf verwandten<br />
Arbeiten zentrale Merkmale von Aushandlungsunterstützungen für CSCL-<br />
Systeme erarbeitet. An Hand dieser Merkmale wurden die Aushandlungsfunktionalitäten<br />
der drei CSCL-Systeme KOLUMBUS, BSCL und nBSCW vorgestellt. <strong>Die</strong>se Systeme<br />
waren Gegenstand eigener Studien, deren Ergebnisse beschrieben und vergleichend<br />
gegenübergestellt werden. Aus diesem Vergleich wurden schließlich allgemeine Designprinzipien<br />
abgeleitet.<br />
<strong>Die</strong>se sehen vor, dass eine Transparenz über laufende und abgeschlossene Aushandlungen<br />
ebenso notwendig ist wie die Transparenz über Voten anderer. Bezüglich der Auswahloptionen<br />
für Stimmen empfiehlt sich eine breite Palette, die über Zustimmung und<br />
Ablehnung hinaus auch Enthaltung und Ausweichmöglichkeiten vorsieht; ferner kann<br />
die Zurücknahme und das Ändern von Voten sinnvoll sein. Als entscheidendes Merkmal<br />
hat sich jedoch eine enge Verzahnung von Diskussion und Kommentaren mit der Stimmenabgabe<br />
herausgestellt.<br />
<strong>Die</strong> hier gefundenen Designprinzipien sind durch die Umsetzungen und ihre Evaluationen<br />
gegründet. Keines der hier beschriebenen Systeme verfügt allerdings über die Kombination<br />
dieser Merkmalsausprägungen, so dass keine Hinweise bzgl. der Akzeptanz<br />
geliefert werden können. Zur weiteren Fundierung der Designprinzipien ist deshalb ein<br />
nach ihnen gestaltetes CSCL-System bzgl. der Wirksamkeit und Akzeptanz zu erproben.<br />
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268
Kontextualisierte Kooperationsinitiierung zur Unterstützung<br />
arbeitsplatzorientierten kollaborativen Lernens<br />
Andrea Kienle 1 , Martin Wessner 2 , Robert Lokaiczyk 3 , Andreas Faatz 3 , Manuel Görtz 3<br />
1 Fraunhofer IPSI<br />
Dolivostr. 15, 64293 Darmstadt, Germany<br />
andrea.kienle@ipsi.fraunhofer.de<br />
2 Ludwig-Maximilian-University<br />
Leopoldstr. 13, 80802 Munich, Germany<br />
martin.wessner@psy.lmu.de<br />
3 SAP Research CEC Darmstadt<br />
Bleichstr. 8, 64283 Darmstadt, Germany<br />
{robert.lokaiczyk, andreas.faatz, manuel.goertz} @sap.com<br />
Abstract: In diesem Beitrag werden ein Ansatz zur kontextualisierten Suche nach<br />
Kooperationspartnern bzw. geeigneten Experten für arbeitsplatzorientiertes kollaboratives<br />
Lernen sowie dessen Umsetzung präsentiert. Auf Basis bestehender Arbeiten<br />
zu Modellierung von Arbeitsprozessen sowie zur Rolle von Aufgaben- und<br />
Nutzerkontext werden die vier Schritte dieses Ansatzes vorgestellt. Der Ansatz<br />
sieht vor, dass zunächst der aktuelle Prozessschritt des Nutzers identifiziert wird<br />
(1). <strong>Die</strong> anschließende Identifikation relevanter Experten erfolgt bezogen auf die<br />
Parameter Kompetenz bezüglich des Prozessschrittes, Verfügbarkeit sowie organisatorische<br />
und soziale Distanz (2), die Anzeige erfolgt auf Basis dieser Liste sowie<br />
individueller Präferenzen des Nutzers (3). Informationen über die Kooperation reichern<br />
abschließend die vorhandene Wissensbasis an (4).<br />
1 Einleitung<br />
Häufig wechselnde Arbeitskontexte, immer schnellere Prozess- und Produktlebenszyklen<br />
und sich ständig ändernde Anforderungen an die Mitarbeiter machen lebenslanges<br />
Lernen in der heutigen Zeit unabdingbar. Um diesen Entwicklungen gerecht zu<br />
werden, wird verstärkt auf arbeitsplatzorientiertes Lernen [BBS01], [MS05] gesetzt.<br />
Dabei steht die Aneignung jenes Wissen im Vordergrund, das zur Lösung einer bestimmten<br />
Arbeitsaufgabe notwendig ist und dessen Nutzen sich direkt an der Arbeitsaufgabe<br />
messen lässt (anders als beim Lernen „auf Vorrat“). Dazu werden Wissensmanagementplattformen<br />
eingesetzt, die in Dokumenten Wissen bereitstellen und Möglichkeiten<br />
des Wissensaustauschs zwischen den Mitarbeitern ermöglichen [HKT02]. Unter<br />
dem Schlagwort des geschäftsprozessorientierten Wissensmanagements hat sich die<br />
269
Erkenntnis durchgesetzt, dass die Integration von Wissensarbeit und Geschäftsprozessen<br />
hilfreich ist [Di02].<br />
Arbeitsplatzorientiertes Lernen findet nun zu einem großen Grad während sozialer Interaktion,<br />
z.B. während der gemeinsamen Bearbeitung eines digitalen Artefakts oder der<br />
Kommunikation darüber, statt. Hier zeigt sich, dass Personen in unterschiedlichen Rollen<br />
beteiligt sein können. In der Rolle des Wissensarbeiters entwickelt, bearbeitet oder<br />
nutzt die Person Artefakte, kommuniziert über sie etc. In der Rolle des Lernenden erwirbt<br />
eine Person zusätzliches Wissen. <strong>Die</strong>s kann auf unterschiedlichen Wegen wie z.B.<br />
Lesen von Dokumenten oder Interaktion stattfinden. In der Rolle des Lehrenden bzw.<br />
Experten gibt eine Person Wissen an eine andere weiter. Der Übergang zwischen diesen<br />
Rollen ist dabei fließend [LW91]. Eine Person, die die Rolle des Wissensarbeiters innehat,<br />
wird zum Lernenden, sobald ein Problem auftritt, dessen Lösung für die Weiterarbeit<br />
notwendig ist. Gibt die Person Wissen an andere weiter, wird sie zum Lehrenden.<br />
Beim geschäftsprozessorientierten Wissensmanagement werden diese Rollen je nach<br />
aktuellem Geschäftsprozess eingenommen. In diesem Beitrag widmen wir uns dem<br />
Problem, wie ein Lernender bei der Identifikation geeigneten Lehrender bzw. Experten<br />
unterstützt werden kann. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Problemstellung:<br />
Beispiel: Anna soll zum ersten Mal einen Geschäftsprozess X bearbeiten. Für die Bearbeitung<br />
eines bestimmten Schrittes im Geschäftsprozess fehlt ihr das notwendige Wissen.<br />
Das vorhandene Wissensmanagementsystem bietet ihr zwar relevante Dokumente<br />
an, diese jedoch können ihre Fragen nicht zufrieden stellend beantworten. Sie benötigt<br />
den Rat relevanter Lehrender bzw, Experten, die sie bei der Wissensaneignung unterstützen.<br />
Aber wer ist das?<br />
Ob eine Person ein relevanter Experte ist, hängt von verschiedenen Parametern ab: zum<br />
einen muss sie relevant in Bezug auf den aktuellen Geschäftsprozess und zum anderen in<br />
Bezug auf den Hilfesuchenden (im Beispiel: Anna) sein. Daher werden im folgenden<br />
Abschnitt zwei Ansätze der Modellierung von Prozessen sowie (des Kontextes) einer<br />
Person betrachtet. Abschnitt 3 stellt den Ansatz zur kontextualisierten Kooperationsinitiierung<br />
vor. Dazu greifen wir das oben angeführte Beispiel auf und erläutern, wie der<br />
aktuelle Prozessschritt identifiziert werden kann (Abschnitt 3.1), wie geeignete Experten<br />
identifiziert (Abschnitt 3.2) und in eine Rangfolge gebracht werden können (Abschnitt<br />
3.3) und wie Informationen aus einer Kooperation wiederum in die Wissensbasis zurückfließen<br />
(Abschnitt 3.4). Abschnitt 4 widmet sich der Umsetzung dieses Ansatzes. Der<br />
Beitrag endet mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick (Abschnitt 5).<br />
2 Verwandte Arbeiten<br />
Unter der Bezeichnung Business-Process Oriented Knowledge Management sind in den<br />
letzten Jahren verschiedene Ansätze zur Integration von Wissensmanagement- und Geschäftsprozessen<br />
entwickelt worden (z.B. [Ab04]). Dazu werden die jeweiligen Prozesse<br />
sowie die Nutzer bzw. der Kontext der Nutzung modelliert Für die kontextualisierte<br />
Suche nach Experten als Partner für arbeitsplatzorientiertes kollaboratives Lernen können<br />
wir auf diesen Ansätzen aufbauen. Im folgenden werden Arbeiten zur Modellierung<br />
von Prozessen sowie des Aufgaben- und Nutzerkontextes angesprochen, Kaum thematisiert<br />
wird bei bisherigen Ansätzen das kollaborative Lernen und der Rückfluss aus dem<br />
270
kollaborativen Lernprozess in die Wissensbasis, um wiederum zukünftiges kollaboratives<br />
Lernen besser zu unterstützen.<br />
2.1 Prozessmodellierung<br />
Zur Definition des Begriffes Task stützen wir uns auf van Welie und definieren „Task“<br />
als eine Aktivität, die durchgeführt wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen [WVE98].<br />
<strong>Die</strong> klassischen Arbeiten zur Taskmodellierung lassen sich zwei Gruppen zuordnen.<br />
Zum einen sind dies ereignisbasierte Prozessmodellierungssprachen (1) und zum anderen<br />
zustandsorientierten Modellierungssprachen von denen wir jeweils einen Repräsentanten<br />
genauer betrachten.<br />
(1) <strong>Die</strong> Business Process Modelling Notation (BPMN) weist eine starke Verwandtschaft<br />
zu UML-Aktivitätsdiagrammen auf. BPMN ist in erster Line als graphische Standardisierung<br />
der Geschäftsprozessmodellierung zu verstehen [BPM06]. Neben der Erfassung<br />
elementarer Aktivitäten und ihrer zeitlichen und logischen Bedingungen kann in BPMN<br />
die Modellierung einzelner Akteure des Prozesses explizit durch die Übergabe von Werten<br />
zwischen sogenannten „Schwimmbahnen“ (swim lanes) und die Repräsentation von<br />
Artefakten des Prozesses durch sogenannte Data Objects erfolgen. <strong>Die</strong> BPMN ist ein<br />
Vertreter ereignisbasierter Prozessmodellierungssprachen, welche Ereignisse oder Aktivitäten<br />
als konstituierende Elemente verwenden.<br />
(2) Ein Petrinetz besteht aus Stellen, Marken, Transitionen und Kanten, die die Stellen<br />
und Transitionen miteinander verknüpfen [So00]. <strong>Die</strong> Verteilung der Marken auf den<br />
Stellen zeigt den Zustand des Petrinetzes an. Eine Transition (Feuern neuer Marken an<br />
die angrenzenden Stellen) ist dann ermöglicht, wenn alle eingehenden Stellen mit Marken<br />
belegt sind. Marken können verschiedenfarbig sein, um typisierte Ereignisse anzuzeigen.<br />
Van der Aalst hat die Vorzüge der Nutzung von Petrinetzen für die Arbeitsprozessmodellierung<br />
ausgiebig diskutiert [Aa96]. Insbesondere sind formale Verfahren<br />
bei der Überprüfung und Modellierung von Petrinetzen gut etabliert. Im Gegensatz zu<br />
BPMN sind Petrinetze zustandsbasiert, das heißt, dass neben Ereignissen oder Aktivitäten<br />
auch stets der aktuelle Zustand (durch die Belegung des Netzes mit Marken) zu den<br />
konstituierenden Elementen der Modellierung gehört.<br />
2.2 Der Kontext einer Aufgabe und eines Nutzers<br />
Im Hinblick auf die kontextualisierte Identifikation relevanter Experten zur Unterstützung<br />
arbeitsplatzorientierten kollaborativen Lernens sollen hier verwandte Arbeiten<br />
aus zwei Bereichen betrachtet werden. Zum einen geht es um die Erfassung und Nutzung<br />
des Aufgabenkontexts (Taskkontexts) eines Ratsuchenden, da dieser mitentscheidend für<br />
die Auswahl passender Experten ist. Zum anderen wird – unter einem breiteren Blickwinkel<br />
– die Modellierung des Kontextes einer Person (Nutzerkontext) betrachtet und<br />
gezeigt, wie er zur Identifikation passender Kooperationspartner genutzt werden kann.<br />
271
2.2.1 Taskkontext<br />
Ein System, das im Speziellen den Taskkontext berücksichtigt, ist CALVIN [BL01].<br />
Bauer und Leake fassen den Taskkontext als Term-Vektor-Beschreibung des gerade<br />
betrachteten Dokumentes auf. Auf Basis einer Differenzanalyse werden Termmengen<br />
durch das darunterliegende System Wordsieve über die Zeit analysiert und Taskwechsel<br />
durch einen festgelegten Schwellenwert der Differenz in den Termmengen erkannt. Das<br />
System arbeitet ausschließlich dokumentenbasiert über den Webbrowser. [GS05] verwendet<br />
einen umfassenderen Begriff des Taskkontextes und fügt dem Task Faktoren wie<br />
u. a. Komplexität, Schwierigkeit und Abhängigkeiten hinzu, um mit einem Bayesian-<br />
Belief-Modell günstige Momente für Unterbrechungen des Arbeitsflusses zu finden. <strong>Die</strong><br />
Strukturierung des Prozesses in Teilschritte geschieht durch geeignete Experten, die<br />
auch entsprechende Klassifizierungen der Tasks manuell nach obigen Faktoren vornehmen.<br />
Das Pinpoint-System [Bi05] liefert taskspezifische Empfehlungen von Dokumenten<br />
aus Wissensdatenbanken, wobei der Tasks ausschließlich durch eine manuelle Auswahl<br />
in einer Expertenontologie bzw. durch deren manuelle Erweiterung erfasst wird.<br />
Auch hier ist eine automatische Erkennung nicht vorgesehen. Damit betrachten bisherige<br />
Systeme meist nur dokumentenbasierte Unterstützung mit manueller Auswahl des<br />
Taskkontextes und sind auf eine Domäne fixiert.<br />
2.2.2 Definition und Erfassung eines Nutzerkontextes<br />
Der Kontext eines Nutzers geht natürlich über den aktuellen Taskkontext hinaus. Im<br />
Hinblick auf die kontextualisierte Identifikation von Experten gehen hier beispielsweise<br />
vorhandene Kompetenzen, die Historie der Benutzung des Systems, verfügbare Werkzeuge<br />
und Nutzerpräferenzen mit ein. Solche Attribute des Kontextes werden dann –<br />
zusätzlich zum Taskkontext der ratsuchenden Person - zur Identifikation und Auswahl<br />
von Experten herangezogen.<br />
Systeme zur Empfehlung relevanter Experten benutzen in der Regel anwendungs- sowie<br />
domänenspezifische Heuristiken, um persönliche Profile zu vergleichen und Ähnlichkeiten<br />
festzustellen [Mc00]. Für das Gebiet des kooperativen Lernens bestimmt [We05]<br />
zunächst personenunabhängig den Kontext einer Kooperation u.a. durch Angaben des<br />
zugrundeliegenden didaktischen Modell, zum Ziel, zu den Instruktionen, zur Durchführung,<br />
zur Art der Gruppe und zum Verfahren ihrer Bildung, zu vorhandenen Input-<br />
Materialien, zur Dauer, zur Bewertung und zu den zu nutzenden Werkzeugen. Steht eine<br />
solchermaßen beschriebene Kooperation dann für eine bestimmte Person zur Durchführung<br />
an, wird der Kontext dieser Kooperation um Informationen und Rahmenbedingungen<br />
aus Sicht dieser Person erweitert. Es kommen dann u.a. Angaben zum<br />
Vorwissen, zu Präferenzen in Bezug auf Kooperationspartner, Zeiten und Werkzeuge<br />
hinzu. Auf Basis dieser Attribute werden dann passende Kooperationspartner zur Durchführung<br />
der Kooperation bestimmt.<br />
Um anwendungs- und domänenspezifische Heuristiken allgemein bei der Entwicklung<br />
von Expertise-Recommender-Systemen berücksichtigen zu können, schlägt [Mc00] eine<br />
flexible Architektur für derartige Systeme vor. <strong>Die</strong>se enthält u.a. folgende Komponenten:<br />
Ein „profiling supervisor“ erstellt und pflegt Benutzerprofile unter Nutzung konfigurierbarer<br />
Module und verschiedener Datenquellen. Ein „identification supervisor“<br />
sucht eine Menge von geeigneten Resourcen bzw. Personen nach bestimmten konfigu-<br />
272
ierbaren Heuristiken aus. Ein „selection supervisor“ filtert und sortiert die Liste gemäß<br />
konfigurierbarer Strategien und Präferenzen.<br />
Unser Ansatz greift diese flexible Architektur auf und passt sie den spezifischen Erfordernissen<br />
bei der Identifikation von Experten im Kontext des arbeitsplatzorientierten<br />
kollaborativen Lernens an.<br />
3 Ansatz<br />
Der im Folgenden beschriebene Ansatz zur geschäftsprozessorientierten Expertenfindung<br />
wurde im Rahmen des Projektes APOSDLE erarbeitet (http://www.aposdle.org).<br />
APOSDLE ist ein Integrated Project (IP), in der Area Technology Enhanced <strong>Learning</strong><br />
(TEL) und hat zum Ziel, das Paradigma des arbeitsintegrierten Lernens zu definieren<br />
und die drei Rollen Wissensarbeiter, Experte und Lerner konzeptuell und technisch nahtlos<br />
zu integrieren. <strong>Die</strong>se Integration, die durch die APOSDLE-Plattform ermöglicht<br />
wird, erfolgt innerhalb der computerbasierten Arbeitsumgebung des Nutzers. Der im<br />
Folgenden beschriebene Ansatz ist ein Ausschnitt aus diesem Projekt und ist im Wesentlichen<br />
in der Diskussion mit Anwendungspartnern entstanden. Er betrachtet den fließenden<br />
Übergang von der Bearbeitung eines wissensintensiven Arbeitsprozesses durch<br />
einen Wissensarbeiter zu einer Kooperationssituation zwischen dem Wissensarbeiter als<br />
Lernendem (im Folgenden der Deutlichkeit halber Ratsuchender genannt) und einem<br />
oder mehreren Experten.<br />
Abbildung 1: Übersicht über den Ansatz<br />
Abbildung 1 gibt nun einen Überblick über den Ansatz und greift das Beispielszenario<br />
aus Abschnitt 1 wieder auf. Oben links sehen wir Anna, die in ihrem Arbeitsprozess<br />
schon einige Schritte abgearbeitet hat. In dem aktuellen Prozessschritt jedoch treten<br />
Fragen auf, die ihr die weitere Bearbeitung unmöglich machen. Sie muss sich das notwendige<br />
Wissen aneignen und benötigt den Rat eines relevanten Experten. <strong>Die</strong> APOSD-<br />
LE-Plattform kennt den Taskkontext, in dem sich Anna gerade befindet (1). Basierend<br />
auf dem Taskkontext sowie der in der APOSDLE-Plattform gespeicherten Nutzerkontexte<br />
(sowohl bezogen auf Anna als auch auf alle anderen Mitarbeiter des Unterneh-<br />
273
mens) identifiziert die Plattform relevante Experten (2) und zeigt diese nach nutzerabhängigen<br />
Parametern an (3). In unserem Beispiel sind dies unter anderem Michael und<br />
Gerd. Michael arbeitet in der gleichen Abteilung wie Anna und hat den aktuellen Prozess<br />
bereits einige Male durchlaufen. Außerdem hat er schon mehrfach ein Dokument zur<br />
Beschreibung dieses Prozesses editiert. Gerd ist ausgewiesener Experte dieses Prozesses,<br />
da er mit seinem Team diesen Prozess definiert und im Unternehmen eingeführt hat.<br />
<strong>Die</strong> letztendliche Auswahl des oder der Kooperationspartner aus der vorgeschlagenen<br />
Liste wird vom Ratsuchenden (in unserem Beispiel von Anna) getroffen. Anna initiiert<br />
eine Kooperation mit Michael. Nach Abschluss der Kooperation werden relevante Informationen<br />
der Kooperation extrahiert und in der APOSDLE-Plattform gespeichert (4).<br />
<strong>Die</strong>se erweitern die Wissensbasis und stehen dann für spätere Expertensuchen zur Verfügung.<br />
In den folgenden Unterabschnitten werden diese vier Schritte umfassend erläutert. <strong>Die</strong><br />
Nummerierung der Unterkapitel entspricht dabei der Nummerierung in der Abbildung.<br />
3.1 Auswahl des Taskkontextes<br />
Für das Projekt APOSDLE umfasst Kontext neben dem expliziten Wissen um den gerade<br />
zu erfüllenden Prozessschritt (Task) des Wissensarbeiters und dem Thema des Tasks<br />
auch die Historie und die Kompetenzen des Nutzers sowie andere Zusatzinformationen.<br />
In das generische Konstrukt Kontext fließen also eine Vielzahl von Komponenten aus<br />
den getrennten Bereichen Nutzer- bzw. Taskkontext ein. <strong>Die</strong> Verwendung des aktuellen<br />
Tasks hängt von der Modellierung des Arbeitsprozesses ab. Daher muss zunächst für<br />
eine geeignete Modellierungssprache gefunden werden. Nach einer State-of-the-Art<br />
Analyse sowie anschließender Evaluation der Modellierungssprachen auf Erfüllung der<br />
Anforderungen wurde die auf Petri-Netzen basierende Modellierungssprache YAWL<br />
(Yet Another Workflow Language) ausgewählt. Im Gegensatz zu aktivitätsbasierten<br />
Modellierungssprachen wie BPMN ist bei zustandsbasierten Konstrukten wie Petrinetzen<br />
durch die explizite Unterscheidung von Stellen und Transitionen die Modellierung<br />
mit einem höheren initialen Aufwand verbunden. Petrinetze bieten aber auch den Vorteil<br />
der beschriebenen reichhaltigeren Möglichkeiten der Auswertung der Modelle zum Ziel<br />
der Expertensuche durch eine mächtige formale Semantik, Möglichkeiten der Tokentypisierung<br />
und Hierarchiebildung des Netzes. Der aktuelle Task wird dabei durch den<br />
Zustand des aktuellen Petrinetzes mit der Markenflussgeschichte darstellt. Gegenwärtig<br />
wird der Task manuell durch den Nutzer ausgewählt. Es ist im Verlauf des Projektes<br />
APOSDLE geplant dies durch die Aggregation und Klassifikation von Desktop-Events<br />
zu automatisieren.<br />
3.2 Identifikation relevanter Experten<br />
Basierend auf dem Taskkontext (und weiteren Informationen über den Nutzer in Form<br />
des Nutzerprofils) können dem Nutzer geeignete Werkzeuge (Applikationen und Vorlagen),<br />
Dokumente (Arbeits- und Lerndokumente) sowie Personen (Experten und andere<br />
Personen) als Kooperationspartner vorgeschlagen werden. In diesem Abschnitt wird die<br />
Identifikation potentiell sinnvoller Kooperationspartner beschrieben. Da eine ausführliche<br />
Darstellung der der Identifikation zugrunde liegenden Verfahren den Rahmen dieses<br />
274
Beitrags sprengen würde, soll hier das Verfahren nur grob skizziert und exemplarisch<br />
auf einige Aspekte eingegangen werden.<br />
<strong>Die</strong> Eignung eines Nutzers B als Kooperationspartner für einen Nutzer A wird durch die<br />
Kontexte der Nutzer A und B bestimmt. Dabei haben die einzelnen Bestandteile des<br />
Kontextes je nach Rolle des Nutzers (Ratsuchender bzw. potentieller Experte) eine unterschiedliche<br />
Wichtigkeit. Beispielsweise ist für die Identifikation relevanter Experten<br />
der aktuelle Task des Ratsuchenden von zentraler Bedeutung, der aktuelle Task des<br />
potentiellen Experten ist aber von geringerer Bedeutung.<br />
Für die Beantwortung der Frage, ob ein Nutzer B ein potentieller Kooperationspartner<br />
für den ratsuchenden Nutzer A ist, betrachten wir folgende Parameter:<br />
! Kompetenz: B hat den Task, den A gerade ausführt, bereits mehrfach erfolgreich<br />
durchlaufen, d.h. B verfügt über die zur Durchführung dieses Tasks notwendigen<br />
Kompetenzen (siehe dazu den vorangegangenen Abschnitt).<br />
! Verfügbarkeit: B ist aktuell für eine Kooperation verfügbar. <strong>Die</strong>ses Kriterium ist<br />
insbesondere dann von entscheidender Bedeutung, wenn schnell Hilfe benötigt<br />
wird. Informationen über die Verfügbarkeit kommen aus zwei unterschiedlichen<br />
Quellen:<br />
! Automatische Erkennung der Verfügbarkeit: Ähnlich wie aus anderen synchronen<br />
Kommunikationsmedien (z.B. Instant Messaging) bekannt, kann automatisch<br />
ermittelt werden, ob ein potenzieller Experte in der APOSDLE-<br />
Plattform angemeldet ist oder nicht. Ist ein Experte nicht angemeldet, ist er<br />
auch nicht verfügbar.<br />
! Manuelles Setzen der Nicht-Verfügbarkeit: Aus unterschiedlichen Gründen<br />
möchte ein Experte, der zwar faktisch verfügbar ist, evtl. nicht als verfügbar<br />
gelten. Gründe sind beispielsweise eine hohe eigene Arbeitsbelastung oder<br />
(zu) viele Anfragen von Ratsuchenden. Dem Experten muss also eine Möglichkeit<br />
eingeräumt werden, seinen Status manuell auf nicht-verfügbar einzustellen.<br />
In unserem Beispiel sind sowohl Michael als auch Gerd verfügbar. In zukünftigen Versionen<br />
kann auch der Kalender eines Nutzers in die Erkennung der Verfügbarkeit einbezogen<br />
werden. Ist im Kalender beispielsweise ein ein in Kürze beginnendes Meeting<br />
eingetragen, steht der Nutzer voraussichtlich nicht für eine Kooperation zur Verfügung.<br />
! Organisatorische Distanz: <strong>Die</strong> organisatorische Distanz von A und B ist geringer<br />
als ein gegebener Grenzwert dorg. <strong>Die</strong> organisatorische Distanz wird beispielsweise<br />
durch die (aktuelle oder frühere) Abteilungs- oder Projektzugehörigkeit von A und<br />
B bestimmt. Hierzu kann eine organisatorische Modellierung des Unternehmens<br />
herangezogen werden.<br />
! Soziale Distanz: <strong>Die</strong> soziale Distanz von A und B ist geringer als ein gegebener<br />
Grenzwert dsoz. <strong>Die</strong> soziale Distanz wird beispielsweise durch Vorlieben bzw. Abneigungen<br />
gegenüber Personen und Themen sowie Ausmaß von und Zufriedenheit<br />
mit bisherigen Kooperationen zwischen A und B bestimmt. Zur Bestimmung der<br />
sozialen Distanz kann ein soziales Netz herangezogen werden, welches Gruppen<br />
275
und deren Interaktionsmuster darstellt [WF94]. In solchen sozialen Netzen werden<br />
die Teilnehmer als Knoten und die Sender-Empfänger-Beziehungen als Kanten<br />
angezeigt. Eine Sender-Empfänger-Beziehung ist zum Beispiel die Teilnahme an<br />
einer gemeinsamen Kooperation in der APOSDLE-Plattform, kann aber prinzipiell<br />
auch aus anderen automatisch zu verarbeitenden Quellen (z.B. E-Mail, Instant<br />
Messaging) gewonnen werden. In unserem Beispiel wurde für Michael eine stärkere<br />
soziale Verbindung zu Anna festgestellt, da diese schon mehrfach kooperiert<br />
haben, während Gerd bislang nie mit Anna kooperierte. Wir schlagen vor, dem sozialen<br />
Netzwerk einen hohen Stellenwert einzuräumen, da sich in vergangenen<br />
Studien gezeigt hat, dass das Wissen über den und die Vertrautheit mit dem Kooperationspartner<br />
für den Wissensaustausch eine entscheidende Rolle spielt<br />
[KMH03].<br />
Für jedes dieser Kriterien kann nun die Erfüllung bestimmt und auf einen Wertebereich<br />
zwischen 0 und 1 abgebildet werden. Ferner wird für jedes Kriterium ein Schwellenwert<br />
festgelegt, oberhalb dessen das Kriterium als erfüllt betrachtet wird. Alle Nutzer, die die<br />
o.g. Kriterien erfüllen, werden als potentielle Kooperationspartner vorgesehen. Abhängig<br />
von dem Grad der Erfüllung der einzelnen Kriterien und der Nutzerpräferenzen wird in<br />
einem nächsten Schritt die Liste geeignet priorisiert und dem Nutzer zur Auswahl von<br />
Experten angezeigt.<br />
3.3 Priorisierung der Liste potentieller Experten<br />
Nachdem nun potenzielle Experten identifiziert wurden, geht es in diesem Schritt um die<br />
geeignete Priorisierung der Kandidaten. Ziel ist es, dem Ratsuchenden eine absteigend<br />
nach Eignung geordnete Liste von potentiellen Kooperationspartnern anzubieten, aus der<br />
er dann den oder die gewünschten Partner manuell auswählen kann. <strong>Die</strong> Priorisierung<br />
der Liste potentieller Experten wird zum einen durch den Grad der Erfüllung der o.g.<br />
Kriterien (Kompetenz, Verfügbarkeit, organisatorische und soziale Distanz), zum anderen<br />
durch die Präferenzen des Ratsuchenden bestimmt.<br />
<strong>Die</strong> Präferenzen des Ratsuchenden geben die individuelle Wichtigkeit eines Kriteriums<br />
(Wertebereich 0 bis 1) an. Sie sind beispielsweise durch den Nutzer als Teil seines Nutzerprofils<br />
festgelegt worden. Sie können aber auch interaktiv zur Sortierung der Liste<br />
potentieller Experten festgelegt werden. Beispielsweise kann ein Nutzer festlegen, dass<br />
das Kriterium soziale Distanz für ihn absolut wichtig (Wert: 1) ist, während ihm die<br />
organisatorische Distanz völlig unwichtig ist (Wert: 0).<br />
Eine Ordnung auf der Liste kann nun definiert werden als Expertengrad:<br />
X= (! (Erfüllung des Kriteriums x * individuelle Wichtigkeit des Kriteriums x)<br />
/ Anzahl der Kriterien<br />
<strong>Die</strong>s ergibt wiederum einen Wertebereich von 0 bis 1 für den Expertengrad. Dem Nutzer<br />
wird die Liste der Experten nun nach absteigendem Expertengrad sortiert dargestellt.<br />
276
3.4 Rückfluss relevanter Informationen<br />
Nachdem für einen Ratsuchenden kontextbezogen Experten ermittelt (Abschnitt 3.2) und<br />
entsprechend sortiert präsentiert (Abschnitt 3.3) wurden, wählt er aus der Liste einen<br />
oder mehrere Experten aus, mit dem oder denen er in eine Kooperationsphase eintreten<br />
möchte. <strong>Die</strong> APOSDLE-Plattform bietet hierfür ein Werkzeug an, das synchrone Kooperation<br />
z.B. auf einem Whiteboard und textbasierte Kommunikation in Form eines Chats<br />
integriert [Mü06]. Für die Belange dieses Beitrages ist nicht so sehr die Phase der Kooperation<br />
an sich interessant, sondern die Frage, welche Daten aus einer solchen Kooperationssituation<br />
anschließend in die Plattform zurückfließen, wo sie dann wiederum für<br />
zukünftige Kontextermittlung zur Verfügung stehen.<br />
Mit Blick auf den Inhalt einer Kooperationssituation kann ein Transkript gespeichert<br />
werden, das u.a. die Kommunikationsbeiträge enthält. <strong>Die</strong>ses Transkript kann mit weiteren<br />
Kontextinformationen bzgl. des Tasks und auch der Nutzer verknüpft werden, damit<br />
es bei einer späteren (Experten-)Suche zielgenau gefunden werden kann.<br />
! Task/Prozess: Sofern die Kooperation, so wie in dem Beispiel in Abbildung 1 gezeigt,<br />
vor dem Hintergrund eines identifizierten Taskkontextes initiiert wurde, sollte<br />
die Information über den konkreten Prozesses und den konkreten Task in der<br />
Plattform gespeichert werden. Hat ein anderer Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt<br />
beim gleichen Task im gleichen Prozess ein Problem, so kann er dieses möglicherweise<br />
durch das Lesen des korrespondierenden Kooperationstranskripts lösen.<br />
Eine Kooperation ist dann nicht mehr notwendig.<br />
! Themen der Kooperationsartefakte: Um ein Kooperationsartefakt auch inhaltlich<br />
zuordnen zu können, verfolgen wir hierbei zwei Wege. Zunächst bietet die Plattform<br />
eine automatische Verschlagwortung an, die den Kooperationstranskripten<br />
Themen aus einer vorhandenen Schlagwortliste zuordnet [Sc06]. Zusätzlich können<br />
nach Beendigung der Kooperation von den Beteiligten selbst weitere Schlagworte<br />
vergeben. <strong>Die</strong> so gewonnenen Themen ergänzen die Einordnung zu Aufgaben<br />
und können andererseits auch aufgaben- und prozessübergreifend genutzt<br />
werden.<br />
! Beteiligte: <strong>Die</strong> Speicherung der Beteiligten hat zwei Funktionen. Zum einen stellt<br />
sie eine Verbindung zwischen der Person und dem Task sowie der Person und zugehöriger<br />
Kompetenzen her. Für zukünftige Expertensuchen bezüglich des korrespondierenden<br />
Tasks kommen diese Personen dann eher als Experten in Frage.<br />
Zum anderen werden über die gemeinsame Beteiligung an einer Kooperation soziale<br />
Netzwerke aufgespannt, die wiederum Einfluss haben auf die Auswahl und<br />
Anzeige der für eine Person geeigneten Experten (siehe oben unter „soziale Distanz“).<br />
! Länge der Kooperationssitzung: Aus der Länge einer Kooperationssitzung kann<br />
(zumindest in einigen Fällen) auf die Intensität des Austausches geschlossen werden.<br />
Insbesondere sehr kurze Kooperationssitzungen sind oft für zukünftige ähnliche<br />
Situationen wenig hilfreich, weil sie wegen fehlender Ausführlichkeit und<br />
Explizitheit von anderen, nicht an der ursprünglichen Kooperation Beteiligten<br />
kaum nachvollziehbar sind.<br />
277
4 Umsetzung des Ansatzes<br />
Innerhalb des ersten Projektjahres ist ein lauffähiger Prototyp entstanden, der arbeitsplatzorientiertes<br />
individuelles und kollaboratives Lernen realisiert. Der Prototyp ist in<br />
einer Client/Server-Architektur in Java und C# umgesetzt worden. Auf der Client-Seite<br />
interagiert der Nutzer mit einer Sidebar (siehe Abbildung 2), die ihm nach der Auswahl<br />
seines aktuellen Tasks und der abgestrebten Kompetenz relevante Lernressourcen und<br />
Kollaborationspartner zur Verfügung stellt.<br />
Abbildung 2: Sidebar zur Initiierung von Kollaborationen<br />
<strong>Die</strong> Auswahl der Kollaborationspartner sowie der Ressourcen erfolgt in einer Serverkomponente<br />
(Plattform). In dieser werden umfangreiche Nutzerprofile gehalten, die zur<br />
Berechnung der angezeigten Kollaborationspartner herangezogen werden. So werden<br />
unter anderem der aktuelle sowie alle bereits abgeschlossenen Tasks vorgehalten sowie<br />
erworbene Kompetenzen und die Kommunikationsverfügbarkeit. <strong>Die</strong> in Abschnitt 3.2<br />
für die Auswahl der Experten notwendigen Informationen lassen sich in diesem Nutzerprofile<br />
ebenfalls speichern und für eine Auswertung abrufen.<br />
Aus der Sidebar heraus kann der Nutzer direkt eine Kollaboration mit einem Experten<br />
initiieren. Beide betreten danach einen virtuellen Kollaborationsraum, in dem sie Textnachrichten<br />
austauschen können sowie gemeinsam an einem Dokument oder am Whiteboard<br />
arbeiten können. Zusätzlich werden der aktuelle Task und weitere Kontextinformationen<br />
des Ratsuchenden mit angezeigt, so dass sich der eingeladene Experte schnell<br />
ein umfassendes Bild über den Kontext der Kollaboration machen kann.<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
In diesem Beitrag wurde ein Ansatz zur kontextualisierten Suche nach Kooperationspartnern<br />
bzw. geeigneter Experten zur Unterstützung arbeitsplatzorientierten kollabora-<br />
278
tiven Lernens präsentiert. <strong>Die</strong>ser Ansatz integriert die Bereiche prozessintegriertes E-<br />
<strong>Learning</strong> und gezielten Wissensaustausch und verbindet die Vorteile dieser beiden Bereiche.<br />
Zunächst wurden dazu mit Business Process Modelling Notation (BPMN) und<br />
Petrinetzen zwei Möglichkeiten der Prozessmodellierung vorgestellt. Zudem wurde auf<br />
verwandte Arbeiten zur Definition, Erfassung und Nutzung von Aufgaben- und Nutzerkontext<br />
eingegangen.<br />
<strong>Die</strong> Beschreibung des Ansatzes erfolgte entlang eines Beispiels und ging auf alle vier<br />
Schritte ein. <strong>Die</strong>se sind die Identifikation des aktuellen Prozessschrittes, die Identifikation<br />
und Rangfolgenbildung geeigneter Experten und der Rückfluss der Information<br />
aus einer Kooperationssituation in die Wissensbasis. Bezüglich der Identifikation des<br />
aktuellen Prozessschrittes streben wir eine automatische Erkennung des Tasks durch die<br />
Merkmale eines Nutzerarbeitsplatzes (wie z.B. geöffnete Programme oder Dokumente)<br />
an. <strong>Die</strong> Identifikation relevanter Experten erfolgt auf Basis der Parameter Kompetenz,<br />
Verfügbarkeit sowie organisatorische und soziale Distanz. Dem Nutzer wird dann eine<br />
priorisierte Liste potentieller Experten angezeigt, die auf Basis der gefundenen potenziellen<br />
Experten sowie der individuellen Präferenzen des Nutzers ermittelt wird. Der<br />
Kreis schließt sich mit dem Rückfluss relevanter Informationen über eine Kooperationssituation<br />
in die Wissensbasis. <strong>Die</strong>se Informationen beziehen sich auf den Taskkontext<br />
(Task, Prozess, Themen der Kooperation) und den Nutzerkontext (Beteiligte, Kompetenzen,<br />
Länge einer Kooperationssitzung).<br />
Aufbauend auf diesem Ansatz wurde die APOSDLE-Plattform konzipiert und entwickelt,<br />
die automatisch nutzer- und prozessschrittrelevante Experten ermittelt. Aktuell<br />
wird das System bei den Anwendungspartnern des Projektes evaluiert, um Hinweise auf<br />
die Praxistauglichkeit des Ansatzes zu erhalten. Wir planen in der Endfassung dieses<br />
Beitrags, zumindest aber im Vortrag auf der DeLFI 2007, detaillierter auf die Evaluation<br />
einzugehen.<br />
Danksagung<br />
APOSDLE ist teilweise gefördert durch das 6. Rahmenprogramm (FP6) für Forschung<br />
und Entwicklung der Europäischen Kommission im Information Society Technologies<br />
(IST) Arbeitsprogramm 2004.<br />
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280
OSOTIS – Kollaborative inhaltsbasierte Video-Suche<br />
Harald Sack, Jörg Waitelonis<br />
Friedrich-Schiller-<strong>Universität</strong> Jena<br />
D-07743 Jena<br />
{sack, joerg}@minet.uni-jena.de<br />
Abstract: <strong>Die</strong> Video-Suchmaschine OSOTIS ermöglicht eine automatische inhaltsbezogene<br />
Annotation von Videodaten und dadurch eine zielgenaue Suche auch innerhalb<br />
einzelner Videoaufzeichnungen. Neben objektiv gewonnenen zeitabhängigen Deskriptoren,<br />
die über eine automatische Synchronisation von ggf. zusätzlich vorhandenem<br />
textbasiertem Material mit den vorliegenden Videodaten gewonnen werden, können<br />
kollaborativ zusätzlich eigene, zeitbezogene Schlagwörter (Tags) und Kommentare innerhalb<br />
eines Videos vergeben werden (sequentielles Tagging), die zur Implementierung<br />
einer verbesserten und personalisierten Suche dienen.<br />
1 Einleitung<br />
<strong>Die</strong> Informationsfülle des World Wide Webs (WWW) ist gewaltig. Milliarden von Dokumenten<br />
in hunderten von Sprachen machen es unmöglich, sich ohne Hilfsmittel darin<br />
zu orientieren. Suchmaschinen wie Google1 verfolgen das Ziel, den erreichbaren Teil des<br />
WWWs, möglichst vollständig zu indizieren und so durchsuchbar zu machen. Noch immer<br />
stellen Textdokumente den größten Anteil des WWWs dar, aber immer mehr Multimedia-Dokumente<br />
in Form von Bildern, Grafiken oder Video-Clips kommen täglich hinzu.<br />
Google allein verwaltet derzeit in seinem Suchindex mehr als 1,2 Milliarden Bilder und<br />
mehrere Millionen Videos (Stand: 05/2007).<br />
Insbesondere der Anteil an Videodaten im WWW steigt auf Grund vielfältiger Content<br />
Management Systeme zur Produktion, Nachbearbeitung und Bereitstellung, sowie der stetig<br />
wachsenden zur Verfügung stehenden Bandbreite. Spezialisierte Portale und Video-<br />
Suchmaschinen wie etwa YouTube2 oder Google Video3 erleichtern das Auffinden von<br />
Videodaten im WWW. Gegenüber traditionellen Suchmaschinen, d. h. Suchmaschinen für<br />
textbasierte Dokumente, unterscheiden sich Video-Suchmaschinen typischerweise in der<br />
Art der Indexerstellung. Traditionelle Suchmaschinen wenden Methoden des Information<br />
Retrieval auf Textdokumente an, um aus diesen aussagekräftige Deskriptoren zur Beschreibung<br />
und Verschlagwortung des untersuchten Dokuments zu gewinnen. <strong>Die</strong>se vollautomatische<br />
Suchindexgenerierung ist im Falle von multimedialen Daten in der Regel<br />
1 Google, http://www.google.com/<br />
2 YouTube, http://www.youtube.com/<br />
3 Google Video, http://video.google.com/<br />
281
schwierig oder erst gar nicht möglich. Mit klassischen Methoden des Information Retrieval<br />
angewandt auf multimediale Daten ist es lediglich möglich, charakteristische Eigenschaften<br />
wie z. B. dominante Farben, Farb- und Helligkeitsverteilungen in Einzelbildern oder<br />
die Bewegungen der Kamera innerhalb einer Bildfolge zu bestimmen bzw. einzelne Objekte<br />
zu identifizieren oder zu verfolgen. Zwischen diesen charakteristischen Eigenschaften<br />
und dem tatsächlichen Inhalt der multimedialen Daten und dessen Bedeutung besteht eine<br />
semantische Lücke [Sm00]. Schlussfolgerungen aus den charakteristischen Eigenschaften<br />
auf deren inhaltliche Bedeutung sind heute nur in geringem Maße möglich. Ebenso ist<br />
eine automatische Extraktion inhaltsbezogener Deskriptoren, die den semantischen Inhalt<br />
einer Videodatei auf einer abstrakteren Ebene beschreiben, aus den Videodaten allein nicht<br />
zufriedenstellend möglich.<br />
<strong>Die</strong> inhaltliche Beschreibung multimedialer Daten und insbesondere von Videodaten erfolgt<br />
über eine Annotation mit zusätzlichen Metadaten, die entweder vom Autor der Daten<br />
selbst, von ausgewiesenen Experten oder aber auch von allen Nutzern gemeinsam erfolgen<br />
kann. Letztere sind auch verantwortlich für den Erfolg von Web-2.0-Video-Suchmaschinen<br />
wie YouTube, da diese dem Nutzer eine einfache Annotation der Videos über das so genannte<br />
Tagging ermöglichen, d. h. die Nutzer vergeben eigene, frei gewählte Schlüsselwörter<br />
(Tags), die den Inhalt der Videodaten beschreiben.<br />
Betrachtet man speziell den Anteil an Lehr- und Lernmaterialien in Video-Suchmaschinen,<br />
ist dieser heute sehr gering. <strong>Die</strong>s hat verschiedene Gründe: Einerseits liegen Lehr- und<br />
Lernmaterialien oft auf spezialisierten Portalen oder Lernplattformen vor, die entweder<br />
aus den bereits oben genannten Gründen bzw. auf Grund eines dezidierten Rechtemanagements<br />
nicht von Video-Suchmaschinen indiziert werden können. Andererseits liegt ein<br />
weiteres Problem in der Natur der Videomaterialien selbst begründet: <strong>Die</strong> Videoaufnahme<br />
einer Lehrveranstaltung hat in der Regel eine Länge zwischen 45 und 90 Minuten. Dabei<br />
werden in einer Lehrveranstaltung oft unterschiedliche Themen behandelt. Einzelne Themen<br />
nehmen in der gesamten Lehrveranstaltung oft nur wenige Minuten in Anspruch und<br />
sind nur schwer darin wiederzufinden. Zwar können durch Autor oder Nutzer Tags bereitgestellt<br />
werden, die alle in der Vorlesung angesprochenen Themen beschreiben, doch ist<br />
deren zeitliche Zuordnung innerhalb des zeitgebundenen Mediums Video ebenso wie eine<br />
direkte zeitliche Adressierung bei der Wiedergabe der Suchergebnisse noch nicht realisiert.<br />
Im vorliegenden Beitrag beschreiben wir die Video-Suchmaschine OSOTIS4 , die eine<br />
zeitabhängige, sequentielle Indizierung von Videodaten und damit eine direkte Suche auch<br />
innerhalb dieser Videodaten ermöglicht. Insbesondere dient OSOTIS dabei der Archivierung<br />
und der Annotation von videobasierten Lehr- und Lernmaterialien, wie z. B. Vorlesungsaufzeichnungen.<br />
OSOTIS kombiniert zwei unterschiedliche Ansätze: Zum einen<br />
werden Vorlesungsaufzeichnungen, zu denen eine Desktopaufzeichnung des Dozenten<br />
und zusätzliche Daten wie z. B. eine Präsentation, ein Handout oder eine Vorlesungsmitschrift<br />
vorliegen, automatisch mit dem Inhalt dieser Zusatzinformationen synchronisiert<br />
und annotiert. Zum anderen gestattet OSOTIS jedem Benutzer die Vergabe von zeitabhängigen<br />
Tags, d. h. eine bestimmte Stelle des Videos kann während des Abspielens von den<br />
Nutzern mit eigenen Tags oder ganzen Kommentaren annotiert werden, die dann wieder<br />
4 OSOTIS, http://www.osotis.com/<br />
282
gezielt abgerufen werden können. Eigene Tags ermöglichen dem Benutzer eine personalisierte<br />
Suchfunktion und mit Hilfe der gemeinsamen Tags aller übrigen Benutzer wird die<br />
herkömmliche Suche ergänzt. OSOTIS bietet dem Benutzer die Möglichkeit, aus einem<br />
stetig wachsenden Datenbestand an Vorlesungs- und Lehrvideos, zielgerichtet und nach<br />
persönlichen Vorgaben, eigene Vorlesungen aus einzelnen Videosequenzen entsprechend<br />
seinen persönlichen Bedürfnissen zusammenzustellen.<br />
Nachfolgend soll die Arbeitsweise von OSOTIS detaillierter beschrieben werden: Kapitel<br />
2 untersucht Eigenschaften und Defizite aktueller Video-Suchmaschinen. Kapitel 3<br />
zeigt die Möglichkeiten einer automatischen Annotation von Video-Daten, während Kapitel<br />
4 näher auf die kollaborative Annotation zeitabhängiger Daten eingeht. Kapitel 5<br />
gibt einen Einblick in die Arbeitsweise der Video-Suchmaschine OSOTIS und Kapitel 6<br />
beschließt die Arbeit mit einem kurzen Ausblick auf deren Weiterentwicklung.<br />
2 Aktuelle Video-Suchsysteme<br />
Video-Suchsysteme können auf unterschiedliche Art zu dem in ihnen repräsentierten Datenbestand<br />
gelangen: Crawler-basierte Systeme durchsuchen in der Art traditioneller Suchmaschinen<br />
das WWW aktiv nach Videodaten und verwenden zum Aufbau ihres Suchindexes<br />
neben den aufgefundenen Videodaten ebenfalls verfügbare Kontextinformation (z. B.<br />
Hyperlink-Kontext bei Google Video). Upload-basierte Systeme ermöglichen registrierten<br />
Nutzern als Publikationsplattform das Einstellen eigener Videodaten (z. B. YouTube). Daneben<br />
existieren redaktionell gepflegte Systeme, die es lediglich einem ausgewählter Kreis<br />
von Nutzern ermöglichen, eigenes Videomaterial einzustellen (z. B. Fernsehsender, Nachrichtenredaktionen<br />
und digitale Bibliotheken5 an <strong>Universität</strong>en und anderen Bildungseinrichtungen).<br />
Analog zu traditionellen Suchmaschinen können auch im Falle von Video-Suchmaschinen<br />
indexbasierte Suchmaschinen und Suchkataloge unterschieden werden. Indexbasierte<br />
Suchmaschinen liefern auf die Eingabe eines oder mehrerer Suchbegriffe eine nach internen<br />
Relevanzkriterien hin sortierte Ergebnisliste. Viele redaktionell gepflegte Systeme dagegen<br />
arbeiten nach dem Prinzip des Suchkatalogs, d. h. sie erlauben lediglich das Blättern<br />
und Navigieren in vordefinierten Kategorien. überschreitet das angebotene Videomaterial<br />
eine bestimmte Dauer, ist eine inhaltsbasierte Recherchemöglichkeit unverzichtbar.<br />
Inhaltsbasierte Suche nach und in Videodaten erfolgt nach unterschiedlichen Kriterien.<br />
Man unterscheidet hier die Suche über Kategorien, Schlüsselwörter, Schlagworte/Tags, eine<br />
semantische Suche, Suche nach analytischen Bildeigenschaften oder die Suche nach<br />
dem gesprochenen Wort. Aktuelle Suchmaschinen stellen kategorien- und schlüsselwortbasierte<br />
Suche sowie die Suche nach Tags bereit. Des weiteren kann nach der Suchgranularität<br />
unterschieden werden. <strong>Die</strong>s betrifft Sammlungen (Kollektionen) von Videos, ein<br />
einzelnes Video, ein Videosegment, eine Szene (Group of Pictures), den Teilbereich einer<br />
Szene (Objekt-Verfolgung), ein Einzelbild oder den Teilbereich eines Einzelbildes.<br />
<strong>Die</strong> aktuellen Video-Suchdienste wie Google-Video und YouTube sind lediglich in der<br />
5 z. B. Digitale Bibliothek Thüringen, http://www.db-thueringen.de<br />
283
Lage, nach einzelnen Videos als Ganzem zu suchen. Einen Ansatz mit feinerer Granularität<br />
verfolgen die Systeme TIMMS6 , Slidestar7 und OSOTIS. Mit diesen Systemen ist es<br />
möglich, auch den Inhalt einzelner Videos zu durchsuchen. <strong>Die</strong> Unterschiede zwischen<br />
den Systemen liegen in der Medienaufbereitung und Metadatengewinnung. Während bei<br />
TIMMS Videodaten manuell mit großem Aufwand segmentiert und annotiert werden, verwendet<br />
Slidestar das proprietäre Lecturnity8 Format, um eine automatische Indizierung der<br />
Videodaten zu realisieren. Dazu müssen Metadaten wie Folientext und Autorenannotationen<br />
bereits während der Produktion in das Lecturnity Format eingebettet werden, um von<br />
Slidestar zur inhaltsbasierten Suche genutzt werden zu können. Dagegen ist es mit OSO-<br />
TIS möglich, beliebige Videoformate mit vorhandenem textuellen Präsentationsmaterial<br />
(z. B. im PDF9 oder PPT10 Format) vollautomatisch zu resynchronisieren, um positionsabhängige<br />
Metadaten zu generieren, die die Grundlage für die Indizierung bilden [SW06a].<br />
Aus Effizienzgründen erstellen Suchmaschinen einen Suchindex, der einen schnellen Zugriff<br />
auf die Suchergebnisse mit Hilfe von Deskriptoren gestattet, die direkt aus den zu<br />
durchsuchenden Daten bzw. aus zusätzlichen Metadaten (Annotationen) gewonnen werden.<br />
Deskriptoren sind zum einen analytische/syntaktische Merkmale (z. B. Farbe, Form,<br />
Objekte), semantische Eigenschaften (z. B. Beziehungen zwischen Objekten) oder auch<br />
Zusatzinformationen. Der Grad an Automatisierbarkeit bei der Erzeugung der Deskriptoren<br />
fällt in der genannten Reihenfolge ab. Deskriptoren können sich dabei auf einzelne<br />
Teile der Videodaten (z. B. Videosegmente, Einzelbilder, Bereiche) beziehen.<br />
Zur Ermittlung geeigneter Deskriptoren für den speziellen Fall der Suche in Aufzeichnungen<br />
von Lehrveranstaltungen stehen inhaltliche, semantische Gesichtspunkte im Vordergrund,<br />
also z. B. welches Thema wird zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Videosegment<br />
behandelt. Allerdings enthält der Videodatenstrom einer Lehrveranstaltungsaufzeichnung<br />
keine geeigneten charakteristischen Merkmalsausprägungen über den Zeitverlauf<br />
hinweg. Jedes einzelne Videosegment ähnelt jedem anderen visuell so stark –<br />
in den meisten Fällen ist ausschließlich ein Vortragender zu sehen – dass bei alleiniger<br />
Betrachtung eines einzelnen Videosegments oft nicht festzustellen ist, zu welchem Zeitpunkt<br />
der Aufzeichnung dieses gehört. Objektidentifikation, Objektverfolgung und eine<br />
Segmentierung entsprechend der Schnittfolge eines Videos sind in diesem Falle ebenfalls<br />
nicht sinnvoll, da nicht auf den semantischen Inhalt der Vorlesung geschlossen werden<br />
kann, höchstens auf eine Person, die sich z. B. nach links oder rechts bewegt. Merkmalausprägungen<br />
von besserer Separierungsfähigkeit können aus den zugehörigen Audiodaten<br />
gewonnen werden. Eine Segmentierung kann in diesem Fall z. B. bzgl. der Sprechpausen<br />
erfolgen. <strong>Die</strong> einzelnen Audio-Segmente werden hierzu einer automatischen<br />
Sprachanalyse unterzogen, deren Ergebnis die gewünschten Merkmale hervorbringt (vgl.<br />
Kap. 3).<br />
Systeme, die Aufzeichnungen von Lehrveranstaltungen verwalten, müssen in der Lage<br />
sein, auch den Inhalt einzelner Videos zu durchsuchen. Lehrveranstaltungen stellen beson-<br />
6 Tübinger Internet Multimedia Server, http://timms.uni-tuebingen.de/<br />
7 Slidestar IMC AG, http://www.im-c.de/Produkte/170/4641.html. Eine Beispielanwendung ist das eLecture<br />
Portal der <strong>Universität</strong> Freiburg: http://electures.informatik.uni-freiburg.de/catalog/courses.do<br />
8 Lecturnity IMC AG, http://www.lecturnity.de/<br />
9 Adobe - Portable Document Format, nahezu alle textuellen Formate lassen sich in das PDF umwandeln.<br />
10 Microsoft PowerPoint<br />
284
dere Ansprüche an ein Retrievalsystem. Traditionelles Multimedia Retrieval, das versucht<br />
charakteristische, statistische Merkmale zu indizieren, ist in diesem Falle nicht geeignet.<br />
3 Automatische Annotation von Video-Daten<br />
Lehrveranstaltungsaufzeichnungen bestehen heute oft aus synchronisierten Multimediapräsentationen,<br />
die eine Videoaufzeichnung des Dozenten, eine Aufzeichnung der Präsentation<br />
des Dozenten und einen Audiodatenstrom beinhalten (siehe Abb. 1). <strong>Die</strong>se können<br />
z. B. mit Hilfe der Standards ” Synchronous Multimedia Integration Language“ 11<br />
(SMIL) oder ” MPEG-4 XML-A/O“ [ISO05], aber auch über andere, proprietäre Technologien<br />
12 kodiert werden. Eine synchronisierte Multimediapräsentation enthält bedeutend<br />
mehr Informationen als die Videoaufzeichnung des Vortragenden allein. <strong>Die</strong>se zusätzliche<br />
Information wird von OSOTIS genutzt, um eine Vorlesungsaufzeichnung über automatisch<br />
generierte Annotationen in eine durchsuchbare Form zu bringen.<br />
Abbildung 1: Synchronisierte Multimediapräsentation bestehend aus Dozentenvideo,<br />
Desktopaufzeichnung und interaktivem Inhaltsverzeichnis (links) in Verbindung mit<br />
kollaborativem Tagging (rechts) als Ergebnis einer OSOTIS Suchoperation.<br />
Mit einer Aufzeichnung der Präsentation des Dozenten (Desktopaufzeichnung) geht die<br />
Verwendung von textuellem Präsentationsmaterial 13 einher. <strong>Die</strong> aus dem synchronisierten<br />
Präsentationsmaterial gewonnene Annotation enthält alle wichtigen Informationen, die<br />
über den Inhalt des Videos in Erfahrung zu bringen sind. <strong>Die</strong> Annotation schließt neben<br />
textbasierten, inhaltlichen Zusammenfassungen, Stichpunkten und Beispielen auch Vorschaubilder<br />
und andere Multimediainhalte mit ein.<br />
11 SMIL – Synchronized Multimedia, http://www.w3.org/AudioVideo/<br />
12 z. B. Lecturnity IMC AG, http://www.lecturnity.de/<br />
13 z. B. Adobe PDF, Microsoft PowerPoint, o.a.<br />
285
Der Prozess der Annotation erfolgt entweder bereits online während der Produktion (wie<br />
in [ONH04] gefordert) oder auch offline in einem Nachverarbeitungsschritt. Soll eine automatische<br />
online-Annotation erfolgen, ist das Führen einer speziellen Log-Datei auf dem<br />
Präsentationsrechner des Dozenten erforderlich, in der Ereignisse wie z. B. Folienwechsel<br />
aufgezeichnet werden. Aus dieser Log-Datei lässt sich leicht eine zeitliche Synchronisation<br />
zwischen Videoaufzeichnung und textuellem Präsentationsmaterial gewinnen. <strong>Die</strong><br />
Zeitpunkte der jeweiligen Folienwechsel segmentieren die Videoaufzeichnung und die textuellen<br />
Inhalte einer Folie werden dem Videosegment als Deskriptor zugeordnet. Textauszeichnungen<br />
wie z. B. Schriftschnitt sowie Textposition innerhalb einer Folie (z. B. Kapitelüberschrift)<br />
werden dabei zur Relevanzgewichtung der Deskriptoren herangezogen.<br />
Oft ist das Führen einer Log-Datei auf dem Präsentationsrechner nicht möglich oder auch<br />
nicht erwünscht. In diesem Fall oder auch für den Fall der Aufbereitung von bereits archiviertem<br />
Videomaterial, muss ein analytisches (Retrieval-)Verfahren zur Synchronisation<br />
von Videoaufzeichnung und textbasiertem Material verwendet werden. <strong>Die</strong>s erfolgt<br />
bei OSOTIS über Schrifterkennung (Intelligent Character Recognition, ICR) und Bildvergleichanalyse<br />
(vgl. [SW06a] für eine ausführlichere Beschreibung der technischen Details).<br />
Wird ein ICR-Verfahren allein auf die Präsentationsaufzeichnung angewendet, liefert<br />
diese auf Grund oft unzureichender Videoqualität nur eine fehlerhafte Analyse der darin<br />
enthaltenen Information [NWP03, KHE05]. Dennoch ist die Qualität dieser Information<br />
ausreichend, um eine Synchronisation von Videoaufzeichnung und textuellem Präsentationsmaterial<br />
zu gewährleisten. Sollten dabei auf einer Folie keine Textinhalte sondern<br />
lediglich Illustrationen und Grafiken enthalten sein, löst ein einfacher analytischer Bildvergleich14<br />
des Präsentationsmaterials mit der Präsentationsaufzeichnung diese Aufgabe.<br />
Neben dieser bereits realisierten Synchronisation steht derzeit die direkte Synchronisation<br />
von Vorlesungsaufzeichnungen mit zusätzlich vorhandenem textuellem Material im<br />
Vordergrund der Entwicklung (vgl. [Re07]). <strong>Die</strong>se Synchronisation basiert auf einer automatischen<br />
Spracherkennung (ASR) der aufgezeichneten Audiodaten [CH03, YOA03].<br />
Das Verfahren unterscheidet sprecherabhängige und sprecherunabhängige Spracherkennung.<br />
Sprecherabhängige ASR (z. B. Dragon Naturally Speaking15 ) sieht eine Trainingsphase<br />
des Systems auf einen bestimmten Sprecher vor. Da eine derartige Trainingsphase<br />
des Systems sehr aufwändig ist und mit wachsendem Datenbestand nicht skaliert, liegt<br />
der Schwerpunkt der Entwicklung derzeit in der Weiterentwicklung einer sprecherunabhängigen<br />
Spracherkennung (z. B. SPHINX [Hu93]). Aktuelle Systeme zur Spracherkennung<br />
erreichen eine Fehlerrate (word error rate) von etwa 10 % für englischsprachige16 und etwa 20 % für deutschsprachige17 Texte. Zur Verbesserung der Erkennungsrate wird<br />
daher ein vorab definiertes, reduziertes Vokabular (Korpus) aus Fachbegriffen zu jeder<br />
Vorlesung bereitgestellt, die im Audiodatenstrom zeitlich lokalisiert werden (Term Spotting)<br />
[KY96]. <strong>Die</strong>ses Korpus kann etwa aus dem textuellen Präsentationsmaterial oder aus<br />
einer Sammlung von dem Wissensgebiet zugehöriger Fachbegriffe (Lexikon, Ontologien)<br />
generiert werden.<br />
14 realisiert über imgSeek, http://www.imgseek.net/<br />
15 Nuance – Dragon Naturally Speaking, http://www.nuance.com/dragon/<br />
16 http://cslr.colorado.edu/beginweb/speech recognition/sonic main.html<br />
17 http://www-i6.informatik.rwth-aachen.de/web/Research/SRSearch frame.html<br />
286
<strong>Die</strong> Annotation des Videomaterials erfolgt also entweder durch Resynchronisation des<br />
Präsentationsmaterials mit der Desktopaufzeichnung mittels ICR oder durch Resynchronisation<br />
mit dem Audiodatenstrom vermittels ASR. Laut [HLT06] stufen Rezipienten eine<br />
Desktopaufzeichnung und die Folien der Präsentation beim Lernen als wichtiger ein als<br />
die Aufzeichnung des Dozenten selbst, woraus abzuleiten ist, dass das Anfertigen einer<br />
Desktopaufzeichung in Zukunft auch mehr Akzeptanz finden wird.<br />
4 Kollaborative Annotation von Video-Daten<br />
Neben den vielfältigen Möglichkeiten der automatischen Annotation von Multimediadaten,<br />
wie sie im vorangegangenen Kapitel besprochen wurden, soll in diesem Kapitel auf eine<br />
kollektive Verschlagwortung von Multimediadaten als Ganzem (traditionelles Tagging)<br />
bzw. eine synchrone Verschlagwortung von zeitabhängigen Multimediadaten (sequentielles<br />
Tagging) näher eingegangen werden.<br />
Unter dem Begriff Tagging“ wird eine Verschlagwortung verstanden, d. h. die Annota-<br />
”<br />
tion von Daten (in unserem Falle Multimedia-Daten) mit Begriffen, die den Inhalt oder<br />
die Funktion der annotierten Datei markieren [Je95]. Formal ist ein Tag ein Tripel der<br />
Form (u, l, r) wobei u für den Benutzer (user), l für das Schlagwort (label) und r für die<br />
Ressource stehen. <strong>Die</strong> Schlagworte können dabei vom Autor der verschlagworteten Ressource<br />
selbst, von einem dazu bestimmten Experten, oder aber auch von allen Benutzern<br />
(kollaboratives Tagging oder Social Tagging) der Datei gemeinsam vergeben werden.<br />
Aktuelle kollaborative Tagging Systeme wie z. B. delicious18 , bibsonomy19 , My Web 2.020 oder das deutschsprachige mister-wong21 verschlagworten Ressourcen derzeit als Ganzes<br />
und sind nicht in der Lage, einzelne Abschnitte dieser Ressource (sofern diese nicht über<br />
einen URI identifiziert werden können) gezielt zu annotieren. Man unterscheidet generell<br />
zwischen deskriptiven (auch objektiven) Tags, die eine Ressource oder deren Eigenschaften<br />
objektiv beschreiben (hierzu zählen inhalts-basierte Tags, kontext-basierte Tags und<br />
attributive Tags), und funktionalen Tags, d. h. Tags, deren Bedeutung in der Regel einen<br />
ganz bestimmten Zweck anzeigt, der mit der Ressource in Verbindung steht, und der sich<br />
meist lediglich dem Tag-Autor allein erschließt und Nutzen bringt (differenziert in subjektive<br />
Tags und organisatorische Tags). Siehe [GH06] und [Xu06] für eine detaillierte<br />
Übersicht der unterschiedlichen Tag-Kategorien und ihrer Funktion.<br />
Ressourcen jeglicher Art lassen sich vermittels Tags verschlagworten. <strong>Die</strong>se Schlagworte<br />
können dann im Rahmen einer Suche zusätzlich zu den bereits vorhandenen Deskriptoren<br />
(Metadaten) genutzt werden. Dabei ist zu beachten, dass kollektives Tagging und die Einbeziehung<br />
kollektiv vergebener Tags in die Suche veränderte Rahmenbedingungen für die<br />
Suche schaffen, die bereits eingehend untersucht worden sind [Ha06]. Funktionale (subjektiv<br />
vergebene) Tags sind in der Regel nur für den Tag-Autor zum Wiederauffinden einer<br />
18 delicious, http://del.icio.us/<br />
19 bibsonomy, http://www.bibsonomy.org/<br />
20 My Web 2.0 http://myweb2.search.yahoo.com/<br />
21 mister-wong, http://www.mister-wong.de/<br />
287
verschlagworteten Ressource von Nutzen, während deskriptiv vergebene Tags objektiveren<br />
Ansprüchen genügen und auch allgemein für alle in der Suche von Nutzen sind, um<br />
neue, bislang unbekannte Ressourcen zu entdecken. <strong>Die</strong> Verteilung kollektiv vergebener<br />
Tags folgt einem Potenzgesetz [GH06], d. h. für eine bestimmte Ressource werden einige<br />
wenige Tags sehr oft verwendet, während der Hauptanteil der übrigen Tags für diese Ressource<br />
im so genannten Long Tail“ -Bereich der Tagverteilung liegt, d. h. nur sehr selten<br />
”<br />
vergeben wurde. <strong>Die</strong>se Eigenschaft kann dazu genutzt werden, zuverlässige Suchergebnisse<br />
zu gewinnen bzw. bei Miteinbeziehung der Long Tail“ -Ergebnisse auf ungeahnte<br />
”<br />
Assoziationen und Querverbindungen zu schließen.<br />
Ein typischer Vertreter einer Suchmaschine mit kollektiv verschlagworteten Multimediadaten<br />
ist die bekannte Videosuchmaschine YouTube. Benutzer können dort eigenes Videomaterial<br />
einstellen und alle darin vorhandenen Videoclips kollektiv verschlagworten.<br />
Kollektive Tags und zusätzlich vom Autor eingegebene Metadaten werden dann bei einer<br />
Suche in YouTube in Kombination genutzt. Neben den Suchergebnissen, die durch einen<br />
eingegebenen Suchbegriff erzielt wurden, ist YouTube in der Lage, zu einem angezeigten<br />
Video anhand der kollektiven Tags weitere ähnliche Videos aus seinem Datenbestand<br />
herauszusuchen.<br />
<strong>Die</strong> kollektive Annotation in der Suchmaschine YouTube oder anderen auf diesem Prinzip<br />
basierenden Suchmaschinen (z. B. Google Video oder yahoo! video search22 ) ist stets<br />
darauf beschränkt, die vorhandenen Ressourcen als Ganzes zu verschlagworten. Während<br />
diese Einschränkung bei zeitunabhängigen Medien nur selten von Nachteil ist – auch wenn<br />
ein langes Textdokument als Ergebnis zurückgeliefert wird, kann der Suchbegriff darin<br />
leicht mittels einer daran anschließenden Volltext-Suche gefunden werden – kommt dieser<br />
Nachteil bei zeitabhängigen Medien voll zum Tragen. <strong>Die</strong> anschließende Suche innerhalb<br />
einer gefundenen Videodatei nach einem bestimmten Suchbegriff gestaltet sich<br />
als schwierig. Daher liegt der Schluss nahe, die kollektive Annotation synchron zu einem<br />
zeitabhängigen Medium durchzuführen. Zu diesem Zweck wird bei OSOTIS zu jedem<br />
vergebenen Tag zusätzlich zum Namen des Nutzers, der das Tag vergeben hat, der Zeitpunkt<br />
innerhalb einer Videodatei, zu dem das Tag vergeben wurde, notiert. <strong>Die</strong>se Art der<br />
kollektiven Verschlagwortung bezeichnen wir als synchrones oder sequentielles Tagging.<br />
Formal wird das Tripel (u, l, r) also mit einer Funktion c(r) um eine zeitliche Koordinate<br />
innerhalb der Ressource erweitert zu (u, l, c(r)).<br />
Soll ein Tag nicht nur einen Einzelzeitpunkt sondern ein definiertes Intervall beschreiben,<br />
muss jeweils ein Anfangs- und ein Endzeitpunkt zusammen mit dem Tag vermerkt werden.<br />
<strong>Die</strong>ser kann entweder durch den Benutzer selbst oder aber auch durch eine automatische<br />
Kontextanalyse bestimmt werden. <strong>Die</strong> Funktion c(r) kann also auch einen Abschnitt innerhalb<br />
einer Ressource beschreiben.<br />
Sequentielles Tagging sowie die automatisierte Resynchronisation des verwendeten Präsentationsmaterials<br />
bilden die Basis der Video-Suchmaschine OSOTIS. <strong>Die</strong> gewonnenen<br />
semantischen Annotationen werden als Metadaten parallel zu den Multimediadaten im<br />
MPEG-7 Format [CSP01] kodiert. <strong>Die</strong> Kodierung sequentieller Tags mit Hilfe des MPEG-<br />
22 yahoo! video search, http://video.search.yahoo.com/<br />
288
7 Standards wird in [SW06b] näher beschrieben. Aus den MPEG-7 Metadaten wird ein<br />
Suchindex aufgebaut, ohne dass ein erneutes Retrieval notwendig ist.<br />
5 OSOTIS – eine kollaborative, inhaltsbasierte Video-Suchmaschine<br />
OSOTIS als Video-Suchmaschine und Web-2.0-Social-Tagging-System hat sich auf die<br />
Verwaltung, Annotation und Suche von Lehr- und Lernvideos, und insbesondere von Lehrveranstaltungsaufzeichnungen<br />
spezialisiert. Dabei kommen verschiedene Konzepte zum<br />
Tragen, um die Recherchierbarkeit der Videodaten mit höherer Feinheit als bisher zu<br />
ermöglichen.<br />
OSOTIS verwendet zur Suche sowohl Standard-Suchkriterien, wie z. B. Name des Autors<br />
oder andere autorenbezogene Metadaten sowie darüber hinaus eine schlüsselwortbasierte<br />
Suche sowohl auf Basis des synchronisierten Präsentationsmaterials als auch mit Hilfe<br />
des kollektiven, sequentiellen Taggings. Auf Grund einer Vorabanalyse des textuellen<br />
Präsentationsmaterials mit Berücksichtigung von Schriftschnitt und Position in Verbindung<br />
mit TF/IDF Metriken23 [PC98] wird die Relevanzgewichtung und damit auch die<br />
Qualität der erzielten Suchergebnisse verfeinert. So werden z. B. Videodaten, bei denen<br />
das gesuchte Wort in einer Überschrift auftritt, als relevanter eingestuft als Videodaten,<br />
bei denen dieses Wort lediglich in einem Nebenkommentar vorkommt. <strong>Die</strong>s bekräftigt<br />
unseren Ansatz, das textuelle Präsentationsmaterial als Grundlage der Schlüsselwörter zu<br />
verwenden, da dort der semantische Inhalt des Videos direkt und in kompakter Form niedergeschrieben<br />
steht.<br />
OSOTIS präsentiert sich dem Benutzer mit einer einfachen Eingabemaske, in der ein oder<br />
mehrere Suchbegriffe eingegeben werden können. Nach inhaltlicher Relevanz wird daraufhin<br />
eine Liste mit Suchergebnissen präsentiert und nach Auswahl eines Ergebnisses<br />
wird dieses direkt und genau ab der relevanten Stelle wiedergegeben (vgl. Abbildung 2).<br />
Neben der inhaltsbasierten Suche bietet OSOTIS angemeldeten Benutzern die Möglichkeit,<br />
das verfügbare Videomaterial mit eigenen sequentiellen (zeitbezogenen) Tags zu annotieren.<br />
Auf diese Weise können bestimmte, besonders interessante Abschnitte innerhalb eines<br />
Videos besonders hervorgehoben und kategorisiert werden. Eine so genannte Tag-Cloud“<br />
”<br />
(siehe Abb. 1, rechts oben) gibt einen Überblick wahlweise über alle aktuell verwendeten<br />
Tags und deren Häufigkeit oder gestattet eine nutzer- bzw. mediumbezogene Filterung der<br />
angezeigten Tags. Dadurch kann sich der Benutzer auf einen Blick darüber informieren,<br />
welche Themen (1) der komplette Videodatenbestand von OSOTIS beinhaltet, (2) ein bestimmtes<br />
Video aufweist oder (3) ein bestimmter Nutzer vergeben und annotiert hat. <strong>Die</strong> in<br />
der Tag-Cloud notierten Begriffe selbst können ebenfalls direkt durch einfaches Anklicken<br />
zur Suche und Filterung genutzt werden.<br />
Darüber hinaus bietet OSOTIS angemeldeten Benutzern die Möglichkeit, ohne HTML-<br />
Kenntnisse eine eigene Webseite zu gestalten, auf der ausgewählte Videos zusammengestellt<br />
und präsentiert werden können. So kann der Nutzer z. B. interessante Videos ei-<br />
23 TF - Term Frequency, IDF - Inverse Document Frequency<br />
289
Abbildung 2: Suchergebnis für den Begriff ” Hieroglyphen“. Es wird dabei angezeigt, an welcher<br />
Stelle im Video der Suchbegriff auftritt. Mit einem Klick auf die hervorgehobenen Segmente, wird<br />
das Video an dieser Stelle wiedergegeben.<br />
ner Vorlesungsreihe zu eigenen Kollektionen gruppieren. Neben der Vergabe eigener Tags<br />
können auch Kommentare und Diskussionen an ausgewählte Video-Positionen gehef-<br />
”<br />
tet” werden, in denen mehrere Nutzer den betreffenden Videoausschnitt diskutieren und<br />
beurteilen können. <strong>Die</strong>se Diskussionen erweitern die Annotation und können ebenfalls<br />
durchsucht werden.<br />
Das Anmelden von durchsuchbarem Videomaterial bei OSOTIS kann aktuell auf drei unterschiedliche<br />
Arten erfolgen: (1) Eigenes Videomaterial kann direkt hochgeladen werden<br />
bzw. kann der URL einer oder mehrerer Videodateien direkt angegeben werden. <strong>Die</strong>se Daten<br />
werden nachfolgend direkt durch OSOTIS verwaltet. (2) Videomaterial kann auch über<br />
die Angabe der URL einer oder mehrerer Videodateien, die über einem Streaming-Server<br />
erreichbar sind, angemeldet werden. OSOTIS lädt diese Daten dann nicht ins eigene System,<br />
sondern nutzt lediglich den Link dorthin. Das spart zwar eine redundante Datenhaltung,<br />
macht jedoch ein regelmäßiges Überprüfen der betreffenden URLs auf Konsistenz<br />
notwendig. (3) Parallel zu den Videodaten kann auch textuelles Präsentationsmaterial24 hochgeladen werden, das zur automatischen Annotation verwendet wird.<br />
Aktuell (Stand: 05/2007) hält OSOTIS ca. 1700 Videos in englischer und deutscher Sprache<br />
vor, von denen ca. 50 % automatisch mit Hilfe des verfügbaren Präsentationsmaterials<br />
annotiert worden sind. Der Aufwand der technischen Analyse inklusive der automatischen<br />
Annotation benötigt in Abhängigkeit vom vorliegenden Videoformat ca. 3–10 Minuten<br />
pro Medienstunde. Das gesamte Videomaterial kann kollaborativ verschlagwortet werden.<br />
Aktuell erfolgt dies durch ca. 500 aktive Nutzer. Hierzu ist anzumerken, dass eine aussagekräftige<br />
Evaluation der Suchergebnisse von OSOTIS derzeit noch nicht zufriedenstellend<br />
durchgeführt werden konnte, da die bislang vorhandene Menge an kollaborativ erstell-<br />
24 aktuell nur in Form von Adobe PDF- Dokumenten<br />
290
ten Schlagworten noch zu gering ist. Aktuell werden die an der FSU Jena aufgezeichneten<br />
Lehrveranstaltungen wöchentlich in OSOTIS eingestellt und von den Studierenden<br />
rege verschlagwortet. Wie für ein Web 2.0 System üblich, wächst der Nutzen des Systems<br />
mit der Anzahl der daran aktiv teilnehmenden Benutzer. OSOTIS ist unter dem URL<br />
http://www.osotis.com frei zugänglich.<br />
6 Zusammenfassung und Ausblick<br />
OSOTIS ermöglicht eine automatische inhaltsbezogene Annotation von Videodaten und<br />
dadurch eine zielgenaue Suche auch innerhalb von Videos. Neben objektiv gewonnenen<br />
zeitabhängigen Deskriptoren, die über eine automatische Synchronisation von ggf. zusätzlich<br />
vorhandenem textuellen Material mit den vorliegenden Videodaten gewonnen werden,<br />
können registrierte Nutzer eigene, zeitbezogene Schlagwörter und ganze Kommentare innerhalb<br />
eines Videos vergeben, die zur Implementierung einer personalisierten Suche verwendet<br />
werden.<br />
<strong>Die</strong> aktuelle Weiterentwicklung von OSOTIS erstreckt sich neben einer weiteren, qualitativen<br />
Verbesserung der damit erzielten Suchergebnisse auf den Bereich des Social Networking<br />
und einer Erweiterung des Konzeptes des sequentiellen Taggings. Wie andere Social-<br />
Networking-Systeme auch, sollen Benutzer OSOTIS ebenfalls als Kommunikations- und<br />
Organisationsplattform nutzen können. So ist z. B. die Bildung von speziellen Lerngruppen<br />
angestrebt, die ein gemeinsames Programm an Lehrveranstaltungen absolvieren, diese<br />
annotieren, darüber diskutieren und mit Anmerkungen versehen können. <strong>Die</strong> persönlich<br />
vergebenen Tags ermöglichen die Generierung von Nutzerprofilen. Nutzer mit ähnlichen<br />
Profilen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliche Interessen oder Expertise. Auf diese<br />
Weise lassen sich zuvor ungeahnte Querverbindungen zwischen dem vorhandenen Videomaterial<br />
knüpfen und auf Ähnlichkeit basierende Suchfunktionen realisieren. Den Nutzern<br />
wird es ermöglicht, eigene Kompetenznetzwerke aufzubauen.<br />
über das zeitbezogene, sequentielle Tagging mit einfachen Schlagwörtern hinaus, werden<br />
auch zeitbezogene Annotationen in Form von Diskussionen oder Fragestellung ermöglicht.<br />
Dadurch ergeben sich neue Formen der Nutzer-Nutzer-Interaktion, die eine Evaluation der<br />
begutachteten Videoinhalte gestatten. Neben der zeitlichen Dimension sollen auch Ortsund<br />
Positionsangaben innerhalb eines Videobildes in Form von multidimensionalem Tagging<br />
realisiert werden. Auf diese Weise lassen sich spezielle Bildinhalte eines Videos im<br />
Rahmen eines bestimmten Beobachtungszeitraumes hervorheben und mit Annotation versehen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[CH03] Y. Chen und W. J. Heng. Automatic Synchronization of Speech Transcript and Slides<br />
in Presentation. In Proceedings of the IEEE International Symposium on Circuits and<br />
Systems (ISCAS), Seiten 568–571. Circuits and Systems Society, May 2003.<br />
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Springer, to be published 2007.<br />
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In Proceedings of the ESWC 2006 Workshop on Mastering the Gap: From<br />
Information Extraction to Semantic Representation, CEUR Workshop Proceedings, june<br />
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[SW06b] H. Sack und J. Waitelonis. Integrating Social Tagging and Document Annotation for<br />
Content-Based Search in Multimedia Data. In Proc. of the 1st Semantic Authoring and<br />
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Conference on Speech Communication and Technology, Seiten 961–964. EURO-<br />
SPEECH, September 2003.<br />
292
Ein Werkzeug zur Unterstützung der Anpassung<br />
existierender E-<strong>Learning</strong>-Materialien<br />
Birgit Zimmermann 1, 2 , Christoph Rensing 2 , Ralf Steinmetz 2<br />
1 SAP AG<br />
SAP Research CEC Darmstadt<br />
Bleichstr. 8<br />
64283 Darmstadt<br />
Birgit.Zimmermann@sap.com<br />
2 Fachgebiet Multimedia Kommunikation<br />
Technische <strong>Universität</strong> Darmstadt<br />
Merckstr. 25<br />
64283 Darmstadt<br />
{Birgit.Zimmermann, Christoph.Rensing,<br />
Ralf. Steinmetz}@kom.tu-darmstadt.de<br />
<strong>Die</strong> Wiederverwendung bereits existierender Lernmaterialien ist eine Möglichkeit, die<br />
hohen Kosten der Erstellung hochwertiger E-<strong>Learning</strong> Materialien zu senken. In vielen<br />
Fällen wird eine sinnvolle Wiederverwendung aber erst durch eine vorherige Anpassung<br />
der Materialien an deren neue Einsatzkontexte ermöglicht. <strong>Die</strong>se Anpassung ist eine<br />
komplexe Aufgabe Damit Autoren sie sinnvoll durchführen können, ist es notwendig,<br />
eine geeignete Unterstützung anzubieten.<br />
In [ZRS06a] stellen wir ein Konzept für eine derartige Unterstützung vor. Es basiert<br />
darauf, Nutzern gezielt das zur Durchführung der Anpassungen benötigte Wissen zur<br />
Verfügung zu stellen und da, wo dies sinnvoll möglich ist, Benutzer durch Automatisierung<br />
die durchzuführenden Aufgaben zu erleichtern. Grundidee dieses Konzeptes ist es,<br />
Laien und Novizen das Wissen von Experten bezüglich Anpassungen verfügbar zu machen.<br />
Das Tool soll format- und dateigrenzenübergreifend arbeiten. Dadurch wird erreicht,<br />
dass Benutzer nicht etliche verschiedene Werkzeuge bedienen müssen, um eine<br />
Anpassung durchzuführen.<br />
Nicht alle Anpassungen lassen sich sinnvoll automatisieren [ZRS06a]. Dennoch ist es<br />
wichtig für alle Anpassungen, unabhängig vom Grad der möglichen Automatisierung<br />
eine Unterstützung anzubieten. Da bereits Hilfestellungen eine wichtige Unterstützung<br />
für Laien darstellen, soll in jedem Fall eine Erläuterung angeboten werden, wie die jeweilige<br />
Anpassung durchzuführen ist.<br />
Das für dieses Konzept zentrale Expertenwissen wird in Form von Patterns bereitgestellt<br />
[ZRS06b]. Patterns sind aufgrund ihrer natürlichsprachlichen Notation auch für Personen<br />
ohne IT Kenntnisse gut verständlich. Dennoch weisen sie eine feste Notation auf, die das<br />
Verständnis erleichtert und eine spätere maschinelle Verarbeitung ermöglicht. Somit<br />
stellen sie eine geeignete Möglichkeit dar, Wissen verfügbar machen zu können.<br />
Das von uns umgesetzte Anpassungstool realisiert die oben genannten Anforderungen<br />
des Konzeptes. Es ist Bestandteil des im Projekt Content Sharing entwickelten Modul-<br />
293
editors [Me06]. Das Anpassungstool wurde in Form eines Wizards umgesetzt, der Benutzer<br />
schrittweise durch eine von ihnen gewählte Anpassung führt. Dabei erhalten Benutzer<br />
Hinweise, wie sie eine Anpassung durchzuführen haben. Dort wo es möglich ist,<br />
wird außerdem eine Automatisierung der zur Durchführung der Anpassung nötigen<br />
Tätigkeiten angeboten.<br />
Der Wizard beruht auf den eben erwähnten Patterns. <strong>Die</strong>se können von den Experten<br />
mittels eines einfachen Eingabewerkzeuges erstellt werden. <strong>Die</strong>ses Werkzeug überführt<br />
die Patterns in eine XML Notation, die als Grundlage für eine Reihe von Informationen<br />
dienen, die im Wizard angezeigt werden. Beispielsweise werden der Name und eine<br />
Kurzbeschreibung des aktuell dargestellten Anpassungsschrittes im oberen Bereich der<br />
Seiten des Wizards aus den Informationen generiert, die in den Patterns abgelegt sind.<br />
Auch der Ablauf einer Anpassung sowie Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen<br />
Anpassungen sind in den Patterns ausgedrückt und werden vom Tool berücksichtigt.<br />
Das Anpassungstool unterstützt derzeit 5 Anpassungen: Übersetzung, Anpassung an ein<br />
verändertes (Corporate) Design, Anpassung, um eine druckoptimierte Version zu erhalten,<br />
Terminologieanpassung und Anpassung, um eine barrierefreie Version zu erhalten.<br />
Von diesen Anpassungen sind 4 teilweise automatisiert. Lediglich zur Anpassung an<br />
Barrierefreiheit existiert momentan noch keine automatisierte Unterstützung. <strong>Die</strong>se ist<br />
aber für die Zukunft geplant ebenso wie die Erweiterung des Tools um zusätzliche Anpassungen,<br />
die bisher nicht berücksichtigt wurden.<br />
Danksagung<br />
Das diesem Beitrag zugrunde liegende Forschungsprojekt Content Sharing wurde mit<br />
Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gefördert.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Me06] Meyer, M. et al.: Requirements and Architecture for a Multimedia Content Re-purposing<br />
Framework. Proceedings of First European Conference Technology Enhanced <strong>Learning</strong><br />
(EC-TEL), 2006.<br />
[ZRS06a] Zimmermann, B., Rensing, C., Steinmetz, R.: Formatübergreifende Anpassungen von<br />
elektronischen Lerninhalten. Proceedings of DeLFI 2006: 4. e-<strong>Learning</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>Informatik</strong>,<br />
Darmstadt 2006. S. 15 – 26.<br />
[ZRS06b] Zimmermann, B., Rensing, C., Steinmetz, R.: Patterns for Tailoring E-<strong>Learning</strong> Materials<br />
to Make them Suited for Changed Requirement. Proceedings of VikingPLoP 2006,<br />
Helsingör 2006.<br />
294
Werkzeuggestützte Untersuchung der Vorgehensweisen<br />
von Lernenden beim Lösen algorithmischer Probleme<br />
Ulrich Kiesmüller, Torsten Brinda<br />
Didaktik der <strong>Informatik</strong><br />
Friedrich-Alexander-<strong>Universität</strong> Erlangen-Nürnberg<br />
Martensstraße 3<br />
91058 Erlangen<br />
{ulrich.kiesmueller, torsten.brinda}@informatik.uni-erlangen.de<br />
Abstract: Um Lernende der Sek. I beim Lösen algorithmischer Probleme unter<br />
Verwendung von Lern- und Programmierumgebungen besser zu unterstützen, wird<br />
untersucht, inwieweit deren Vorgehensweisen automatisch erfasst und bewertet<br />
werden können, mit dem Ziel die eingesetzten Umgebungen lernergerechter zu<br />
gestalten. Dazu wurde für die Umgebung Kara Aufzeichnungs- und Diagnosesoftware<br />
entwickelt und in empirischen Vorstudien auf ihre Praxistauglichkeit hin untersucht.<br />
1 Motivation und Ziel<br />
<strong>Die</strong> in der Sekundarstufe I in der <strong>Informatik</strong>anfangsausbildung eingesetzten Systeme<br />
zum Erlernen algorithmischer Grundkonzepte (z. B. Karol, Kara) geben den Lernenden<br />
nicht an deren individuelle Vorgehensweisen angepasste, oft rein „technische“, wenig<br />
schülergeeignete Fehlermeldungen aus. <strong>Die</strong> Hypothese für das hier skizzierte Forschungsprojekt<br />
lautet, dass sich die eingesetzten Lern- und Programmierumgebungen bei<br />
genauerer Kenntnis der individuellen Vorgehensweisen bei der Bearbeitung algorithmischer<br />
Problemstellungen besser an die Bedürfnisse der Lernenden anpassen lassen. Untersuchungen<br />
zu den Vorgehensweisen von Programmieranfängern fanden bislang überwiegend<br />
auf Hochschulebene statt (z. B. [Hu06]). Hierbei wurde häufig mit Videoaufzeichnungen<br />
gearbeitet, die nachträglich aufwändig manuell ausgewertet werden mussten,<br />
um das jeweilige Vorgehen zu analysieren. Um sowohl zu quantitativen als auch zu<br />
qualitativen Aussagen zu gelangen, werden im Rahmen der hier vorgestellten Studie<br />
einerseits Aufzeichnungs- und Diagnosesoftware konzipiert und entwickelt und andererseits<br />
Einzelinterviews mit Lernenden zu ihren spezifischen Vorgehensweisen durchgeführt.<br />
Angestrebt wird, automatisch diagnostizierte Vorgehensweisen von Lernenden für<br />
die Gestaltung von individualisierten Systemrückmeldungen zu verwenden.<br />
2 Entwicklung von Aufzeichnungs- und Diagnosesoftware<br />
Grundlage für die ersten Arbeiten bildete die Lernumgebung Kara [Re03]. Für die automatisierte<br />
Erfassung quantitativer Daten wurde in einem ersten Schritt eine Aufzeich-<br />
295
nungssoftware (TrackingKara) entworfen und implementiert, die den zeitlichen Verlauf<br />
aller relevanten Aktionen eines Lernenden für diesen unsichtbar in einer Textdatei protokolliert.<br />
Hierzu wurde vom Kara-Team (insbesondere R. Reichert) eine spezifische<br />
Programmschnittstelle bereitgestellt, wofür die Autoren herzlich danken. Aufgezeichnet<br />
werden alle Aktionen, die die Weiterentwicklung und die Ausführungsversuche eines<br />
Kara-Programms durch den Lernenden dokumentieren. Endet ein Ausführungsversuch<br />
eines Kara-Programms mit einer Fehlermeldung, so wird auch diese protokolliert zusammen<br />
mit der Information, wie die Bearbeitung anschließend fortgesetzt wird. Um<br />
einerseits die Vorgehensprotokolle einzelner Lernender grafisch aufbereitet (z. B. relevante<br />
Ausbaustufen des Kara-Programms, Aktionen im Zeitverlauf) analysieren zu können<br />
und um andererseits kumulative Aussagen über die Verläufe mehrerer Probanden<br />
treffen zu können, wurde eine zusätzliche Diagnosesoftware (EvalKara) entwickelt und<br />
implementiert, in der die Protokollinformationen in einer Datenbank verwaltet werden.<br />
3 Erste Untersuchungen, Ergebnisse und Ausblick<br />
Im 1. Halbjahr 2007 wurde die Praxistauglichkeit der entwickelten Analyse- und Diagnosesoftware<br />
in Fallstudien untersucht. Hierbei nahmen in Einzelfallstudien ca. 10<br />
Personen mit sehr unterschiedlicher informatischer Vorbildung (keine bis erhebliche)<br />
sowie ca. 100 Lernende aus der Jgst. 7 des bayerischen Gymnasiums teil. Hierbei zeigte<br />
sich, dass durch die Aufzeichnung der zeitlichen Veränderung der Anzahl der Programmelemente<br />
sowie der gewählten Aktionen Schlussfolgerungen im Hinblick auf<br />
Vorgehensmuster (z. B. evolutionäres/Versuch-Irrtum-Verfahren, strategisches Vorgehen)<br />
möglich sind. Erkenn- und bewertbar ist weiterhin, wie viel Zeit ein Lernender mit<br />
welchen Aktivitäten (Editieren von Zuständen und Übergängen, der Modellwelt, Ausführen)<br />
verbringt sowie Fehlerart und -häufigkeit pro untersuchter Aufgabenstellung.<br />
<strong>Die</strong> Qualität des erreichten Bearbeitungsergebnisses eines Lernenden wird durch systemunterstützte<br />
Überprüfung der Lösung für vorgegebene Testdaten erfasst. Hier ist im<br />
Weiteren noch ein Abgleich mit den Erkenntnissen aus dem Bereich der automatischen<br />
Überprüfung von Programmieraufgaben geplant.<br />
In weiteren Arbeiten soll die Erfassung der Vorgehensweisen verfeinert und mit Empfehlungen<br />
für die Lernenden verknüpft werden. Hierzu ist auch der Einsatz weiterer<br />
Lern- und Programmierumgebungen geplant. <strong>Die</strong> Auswirkung der Einbindung der Empfehlungen<br />
in die Software auf die Lernprozesse ist Gegenstand weiterer empirischer<br />
Arbeiten.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[Hu06] Hundhausen, C. D.: A Methodology for Analyzing the Temporal Evolution of Novice<br />
Programs Based on Semantic Components. In: Proceedings of ICER '06, ACM Press,<br />
New York, 2006, pp. 59-71.<br />
[Re03] Reichert, R.: Theory of Computation as a Vehicle for Teaching Fundamental Concepts<br />
of Computer Science. Dissertation 15035, ETH Zürich, 2003.<br />
296
Ein prozessorientiertes und dienstbasiertes Sicherheitsmodell<br />
für elektronische Prüfungen an Hochschulen<br />
Andreas Hoffmann<br />
Fachgruppe Betriebssysteme / verteilte Systeme<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Siegen</strong>, Hölderlinstraße 3,<br />
57068 <strong>Siegen</strong><br />
andreas.hoffmann@uni-siegen.de<br />
Abstract: <strong>Die</strong>ser Beitrag beschreibt ein Sicherheitsmodell für elektronische Prüfungen<br />
an Hochschulen. Das Konzept basiert auf einer prozessorientierten Sicht,<br />
das die Schutzmechanismen für elektronische Prüfungen in Abhängigkeit ihrer Geschäftsprozesse<br />
betrachtet. Denn der Schutzbedarf der einzelnen Prozesse bestimmt<br />
das Niveau der anzuwendenden Sicherheitsmaßnahmen.<br />
1 Sicherheitsanforderungen an elektronische Prüfungen<br />
Elektronische Prüfungen werden mittlerweile an vielen Hochschulen erfolgreich eingesetzt.<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Prozessphasen sind die Prüfungsvorbereitung (Planung, Erstellung),<br />
Prüfungsdurchführung (Durchführung, Auswertung) und die Prüfungsnachbereitung<br />
(Einsicht, Archivierung). Elektronische Prüfungssysteme bestehen häufig aus einzelnen<br />
Komponenten wie Autorensystem, Nutzer- und Klausurverwaltung, einer Durchführungskomponente<br />
sowie einer Auswertungskomponente, die diese Prozesse abbilden.<br />
Was bei der Umsetzung der bisherigen elektronischen Prüfungssysteme nur unzureichend<br />
betrachtet wurde, sind die unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen, die an die<br />
einzelnen Prozessphasen einer elektronischen Prüfung gestellt werden. Dazu zählen vor<br />
allem die Authentizität der Prüfungsteilnehmer, die Verbindlichkeit der Prüfungsangaben<br />
(Nichtabstreitbarkeit), die Betrugssicherheit, Anonymität, Integrität, Vertraulichkeit<br />
und die Verfügbarkeit.<br />
<strong>Die</strong> Sicherheitsanforderungen an elektronische Prüfungen sind abhängig vom Einsatzzweck<br />
der Prüfung [St06]. Grundsätzlich unterscheidet man Prüfungen in summative<br />
(bewertete Klausuren) und formative Prüfungen (Selbsttests, etc.), wobei den summativen<br />
Prüfungen eine juristische Bedeutung zukommt. Hierbei sind die eindeutige Authentifizierung<br />
der Teilnehmer und die Verbindlichkeit der Prüfungsangaben Voraussetzung<br />
für eine rechtssichere Durchführung. Bei formativen Prüfungen hingegen wird eine anonyme<br />
Durchführung gefordert. Auch bei der Auswertung ergeben sich Unterschiede: <strong>Die</strong><br />
Auswertung der formativen Prüfungen wird dem Teilnehmer unmittelbar nach der Prüfung<br />
mitgeteilt. Bei den summativen Prüfungen hingegen, muss dem Prüfenden u.a. die<br />
Möglichkeit zur Nachkorrektur gegeben werden. <strong>Die</strong> Nachbereitung einer summativen<br />
297
Prüfung beinhaltet die Klausureinsicht durch den Teilnehmer und die Archivierung der<br />
Prüfung für mindestens 5 Jahre. Für formative Prüfungen dagegen existiert keine Archivierungspflicht.<br />
2 Ein Sicherheitsmodell für elektronische Prüfungen<br />
Ziel ist es, ein Sicherheitsmodell zu entwickeln, das die Sicherheitsdienste in Abhängigkeit<br />
des jeweiligen Prozesses der entsprechenden Prüfungsart zur Verfügung stellt (siehe<br />
Abb.1). Ein solches dienstbasiertes Konzept erlaubt es Sicherheit adaptiv zu gestalten.<br />
Ein Beispiel sind die verschiedenen Formen der Authentifizierung. Je nach Anwendungszweck<br />
kann die Authentifizierung mittels Passwort oder TAN oder durch Besitz<br />
und Wissen (Zweifaktor-Authentifikation) mittels Smartcard realisiert werden. Welche<br />
Authentifizierungsart verwendet wird, ist abhängig von der Prüfungsart und von dem<br />
entsprechenden Prozess.<br />
Elektronisches Prüfungssystem<br />
Nutzer -/Klausur -<br />
verwaltung<br />
Autorentools<br />
Durchführungs<br />
komponente<br />
- Auswertungs -<br />
komponente<br />
Archivierungs<br />
komponente<br />
- Text -<br />
verarbeitung<br />
SPSS<br />
nutzen<br />
Sicherheitsdienste<br />
- Authentifizierung - Verbindlichkeit - Betrugssicherheit - Vertraulichkeit<br />
- Datenintegrität - Anonymität - Verfügbarkeit<br />
Sicherheitsmodell<br />
verwenden<br />
Sicherheitsmechnismen<br />
- Clustering / Load - Balancing - Zugriffskontrollmechanismen<br />
- Qualif . digitale Signaturen - Prüfungsumgebung<br />
erzeugen / prüfen / anwenden definieren<br />
Sicherheitsobjekte<br />
(Prüfungsfragen , Benutzer -Daten , Prüfungsangaben Teilnehmer , Zertifikate , etc .)<br />
werden angewendet auf<br />
Externe Werkzeuge<br />
- Hashwerte erzeugen /prüfen<br />
- ver -/entschlüsseln<br />
- Anonymisierungsmechanismen<br />
Abbildung 1: Sicherheitsmodell für elektronische Prüfungen<br />
Tabellen -<br />
kalkulation<br />
<strong>Die</strong> Sicherheitsobjekte sind die Objekte, die einer möglichen Bedrohung ausgesetzt sind.<br />
<strong>Die</strong> Sicherheitsobjekte werden durch Sicherheitsmechanismen geschützt. <strong>Die</strong> Sicherheitsdienste<br />
verwenden diese Mechanismen in Abhängigkeit von der Durchführungsart<br />
der Prüfung (online, offline), der verwendeten Prüfungsart und des jeweiligen Prozesses.<br />
<strong>Die</strong> externen Werkzeuge können durch die einzelnen Komponenten des Prüfungssystems<br />
genutzt werden. Dadurch sind z.B. Werkzeuge die während der Lehrveranstaltung<br />
eingesetzt werden, auch für die Prüfungsdurchführung einsetzbar.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[St06] Steinberg, M.: Organisatorisches Konzept für Online-Prüfungsverfahren – Ein Stufenmodell<br />
für die Realisierung von Online-Assessment, http://www.sra.unihannover.de/fileadmin/uploads/Mitarbeiter/Steinberg/Publikationen/<br />
AP7_Org_Konzept_screen_V1.pdf, 2006<br />
298<br />
...
Zur Unterstützung kontextadaptiven E-<strong>Learning</strong>s in<br />
Echtzeit am Arbeitsplatz durch maschinelles Lernen auf<br />
Sensorendaten des Computerdesktops<br />
Robert Lokaiczyk, Eicke Godehardt, Manuel Görtz, Andreas Faatz<br />
SAP Research CEC Darmstadt<br />
Bleichstr. 8<br />
64283 Darmstadt, Germany<br />
{robert.lokaiczyk, eicke.godehardt, manuel.goertz, andreas.faatz}@sap.com<br />
Abstract: <strong>Die</strong> Zielsetzung einiger aktueller E-<strong>Learning</strong>-Ansätze ist die Unterstützung<br />
des Lerners direkt am Arbeitsplatz während des tatsächlichen Arbeitsprozesses. Wir<br />
verfolgenden diesen Ansatz des Echtzeit-E-<strong>Learning</strong>s, bei dem dem Nutzer spezifische<br />
Lernressourcen passend zum aktuellen Bedarf in der elektronischen Arbeitsumgebung<br />
angeboten werden. Ein zentraler Erfolgsfaktor für diesen aufgabenorientierten<br />
E-<strong>Learning</strong>-Ansatz ist der Kontext des Nutzers. Um dem Nutzer passende Lernressourcen<br />
bereitzustellen, die sowohl auf den Bedarf abgestimmt als auch hilfreich sind,<br />
bedarf es daher immer der Betrachtung der aktuellen Arbeitssituation, der Kompetenzen<br />
und der Historie des Nutzers. Hier stellen wir eine Architektur zur Vorhersage der<br />
Arbeitsaufgabe am elektronischen Arbeitsplatz vor, welche auf maschinellen Lernverfahren<br />
beruht und diskutieren die Integration des Verfahrens in unsere E-<strong>Learning</strong>-<br />
Umgebung.<br />
Das Ziel des E-<strong>Learning</strong>-Systems APOSDLE 1 (siehe [LLM05]) ist die Steigerung der<br />
Produktivität des Wissensarbeiters durch die Integration von Lernen und Lehren in den Arbeitsprozess.<br />
Der traditionelle Ansatz des “auf Vorrat Lernens” und später (möglicherweise<br />
nie) Anwenden scheint der heutigen dynamischen Unternehmenswelt nicht mehr angemessen<br />
und sollte durch ein arbeitsplatz-integriertes Lernparadigma ersetzt werden.<br />
APOSDLE zielt darauf ab, verschiedene Rollen des Nutzers zu integrieren. So kann zum<br />
Beispiel der erfahrene Benutzer als informeller Lehrer in Form einer elektronischen Kontaktmöglichkeit<br />
zur Verfügung stehen. Es besteht die Möglichkeit den Informationsaustausch<br />
während der Kollaboration zwischen Lerner und Lehrer mit Metainformation anzureichern<br />
und selbst als eigene Lerneinheit abzuspeichern und später anzubieten. Dadurch<br />
muss Lernmaterial nicht mehr zeitaufwendig und kostenintensiv erstellt werden. Der Lerner<br />
vertraut informellem Lernmaterial in Form von Dokumenten, welches genau auf den<br />
Arbeitsschritt abgestimmt ist, den dieser gerade erledigen will.<br />
Um diesen und weitere Aspekte der Integration des Lernens und Arbeitens zu unterstützen,<br />
muss das APOSDLE sich immer der aktuellen Arbeitsaufgabe des Lerners bewusst sein.<br />
<strong>Die</strong>se Information soll unaufdringlich und automatisch vom Arbeitsplatz erhoben werden.<br />
Wir verwenden dazu systemnahe Desktopereignisse und prüfen die Anwendbarkeit<br />
1 APOSDLE ist teilweise gefördert durch das 6. Rahmenprogramm (FP6) für Forschung und Entwicklung der<br />
Europäischen Kommission im ” Information Society Technologies“ (IST) Arbeitsprogramm 2004 unter der Vertragsnummer<br />
IST-027023.<br />
299
maschineller Lernverfahren zur Vorhersage der aktuellen Nutzeraufgabe (Task). Als Hypothese<br />
wird dabei angenommen, dass die aufgezeichneten Sensordaten der Bildschirmarbeit<br />
gute Indikatoren für die Abarbeitung eines abstrakter definierten Arbeitsschrittes darstellen.<br />
Denn diese technisch automatisch erfassten, systemnahen Ereignisse, welche sich aus<br />
der Nutzerinteraktion und dem Systemstatus ergeben, dienen später als Eingabedaten für<br />
Vorhersagealgorithmen.<br />
<strong>Die</strong> Kontextinformation wird zumeist durch sogenannte Softwarehooks – auf Betriebssystemebene<br />
operierende Funktionen – erfasst. Zum Beispiel wird beim Auslösen eines<br />
Mausklicks die betroffene Anwendung über eine Systemnachricht informiert. Der<br />
APOSDLE Kontextmonitor fängt die betreffende Nachricht durch das Setzen eines Softwarehooks<br />
mittels einer Kernel-Funktion in die Nachrichtenwarteschlange ab um sie dann<br />
nach der Aufzeichnung dieses Ereignisses unverändert an die Zielanwendung weiterzuleiten.<br />
Dadurch kann dieser systemnahe Benutzerkontext im Vergleich zu anderen Ansätzen<br />
ohne Einschränkung für den Anwender erfasst werden.<br />
Das Problem der automatischen Taskbestimmung anhand von Systemindikatoren kann<br />
dann als Aufgabe des maschinellen Lernens (ML) aufgefasst werden. Bei der ersten Benutzung<br />
des APOSDLE-Systems ist die Anwendung untrainiert und der Benutzer muss<br />
seinen aktuellen Task aus einer vordefinierten Liste an Arbeitsaufgaben auswählen (manuelle<br />
Bestimmung). Während des Arbeitsprozesses zeichnet der APOSDLE Kontextmonitor<br />
die Ereignisse am Computerdesktop auf, welche die Nutzerinteraktionen reflektieren.<br />
<strong>Die</strong>s inkludiert zum Beispiel Tastatureingaben, Programmstarts und die Textrepräsentation<br />
von geöffneten und bearbeiteten Dokumenten. Auf diese Weise wird kategorisiertes Trainingsmaterial<br />
des Nutzerarbeitsprozesses gewonnen, welches mit dem Tasknamen als Kategoriebezeichner<br />
versehen wird. Sobald genug Trainingsmaterial gewonnen wurde, wird<br />
daraus ein ML-Modell des Nutzertask automatisch abgeleitet. Im optimalen Fall wird dann<br />
eine manuelle Auswahl des Task durch den Nutzer überflüssig, da die Taskvorhersage<br />
aus dem gewonnenen Modell anhand des permanent aufgezeichneten Ereignissstroms des<br />
Desktops den richtigen, aktuellen Task bestimmen kann (automatische Bestimmung). Sobald<br />
die Taskvorhersage dann einen Taskwechsel bemerkt, werden durch die integrierte<br />
APOSDLE E-<strong>Learning</strong>-Umgebung kontextualisierte Lernmaterialien angeboten, welche<br />
auf den aktuellen Task abgestimmt sind.<br />
Eine Evaluation der Vorhersagegüte auf einem domänenspezifischen Prozess unter Anwendung<br />
eines automatischen Lernverfahren aus dem Bereich Support Vector Machines<br />
lieferte vielversprechende Ergebnisse. Dennoch muss das Konzept sich noch in größeren<br />
Nutzertests beweisen. Darunter sollten verschiedene inhaltliche Anwendungsdomänen und<br />
Arbeitsprozesse genauso getestet werden wie Nutzer mit unterschiedlichen Erfahrungsstufen<br />
und Kompetenzen.<br />
Über den Projektfortschritt hält die Webseite www.aposdle.org auf dem Laufenden.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[LLM05] S. N. Lindstaedt, T. Ley und H. Mayer. Integrating Working and <strong>Learning</strong> with APOSD-<br />
LE. In Proceedings of the 11th Business Meeting of Forum Neue Medien, 10-11 November<br />
2005, Vienna. Verlag Forum Neue Medien, 200<strong>5.</strong><br />
300
CLab – Eine web-basierte interaktive Lernplattform für<br />
Studierende der Computerlinguistik<br />
Simon Clematide, Michael Amsler, Sandra Roth, Luzius Thöny, Alexandra Bünzli<br />
Institut für Computerlinguistik<br />
<strong>Universität</strong> Zürich<br />
Binzmühlestr. 14<br />
8050 Zürich<br />
{siclemat,mamsler,sroth,lthoeni,buenzli}@cl.uzh.ch<br />
Das CLab 1 ist eine mittlerweile 3 Jahre im Einsatz stehende Lernplattform für die Studierenden<br />
des Fachs Computerlinguistik. Sie geht aus einem früheren Projekt [CH03]<br />
hervor, das aus einer E-<strong>Learning</strong>-Initiative der <strong>Universität</strong> Zürich [Se03] entstanden ist,<br />
und wird laufend von Studierenden im Rahmen von Hilfsassistenzen weiterentwickelt.<br />
Inhaltlich lässt sich das CLab als eine Sammlung von thematisch selbstständigen Modulen<br />
beschreiben zu Themen wie „Reguläre Ausdrücke“, „Tokenisierung“, „Chunking“<br />
oder „Satzähnlichkeit“. <strong>Die</strong>se Module werden Lerneinheiten genannt. Jede Lerneinheit<br />
basiert auf einem Lehrtext (PDF), welcher die inhaltliche Grundlage bildet. Er kann<br />
ausgedruckt, durchgearbeitet und leicht durchsucht werden. Letzteres hat eine Usability-<br />
Studie mit 5 Probanden zu 2.5h als nützliches Feature bestästätigt. Eine Pilot-Migration<br />
des Inhalts vom eigenen „troff“-basierten Publikation-System in das XML-basierte Format<br />
3 (Multidimensional <strong>Learning</strong> Objects and Modular Lectures Markup Language)<br />
2 wird im 2007 durchgeführt. Nebst der Eignung für multimediale Inhalte ist insbesondere<br />
die Modellierung von Stofftiefe (Dimension der Intensität) für benutzeradaptiveres<br />
E-<strong>Learning</strong> interessant.<br />
<strong>Die</strong> interaktivsten Bausteine des CLab sind die Lernapplikationen (ILAP). <strong>Die</strong>se bieten<br />
den Lernenden die Möglichkeit, an realistischen Problemstellungen ein Thema in einer<br />
einfachen, webbrowser-basierten Umgebung und daher ohne technische Installationshürden<br />
zu bearbeiten. Studierende können so Methoden und Instrumente der Computerlinguistik<br />
ausprobieren und ihre erworbenen Kenntnisse in die Praxis umsetzen. <strong>Die</strong>s ist<br />
inspiriert vom Ansatz des Problem-Based <strong>Learning</strong> [Sa06], wo die Lernenden mit konkreten<br />
Problemen konfrontiert werden, ihnen aber kein exakter Lösungsweg aufgezeigt<br />
wird. Hingegen werden die Mittel und Instrumente zur Verfügung gestellt, welche zur<br />
Lösung des Problems angewendet werden sollen. <strong>Die</strong> Lernenden sollen die ILAP zum<br />
explorativen Experimentieren mit Lösungsansätzen nutzen.<br />
Bei der Weiterentwicklung der ILAP hat uns die neuere Tradition der „Shared Tasks“<br />
inspiriert, welche in der Forschungsmethodik der Sprachtechnologie eine innovative und<br />
antreibende Form geworden ist. Bei diesen wissenschaftlichen Wettbewerben werden<br />
1 http://www.cl.uzh.ch/clab<br />
2 Vergleiche dazu die Leitseite http://www.ml3.org.<br />
301
konkrete Aufgaben 3 gestellt wie „Erkennung von Eigennamen“, zu denen die Veranstalter<br />
annotierte und validierte Daten zur Systementwicklung anbieten. <strong>Die</strong> Leistung der<br />
teilnehmenden Systeme wird dann an Testdaten evaluiert und verglichen. Analog dazu<br />
werden in einigen ILAP automatische quantitative Evaluationen gemacht, deren Ergebnisse<br />
erlauben, sich an anderen Lernenden zu messen oder eine bestimmte Vorgabe zu<br />
erreichen.<br />
Weiter gibt es interaktive Selbstevaluationen, die den Studierenden den Stand ihrer<br />
Lernphase rückmelden: <strong>Die</strong> von uns entwickelten Satzergänzungstests (SET) erlauben<br />
ein automatisches Kommentieren von Texten, welche die Lernenden aus Textbausteinen<br />
inkrementell auswahlgesteuert kombiniert haben. Sie erhalten dabei adäquate Kommentare,<br />
die sich aus den verwendeten Bausteinen berechnen. Damit lassen sich differenziertere<br />
Zwischenstufen als nur „falsch“ und „korrekt“ erfassen und rückmelden. Zu allgemeine<br />
oder zu spezifische Verständnisse von Begriffen lassen sich diagnostizieren und<br />
korrigieren. So erfahren die Lernenden, welche Teile des Lernstoffes sie können und<br />
welche Teile sie repetieren sollen. Zum Erstellen der SET haben wir ein graphisches<br />
Authoringtool entwickelt, das dem Test-Autor den komplexen Aufbau eines SET visualisiert<br />
und komfortable Such-, Editier- und Konsistenzüberprüfungsfunktionen anbietet.<br />
Schliesslich bietet das CLab als zweite Form der Selbstevaluation klassische Multiple-<br />
und Single-Choice-Tests an. Zusätzlich ist es den Lernenden möglich, über ein einfaches<br />
Web-Interface eigene Tests zu verfassen, die (nach Überprüfung) anderen Lernenden zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Nebst den oben erwähnten Grundlagentexten und den interaktiven Elementen enthält das<br />
CLab direkte Verknüpfungen zu Einträgen des institutseigenen Glossars, einer häufig<br />
genutzten Online-Ressource. Das CLab ist somit ein Portal für Inhalte und Aktivitäten,<br />
welche durch diese Schnittstelle einheitlich präsentiert, integriert und thematisch verknüpft<br />
werden. Das CLab wird im Sinne des „blended learning“ in Zukunft noch vermehrt<br />
in den Übungsbetrieb von Vorlesungen eingebunden, dessen Bedeutung mit der<br />
Einführung des Bologna-Systems an der <strong>Universität</strong> Zürich gewachsen ist.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[CH03] Kai-Uwe Carstensen and Michael Hess. Problem-based web-based teaching in a computational<br />
linguistics curriculum. Linguistik Online, 17:7–22, 2003.<br />
[Sa06] John R. Savery. Overview of problem-based learning: Definitions and distinctions. The<br />
Interdisciplinary Journal of Problem-based <strong>Learning</strong>, 1(1):9–20, 2006.<br />
[Se03] Eva Seiler-Schiedt. E-<strong>Learning</strong>-Strategie - vier Jahre Erfahrung an der <strong>Universität</strong><br />
Zürich. SWITCHjournal, 1:23–25, 2003.<br />
3 Vergleiche dazu etwa die Leitseite der „Conference on Computational Natural Language <strong>Learning</strong> (CoNLL)<br />
http://www.cnts.ua.ac.be/conll/, welche seit 1999 jährlich solche Wettbewerbe organisiert.<br />
302
E-<strong>Learning</strong> als ein Baustein der Hochschul- und Fakultätsentwicklung<br />
der Fachhochschule Kaiserslautern<br />
1 Einleitung<br />
Simone Grimmig<br />
Fachhochschule Kaiserslautern | e-<strong>Learning</strong> Support-Einheit (e-LSE)<br />
Amerikastr. 1<br />
66482 Zweibrücken<br />
simone.grimmig@fh-kl.de<br />
<strong>Die</strong> erfolgreiche und nachhaltige Integration neuer Medien in die Lehre ist für die Weiterentwicklung<br />
und Zukunftsfähigkeit der Fachhochschule Kaiserslautern (FH-KL) von<br />
großer strategischer Bedeutung, gerade auch im Hinblick auf die stetig wachsenden<br />
Anforderungen zur Wahrung der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />
und der kontinuierlichen Verbesserung der Lehrqualität. Um diese Entwicklung zu unterstützen<br />
wird von Seiten der Hochschulleitung eine integrierte (hochschulinterne und<br />
hochschulübergreifende) Doppel-Strategie, mit dem Ziel der nachhaltigen Medienentwicklung<br />
und durchgängigen Mediennutzung, verfolgt, die gemeinsam mit der e-<br />
<strong>Learning</strong> Support-Einheit (e-LSE) umgesetzt und weiterentwickelt wird.<br />
2 Hochschulinterne und hochschulübergreifende Strategie<br />
Der Aufbau lokaler Support-Strukturen durch die Etablierung einer e-LSE als erster<br />
Schwerpunkt der integrierten Doppel-Strategie schafft hochschulintern alle Voraussetzungen,<br />
um eine höchstmögliche Akzeptanz unter den Dozierenden der FH-KL zu erreichen<br />
und die bestmöglichen Rahmenbedingungen für den Einsatz und die Integration<br />
neuer Medien in der Lehre aufzubauen. <strong>Die</strong> e-LSE als eine zentrale Einrichtung der FH-<br />
KL bietet breitgefächerte kostenfreie <strong>Die</strong>nstleistungen an. Interessierte Dozierende der<br />
FH-KL können kollektive und individuelle Beratungsleistungen sowie eine Vielzahl von<br />
Schulungs- und Weiterbildungsangeboten zum Auf- und Ausbau von E-Kompetenzen<br />
wahrnehmen. Zusätzlich stellt ein umfangreiches Service-Angebot, wie Bereitstellung<br />
mobiler Hard-/Softwaretechnologien, Realisierungsbegleitung von E-<strong>Learning</strong>-Projekten<br />
und Vor-Ort-Betreuung, eine erfolgreiche Umsetzung der einzelnen Vorhaben sicher.<br />
Studierende werden im Rahmen der sog. Semestereinführungstage in der Benutzung der<br />
zentralen Lernplattform durch die e-LSE geschult. Zudem steht für sie während des<br />
gesamten Studiums ein Forum für asynchrone Support-Anfragen zur Verfügung.<br />
Das Projekt „Kompetenzentwicklung für den Einsatz neuer Medien in der Fachhochschullehre“<br />
(KE-FH) ist ein vom Land Rheinland-Pfalz gefördertes Verbund-Projekt an<br />
dem sich die FH-KL (in Kooperation mit weiteren Fachhochschulen und dem Virtuellen<br />
303
Campus Rheinland-Pfalz (VCRP)) beteiligt und stellt den zweiten Schwerpunkt der<br />
integrierten Doppel-Strategie der FH-KL dar. Das Projektziel besteht in der flächendeckenden<br />
Ausweitung des Einsatzes neuer Medien in der Lehre. <strong>Die</strong> im Projektteam von<br />
einzelnen Arbeitsgruppen entwickelten Werkzeuge, Wissens- und Erfahrungsbestände<br />
werden in einen großen Ressourcen-Pool eingestellt, aus dem sich die Projektbeauftragten<br />
der beteiligten Fachhochschulen zur lokalen Weiterverwendung bedienen können.<br />
Somit werden erhebliche Synergieeffekte generiert und ein optimaler Erfahrungs- und<br />
Wissensaustausch zwischen den Fachhochschulen ermöglicht und gefördert.<br />
2.1 Ready for E-<strong>Learning</strong><br />
„Ready for E-<strong>Learning</strong>“ als ein Produkt des KE-FH-Projektes ist eine 6-wöchige praxisbezogene<br />
hochschulübergreifende Weiterbildungsmaßnahme für Fachhochschullehrende,<br />
die sich intensiv mit den grundlegenden Themen des E-<strong>Learning</strong>s auseinandersetzt.<br />
Das Programm vermittelt E-<strong>Learning</strong>-Basisinformationen anhand eines integrativen<br />
Gesamtkonzeptes. Onlinephasen werden mit einigen speziellen Präsenzlernkomponenten<br />
ergänzt. Der Schwerpunkt des Programms liegt auf einem asynchronen Lehr-/Lern- und<br />
Kommunikationsprozess.<br />
2.2 Interne und externe Vernetzung und Kooperation<br />
Begrenzte Ressourcen erfordern bei einer geplanten flächendeckenden und langfristig<br />
orientierten Integration neuer Medien in die Lehre, den Aufbau umfassender Kooperationsnetzwerke,<br />
zur Erzielung eines höchstmöglichen Synergieeffekts und Informationsaustauschs.<br />
Durch die strategische hochschulleitungsnahe Verankerung der e-LSE kann<br />
eine zentrale Schnittstellen-Funktion zum Zwecke einer optimierten Vernetzung und<br />
Kooperation mit anderen (internen/externen) Einrichtungen wahrgenommen werden, die<br />
Zugriff auf einen umfassenden Ressourcenpool ermöglicht und zusätzlich die E-<br />
<strong>Learning</strong>-Strategie der eigenen FH in die landesweite Multimedia-Strategie integriert.<br />
3 Weitere strategische Schritte und Ausblick<br />
Nach dem Auf- und Ausbau lokaler Support-Strukturen und der Entwicklung des hochschulübergreifenden<br />
Weiterbildungsprogramms müssen nun weitere Mechanismen (z.B.<br />
Zielfestlegung/-vereinbarungen, Schaffung von Anreizstrukturen) entwickelt werden, die<br />
eine permanente Nutzung der neuen Medien in der Lehre gewährleisten und somit zu<br />
einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der FH-KL beitragen. Darüber hinaus sollen<br />
die einzelnen Fachbereiche bei der Integration neuer Lehr-/Lernformen durch Umsetzung<br />
von, mit Hochschulleitung, Fachbereichen und e-LSE gemeinsam entwickelter,<br />
fachbereichsspezifischer/-definierter Programme zur Kompetenzentwicklung im Prozess<br />
der Fakultätsentwicklung unterstützt werden.<br />
304
E-<strong>Learning</strong> in der Sekundarstufe II – Evaluation eines<br />
Modellversuchs an sportbetonten Gymnasien<br />
Thomas Köhler (1), Jens Drummer (2), Claudia Börner (1)<br />
(1) Technische <strong>Universität</strong> Dresden, Media Design Center<br />
Weberplatz 5, D-01062 Dresden<br />
Thomas.Koehler@tu-dresden.de<br />
(2) Sächsischer Bildungsserver / Sächsisches Bildungsinstitut<br />
drummer@www.sn.schule.de<br />
1 Darstellung des Schulversuches<br />
In Sachsen existieren sechs Spezialschulen für Schüler mit besonderen Fähigkeiten im<br />
sportlichen Bereich. Für Schüler, die während der Schulzeit regelmäßig an sportlichen<br />
Aktivitäten wie Trainingslehrgängen und Wettkämpfen teilnehmen, musste eine Möglichkeit<br />
geschaffen werden, um den versäumten Schulstoff nachzuholen. Im Jahr 2004<br />
wurde daher der Schulversuch „E-<strong>Learning</strong> an sportbetonten Schulen“ gestartet 1 um mit<br />
dem Einsatz von E-<strong>Learning</strong> die Qualität des Lernens zu verbessern. Im Rahmen des<br />
Schulversuches werden zwei Lernplattformen eingesetzt (WebCT und BSCL 2 ) und den<br />
Schulen als zentrale Installationen auf dem Sächsischen Bildungsserver zur Nutzung<br />
bereitgestellt. Der Schulversuch teilte sich in drei Phasen über je ein Schuljahr (Erstellung<br />
von Lehrinhalten, Testlauf an ausgewählten Schulen und Überführung in den Regelbetrieb).<br />
Dabei wurden im Zeitraum 2004 - 2006 insgesamt 16 Kurse unterschiedlicher<br />
Fächer für die sportbetonten Gymnasien entwickelt, die schrittweise einer Nutzung<br />
zugeführt werden.<br />
2 Evaluation des Modellversuchs<br />
<strong>Die</strong> wissenschaftliche Begleitung des Schulversuches wird im Zeitraum 2005-2007<br />
durch das Media Design Center der Technischen <strong>Universität</strong> Dresden ausgeführt 3 .<br />
Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung war und ist zu prüfen, ob das Hauptziel des<br />
Schulversuches - die Verbesserung der unterrichtlichen Unterstützung für sportlich stark<br />
belastete Schüler an sportbezogenen Schulen durch den Einsatz von E-<strong>Learning</strong> - in<br />
einem ökonomisch vertretbaren Rahmen erreicht wird. Weiterhin sollte die Untersuchung<br />
feststellen, inwieweit die Arbeit mit Onlinelernumgebungen die Selbstlernkompetenz<br />
der Schüler verbessert. <strong>Die</strong> Evaluation ist als Längsschnitt angelegt und in<br />
2 Schritte aufgeteilt. Schritt 1 (2005/06) umfasst die erste Datenerhebung und Vorbereitung<br />
der begleitenden Evaluation. Dazu gehört die Datenerhebung zur Analyse der Situa-<br />
1 http://www.sn.schule.de/index.php?auswahl=elearn&u_auswahl=eleas<br />
2 http://www.webct.com und http://bscl.fit.fraunhofer.de/<br />
3 http://tu-dresden.de/ unter Forschung und Projekte<br />
305
tion vor dem Einsatz von E-<strong>Learning</strong> im Rahmen von ELeaS. Schritt 2 (ab 2006/07)<br />
umfasst die sogenannte begleitende Evaluation, d.h. die Datenerhebung und Auswertung,<br />
einschließlich notwendiger Tests und Anpassung der Fragebögen, zur Bestimmung<br />
der Veränderung in Bezug auf die erzielte unterrichtliche Verbesserung, die erworbene<br />
Selbstlernkompetenz, die Mediennutzung und -kompetenz sowie den ökonomischen<br />
Aufwand.<br />
<strong>Die</strong> Bestimmung der unterrichtlichen Verbesserung hat das Ziel, zu ermitteln, ob neben<br />
den in der Ausschreibung aufgeführten zwei Problemen (keine unmittelbaren Rückkopplungsmöglichkeiten<br />
und zeitliche Entfernung zum eigentlichen Unterrichtsthema) weitere<br />
Probleme bestehen, die für die gegenwärtig unbefriedigende Situation verantwortlich<br />
sind. Zu fragen war hier insbesondere nach Motivation, Strukturierung des Unterrichtsverlaufs,<br />
mangelnder Verfügbarkeit von Hilfsmitteln und nach Mängeln in der Aufarbeitung<br />
des Lehrstoffes, die durch das Medium Arbeitsblätter bedingt sind. Auf Basis der<br />
bisher vorliegenden Daten des ersten Erhebungszeitpunktes zeigt sich, dass auf keiner<br />
der unterschiedlichen Dimensionen des Selbstlernens (Selbststeuerung, Dozentenverhalten,<br />
intrinsische Motivation, extrinsische Motivation, Handlungsspielraum, Kognitive<br />
Strategie, Regulation) ein signifikanter Unterschied zwischen der Nutzung von Arbeitsblättern<br />
versus e<strong>Learning</strong> im Hinblick nachgewesen werden konnte. Insofern bedeutet<br />
das e<strong>Learning</strong> auf keinen Fall eine Verschlechterung der Unterrichtsqualität gegenüber<br />
dem Lernen mit Arbeitsblättern.<br />
Zudem wird bei der Arbeit mit Arbeitsblättern nur von 35% der Schüler bestätigt, dass<br />
im Falle eines Problems der Lehrer schnell zu erreichen ist. Auch betonen 36,3% der<br />
befragten Schüler, dass die gegenüber dem Unterricht zeitversetzte Nutzung der Arbeitsblätter<br />
mehr oder weniger problematisch sei. Insofern zeigt sich, dass die Unterrichtssituation<br />
beim Lernen im Trainingslager besonders anspruchsvoll ist. Auf die Frage „Was<br />
sind aus Ihrer Sicht die drei größten Probleme beim Lernen mit Arbeitsblättern?“ antworten<br />
alle befragten 256 Schüler!<br />
Allerdings ist relativierend anzuführen, dass bisher nur ein kleiner Teil (12,9%) der<br />
befragten Schüler mit E<strong>Learning</strong>-Modulen überhaupt in Berührung gekommen sind.<br />
Typisch sind für die Schüler-Lehrer-Kommunikation zudem eher als klassisch zu bewertende<br />
Kommunikationsformen (Fax zum Dokumentenaustausch, Telefon), das Internet<br />
spielt dabei (noch) keine wesentliche Rolle, Email für Kommunikation und Dokumentenaustausch<br />
wurden weniger als halb so häufig genannt, das Lernmanagementsystem<br />
nur ein mal. Ob es tatsächlich zu einer unterrichtlichen Verbesserung durch das e<strong>Learning</strong><br />
kommt, kann erst durch den längsschnittlichen Vergleich beantwortet werden. Bei<br />
einer weiteren Differenzierung der beiden Lernmethoden nach dem Kaderstatus wird<br />
deutlich, dass mit höherem Kaderstatus (A) das Lernen mit E-<strong>Learning</strong> als auch das<br />
Lernen mit Arbeitsblättern als weniger anstrengend von den Schülern empfunden wird,<br />
als bei Schülern ohne oder mit geringerem Kaderstatus (C & D). Schließlich zeigt die<br />
Differenzierung der unterschiedlichen Schulstufen (10-13), dass die Anstrengung beim<br />
Lernen mit E-<strong>Learning</strong> mit zunehmender Schulstufe höher eingeschätzt wird. Bei dem<br />
Lernen mit Arbeitsblättern zeigt sich diese Systematik nicht.<br />
306
E-<strong>Learning</strong> im Spannungsfeld Schule<br />
Jens Drummer<br />
drummer@www.sn.schule.de<br />
1 Einsatzfelder von E-<strong>Learning</strong> in der Schule<br />
Der Nutzung von E-<strong>Learning</strong>, insbesondere die Verwendung von online basierten<br />
Lernplattformen, ist an Hochschulen und <strong>Universität</strong>en weitestgehend in den<br />
Regelbetrieb überführt. <strong>Die</strong> Nutzung dieser online basierten Lernangebote verlangt von<br />
den Studenten neue Kompetenzen für das Lernen. Schüler müssen in der Schule auf<br />
diese neuen Lernformen vorbereitet werden.<br />
In einigen Schulen wird das online basierte Lernen schon jetzt auf der verschiedener<br />
Ansätze. Zum einen sind dies kollaborative Lernszenarien, in denen Schüler und Lehrer<br />
gemeinsam ein Thema bearbeiten und durch Kollaborationstechniken neues Wissen<br />
erwerben, zum anderen stehen Schülern aufbereitete Lernkomplexe in Lernplattformen<br />
zur Verfügung 1 .<br />
<strong>Die</strong> derzeit existierenden online basierten Lehr- und Lernumgebungen ermöglichen es,<br />
eine Vielzahl von didaktischen Szenarien umzusetzen. Es existiert bisher noch keine<br />
Lernplattform, welche in der Lage ist, die Vielfalt von möglichen Szenarien zu<br />
realisieren. Wesentlich bei der Auswahl der Lernplattform ist das Ziel, welches durch<br />
deren Einsatz verfolgt wird.<br />
2 Sichten auf Lernumgebungen<br />
<strong>Die</strong> Erfahrung hat gezeigt, dass für die Anwendung in der Schule eine andere Sichtweise<br />
(als z. B. beim Einsatz in der universitären Lehre) auf die Lernplattformen sinnvoll ist.<br />
Bei der Sicht auf die Lernplattformen sollte vorrangig der pädagogische Nutzen der<br />
online basierten Lernplattform im Vordergrund stehen. <strong>Die</strong>se Sichten werden hier kurz<br />
beschrieben 2 .<br />
Bisher wurden Lernumgebungen in der Regel nach dem technischen Realisierungen<br />
(vgl. [BHM02]) bzw. nach didaktischen Ansätzen (vgl. [SBH01]) unterschieden. Nutzen<br />
Schüler Lernplattformen, haben Sie eine – vom Lehrenden vorgegebene – eigene Sicht<br />
auf die Lernumgebung.<br />
1 vgl. https://www.selgo.de/selgoportal/index.php und<br />
http://www.sn.schule.de/index.php?auswahl=elearn&u_auswahl=eleas<br />
2 Eine ausführliche Beschreibung finden Sie unter: http://www.lernen-online.org/vortraege/delfi2007.pdf<br />
307
Es eröffnet sich somit eine neue Sicht auf Lernumgebungen, die von der Person ausgeht,<br />
welche die Lerninhalte wahrnimmt. Grundlegend können zwei verschiedene Sichten auf<br />
die Nutzung von Lernplattformen unterschieden werden:<br />
! Sicht I: Primär kollaboratives System – Gruppenlernsystem (PKS): Lerner<br />
vertiefen und erweitern sowohl ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ihre<br />
Kenntnisse durch Zusammenarbeit mit anderen Lernern;<br />
! Sicht II: Sekundär kollaboratives System – Individuallernsystem (SKS): Lerner<br />
vertiefen und erweitern sowohl ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten als auch ihre<br />
Kenntnisse mithilfe der Lernplattform selbstständig.<br />
<strong>Die</strong>se beiden Sichten ergeben sich aus dem Blickwinkel der Lerner innerhalb der<br />
genutzten Lernplattformen. Während die Sicht II dem Schüler vorrangig die Lerninhalte<br />
präsentiert, er aber nur mittelbar Kontakt zu den anderen Lernern (welche den selben<br />
Stoff bearbeiten) aufnehmen kann, wird dem Schüler in Sicht I vordergründig den Blick<br />
auf die anderen Lerner innerhalb der Lernplattform eröffnet. Im Fokus der Sicht I steht<br />
die Kommunikation zwischen den Lernern während dieser Fokus bei der Sicht II auf<br />
eine individuelle Bearbeitung der Lerninhalte gerichtet ist.<br />
Beide Sichten stellen als Ziel die Wissensaneignung in den Vordergrund, welche jedoch<br />
auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden soll. Während bei der Sicht I – die der<br />
Lerner wahrnimmt – die Notwendigkeit der selbstständige Wissensaneignung durch die<br />
gewählten Werkzeuge vorgegeben ist, wird beim Gruppenlernen (Sicht II) ein<br />
gemeinsames Lernen mit oder ohne Lehrersteuerung angestrebt. In beiden Sichten kann<br />
der Lehrende mehr oder weniger stark steuernd eingreifen, jedoch wird der Schüler beim<br />
Individuallernen (Sicht I) dazu angehalten, sich die Lerninhalte weitestgehend<br />
selbstständig anzueignen. <strong>Die</strong> Kommunikationstools, welche die Lernplattform<br />
bereitstellt, dienen bei dieser Sichtweise dem Hinterfragen von Problemen, während<br />
dieselben Tools bei der Sichtweise des Gruppenlernens dazu dienen, dass der Lerner sich<br />
Lerninhalte zusammen mit anderen Gruppenmitgliedern erarbeitet und diskutiert.<br />
<strong>Die</strong>se beiden Sichten sollen dem Lehrer helfen, die für das jeweils geplante Szenario<br />
richtige Lernplattform auszuwählen. Unterstützt eine Lernplattform beide Sichtweisen,<br />
ist es dem Lehrer so besser möglich, die eigenen Lehrinhalte zu planen und somit den<br />
Unterricht effizienter zu gestalten, da er sich in diesem Fall nicht mehr auf die<br />
technischen Basis sondern auf der didaktischen Umsetzung konzentrieren kann.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[BHM02] Baumgartner, Peter; Häfele, Hartmut; Maier-Häfele, Kornelia: Evaluierung von<br />
Lernmanagement-Systemen. Theorie - Durchführung - Ergebnisse. In (Hohenstein, A. et<br />
al. Hrsg.): Handbuch E-<strong>Learning</strong>. Expertenwissen aus Wissenschaft und Praxis. Dt.<br />
Wirtschaftsdienst. Köln: Fachverlag Deutscher Wirtschaftsdienst, 2002.<br />
[SBH01] Seufert, Sabine; Back, Andrea; Häusler, Martin: E-<strong>Learning</strong>. Weiterbildung im Internet.<br />
Kilchberg: Smartbooks Publishing AG (= SMARTBOOKS); 2001.<br />
308
Autorenverzeichnis<br />
A<br />
Amsler, Michael 301<br />
B<br />
Baker, Ashraf Abu 79<br />
Baumgartner, Peter 57<br />
Bernstein, Abraham 103<br />
Börner, Claudia 305<br />
Brinda, Torsten 295<br />
Bünzli, Alexandra 301<br />
Büse, Daniel 221<br />
C<br />
Clematide, Simon 301<br />
D<br />
Dording, Carole 91<br />
Drummer, Jens 305, 307<br />
E<br />
Effelsberg, Wolfgang 33<br />
Erren, Patrik 245<br />
F<br />
Faatz, Andreas 269, 299<br />
Fenske, Wolfram 185<br />
Frankfurth, Angela 115<br />
Fredrich, Helge 139<br />
G<br />
Godehardt, Eicke 299<br />
Görtz, Manuel 269, 299<br />
Grimmig, Simone 303<br />
Gruber, Clemens 233<br />
Gurevych, Iryna 45<br />
H<br />
Haake, Jörg M. 9<br />
Hamborg, Kai-Christoph 233<br />
Hampel, Thorsten 209, 221, 245<br />
Hauske, Stefanie 103<br />
Hermann, Christoph 151<br />
Hoffmann, Andreas 297<br />
Huerst, Wolfgang 151<br />
I<br />
Iske, Stefan 21<br />
K<br />
Ketterl, Markus 233<br />
Kienle, Andrea 257, 269<br />
Kiesmüller, Ulrich 295<br />
King, Thomas 33<br />
Köhler, Thomas 305<br />
Kolbe, Harald 173<br />
Kopf, Stephan 33<br />
L<br />
Lampi, Fleming 33<br />
Latocha, Johann 151<br />
Lehmann, Lasse 139<br />
Linckels, Serge 91<br />
Lokaiczyk, Robert 269, 299<br />
Lucke, Ulrike 197<br />
M<br />
Meinel, Christoph 91<br />
Mühlhäuser, Max 45<br />
N<br />
Niehus, Dominik 245<br />
Nikolopoulos, Alexander 173<br />
309
O<br />
Ojstersek, Nadine 67<br />
P<br />
Piotrowski, Michael 185<br />
Probst, Malte 33<br />
R<br />
Reinecke, Katharina 103<br />
Rensing, Christoph 139, 293<br />
Roth, Alexander 221<br />
Roth, Sandra 301<br />
S<br />
Sack, Harald 281<br />
Schellhase, Jörg 115<br />
Schulze, Leonore 233<br />
Sprotte, René 221<br />
Steimle, Jürgen 45<br />
Steinbring, Marc 209<br />
Steinmetz, Ralf 139, 293<br />
310<br />
T<br />
Tavangarian, Djamshid 197<br />
Thomas, Ludger 127<br />
Thöny, Luzius 301<br />
Tillmann, Alexander 79<br />
Topcuoglu, Hülya 103<br />
W<br />
Waitelonis, Jörg 281<br />
Wannemacher, Klaus 161<br />
Welte, Martina 151<br />
Wessner, Martin 269<br />
Wolk, Christoph 151<br />
Z<br />
Zauchner, Sabine 57<br />
Zimmermann, Volker 139<br />
Zimmermann, Birgit 293